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Mit Guido mobil: Außenminister Westerwelle reist gerne mit Wirtschaftsbossen. Und offenbar besonders gerne mit solchen, die der FDP viel Geld gespendet haben. Die Opposition wittert Amtsmissbrauch. Die Opposition fordert Klarheit über einen möglichen Zusammenhang zwischen Parteispenden an die FDP und der Teilnahme an Reisen von Außenminister Guido Westerwelle (FDP). Die Öffentlichkeit müsse beurteilen können, "ob es hier unzulässige Zusammenhänge und Einflussnahmen gegeben hat", erklärte der Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck am Samstag in Berlin. Westerwelles Verhalten grenze an "Amtsmissbrauch", kritisierte Linken-Fraktionsvize Ulrich Maurer. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel nimmt Westerwelle Manager auf Auslandsreisen mit, die zuvor an die FDP gespendet haben. So sei bei seiner Südamerika-Reise in dieser Woche der Gründer von United Internet, Ralph Dommermuth, dabei. Dieser habe 48.000 Euro an die FDP überwiesen. Bei Westerwelles Antrittsbesuchen in Estland, Japan und China im Januar sei der Unternehmer Cornelius Boersch Teil der Delegation gewesen. Er ist den Angaben zufolge Gründer der Schweizer Beratungs- und Beteiligungsfirma Mountain Partners Group und hat der FDP bislang über 160.000 Euro gespendet. "Spenden an Regierungsparteien dürfen keine Auswirkungen auf die Zusammenstellung von Delegationen bei den Auslandsreisen von Bundesministern haben", erklärte der Grünen-Politiker Beck. Westerwelle müsse darlegen, welche Mitglieder seiner Delegationen zuvor direkt oder indirekt an die FDP gespendet haben. Andernfalls würden die Grünen eine parlamentarische Anfrage starten. "Guido Westerwelle macht Deutschland zur Bananenrepublik", erklärte Maurer. Er sei "als Außenminister untragbar geworden". Zudem habe sich Westerwelle erneut als Hotel-Lobbyist betätigt, erklärte Maurer mit Blick auf die Teilnahme des FDP-Chefs an der Eröffnung eines Luxus-Hotels in seiner Heimatstadt Bonn. Westerwelle war kürzlich bei der Eröffnung eines Bonner Luxushotels aufgetreten. Zu den Veranstaltern des Events gehört nach Angaben des Spiegel Westerwelles Lebensgefährte Michael Mronz. Der FDP-Chef hatte das Hotel vor Gästen wie TV-Moderator Thomas Gottschalk und Ex-Porno-Star Michaela Schaffrath feierlich eröffnet und als eines der weltweit "spannendsten Hotels" bezeichnet.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/aussenminister-in-der-kritik-der-tross-von-guidos-gnaden-1.14255
Außenminister in der Kritik - Der Tross von Guidos Gnaden
00/03/2010
Mit Guido mobil: Außenminister Westerwelle reist gerne mit Wirtschaftsbossen. Und offenbar besonders gerne mit solchen, die der FDP viel Geld gespendet haben. Die Opposition wittert Amtsmissbrauch.
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mlsum_de-train-601
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Als Bob Geldof mit "Live Aid" zu Spenden für die Hungernden in Äthiopien aufrief, kamen Millionen Dollar zusammen. Doch Rebellen sollen die Spenden nicht in Nahrung, sondern in Waffen investiert haben. Wenn Bob Geldof ruft, lässt sich die internationale Musik-Elite nicht lange bitten: Das war 2005 bei den weltweiten "Live 8"-Konzerten so - und auch 20 Jahre zuvor, als Geldorf für die Opfer der Hungersnot in Äthiopien Spenden sammelte, waren seine prominenten Musikerkollegen zur Stelle: Bono, David Bowie, Phil Collins, Boy George, Paul McCartney und viele weitere namhafte Musiker sangen 1984 gemeinsam "Do They Know It's Christmas Time?" - und traten ein Jahr später kostenlos bei den "Live-Aid"-Konzerten im Londoner Wembley Stadion und der Kennedy-Arena in Philadelphia auf. CD-Erlöse und ein weltweiter Spendenaufruf brachten Millionen für die Hungernden in dem afrikanischen Land. Doch nun kam heraus, dass ein Teil des Geldes möglicherweise nicht in Nahrung, sondern in Waffen investiert wurde. Ehemalige Anführer der äthiopischen Rebellenorganisation "Tigray People's Liberation Front" (TPLF) sagten der BBC, man habe damals "ein Drama" inszeniert, um Spendengelder zu erschleichen. 95 Prozent der rund 100 Millionen Dollar, die in die nördliche Provinz Tigray flossen, sollen demnach von den Rebellen, die das Gebiet damals kontrollierten, für militärische Zwecke verwendet worden sein. "Täuschungsmanöver für die NGOs" Überhaupt möglich wurde dies, weil zur Bewältigung der Hungersnot neben Nahrungsmittellieferungen aus dem Ausland auch Getreide von Bauern in Regionen Äthiopiens aufgekauft wurde, die einen Überschuss erwirtschaftet hatten. Die BBC berichtet von einem vermeintlichen Getreide-gegen-Spendengeld-Geschäft im Jahr 1984: Max Peberdy, Mitarbeiter einer christlichen Hilfsorganisation transportierte 500.000 Dollar in äthiopischer Währung aus dem Sudan über die Grenze nach Tigray, um dort Getreide einzukaufen. Doch anstatt Getreide soll in einem Großteil der erworbenen Säcke Sand gewesen sein - und der vermeintliche Korn-Verkäufer war in Wirklichkeit ein führendes TPLF-Mitglied. Der ehemalige TPLF -Rebell Gebremedhin Araya sagte BBC-Reportern: "Ich war gekleidet wie ein muslimischer Verkäufer - das war ein Täuschungsmanöver für die NGOs." Das Geld habe er dem damaligen Rebellenführer Meles Zenawi ausgehändigt. Geldof empört über BBC Peberdy selbst bestreitet den Schwindel und betonte, seines Wissens nach sei das Geld der hungernden äthiopischen Bevölkerung zugute gekommen. In 25 Jahren habe niemand etwas Derartiges behauptet. Gestützt werden Arayas Aussagen allerdings von einem weiteren ehemaligen Kopf der TPLF: Ex-TLFP-Kommandant Aregawi Berhe sagte der BBC, man habe die Mitarbeiter der Hilfsorganisationen "zum Narren gehalten". Das ergaunerte Geld sei zu 95 Prozent dazu benutzt worden, Waffen zu kaufen und innerhalb der Rebellenbewegung eine marxistische Partei zu etablieren. Medienberichten zufolge soll auch ein kürzlich veröffentlichter CIA-Bericht den Missbrauch von Spendengeldern in Äthiopien bestätigen. Der Groll der Helfer richtet sich indes nicht gegen die Rebellen: Der Independent berichtet, Geldof sowie führende Hilfsorgansiation, darunter Oxfam, das Rote Kreuz und Unicef, wollten einen Beschwerdebrief an den Vorsitzenden der BBC, Sir Michael Lyons, schreiben. Sie beklagen, die BBC-Reportage erwecke einen "gefährlich falschen Eindruck" und sei "naiver" Journalismus auf Basis der Aussage eines "verstimmten" Ex-Rebellen. Aregawi Berhe wurde 1985 aus der TPLF ausgeschlossen und lebt seitdem im Exil in den Niederlanden. Äthiopischen und eritreischen Rebellen gelang es Ende der 1980er Jahre, die Macht in Äthiopien zu übernehmen. Regiert wird das immer noch bitterarme Land seitdem von Meles Zenawi - eben jenem Rebellenführer, der die westlichen Hilsorganisationen offenbar so meisterhaft zu täuschen wusste.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/spendenskandal-um-live-aid-geldofs-death-aid-1.2780
"Spendenskandal um ""Live Aid"" - Geldofs ""Death Aid""?"
00/03/2010
Als Bob Geldof mit "Live Aid" zu Spenden für die Hungernden in Äthiopien aufrief, kamen Millionen Dollar zusammen. Doch Rebellen sollen die Spenden nicht in Nahrung, sondern in Waffen investiert haben.
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Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen haben die Wahllokale im Irak geöffnet - begleitet von Anschlägen mit Toten und Verletzten. Das öffentliche Leben in Bagdad und dem Rest des Landes liegt bereits seit Samstag danieder: verschärfte Sicherheitsvorkehrungen, ein weitgehendes Fahrverbot und nächtliche Ausgangssperren. Dennoch hat der Wahlsonntag für die irakische Bevölkerung mit Terror und Schrecken begonnen. Bei Bombenanschlägen und Granatenangriffen sind nach jüngsten Angaben 38 Menschen getötet und rund 110 weitere verletzt worden. Dies teilte das Innenministerium am Sonntagnachmittag mit. Das Terrornetzwerk al-Qaida hatte bereits vor den Wahlen gedroht, diese zu sabotieren. Unterdessen schlossen um 15 Uhr (17 Uhr Ortszeit) die Wahllokale. 19,8 Millionen Stimmberechtigte waren aufgerufen, aus 6200 Kandidaten die 325 Abgeordneten im nationalen Parlament zu wählen. Die Kandidaten traten für insgesamt fast 300 verschiedene Parteibündnisse, Listen und Einzelparteien an. Mit einem vorläufigen Wahlergebnis wird nach Angaben der Vereinten Nationen erst am 18. März gerechnet. Das offizielle Ergebnis dürfte Ende des Monats verkündet werden. Der TV-Sender Al-Scharkia berichtete, in der Nähe eines Wahllokals im Stadtteil Karch habe sich eine Selbstmordattentäterin in die Luft gesprengt. Auch aus den Provinzen Anbar, Ninive und Salaheddin wurden Explosionen gemeldet. In Ninive wurden nach Attacken drei Wahllokale geschlossen. Der Nachrichtensender Al-Arabija meldete, im Nordosten von Bagdad seien bei einer Hausexplosion zwölf Menschen ums Leben gekommen. Dies wurde jedoch offiziell zunächst nicht bestätigt. Adnan al-Schahmani, Kandidat der radikalen schiitischen Sadristen, entging einem Anschlag. Die streng bewachte so genannte "Grüne Zone", in der die Politiker wählen, wurde von vier Mörsergranaten getroffen. Dort wurde aber niemand verletzt. Vor allem in den Siedlungsgebieten der Sunniten hatten Extremisten Flugblätter verteilt, auf denen sie jedem drohen, der sich an der Wahl beteiligt. Ammar al-Hakim, Chef des hohen Islamischen Rates (ISCI), zeigt sich dennoch zuversichtlich, dass sich das irakische Wahlvolk nicht vom Urnengang abbringen lassen wird: "Diese Explosionen werden die Wähler nicht davon abhalten können, ihre Stimmen abzugeben." Auch am Tag der irakischen Parlamentswahl ist indes völlig offen, wer der zukünftige Premierminister des Landes sein wird. Letzte Umfragen sprechen für die Unzufriedenheit der Wähler mit der Regierung von Premier Nuri al-Maliki und der mit ihm verbündeten religiösen Parteien der Schiiten. Führungsstärke gesucht Wegen der desolaten sozialen Lage nach sieben Jahren Krieg und bürgerkriegsartiger Gewalt könnte die säkularen Parteiliste "Irakiya" bei der Wahl daher knapp vorne liegen: Das Irakiya-Bündnis spricht sowohl weltlich orientierte Schiiten als auch die politisch im Aus stehenden Sunniten an. Und es wird mit Ex-Premier Iyad Allawi von einem Politiker geführt, der ähnlich wie Maliki von einem Image der Führungsstärke profitiert. Wegen der Unzuverlässigkeit von Umfragen im Land halten viele Beobachter trotz eines leichten Vorteils für Irakiya ein relatives Patt bei der Wahl noch immer für wahrscheinlich. Der Gleichstand einiger großer politischer Bündnisse entlang der 20-Prozent-Marke also: Die Abstimmung, die zweite Parlamentswahl seit dem Sturz des Saddam-Regimes, könnte damit der Startschuss sein für einen wochenlangen Verhandlungspoker zwischen den konfessionell oder säkular organisierten Parteienlisten um die Person des neuen Regierungschefs. Obwohl Malikis Regierung das Land als Übergangsregierung weiter verwalten würde, könnte der Irak damit politisch für längere Zeit gelähmt sein. Die Schiiten-Parteien, die großteils islamistisch orientiert sind und die Wahlen 2005 klar gewonnen hatten, hätten die Abstimmung eigentlich auch diesmal dominieren müssen: Die Schiiten bilden die Bevölkerungsmehrheit im Irak. Sie haben bei dieser Wahl allerdings einen klaren Nachteil: Ihre Parteien treten zerstritten an. Ál-Hakim, als Chef des ISCI einer der wichtigsten Parteiführer der Schiiten, hält sich daher notgedrungen alle Optionen offen. Er nennt eine Zusammenarbeit mit den populärer gewordenen säkularen Parteien bei der Bestimmung des neuen Premierministers für möglich: "Es geht nicht um Ideologien, es geht um Programme", sagte er der Süddeutschen Zeitung in Bagdad. "Wir wollen einen starken Irak aufbauen. Jeder, der bei der Wahl das Vertrauen der Iraker gewinnt, ist uns willkommen." Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Premier al-Maliki das Bündnis der schiitischen Parteien geschwächt hat.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/wahl-im-irak-der-waehler-allein-bestimmt-den-fortgang-1.10498
"Wahl im Irak - ""Der Wähler allein bestimmt den Fortgang"""
00/03/2010
Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen haben die Wahllokale im Irak geöffnet - begleitet von Anschlägen mit Toten und Verletzten.
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mlsum_de-train-603
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Kaum ist Barbara Rosenkranz offiziell Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, sendet sie eindeutige Signale ins extreme rechte Eck. Die FPÖ-Politikerin will ein NS-Verbot kippen. Die Kandidatin hat sich beeilt, die Vorbehalte gegen sie rasch zu bestätigen. Kaum ist Barbara Rosenkranz, nach Parteibekunden "Ikone" der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), zur Bundespräsidentschaftskandidatin nominiert worden, schickt sie eindeutige Signale ins extreme rechte Eck: Das "Verbotsgesetz" gegen die "Wiederbetätigung im Sinne des Nationalsozialismus" widerspricht nach Ansicht von Rosenkranz der Meinungsfreiheit, sei somit verfassungswidrig und aufzuheben. Das hat jedoch der österreichische Verfassungsgerichtshof schon vor 25 Jahren ganz anders gesehen. Ein Wiener Rechtsanwalt, der in der NS-Zeit viele Familienmitglieder verloren hat, erstattet nun Anzeige gegen Rosenkranz - wegen "Wiederbetätigung". Wer der Verharmlosung das Wort rede und NS-Verherrlichung als "Meinungsfreiheit" propagiere, sei zumindest einer strafbaren "Vorbereitungshandlung" schuldig. Der Rekurs auf die Meinungsfreiheit in NS-Sachen gilt in Österreich als eindeutiges Szenesignal an Rechtsextremisten. Wiens Israelitische Kultusgemeinde nannte Rosenkranz' Nominierung eine Beleidigung der Opfer der Judenvernichtung. Der Zentralrat der Juden in Deutschland beklagt, sie sei "kein Betriebsunfall", sondern ein weiteres Beispiel für den "erschreckenden Rechtsruck" in Europa. Österreich habe da eine "bedauerliche Führungsrolle", denn schon Jörg Haider sei "eine Integrationsfigur für die Rechten über die österreichischen Grenzen hinaus gewesen", sagte der Zentralrats-Generalsekretär Stephan Kramer. Ob es Gaskammern im Dritten Reich gegeben habe, will Rosenkranz nicht beantworten. "Mein Geschichtsbild ist das eines Österreichers, der zwischen 1964 und 1976 in die Schule gegangen ist", sagt sie. Sie habe nicht die Absicht, daran etwas zu ändern. Damals war in Schulen von Nazi-Gräueln so gut wie nichts zu hören, von Österreichs Mitverantwortung schon gar nicht. Neuere Erkenntnisse haben für Rosenkranz keine Bedeutung. Ihr Mann Horst Jakob war in diversen inzwischen verbotenen Rechtsaußen-Organisationen tätig und gibt eine extremistische Zeitschrift heraus. Das zu kommentieren, findet Rosenkranz unangemessen. Inzwischen scheint der Österreichischen Volkspartei (ÖVP) zu dämmern, dass ihr Entschluss, zum amtierenden Staatsoberhaupt Heinz Fischer keinen Gegenkandidaten aufzustellen, aber auch keine Empfehlung für ihn auszusprechen, der FPÖ und Rosenkranz den Weg bereitet. Gewichtige Persönlichkeiten wie der Wirtschaftsbund-Präsident Christoph Leitl oder der frühere Parlamentspräsident Andreas Khol warnen vor einer Wahl von Rosenkranz, die von anderen ÖVP-Funktionären zur Alternative zum "zu sozialdemokratischen" Amtsinhaber Fischer ausgegeben wird. "Wählen wir sie!" Auch der Wiener Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn hat ungewöhnlich offen seine Abneigung kundgetan. Im Internet rauscht es nur so von Stellungnahmen der Schriftsteller und Künstler gegen die "Reichsmutter", wie sie oft genannt wird. Hans Dichand, der Herausgeber der Neuen Kronen Zeitung, der sich überdeutlich hinter dem Pseudonym "Cato" verbirgt und sein Blatt für die Verkörperung des gesunden Volksempfindens hält, hat jedoch die Parole ausgegeben: Diese "mutige Mutter" - Rosenkranz hat zehn Kinder - werde eine gute Bundespräsidentin sein. "Wählen wir sie!" fordert er. Der Innenpolitik-Chef des mächtigen Boulevardblattes, Claus Pándi, erklärte im Österreichischen Fernsehen, natürlich sei die Meinung des Herausgebers Blattlinie. Pikant daran: Pándis Ehefrau ist Sprecherin des sozialdemokratischen Bundeskanzler Werner Faymann, der zumindest bei populistischen Aktionen bislang stets die Sympathie der "Krone" genoss. Faymanns SPÖ aber macht naturgemäß Front gegen Rosenkranz.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/oesterreich-wenn-die-reichsmutter-ruft-1.6465
"Österreich - Wenn die ""Reichsmutter"" ruft"
00/03/2010
Kaum ist Barbara Rosenkranz offiziell Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten, sendet sie eindeutige Signale ins extreme rechte Eck. Die FPÖ-Politikerin will ein NS-Verbot kippen.
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mlsum_de-train-604
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Sie wollten beweisen, dass Walfänger den japanischen Steuerzahler betrügen, indem sie Fänge heimlich verkaufen - nun stehen zwei Tierschützer selbst unter Anklage. Ist es okay, Walfleisch zu klauen, um damit auf Schummeleien der japanischen Walfangflotte aufmerksam zu machen? Oder ist Diebstahl immer ein Vergehen? Mit dieser Frage muss sich in dieser Woche ein Gericht in Tokio befassen. Junichi Sato und Toru Suzuki von "Greenpeace Japan" hatten im Mai 2008 eine Kiste Walfleisch entwendet, um nachzuweisen, dass die Walfänger den Steuerzahler betrügen. Sie hofften, das japanische Volk damit gegen den Walfang zu mobilisieren, der ohne massive staatliche Zuschüsse nicht weiterzuführen wäre. Doch die beiden hatten sich verrechnet. Zwar begann die Polizei auf ihren Hinweis hin zu ermitteln, doch im Juni 2008 stellte sie ihre Untersuchungen ein - und verhaftete die zwei Aktivisten. Am Montag nimmt nun ein Bezirksgericht in Tokio den im Februar unterbrochenen Prozess gegen Junichi Sato and Toru Suzuki wieder auf. Angedroht wird den beiden sechs Monate Gefängnis. Sie beteuern ihre Unschuld. Japaner lieben kein Walfleisch Um trotz des seit 1986 geltenden Walfang-Moratoriums weiter Wale töten zu können, behauptet Japan, die Jagd sei aus wissenschaftlichen Gründen notwendig. Jedes Jahr erlegt Japan 600 bis 1000 Wale, deren Fleisch auch zum Konsum freigegeben wird - obwohl die Japaner kaum Walfleisch essen. Gibt es gelegentlich Wal im Supermarkt, dann bleibt der größte Teil trotz der günstigen Preise oft liegen. Weitergejagt wird dennoch. Die Tierschutz-Organisation Sea Sheperd liefert sich deshalb seit Jahren einen erbitterten Kampf mit der japanischen Fangflotte. Im Januar rammte das japanische Walfang-Begleitschiff Shonan Maru II das Schnellboot Ady Gil von Sea Sheperd. Mitte Februar kletterte der Neuseeländer Peter Bethune auf offener See im Morgengrauen heimlich auf die Shonan Maru II, um eine "Bürger-Verhaftung" der Besatzung vorzunehmen, wie er es formulierte. Das Schiff bringt ihn nun aus dem Südpazifik nach Japan zum Verhör. Für solche Proteste, die im Westen als ziviler Ungehorsam eingestuft werden, haben die wenigsten Japaner Verständnis. Jun Hoshikawa, der Chef von Greenpeace Japan, erkannte deshalb schon vor Jahren, die einzige Chance, Kritik am Walfang in der Bevölkerung zu provozieren: Man müsse klarmachen, wie viele Steuermillionen für den Walfang aufgewendet werden. Die Höhe der staatlichen Zuschüsse wird nicht veröffentlicht, inoffizielle Schätzungen gehen von bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr aus. 9,5 Kilo Walfleisch für jedes Crew-Mitglied Als Greenpeace im Frühjahr 2008 Hinweise erhielt, von dem Fang aus dem Südpazifik werde ein erheblicher Teil illegal an die Besatzung verteilt, hielten Junichi Sato und Toru Suzuki dies für ihre Chance, einen Skandal zu enthüllen. Die Crew schickte, so fanden die beiden heraus, falsch etikettierte Kisten mit Walfleisch an ihre Heimatadressen, um es dort an kleine Restaurants zu verkaufen. Sato und Suzuki fingen eine Lieferung mit 23 Kilo Fleisch ab, wie sie erklärten, um sie nach einer Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft zu übergeben. Dazu drangen sie ins Lager einer Privatpost ein und entwendeten die Kiste. Inzwischen gibt die Walfangfirma zu, jedes Crew-Mitglied erhalte pro Fahrt 9,5 Kilo Walfleisch. Die neue japanische Regierung signalisiert deutlich, sie suche im Streit um den Walfang einen Kompromiss. Allerdings wird sie, schon aus innenpolitischen Gründen, nicht einfach kapitulieren können. Und das auch nicht wollen. Ein Kompromissvorschlag sieht vor, dass Japan den Walfang in fernen Meeresgebieten aufgibt, insbesondere die Expeditionen in den Südpazifik, dafür duldet die internationale Gemeinschaft, dass Japan in begrenztem Umfang an den eigenen Küsten Wale jagt, so wie es in Norwegen praktiziert wird. Der Prozess dauert bis Ende der Woche, das Urteil wird für Juni erwartet. Der Anwalt der Aktivisten rechnet mit einem milden Urteil.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/walfang-in-japan-was-vom-wale-uebrig-bleibt-1.7895
Walfang in Japan - Was vom Wale übrig bleibt
00/03/2010
Sie wollten beweisen, dass Walfänger den japanischen Steuerzahler betrügen, indem sie Fänge heimlich verkaufen - nun stehen zwei Tierschützer selbst unter Anklage.
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Papst Benedikt XVI. war Münchner Erzbischof, als in katholischen Einrichtungen des Bistums Kinder sexuell missbraucht wurden. Eine Kirchenorganisation fordert nun Klarheit vom Vatikan. Auch die Politik will nach den vielen Skandalen nicht länger untätig sein. Die Welle an Missbrauchsskandalen in katholischen Einrichtungen setzt zunehmend den Vatikan unter Druck. Die Reformbewegung Wir sind Kirche sieht auch bei Papst Benedikt XVI. Klärungsbedarf. "Joseph Ratzingers Amtszeit als Münchner Erzbischof von 1977 bis 1982 gehört genau zu den Jahren, um die es bei den Missbrauchsfällen geht", sagte Wir sind Kirche- Sprecher Christian Weisner der Nachrichtenagentur dpa. Deshalb dränge sich die Frage auf, ob der damalige Münchner Erzbischof auch Kenntnis von solchen Übergriffen gehabt habe - und falls ja, wie er damit umgegangen sei. "Totale Offenheit ist der einzige Weg, das Vertrauen in die Amtskirche und vor allem in die Kirchenleitung wiederherzustellen." Auch Georg Ratzinger, Bruder von Papst Benedikt XVI., müsse sich Fragen zum Missbrauchsskandal bei den Regensburger Domspatzen gefallen lassen, sagte Weisner. Der 86-Jährige leitete den weltbekannten Chor 30 Jahre lang - von 1964 bis 1994. Der Vatikan betonte, die Missbrauchsfälle bei den Regensburger Domspatzen fielen nicht in die Amtszeit Georg Ratzingers. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, wird dem Papst nach Informationen der Bild am Sonntag am Freitag in Rom über den Skandal Bericht erstatten. Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper erklärte bereits am Samstag, angesichts der zahlreichen Missbrauchsfälle in Kircheneinrichtungen eine "ernsthafte Reinigung" für dringend nötig. "Genug! In unserer Kirche muss aufgeräumt werden!", grollte Kasper im Gespräch mit der italienischen Zeitung La Repubblica. Der Reformbewegung Wir sind Kirche reichen solche Ankündigungen nicht. Sie fordert von den Bischöfen ein sichtbares Zeichen der Reue. Ihr Sprecher schlägt vor: Die Deutsche Bischofskonferenz soll eine gut dotierte Stiftung zur Vorbeugung gegen sexuellen Missbrauch gründen. Außerdem müsse die katholische Kirche in Deutschland ihre Leitlinien von 2002 zum Umgang mit Missbrauchsfällen ändern, forderte Weisner. Hier reiche es nicht aus, dass ein Priester nach Missbrauchsfällen lediglich nicht mehr in der Kinder- und Jugendseelsorge eingesetzt werde. Wer in dieser Form kriminell werde, dürfe überhaupt nicht mehr Priester sein, forderte Weisner. "Solche Täter sind auch in anderen Bereichen - etwa in Altenheimen - als Seelsorger unzumutbar." Denn sie hätten beispielsweise für Beichtgespräche ihre moralische Autorität verloren. "Das macht mich zornig" Auch die Politik will nach den vielen Skandalen nicht länger untätig sein. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) kündigte Maßnahmen an, um weiteren Fällen sexueller Gewalt vorzubeugen. "Wo immer in Schulen und Internaten der Verdacht besteht, dass Missbrauch und Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen vorliegen, muss es null Toleranz geben und vollständige Aufklärung erfolgen", sagte die CDU-Politikerin der Bild am Sonntag. Schavan kündigte für die kommenden Tage Gespräche mit dem Präsidenten der Kultusministerkonferenz und den Vorsitzenden der Lehrerverbände an, um über konkrete Maßnahmen zu beraten. Gewalt und Missbrauch gegenüber Schülern sei der schwerste vorstellbare Vertrauensbruch. "Das macht mich zornig", erklärte die Ministerin. Nichts dürfe verheimlicht werden. "Eltern müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Kinder vor Missbrauch und Gewalt in pädagogischen Einrichtungen geschützt sind". Alarmglocken bei den Eltern Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger forderte einen runden Tisch, um die Anliegen der Opfer zur Sprache zu bringen und die Fälle aufzuarbeiten. "Besonders in Fällen, in denen die rechtliche Aufarbeitung nicht mehr möglich ist, kann ein runder Tisch den Dialog über die berechtigten Anliegen der Opfer eröffnen", sagte die FDP-Politikerin der Welt am Sonntag. Die niedersächsische Familienministerin Mechthild Ross-Luttmann riet Eltern, sich bei einem Missbrauchsverdacht an den Kinderarzt zu wenden. "Wenn ein Kind sich auffällig verändert oder sich plötzlich stark zurückzieht, müssen bei den Eltern die Alarmglocken angehen", sagte sie der Bild am Sonntag.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/missbrauchsskandal-vatikan-unter-druck-was-wusste-ratzinger-1.21726
Missbrauchsskandal: Vatikan unter Druck - Was wusste Ratzinger?
00/03/2010
Papst Benedikt XVI. war Münchner Erzbischof, als in katholischen Einrichtungen des Bistums Kinder sexuell missbraucht wurden. Eine Kirchenorganisation fordert nun Klarheit vom Vatikan. Auch die Politik will nach den vielen Skandalen nicht länger untätig sein.
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mlsum_de-train-606
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Die CDU wirft Landtagsabgeordneten der Linken vor, autonome Schläger geschützt haben. Die Beschuldigten halten das für einen Versuch, sie politisch zu diskreditieren. Die einen stellen es so dar: Landtagsabgeordnete in Thüringen missbrauchen ihre privilegierte Stellung und Immunität, um Kriminelle zu schützen. Die anderen entgegnen: Die Sachlage wird völlig verdreht, die Fakten stimmen nicht, das ist eine politische Schmutzkampagne. Die einen sind CDU-Vertreter im Erfurter Landtag. Die anderen sind die Abgeordneten der Linken. Vordergründig geht es um ein Ereignis, das schon länger zurückliegt. Am Abend des 30. Oktober 2009, so viel zumindest ist sicher, pöbeln ein paar vermummte Kerle in der Erfurter Innenstadt Passanten an, besprühen Jugendliche mit Reizgas und bewerfen sie mit Bierflaschen. Die Unbekannten flüchten in Richtung Pilse, einer kleinen Gasse um die Ecke. Dort gibt es ein Jugendzentrum, wo just an diesem Abend eine öffentliche Party stattfindet. Gastgeber: Susanne Hennig und Matthias Bärwolff, junge Abgeordnete der Linken, deren Wahlkreisbüro gleichzeitig ein offenes Jugendbüro ist. Etwa 60 Personen feiern das fünfjährige Bestehen der Einrichtung, deren Ziel es ist, Jugendliche für Politik zu begeistern. Zwölf Streifenwagen vor dem Haus Die Polizisten glauben, dass die Verdächtigen in das Jugendzentrum gelaufen sind, sich unter die Gäste gemischt haben. Sie umstellen das Gebäude, wollen hinein. Man muss es sich nach Angaben von Zeugen so vorstellen: Die Polizisten - mittlerweile stehen sechs, später zwölf Streifenwagen vor dem Gebäude - verlangen Einlass, Hennig und Bärwolff fordern zuerst einen staatsanwaltlichen Beschluss. Denn wie sie selbst unterliegen auch ihre Wahlbüros der Immunität, also einem besonderen Schutz vor Strafverfolgung. Die Polizisten und die Hausherren diskutieren, die Bereitschaftsstaatsanwältin wird mehrmals angerufen und muss sich rückversichern, es geht hin und her. Derweil bleibt das Gebäude von Polizisten umstellt, eine Flucht von Tatverdächtigen ist ausgeschlossen. Zwar können die Polizisten am Ende, gegen 1:30 Uhr nachts, das Gebäude betreten und die Verdächtigen festnehmen - einer ist im Saal, zwei kauern auf einem Flachdach im Hinterhof. Doch nun, Monate nach dem Vorfall, geht es in Erfurt darum, was in den Stunden zuvor passiert ist, wie weit die Immunität von Abgeordneten reicht, und vor allem warum und wie das Ereignis öffentlich diskutiert wird. Immunität soll aufgehoben werden Denn Susanne Hennig ist wegen Beleidigung und des Verdachts der versuchten Strafvereitelung angezeigt worden, ein anderer anwesender Abgeordneter der Linken, Frank Kuschel, wegen Beleidigung und Verdachts der versuchten Nötigung. Die Staatsanwaltschaft will ermitteln und hat beantragt, die Immunität der beiden aufzuheben. Die ganze Chose kam in Wallung, als ein Abgeordneter der CDU, Wolfgang Fiedler, eine schriftliche Anfrage zu dem Fall beim Landtag einreichte. Innenminister Peter Michael Huber (CDU) antwortete trotz laufenden Verfahrens bereitwillig. In der öffentlich zugänglichen Ausführung schreibt er: Hennig und Kuschel hätten der Polizei "in rechtswidriger Weise" den Zugang zum Gebäude verwehrt, einen Hinterausgang verschwiegen und so die Ergreifung der flüchtigen Täter erschwert. Obendrein hätten sie die anwesenden Polizisten beleidigt. Daraufhin griff eine Lokalzeitung die Darstellung auf und behandelte das Ereignis unter dem Titel "Jagdszenen in Erfurts Altstadt". Wer den Artikel liest, muss glauben, das Wahlkreisbüro der Linken diene regelmäßig linksradikalen Schlägertrupps als Zufluchtsstätte vor der Polizei. Fraktionschef Bodo Ramelow ist erzürnt: Das sei eine Gruselgeschichte, die "hauptsächlich dem Reich der Phantasie entsprungen ist", ein typischer Versuch, die Linke zu diskreditieren.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/thueringen-vorwuerfe-gegen-linke-erfurter-gruselgeschichte-1.5940
Thüringen: Vorwürfe gegen Linke - Erfurter Gruselgeschichte
00/03/2010
Die CDU wirft Landtagsabgeordneten der Linken vor, autonome Schläger geschützt haben. Die Beschuldigten halten das für einen Versuch, sie politisch zu diskreditieren.
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mlsum_de-train-607
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In der Hartz-IV-Debatte hat sich nun auch SPD-Vize Hannelore Kraft dafür ausgesprochen, gemeinnützige Jobs für Langzeitarbeitslose zu schaffen. "Diese Menschen können zum Beispiel in Altenheimen Senioren Bücher vorlesen, in Sportvereinen helfen oder Straßen sauber halten", sagte die SPD-Spitzenkandidatin für die NRW-Landtagswahl im Mai dem Spiegel. Die FDP begrüßte den Vorschlag, nachdem Parteichef Guido Westerwelle für seine Forderung scharf kritisiert worden war, Hartz-IV-Empfänger sollten zu gemeinnützigen Arbeiten wie Schneeschippen verpflichtet werden. Herbe Kritik kam vom CDU-Sozialflügel und der Linken. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte unterdessen, dass Bezieher von Arbeitslosengeld II bessere Anreize bekommen sollen, um wieder ins Arbeitsleben einzusteigen. Symbolischer Aufschlag SPD-Vize Kraft sagte in dem Interview: "Wir müssen endlich ehrlich sein. Rund ein Viertel unserer Langzeitarbeitslosen wird nie mehr einen regulären Job finden." Für sie müsse so schnell wie möglich "ein Gemeinwohl-orientierter Arbeitsmarkt" aufgebaut werden. Mehrkosten für den Staat entstünden nicht. "Die meisten Langzeitarbeitslosen werden sich über eine sinnvolle Beschäftigung freuen, selbst wenn sie dafür nur einen symbolischen Aufschlag auf die Hartz-IV-Sätze bekommen." FDP-Generalsekretärs Christian Lindner erklärte dazu in Berlin, mit den Äußerungen von Kraft gestehe die SPD erstmals ein, dass es im Sozialstaat einen Erneuerungsbedarf gebe. "Wir fordern die SPD auf, in der Tradition von Gerhard Schröder und Wolfgang Clement zu einer Politik des Forderns und Förderns zurückzukehren." Der Bundesvorsitzende des CDU-Sozialflügels, NRW-Arbeitsminister Karl-Josef Laumann, nannte es "unerträglich", dass die SPD- Landeschefin einem Viertel der rund 570.000 Hartz-IV-Empfänger keine Chance mehr einräume. Er warf ihr vor, das eigene Land nicht zu kennen. Heute schon arbeiteten mehr als 70.000 Menschen in solchen gemeinnützigen Jobs. Linken-Vize Klaus Ernst kritisierte, Kraft plane nichts anderes als eine Verschärfung von Hartz IV. "Ein-Euro-Jobs gibt es schon heute. Das Modell funktioniert nicht." Arbeit ohne Lohn nehme den Menschen die Würde. "Wenn die SPD in NRW auf Null-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose setzt, gibt es keine Gesprächsgrundlage", sagte Ernst mit Blick auf die Landtagswahl am 9. Mai. Das SPD-Präsidium will sich Informationen des Spiegels zufolge wahrscheinlich an diesem Montag mit Vorschlägen zur Korrektur der Hartz-Arbeitsmarktreformen befassen. Die Neujustierung der Reform gehöre zu den wichtigsten Anliegen von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel, schreibt das Magazin. Kanzlerin Merkel trat in einem Interview von Kölner Stadt-Anzeiger und Frankfurter Rundschau dafür ein, Hilfen für Kinder von Hartz-IV-Beziehern auch als Sachleistungen zu geben. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts werde die Regierung prüfen, "wie kinderspezifische Bedarfe am besten abgegolten werden können, also auch durch Sachleistungen wie schulische Angebote und nicht nur durch Transferzahlungen".
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-debatte-strassen-fegen-und-vorlesen-1.6961
Hartz-IV-Debatte - Straßen fegen und vorlesen
00/03/2010
SPD-Vize Hannelore Kraft plädiert dafür, gemeinnützige Jobs mit symbolischem Lohn für Arbeitslose zu schaffen - und erntet prompt herbe Kritik.
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Unabhängige Urteile gegen die Interessen des Staates sind in Russland so selten wie Schnee im August. Der Rechtsstaat ist hohl, denn Täter und Opfer bekämpfen sich in Parallelwelten. Im zaristischen Russland kannte die Justiz viele Vergehen, die es heute nicht mehr gibt. Eines davon beging der Gefangene Jemeljan Bogoljubow, als er sich weigerte, vor dem Stadtgouverneur von Sankt Petersburg die Mütze zu ziehen. Der Gouverneur war leicht zu kränken. Obwohl körperliche Bestrafung abgeschafft war, ließ er Bogoljubow auspeitschen. Dessen Freunde, radikale Studenten, kochten vor Wut, und als Erste schritt Vera Sasulitsch zur Tat. Sie schoss mit einem Revolver auf den Gouverneur, streifte ihn, wurde gefasst und vor Gericht gestellt. Die Verteidigung hielt ein leidenschaftliches Plädoyer. Die Geschworenen ließen sich vom Schicksal der jungen Attentäterin rühren, und das Wunder geschah: Vera Sasulitsch wurde freigesprochen. Ein seltener Moment für die russische Justiz. Heute, 140 Jahre später, wäre Sasulitsch so gut wie chancenlos. Geschworenengerichte, von den Sowjets abgeschafft und erst nach der Perestroika wieder eingeführt, dürfen nicht mehr über Fälle mit terroristischem Hintergrund entscheiden. Mehr noch: Unabhängige Urteile gegen die Interessen des Staates sind heute so selten wie Schnee im August. Die gelenkte Justiz, die dem Willen von Politikern, hohen Beamten oder auch gut vernetzten Geschäftsleuten folgt, ist längst eines der zentralen Scharniere im autoritären Apparat. Vera Sasulitsch würde heute nach Straßburg gehen, vor den Menschenrechtsgerichtshof, wo die Zahl der Fälle aus Russland lawinenartig angewachsen ist. Aus keinem Land kommen mehr Beschwerden. In Straßburg klagen die Kinder Anna Politkowskajas, die Witwe des vergifteten Agenten Alexander Litwinenko und gefolterte Tschetschenen. Hier suchen die Opfer des Polizisten Denis Jewsjukow Recht, der zwischen Supermarktregalen um sich schoss und nun nichts mehr erinnert. Auf Straßburg hoffen Yukos-Gründer Michail Chodorkowskij und die Aktionäre des zerschlagenen Konzerns. Womöglich bringen gerade die Yukos-Eigner mit ihrer Rekordforderung von knapp 100 Milliarden Dollar den russischen Staat finanziell und argumentativ in Bedrängnis. Verfassung ohne Garantie Zwar ist die russische Verfassung ein Manifest der Freiheit, aber das war die sowjetische Verfassung auch, und trotzdem waren die Verhältnisse Ende der sechziger Jahre noch so entsetzlich, dass ein hungernder Häftling einen anderen fragte, ob er, wenn dieser sich mal wieder die Pulsadern aufschneide, das Blut trinken dürfe - so geschildert in den Gulag-Erinnerungen eines Bekannten von Andrei Sacharow. Bis heute liegen Welten zwischen Verfassungsanspruch und Rechtspraxis, und in den Augen vieler Russen ist einzig Straßburg der Garant ihrer konstitutionellen Rechte. Der Präsident ist es jedenfalls nicht. Dort, in Straßburg, erfüllt sich das Versprechen auf jenen Rechtsstaat, von dem Medwedjew redet, seitdem er vor zwei Jahren als Präsident installiert wurde. Bisher ist dieser Rechtsstaat aber Utopie geblieben. Anders als in China, das Russland so oft als Beispiel für effizienten Dirigismus vorgehalten wird, anders auch als in Amerika, das in Moskau so gern Respekt vor der Würde des Menschen einfordert, wird in Russland die Todesstrafe nicht vollstreckt. Doch damit enden die guten Nachrichten fast. Medwedjew hat Funktionäre in Polizei und Strafvollzug entlassen, die elektronische Fußfessel eingeführt und eine drastische Schrumpfung des Polizeiapparates versprochen. Aber das überwältigende Gefühl der Ohnmacht gegenüber einem System, das Recht nur dem Stärkeren zuspricht und Sadisten in Uniform schützt, hat er seinen Bürgern nicht nehmen können. Als jüngst Polizisten im Internet von willkürlichen Festnahmequoten sprachen, bestätigten sie nur, was jeder ahnte. Wie zu Zeiten des Justiz-Verächters Leo Tolstoi betrachten viele Menschen Gesetze als biegsame Instrumente der Mächtigen, die zu umgehen nicht nur möglich, sondern geradezu existentiell ist. An diesem Samstag wollen Demonstranten in Moskau einen "Neustart" der Miliz fordern, was ihnen ausnahmsweise erlaubt wurde. An Medwedjews Reformversprechen aber glaubt gerade ein Drittel der Bevölkerung. Schließlich hatte auch Wladimir Putin, nach ähnlicher Entrüstung über ähnliche Übergriffe eine ähnliche Reform verkündet. Das war vor sechs Jahren. Parallelwelt mit Radiosender Seitdem ist nicht nur die Zahl der Polizisten gestiegen, sodass Russland heute mehr Milizionäre beschäftigt als einst die gesamte Sowjetunion. Auch die Zahl der Häftlinge ist explodiert. Jeder vierte männliche Russe hat Gefängnis- oder Lager-Erfahrung gesammelt - in einer Parallelwelt, die inzwischen den Namen "die Zone" trägt. Über Jahrzehnte hat die Zone mit ihren Gesetzen und Hierarchien, mit eigenen Codes aus Tätowierungen und Musik, von der ganze Radiosender leben, ganze Teile der Gesellschaft geprägt. Die Zone ist ein "Way of Life". Nicht alle Russen finden das anstößig. Harte Strafen selbst für Bagatelldelikte gehören zu einem Strafvollzug, der traditionell nicht auf Resozialisierung zielt, sondern auf Sühne. Wenn jedes Rechtssystem etwas über das Verhältnis einer Gesellschaft zum einzelnen Menschen verrät, dann sieht der russische Staat seine Menschen als brandgefährliche und unverbesserliche Subjekte. Die Zone zielt auf Abschreckung und Ausgrenzung, sie befriedigt die Rachegelüste und das Sicherheitsbedürfnis einer Führung, die sich von ihren Bürgern potentiell immer und in Zeiten sozialen Abstiegs besonders bedroht sieht. Chodorkowskij hat einen Teil seiner Haftstrafe im Fernen Osten abgebüßt, als ließen sich Störenfriede in den endlosen Weiten des Landes irgendwie entsorgen. Die Zone trennt Russland von einer humaneren Gesellschaft, sie trennt Russland von Europa. Wenn aber auf Medwedjews jetzige Polizeireform nicht mal diejenigen hoffen, die am meisten unter der Polizei leiden, ist Russland dann überhaupt rechtsstaatfähig? Und wirkt Straßburg dabei fördernd oder hinderlich? Nach jedem Urteil wegen Folter, Verschleppung oder Rechtsbeugung klagen russische Politiker über antirussische Reflexe und eine politisierte Justiz, aber bislang hat Moskau die Geldstrafen stoisch hingenommen und wie in einem Ablassritual gezahlt. Seit Jahren sprechen russische Richter Urteile in Straßburg. Jüngst hat die Duma das Zusatzprotokoll ratifiziert, das die Verfahren beschleunigen kann. Und nicht nur Georgien, auch Russland klagte nach dem Krieg 2008 in Straßburg. Das alles deutet auf eine Anerkennung der Instanz hin, auch wenn der Kreml - und da unterscheidet sich Medwedjew nicht von Putin - die Regeln gern mehr zu seinen Gunsten ändern würde. Präsident und Premier müssen aber das Risiko abwägen, wenn sie eine größere Rolle in einem international respektierten Club spielen wollen. Eine unabhängige Justiz, die zugunsten beraubter Unternehmer oder marginaler Oppositioneller urteilen könnte, kann auf kurz oder lang das autoritäre System ins Wanken bringen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/strafvollzug-in-russland-die-neue-zone-1.15650
Strafvollzug in Russland - Die neue Zone
00/03/2010
Unabhängige Urteile gegen die Interessen des Staates sind in Russland so selten wie Schnee im August. Der Rechtsstaat ist hohl, denn Täter und Opfer bekämpfen sich in Parallelwelten.
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Über allem liegt ein goldenes Strahlen, denn unter der Führung der Ayatollahs erwarten die Unterdrückten endlich Gerechtigkeit und Freiheit. Ein gigantisches Gemälde grüßt die Einwohner am Eingang von Sadr-City. Es signalisiert auf acht mal vier Meter in Öl Hoffnung für die Menschen. Es zeigt zwei berühmte schiitische Geistliche, die die irakischen Massen zum Aufstand führen. Nadir Hazoun, der Maler des Propaganda-Bildes, steht vor seinem Werk und sagt: "Es verkörpert die islamische Revolution gegen Saddam Hussein und seine Baath-Partei. Die Menschen erheben sich gegen die Tyrannei, fordern eine islamische Ordnung. Die Nation vereint sich unter der irakischen Flagge." Das Armenhaus der Stadt Die Umsetzung der künstlerischen Vision lässt aber auf sich warten. Das Viertel Sadr-City bleibt das Armenhaus von Bagdad. In den Straßen verfault der Müll, vor den Häusern stehen brackige Abwasserlachen, in dem Dreck wühlen Ziegen, Schafe, Pferde und Esel. Über den pfeilgeraden Straßen und Häusern liegt das Brummen riesiger Generatoren. Der Staat liefert kaum Strom, die Einwohner müssen ihn privat kaufen. Mindestens 2,5 Millionen Menschen leben in der am Reißbrett schachbrettartig angelegten Riesensiedlung. In den sechziger Jahren als "Revolutions-Stadt" erbaut, sollte sie den armen Schiiten aus dem Süden in der Hauptstadt ein besseres Leben bieten. Erfüllt wurden die Versprechen nicht. Weder Saddam Husseins Vorgänger noch der Diktator haben etwas getan für die ausschließlich schiitischen Bewohner von Sadr-City. Den Namen bekam der Stadtteil nach dem Sturz der Diktatur zu Ehren der religiösen Führer. Auch die neue, demokratisch gewählte Regierung, in der die Schiiten-Parteien stark sind, hat die Verhältnisse im Armenhaus von Bagdad nicht verändert. Das Gemälde des Malers Hazoun zeichnet daher die derzeitige Stimmung gut nach. In Sadr-City hat die radikalste der irakischen Schiiten-Parteien das Sagen, die Sadristen, bekannt als al-Ahrar, die Partei der Freien. Unter der Führung des als Feuerkopf geltenden Predigers Muqtada al-Sadr hatten die Sadristen im innerirakischen Bürgerkrieg nach der US-Invasion an vorderster Front gestanden. Ihre Mahdi-Armee wird für zahllose Gräueltaten gegen die Sunniten verantwortlich gemacht, sie kämpfte als gefürchtete Miliz gegen die amerikanischen Truppen. Bei der Parlamentswahl an diesem Sonntag dürfte ein großer Teil der Einwohner für die Sadristen-Partei stimmen, Sadr-City ist die Hochburg der al-Ahrar. In letzter Zeit bekennen die Sadristen sich zur Politik statt zum Gewehr. Unter der Führung Muqtada al-Sadrs haben sie bei den Wahlen Chancen, im schiitischen Lager "Vereinigte irakische Allianz" sehr gut abzuschneiden. Der junge al-Sadr ist Sohn und Neffe der beiden von Saddam Hussein ermordeten, auf dem Propaganda-Gemälde gefeierten Geistlichen Muhamed Muhamed Baqir al-Sadr und Muhammed Sadiq al-Sadr. Der politische Erbe der beiden als Märtyrer verehrten Männer lebt derzeit in Iran. Offiziell, um sich dort religiösen Studien zu widmen, in Wahrheit befürchtet er wohl seine Verhaftung, wenn er zurückkehrte. Die große Frage ist deshalb, ob Sadr nach der Wahl in den Irak zurückkommen würde. Keine Arbeit, keine Versorgung Hakim al-Sameli tritt in Sadr-City für die Islamisten-Partei an. Er sagt: "Die Regierung von Premier Nuri al-Maliki tut nichts für die Menschen hier. Wir haben für fast drei Millionen Einwohner nur ein einziges Krankenhaus und drei Hospitäler. Es gibt keinen Strom, und das Trinkwasser ist verschmutzt und stinkt. Die Schulen sind miserabel. Es gibt keine Arbeit." Sameli sagt nicht dazu, dass seine Partei Maliki mit an die Macht gebracht hat und selbst mit in der Regierung sitzt. Er war eine Weile Vize-Gesundheitsminister, saß dann wegen Korruptionsvorwürfen eineinhalb Jahre in Haft. Während seiner Amtszeit soll er sich als Politiker der religiösen Spaltung gezeigt und die sunnitischen Angestellten aus dem Staatsdienst verdrängt haben. Er selbst weist dies als pure Propaganda seiner Gegner und der Amerikaner zurück. Sameli ist tiefgläubiger Schiit und beinharter Islamist. Politik steht bei ihm unter einer frommen Konstante: der Ankunft des Mahdis, der religiösen Erlöserfigur der Schiiten. Die Rückkehr des vor Jahrhunderten verschwundenen Imam Mahdi auf die Erde läutet für die Schiiten den Jüngsten Tag ein. "Ich bin überzeugt, dass ich die Ankunft des Mahdis selbst noch erlebe", sagt Sameli. Die diesseitige Agenda Samelis und seiner Sadristen-Partei ist handfester: "Wir wollen endlich Gerechtigkeit für die sozial Benachteiligten." Sameli fordert eine "islamische Regierung, aber nicht wie bei den Taliban". Gegen die Amerikaner Wie so viele andere nahöstliche Islamisten-Parteien verbinden die Sadristen ihre soziale Agenda mit dem Anspruch auf islamistische Herrschaftsformen. Ganz oben auf der Forderungsliste steht die Freilassung der Gefangenen. "Noch immer sitzen Tausende von uns in den Gefängnissen der Maliki-Regierung und der Amerikaner", sagt Sameli. "Sie werden gefoltert und ermordet", behauptet er. Hinter dem zwischen Washington und Bagdad vereinbarten Truppenabzugsabkommen wittert der Sadristen-Kandidat eine Verschwörung. Er vermutet, die US-Truppen wollten "für immer im Irak" bleiben. Wenn die Amerikaner nicht bis 2011 gingen, müsse man "mit allen Mitteln" gegen sie kämpfen. Das ist eine ernstzunehmende Drohung. Zwar hatte die Armee die Mahdi-Miliz 2008 in einer landesweiten Offensive zusammen mit den US-Truppen in die Enge gedrängt und entwaffnet, Muqtada al-Sadr floh nach Iran. Zweifellos haben die Sadristen aber einen Teil ihres Schießgeräts behalten. Und auch ohne Waffen sind sie schwer einzuschätzen. Als starker Faktor im neuen Parlament, der bei der Bestimmung des nächsten Premiers mitzureden hat, könnten sie das Verhältnis zwischen Bagdad und Washington stark belasten. Wie sehr die Regierung Maliki den Sadristen misstraut und das Millionenheer der Habenichtse von Sadr-City fürchtet, zeigt sich an der Präsenz der Armee in dem Armenviertel. Mit seinen Tausenden Soldaten, Kontrollpunkten und Straßensperren gleicht Sadr-City vor der Wahl einer von irakischen Truppen besetzten Stadt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlen-im-irak-bagdads-furcht-vor-der-armee-der-armen-1.13198
Wahlen im Irak - Bagdads Furcht vor der Armee der Armen
00/03/2010
Jahrelang hat Iraks Regierung das Elendsviertel Sadr-City vernachlässigt. Nun werden bei der Parlamentswahl am Sonntag Millionen Einwohner die Gegner von Premier Maliki wählen.
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Der Vorsitzende der Linksfraktion im Saarbrücker Landtag, Oskar Lafontaine, hat Neuwahlen im Saarland gefordert. Er sei überzeugt, dass viele Bürger nicht die Grünen gewählt hätten, wenn sie vorher gewusst hätten, dass die Partei allein im Wahljahr mit 47.500 Euro vom FDP-Kreisvorsitzenden und Unternehmer Hartmut Ostermann unterstützt wurde, erklärte der scheidende Linken-Chef. Es sei naiv zu glauben, dass damit keine Gegenleistung erwartet worden wäre. "Für uns steht fest: Die Jamaika-Koalition wurde zusammengekauft und ist nicht auf demokratisch legitimierte Weise zustande gekommen." Die Saar-Grünen hatten am vergangenen Donnerstag mitgeteilt, im vergangenen Jahr von der Victor's-Gruppe - Ostermann ist dort Vorsitzender des Aufsichtsrats - 47.500 Euro an Spenden erhalten zu haben. Sie wehren sich aber gegen Vorwürfe, mit den Parteispenden sei Einfluss auf die Regierungsbildung genommen worden. Die Entscheidung für die Jamaika-Koalition mit CDU und FDP habe der Landesparteitag in geheimer Abstimmung mit großer Mehrheit und ohne Kenntnis irgendwelcher Spenden getroffen, hieß es. Der Unternehmer Ostermann hatte für die FDP an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen. Ein Untersuchungsausschuss im Landtag will voraussichtlich vom 24. März an klären, welche Rolle er beim Zustandekommen der bundesweit ersten schwarz-gelb-grünen Koalition auf Landesebene hatte.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-lafontaine-fordert-neuwahlen-im-saarland-1.22656
Lafontaine fordert Neuwahlen im Saarland
00/03/2010
Laut dem scheidenden Linken-Chef Lafontaine ist die Saarbrücker Jamaika-Koalition zusammengekauft worden. Kurzmeldungen im Überblick.
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Diese beiden haben schon viele eigenartige Sätze übereinander gesagt. Und nichts davon war lustig, auch wenn Peter Harry Carstensen gern wie ein schelmenhafter Großvater grinste, wenn er mal wieder eine böse Bemerkung über Ralf Stegner vom Stapel gelassen hatte, und die letzte Bemerkung des schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten in einer launig gemeinten Rede zum Aschermittwoch fiel. Im Verhältnis der beiden dürfte die einzig komische Aussage eine Feststellung von SPD-Landeschef Stegner aus dem vorigen Sommer sein. Als die große Koalition in Kiel zerbrach, behauptete Stegner beharrlich, dass es nicht um eine persönliche Fehde, sondern um einen politischen Streit gegangen sei. Die Fehde ruht nicht In Kiel würden sich heute viele wünschen, dass es so gewesen wäre. Doch sechs Monate nach der Landtagswahl, die Carstensen die schwarz-gelbe Mehrheit und seinem Antipoden Stegner einen Karriere-Knick brachte, können die beiden ihre Fehde nicht ruhen lassen. An Freitag zündeten sie vor der Pressekammer des Hamburger Landgerichts die nächste Eskalationsstufe. Sogar ein Aufgebot an Spitzenpolitiker kam aus Kiel nach Hamburg. So sollten CDU-Innenminister Klaus Schlie und Fraktionschef Christian von Boetticher einen Vorgang bezeugen, den Carstensen behauptet und den Stegner als Angriff auf seine Ehre ansieht. Zumindest für die Öffentlichkeit sieht es aus, als ob es diesmal Carstensen war, der einen heftigen Hieb auf Stegner setzen wollte, der in der in Teilen der SPD als Chef auf Abruf gilt, geduldet nur, bis ein besserer kommt. Am Aschermittwoch hatte Carstensen in seiner Rede über Stegner geätzt und ein in Kiel längst legendäres Telefonat vom September 2007 erwähnt. Dieses Telefongespräch war ein erster trauriger Höhepunkt der "neurotischen Beziehung dieser beiden Männer, die nicht über sich selbst hinausgucken können", wie die Fraktionschefin des Südschleswigschen Wählerverbunds, Anke Spoorendonk, sagt, die beide seit langem kennt. Brisantes Telefonat In jenem September stellte Carstensen nach Monaten des Dauerstreits in der großen Koalition den damaligen Innenminister Stegner, den er als Stänkerer sah und nicht mehr ertragen wollte, vor die Wahl: Er solle das Kabinett verlassen oder er würde entlassen. Bei jenem Telefonat in aufgeheizter Stimmung hörten 25 Spitzenpolitiker der CDU mit. Damals habe Stegner, so Carstensen am Aschermittwoch, ihn gebeten, daran zu denken, dass er noch wenige Monate brauche, um Ansprüche auf die Ministerpension zu erhalten. Die Aussage fand damals wenig Beachtung. Erstens war über dieses Telefonat schon 2007 viel kolportiert worden. Zweitens ignorierten die meisten Medien in Kiel den Vorgang zunächst bewusst. Für sie war es, als ob eine Leiche aus einem trüben Moor ans Tageslicht kam, die alle lieber vergessen wollten. Doch Stegner ist keiner, der so etwas leise vermodern lässt. Er verlangte empört eine Entschuldigung für den "unanständigen Angriff" und machte die Geschichte richtig bekannt, als er Carstensen rechtliche Schritte androhte. Der tat ihm den Gefallen und wiederholte seine Darstellung. Also setzte Stegner eine einstweilige Verfügung durch, die Carstensen wiederum nicht hinnehmen wollte. Nach seinem Widerspruch traf man sich nun vor Gericht, jetzt mit viel Publikum. Von zwei Mimosen, die beide gern austeilen, sprach die Oppositionspolitikerin Spoorendonk vor dem Prozess deprimiert. "Das ist peinlich. Sie fangen da wieder an, wo sie im September aufgehört haben." Richter Andreas Buske empfahl vergeblich eine gütliche Einigung. Man solle das ganze als Missverständnis betrachten. Das Gericht wolle sich nicht vorstellen, dass es vom Ministerpräsidenten oder dem SPD-Chef belogen werde. Wenig überraschend mochten sich die Parteien aber nicht einigen und stiegen in ein Verfahren ein, das schon deshalb schwierig sein musste, weil die Zeugen auf Carstensens Seite zwar dessen Telefonat mitverfolgt hatten, aber dabei nicht hörten, was Stegner sagte. Sie konnten also nur bezeugen, wie sie hörten, dass Carstensen Stegner empört fragte, ob er im Angesicht des Amtsverlusts nun über seine Pensionsansprüche reden wolle. Diese Aussage Carstensens bestritt Stegner gar nicht. Aber er selbst habe das Thema gar nicht angesprochen, sagte er vor Gericht. Überhaupt habe er damals längst Anspruch auf eine Pension als Staatssekretär gehabt, auch brauchte er keine weiteren Monate für die Ministerpension. Die Zeugenvernehmung ging in den Abend hinein. Am Ende konnten die beiden nur einen Vergleich schließen. Darin sagten Carstensen und Stegner einander zu, sich öffentlich nicht mehr zu der Frage zu äußern, ob Stegner am 17. September am Telefon seine Pensionsansprüche thematisiert hat.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/posse-carstensen-stegner-neurotische-kombination-1.20704
Posse Carstensen/Stegner - Neurotische Kombination
00/03/2010
Warum Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Carstensen und SPD-Landeschef Stegner vor Gericht über ein Telefongespräch streiten.
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Das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung war wohl eines der wichtigsten des scheidenden Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Hans-Jürgen Papier zieht sein Fazit. Ende einer Dienstzeit: Zwölf Jahre lang gehörte Hans-Jürgen Papier dem Bundesverfassungsgericht an, seit 2002 war er dessen Präsident. Der Staatsrechtler Papier, der schon im April nach München an die Ludwig-Maximilians-Universität zurückkehren wird, hat mit dem furiosen Urteil zur Vorratsdatenspeicherung einen Schlusspunkt hinter seine Amtszeit gesetzt. Ein Richterspruch mit Konsequenzen - inzwischen will die EU-Kommission die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung prüfen. SZ: Herr Präsident Papier, am Dienstag um 10.10 Uhr haben Sie das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung verkündet. Ist ihre letzte Entscheidung eine der wichtigsten ihrer Amtszeit? Hans-Jürgen Papier: Ja, eine der wichtigsten zum Spannungsfeld von Freiheit und Sicherheit. Ich bin davon überzeugt, dass sie - nicht rechtlich, aber faktisch - europaweite Wirkung hat, zumal ja alle Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass das Verbot einer Totalüberwachung zur Identität der Verfassung Deutschlands gehört und auch von der europäischen Gesetzgebung nicht im Grundsatz negiert werden darf. Das ist eine Entscheidung, die weit über den konkreten Fall hinausreicht. SZ: Welches Urteil Ihrer Amtszeit würden sie als ähnlich bedeutend ansehen? Papier: Eine ganz wichtige Entscheidung war die zum Luftsicherheitsgesetz. Und zwar, weil dort klargestellt wurde, dass der Menschenwürdeschutz nicht abwägungsfähig ist. Das war wichtig, weil in der Wissenschaft Tendenzen der Relativierung auszumachen waren. Wichtige Fortentwicklungen enthielt auch das Urteil zur Online-Durchsuchung. SZ: Ist das Urteil also eine Art Vermächtnis ihrer Rechtsprechung? Papier: Jedenfalls sind diese Urteile durchgängig von einer Reihe tragender Prinzipien geprägt. So wurde ein Menschenwürdekern in den speziellen Freiheitsrechten herausgearbeitet, sei es beim Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung, beim Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses oder beim sogenannten Computergrundrecht. SZ: Ein Muster, das sich ebenfalls wiederholt, ist: Der Gesetzgeber hat sich zu weit vorgewagt und wurde korrigiert. Papier: Gesetze, die Grundrechtseingriffe ermöglichen, müssen nicht nur den Menschenwürdekern unangetastet lassen, sondern auch auf ein angemessenes Verhältnis von Zweck und Mittel achten und hinreichend bestimmt sein. Einige Gesetze des Bundes und der Länder sind - absichtlich oder unabsichtlich - über das Ziel hinausgeschossen, Terrorismus oder Schwerkriminalität zu bekämpfen. Teilweise haben sie auch die einfache Alltagskriminalität erfasst ... SZ: ... und deshalb hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt eingegriffen. Papier: Man muss fairerweise anerkennen, dass seit dem 11. September 2001 neue Gefährdungslagen bestehen und die verfassungsrechtlichen Grenzen neuer Instrumente etwa bei der Gefahrenabwehr noch nicht geklärt waren. Wenn wir jetzt eine gewisse verfassungsrechtliche Klärung erreicht haben, können sich Bund und Länder daran orientieren. SZ: Diesmal haben sie dem Gesetzgeber keine Zeit zur Korrektur gelassen, sondern die Vorratsdatenspeicherung mit sofortiger Wirkung für nichtig erklärt. Gibt es eine Regel dafür, wann Sie Übergangsfristen gewähren? Papier: Ist ein Gesetz verfassungswidrig, ist die Nichtigkeit die gesetzliche Regelfolge. Gerade bei den Sicherheitsgesetzen, etwa bei der Online-Durchsuchung oder bei der automatisierten Überwachung von Kfz-Kennzeichen, wurde die Nichtigkeit ausgesprochen. Fristen können dem Gesetzgeber als Ausnahme von dieser gesetzlichen Regel eingeräumt werden, wenn in der Übergangsphase ein Zustand ohne jede Regelung noch unbefriedigender wäre als ein vorübergehender Fortbestand des beanstandeten Gesetzes. Lasten für den Haushalt können dabei von Belang sein. SZ: Vier Richter wollten diesmal eine Übergangsfrist gewähren. Haben also die anderen vier Richter, die sich mit der sofortigen Nichtigkeit durchgesetzt haben, die nun beschworene Sicherheitslücke als nicht so gravierend angesehen? Papier: Wenn Sie das so sehen wollen. SZ: Sie haben im Urteil gesagt, das Verbot der Totalüberwachung gehört zur Verfassungsidentität Deutschlands und ist damit "europafest". Nun fragt man sich auch vor dem Hintergrund der geplanten Speicherung von Fluggastdaten: Wann beginnt diese Totalüberwachung? Papier: Ich kann zu weiteren denkbaren Verfahren nichts sagen, will aber den Gedanken aus unserem Urteil etwas präziser umreißen. Nach deutschem Verfassungsrecht ist eine vorsorgliche, anlasslose und flächendeckende Sammlung personenbezogener Daten unverdächtiger Bürger durch den Staat im Prinzip unzulässig. Sie kann nur erlaubt sein in Verbindung mit einer präzisen Zweckbestimmung. Ich finde, das ist eine wichtige Aussage: Schon die Vorratsdatenspeicherung als solche ist verfassungswidrig, weil angesichts der Schwere des Eingriffs in das Fernmeldegeheimnis die Regeln über die Verwendung der Daten zu undifferenziert und zu weit waren. Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Konflikte es mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg geben kann. SZ: Sie haben das Verfahren nicht dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg vorgelegt. Es hat den Anschein, dass sie dem Konflikt diesmal noch ausgewichen sind. Papier: Wir sind nicht dazu berufen, Konflikte mit internationalen Gerichten zu suchen, sondern wir entscheiden, was an uns herangetragen wird. Ich bin überzeugt, dass die Lösung, die wir gefunden haben, nach deutschem Verfassungsverständnis zwingend war. Es war schlicht nicht entscheidungserheblich, ob die EU-Richtlinie gültig ist oder nicht, weil die grundrechtlichen Gewährleistungen des Grundgesetzes einer - anders gestalteten - Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber nicht entgegenstehen. Deshalb kam eine Vorlage an den EuGH nicht in Betracht. SZ: Der EuGH hat kürzlich den deutschen Kündigungsschutz für jüngere Arbeitnehmer als einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot eingestuft. Ungewöhnlich war: Der EuGH hat die deutschen Gerichte angewiesen, die entsprechenden Paragrafen nicht anzuwenden. Ist der EuGH damit zu weit gegangen? Papier: Zu diesem konkreten Fall möchte ich mich nicht äußern. Allgemein kann man sagen, der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gegenüber nationalem Recht ist grundsätzlich unbestritten. Anstatt über Urteile des EuGH zu klagen, sollte man schon beim Erlass von Gemeinschaftsrecht ansetzen - die Normen fallen ja nicht vom Himmel. Ich warne seit jeher vor einer Normenflut, das gilt auch für die EU. Je mehr Unionsrecht erlassen wird, desto mehr Entscheidungen des EuGH wird man erwarten müssen. Die Gesetzgeber sollten sich öfter fragen: Muss etwas überhaupt geregelt werden? Und muss das unbedingt auf EU-Ebene stattfinden? Auch die nationalen Parlamente erhalten hier durch den Vertrag von Lissabon eine herausragende Stellung ... SZ: ... eine Stellung, die sie bisher nicht ausreichend nutzen? Papier: Zumindest die nach früherem Recht bestehenden Möglichkeiten wurden nicht hinreichend genutzt. SZ: Konfliktpotential birgt auch das Verhältnis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Waren sie in den letzten Jahren über manches Judikat aus Straßburg überrascht? Papier: Divergierende Entscheidungen und ein ungewolltes Spannungsverhältnis sind im Verhältnis zum Menschenrechtsgerichtshof wahrscheinlicher als im Verhältnis zum EuGH. Weil sich jeder Beschwerdeführer aus Deutschland in Straßburg zuvor an das Bundesverfassungsgericht wenden muss, besteht die Möglichkeit unterschiedlicher Entscheidungen zum selben Sachverhalt ... SZ: ... und auf der Basis sehr ähnlicher Rechtsquellen ... Papier: Ja. Die meisten Rechte aus der Europäischen Menschenrechtskonvention sind inhaltlich den Grundrechten des Grundgesetzes ähnlich. Ich bin ein großer Anhänger eines sich ergänzenden Grundrechtsschutzes - nicht eines Schutzes, der sich durch divergierende Entscheidungen auszeichnet. Davon haben die Bürger in Europa nichts. SZ: Wie lässt sich das erreichen? Papier: Trotz kollegialen Austausches werden Divergenzen sich nicht immer vermeiden lassen. Ich wünsche mir, dass der EGMR sich vor allem auf die Feststellung offensichtlicher Fehler und willkürlicher Ergebnisse beschränkte und nicht nach Art einer Superrechtsmittelinstanz Einzelfallabwägungen der nationalen Gerichte korrigierte und ersetzte. SZ: Viele Kritiker meinen, Karlsruhe wage sich zu weit in die Politik vor. Papier: Die letztverbindliche Entscheidung über die verfassungsrechtlichen Grenzen des politischen Handlungsspielraums trifft nach unserem Grundgesetz nun einmal das Verfassungsgericht. Diese Grenzen lassen sich nicht abstrakt oder statisch festlegen. Wer dem Gericht diese Entscheidungsmacht über die Abgrenzung von politischen Spielräumen und gerichtlicher Kontrolle entziehen will, beginnt die Verfassungsgerichtsbarkeit der Sache nach in Frage zu stellen. Auch in den meisten Verfassungsstaaten ist das richterliche Prüfungsrecht gegenüber Gesetzen inzwischen selbstverständlich. SZ: Ihre zwölfjährige Amtszeit geht in wenigen Tagen zu Ende. Hat sich während dieser Zeit ihr Koordinatensystem verändert? Kommt man anders raus aus dem Gericht, als man reingegangen ist? Papier: Das hohe Niveau der Beratungskultur im Bundesverfassungsgericht hat mich beeindruckt. Man muss die Kollegen mit Argumenten überzeugen und nicht mit von außen herangetragenen Einschätzungen. SZ: Dienstag, 2. März, 12.30 Uhr: Mit welchem Gefühl haben Sie nach ihrem letzten Urteil den Saal verlassen? Papier: Mir war bewusst, dass mir eine große Veränderung bevorsteht. Aber ich kann nicht sagen, dass ich von Wehmut geplagt bin. Ich habe die Lasten, die mit dem Amt verbunden sind, gern getragen. Ich bin aber nach zwölf Jahren auch froh, dass ich diese Lasten ablegen kann. Andreas Voßkuhle wird neuer Präsident Der Wahlausschuss des Bundestags den bisherigen Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, zum neuen Präsidenten. Offizieller Amtswechsel ist voraussichtlich Mitte März. Der auf Vorschlag der SPD gewählte Freiburger Professor wird die nächsten zehn Jahre an der Spitze des Gerichts stehen und - wie schon seit Mai 2008 - den Zweiten Senat leiten. Den Vorsitz im Ersten Senat übernimmt der Tübinger Professor Ferdinand Kirchhof, ein CDU-Kandidat, der dem Gericht seit Oktober 2007 angehört. Der dritte Nachfolger ist Andreas Paulus: Der auf dem "FDP-Ticket" gewählte Professor für Völkerrecht an der Universität Göttingen übernimmt die frei werdende Richterstelle im Ersten Senat.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/verfassungsrichter-papier-gegen-die-totalkontrolle-1.4215
Verfassungsrichter Papier - Gegen die Totalkontrolle
00/03/2010
Das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung war wohl eines der wichtigsten des scheidenden Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts. Hans-Jürgen Papier zieht sein Fazit.
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"In unserer Kirche muss aufgeräumt werden" - Mit drastischen Worten geißelt der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper den Missbrauch in katholischen Einrichtungen. Heftige Reaktion aus Rom: Der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper hält angesichts der zahlreichen Missbrauchsfälle in Kircheneinrichtungen eine "ernsthafte Reinigung" für dringend nötig. "Genug! In unserer Kirche muss aufgeräumt werden!", grollte Kasper im Gespräch mit La Repubblica. Die Schuldigen müssten verurteilt, die Opfer entschädigt werden, sagte der im Vatikan für die Einheit der Christenheit verantwortlich Kardinal der römischen Tageszeitung. Es sei gut, dass Papst Benedikt XVI. Klarheit schaffen wolle und "Null-Toleranz" denen gegenüber verlange, die sich mit so schwerer Schuld beschmutzten. Die jüngste Welle von Missbrauchsfällen in Deutschland könnte auch in den angekündigten Brief einfließen, den der Papst wegen der dortigen Skandale an die katholische Kirche in Irland vorbereite, deutete Kasper an. Der Kurienkardinal erklärte, "große Traurigkeit, tiefe Enttäuschung, Schmerz und viel, viel Wut" wegen der sexuellen Missbrauchsfälle mit minderjährigen Opfern zu verspüren. "Das sind kriminelle, schändliche Akte", geißelte der Kirchenmann die Fälle, "nicht hinnehmbare Todsünden". "Es handelt sich um verabscheuungswürdige Verbrechen, die mit absoluter Entschlossenheit verfolgt werden müssen", so Kasper und weiter: "Dafür gibt es keine Rechtfertigung." Dieses Übel habe sich in der Gesellschaft eingegraben, also auch in der Kirche, "die, wie wir wohl wissen, nicht immun gegen Sünden ist." Er sage dies nicht, um etwas zu rechtfertigen, erläuterte Kasper. Vielmehr gehe es darum, eine "Tragödie" zur Kenntnis zu nehmen, bei der alle angesprochen seien. Der Kurienkardinal wies darauf hin, dass vergleichbare Vorgänge wie auch den Niederlanden und den USA belegt seien. Kasper, dienstältester Kardinal an der Kurie, ist neben seiner Leitung des vatikanischen Ökumene-Rats auch Mitglied der Glaubenskongregation und des Obersten Gerichtshofs der Apostolischen Signatur. Schüler als "sexuelle Dienstleister" Inzwischen mehren sich die Enthüllungen über Missbrauch und Misshandlungen an kirchlichen Einrichtungen, zuletzt aber auch an einer hessischer Reformschule, die in privater Hand ist. In der renommierte Odenwaldschule in Ober-Hambach, eine Einrichtung für Reformpädagogik, waren zwar bereits vor zehn Jahren Vorwürfe von zwei früheren Schülern gegen den damaligen Schulleiter bekannt geworden. Jetzt jedoch räumt die Odenwaldschule ein, dass Berichte über 20 Opfer vorliegen und mindestens drei Lehrer beschuldigt werden. Frühere Schutzbefohlene berichteten der Frankfurter Rundschau, dass es 50 bis 100 Opfer gegeben habe. Ehemalige Schüler sagten der Zeitung, dass sie als "sexuelle Dienstleister" für ganze Wochenenden eingeteilt und zu Oralverkehr gezwungen wurden. Einzelne Pädagogen hätten ihren Gästen Schüler zum sexuellen Missbrauch überlassen. 30 Opfer in Jesuiten-Gymnasium Auch im Rheinland wurden neue Missbrauchsfälle bekannt. Am Bad Godesberger Jesuiten-Gymnasium Aloisiuskolleg haben sich nach Informationen der Kölnischen Rundschau 30 ehemalige Schüler sowie ein Schüler von heute gemeldet. Diese haben in den vergangenen vier Wochen Vorwürfe im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch vorgebracht, wie die Tageszeitung unter Berufung auf eine Arbeitsgruppe des Kollegs berichtet. Der Sprecher des Jesuitenkollegs, Robert Wittbrodt, erklärte, teilweise handele es sich um "heftige Berichte" bis hin zu sexuellen Handlungen. Gegen sechs Patres würden Vorwürfe erhoben, von denen fünf inzwischen verstorben seien. Die heftigsten Anschuldigungen beträfen strafrechtlich verjährte Vorfälle in den 50er und 60er Jahren. Allerdings ermittelt die Staatsanwaltschaft dem Bericht zufolge in einem Fall aus dem Jahr 2005 noch gegen den 82-Jährigen Pater, der angeblich demenzkrank ist. Ausmaß bei Domspatzen größer als bekannt Auch der Missbrauchskandal bei den Regensburger Domspatzen nimmt immer größere Ausmaße an. Der Spiegel berichtete, Therapeuten im Münchner Raum behandelten mehrere ehemalige Domspatzen, die durch sexuelle und andere körperliche Misshandlungen traumatisiert wurden. Der Komponist Franz Wittenbrink, der bis 1967 im Internat der Domspatzen lebte, spricht im Nachrichtenmagazin von einem "ausgeklügelten System sadistischer Strafen verbunden mit sexueller Lust", das dort bestanden habe. Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) forderte die Kirche zur konsequenten Zusammenarbeit mit der Justiz auf. "Es gibt Fälle, in denen es nicht so läuft, wie es laufen sollte", sagte die CSU-Politikerin der Süddeutschen Zeitung. Es sei für sie unabdingbar, dass die Kirche sofort die Staatsanwaltschaft einschalte, wenn sie Hinweise auf Missbrauch erhalte. Ähnlich hatte sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) geäußert. Sie befürwortet die Einrichtung eines Runden Tisches zur Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, wie sie in der Welt am Sonntag bekräftigte.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kirche-und-missbrauch-nun-will-der-vatikan-durchgreifen-1.6713
Kirche und Missbrauch - Nun will der Vatikan durchgreifen
00/03/2010
"In unserer Kirche muss aufgeräumt werden" - Mit drastischen Worten geißelt der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper den Missbrauch in katholischen Einrichtungen.
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Die Pleitebank Icesave hat 300.000 Isländern Milliardenschulden eingebrockt. Doch die finden es ungerecht, dass sie für Unternehmensfehler haften sollen - und stimmen nun im Zorn ab. Wut ist ein Gefühl, das sich schwer kontrollieren lässt. Erla Osk Asgeirsdottir hat es fast geschafft. Auf die Bankenpleite angesprochen, sagt die Isländerin: "Ich möchte nicht wütend sein." Ihre blaugrauen Augen blicken dabei ruhig nach vorne, doch die Hände ballt sie fest zusammen, die Fingernägel graben sich in den Handrücken. "Wir müssen jetzt in die Zukunft blicken." Die 32-Jährige weiß, dass manchem Isländer allein dieser Satz die Zornesröte ins Gesicht treiben würde. Auch, weil er ausgerechnet von ihr kommt. Erla Osk ist Abgeordnete der konservativen Unabhängigkeitspartei, die viele für die Misere verantwortlich machen. Zudem hat sie früher für Icesave gearbeitet - jene Pleitebank, deren Milliardenschulden die 300.000 Einwohner Islands nun zurückzahlen sollen. Seit Monaten diskutieren sie über kaum etwa anderes, denn die Schulden werden wohl eine ganze Generation belasten. Es geht um fast vier Milliarden Euro, die britische und niederländische Kleinsparer auf Konten der Internetbank Icesave eingezahlt und bei der Pleite im Oktober 2008 verloren hatten. Die Regierungen in London und Den Haag erstatteten ihren Bürgern damals die Verluste, nun sollen die Isländer den Schaden ersetzen. Doch die finden es ungerecht, dass sie für die Fehler der Banken haften sollen. Als das Parlament im Dezember die Rückzahlung beschloss, gab es Proteste, der Präsident ordnete ein Referendum an. An diesem Samstag sollen die Isländer nun über das Icesave-Abkommen entscheiden. Sie werden es ablehnen, auch Erla Osk wird mit Nein stimmen. Die Isländer sind zornig, sie fühlen sich von Großbritannien und den Niederlanden bei den Verhandlungen über den Tisch gezogen. Nicht einmal die Regierungspolitiker wollen am Wochenende noch für das Gesetz stimmen, das sie einst selbst ausgearbeitet haben. Großbritannien und die Niederlande haben unter dem Eindruck der Proteste ohnehin schon ein besseres Angebot vorgelegt. Es ist bizarr, dass trotzdem noch über den alten Vertrag abgestimmt wird. Doch will man den Wählern wohl auch einfach diese Möglichkeit lassen, in einem Referendum einmal "Nein" zu sagen und ihrem Ärger Luft zu machen. Die Isländer sind natürlich nicht nur wütend auf Briten, Niederländer und Politiker, sondern auch auf die Geschäftsleute, die die Schulden verursacht haben. Manche sind auch sauer auf Erla Osk. Als die vor kurzem als Nachrückerin ins Parlament einzog, ätzte ein Blogger: "Die Icesave-Königin nimmt Platz im Parlament." Erla Osk sieht es mit Humor. "Der Titel Königin hat mir gefallen", sagt sie. "Aber die Leute überschätzen meine Rolle in der Bank." Zusammenbruch im Oktober 2008 Erla Osk war bei Icesave für Marktforschung im Ausland zuständig. Landsbanki, der Mutterkonzern, benötigte 2008 nach waghalsigen Spekulationen dringend Devisen. Da kam jemand auf die Idee mit den Auslandskonten. Der Start in den Niederlanden und Großbritannien verlief gut: Mehr als 400.000 Kleinsparer vertrauten ihr Geld den Isländern an. Erla Osks Aufgabe war es, in zehn Ländern zu untersuchen, wo noch potentielle Kundschaft wartete. Die Ergebnisse waren vielversprechend: Landsbanki, ein Geldinstitut mit 120-jähriger Geschichte, weckte Vertrauen. Und die Testpersonen, auch die deutschen, mochten Island. "Man hatte eine sehr hohe Meinung von unserer Insel", sagt Erla Osk. "Ich war erstaunt, wie viel die Leute wussten, über unsere Kultur, unsere Geschichte, unsere schöne Natur." Kaum ein Mitarbeiter dürfte geahnt haben, dass man bei dem Icesave-Projekt die Insel nicht nur vermarktete, sondern sie buchstäblich verkaufte. "Wir haben alle gedacht: Was wir tun, ist gut für Island", sagt Erla Osk. Im Oktober 2008, auf einer Dienstreise in Kanada, erhielt sie dann die Nachricht vom Zusammenbruch der ersten isländischen Bank. Wenig später wurde sie gefeuert, so wie die meisten Mitarbeiter der internationalen Abteilungen von Landsbanki. Später stellte man sie auf anderem Posten wieder ein. Die Enttäuschung über die Pleite ist ihr noch anzumerken. Wütend möchte sie ja nicht sein. Aber sie sagt: "Ich bin sehr traurig, dass es so enden musste." Die Krise eröffnete ihr auch eine Chance. Die Regierung musste zurücktreten, und bei den Neuwahlen kandidierte sie für die Konservativen. Folgen der Finanzkrise im Alltag Die Unabhängigkeitspartei suchte junge Leute, denn ihr Name war nach vielen Jahren an der Macht eng mit der Finanzkrise verbunden. Die Wahl wurde für sie ein herber Verlust, Island hat seitdem eine rot-grüne Regierung. Trotzdem sagt Erla Osk: "Die Zukunft für unsere Partei sieht gut aus." Die konservativ-liberale Politik sei ja nie falsch gewesen, nur manchmal schlecht umgesetzt. Bei der Privatisierung der Banken seien zum Beispiel Fehler gemacht worden. "Der größte Fehler meiner Partei war es, den öffentlichen Sektor zu sehr auszubauen", sagt sie. "Jetzt ist es sehr schmerzhaft, ihn wieder zu verkleinern." Die öffentlichen Ausgaben werden wohl auf jeden Fall gekürzt, egal von welcher Partei. Denn auch wenn die Bürger das Icesave-Abkommen jetzt stoppen - einen Teil der Forderungen werden sie wohl bezahlen müssen. Momentan sind die Gespräche zwischen den Niederlanden, Großbritannien und Island unterbrochen. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am Freitag gar, Island habe die Verhandlungen ganz abgebrochen. Eine Bestätigung dafür gab es nicht. Und es gibt viele weitere Schulden, etwa beim Internationalen Währungsfonds. Schon jetzt spüren die Isländer die Folgen der Pleite in Schulen, Kindergärten, Kliniken. Trotzdem verzeihen offenbar immer mehr den alten Machthabern ihre Fehler: In Umfragen hat Erla Osks Partei wieder deutlich zugelegt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/staatsschulden-in-island-referendum-der-wut-1.22987
Staatsschulden in Island - Referendum der Wut
00/03/2010
Die Pleitebank Icesave hat 300.000 Isländern Milliardenschulden eingebrockt. Doch die finden es ungerecht, dass sie für Unternehmensfehler haften sollen - und stimmen nun im Zorn ab.
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Ettal, Fulda, die Regensburger Domspatzen: Immer mehr furchtbare Fälle in kirchlichen Einrichtungen werden bekannt. Die katholische Kirche braucht nun Mut zur Offenheit. Es bleiben nur Zorn und Erschütterung: Zehn Patres in Ettal sollen bis zu hundert Kinder geschlagen und missbraucht haben, bei den Regensburger Domspatzen und in Fulda werden Übergriffe bekannt - das sind die Nachrichten eines Tages, und es steht zu befürchten, dass es so weitergehen wird. Die katholische Kirche ist kein Ort des systematischen sexuellen Missbrauchs; viele Fälle liegen bis zu 50 Jahre zurück. Aber es zersplittert auch die These, dass es sich um Einzelfälle handelt. Es gibt Ursachen, die im System begründet sind: Menschen mit sexuellen Problemen treffen auf Kinder und Jugendliche; Missbrauch bleibt unaufgedeckt, weil die heilige Institution keinen Schaden nehmen darf. Die katholische Kirche braucht nun Mut zur Offenheit. Sie muss sagen, von wie vielen Tätern und Opfern sie weiß, muss Konsequenzen ziehen, wenn etwas vertuscht wurde. Sie muss nichtkirchliche Ansprechpartner anbieten, die Zusammenarbeit mit den Staatsanwaltschaften verbessern, den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen. Sexualmoral und innerkirchliche Wirklichkeit Sie muss die Binnenkultur hinterfragen, die Abgrenzung zur Welt. Und sich dem Widerspruch zwischen hehrer Sexualmoral und innerkirchlicher Wirklichkeit stellen. Es gibt Kirchenleute, die tun das, beginnen wenigstens damit. Der Berliner Jesuitenpater Klaus Mertes gehört dazu, auch das Erzbistum München. Es gibt aber auch den Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, der die Berichterstattung für einen "Missbrauch sexueller Verfehlungen Einzelner für machtpolitisch-ideologische Zwecke" hält. Zum Schaden für alle, die von ihrer Kirche erwarten, dass sie ein Ort der Nähe ist, ohne dass sie an Missbrauch denken müssen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kirche-kinder-und-der-missbrauch-moral-und-wirklichkeit-1.16920
Kirche, Kinder und der Missbrauch - Moral und Wirklichkeit
00/03/2010
Ettal, Fulda, die Regensburger Domspatzen: Immer mehr furchtbare Fälle in kirchlichen Einrichtungen werden bekannt. Die katholische Kirche braucht nun Mut zur Offenheit.
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"Westerwelle kämpft auf eigene Rechnung": Beim Treffen der CDU-Ländesväter mit Merkel wird deutlich, wie der Ärger über den FDP-Chef die Reihen der Christdemokraten schließt. Nach der Sponsoring-Affäre und den heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der schwarz-gelben Koalition in Berlin bemüht sich die CDU-Spitze sehr um Geschlossenheit. Das zeigte sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung besonders deutlich beim Kamingespräch der CDU-Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstagabend. Teilnehmer des vor Bundesratssitzungen üblichen Treffens berichteten, die Länderchefs und die Berliner Parteiführung hätten sich darauf verständigt, den schlechter werdenden Umfragewerten der Union offensiv zu begegnen. Alle Unionsministerpräsidenten hätten zugesagt, sich stärker als geplant im Landtagswahlkampf von Nordrhein-Westfalen zu engagieren und interne Kontroversen hintan zu stellen. Außerdem wurde vereinbart, gegenüber FDP-Chef Guido Westerwelle geschlossen aufzutreten. In der CDU-Spitze ist der Unmut über den Vizekanzler groß. Die Kritik an Westerwelle sei in der Runde ungewöhnlich scharf gewesen, hieß es. Mit der von ihm angestoßenen Debatte über Hartz IV verfolge der FDP-Chef egoistische Ziele, ohne Rücksicht auf das gemeinsame Bündnis. "Er kämpft auf eigene Rechnung, das erschwert uns das Leben gewaltig", sagte ein Teilnehmer der Runde zur SZ. Westerwelle habe durch seine Polarisierung in der Debatte ausgerechnet vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die im Frühjahr 2009 zur Bundestagswahl noch gemeinsam beschlossene Strategie aufgekündigt, das rot-rot-grüne Lager nicht zu provozieren und SPD, Linken und Grünen so die Mobilisierung der eigenen Anhänger zu erschweren. "Asymmetrische Mobilisierung zu Lasten der Union" Nach Auffassung der großen Mehrheit in der Unionsspitze ist Nordrhein-Westfalen in einer aufgeheizten Kampfstimmung für Schwarz-Gelb kaum zu halten. "Im vergangenen Jahr gewannen wir, weil wir verhindert haben, die SPD aufzuwecken", erklärte ein Landesregierungschef, "in diesem Frühjahr unternimmt Westerwelle in seiner eigenen Umfragenot alles - und treibt so das linke Lager an die Wahlurnen." Westerwelle betreibe eine "asymmetrische Mobilisierung zu Lasten der Union."
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-wut-auf-westerwelle-einig-am-kamin-1.7095
CDU: Wut auf Westerwelle - Einig am Kamin
00/03/2010
"Westerwelle kämpft auf eigene Rechnung": Beim Treffen der CDU-Ländesväter mit Merkel wird deutlich, wie der Ärger über den FDP-Chef die Reihen der Christdemokraten schließt.
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Die Mitglieder der Linken werden darüber abstimmen, ob ihre Partei auch künftig von einer Doppelspitze geführt wird. Das designierte Führungsduo der Linken, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, steht wieder in Frage: Die Parteibasis wird in einem Mitgliederentscheid über das Modell der Doppelspitze abstimmen. Acht Landesverbände entschlossen sich am Freitag, eine solche Mitgliederbefragung beim Parteivorstand zu beantragen, wie die Linke in Berlin mitteilte. Damit ist die laut Satzung vorgeschriebene Mindestzahl antragstellender Verbände erreicht und die Abstimmung muss stattfinden. Die 80.000 Mitglieder sollen noch vor dem Rostocker Parteitag im Mai entscheiden, wie ein Parteisprecher der Deutschen Presse-Agentur dpa sagte. Bisher sieht die Satzung vor, dass die Doppelspitze in diesem Jahr zu Ende geht. Der Vorstand strebte bislang aber die Verlängerung des Führungsmodells an, nachdem sich nicht nur planmäßig der Vorsitzende Lothar Bisky zurückziehen will, sondern infolge seiner Krebserkrankung auch dessen Co-Vorsitzender Oskar Lafontaine. Die Ost-Berliner Ex-PDS-Frau Lötzsch und der bayerische Ex-WASG- Funktionär Ernst hatten die Partei gemeinsam aus dieser Führungskrise führen sollen. Unter den Antragstellern für den Mitgliederentscheid sind den Angaben zufolge Landesverbände aus Ost- und Westdeutschland. Die Landesvorsitzenden von Brandenburg, Berlin und Schleswig-Holstein, Thomas Nord, Klaus Lederer und Cornelia Möhring, wollen den Antrag am Montag den Hauptstadt-Journalisten vorstellen. Biskys Rückzug war seit langem geplant. Er ist inzwischen Abgeordneter im Europaparlament. Mit der Krebserkrankung ihres Aushängeschildes Lafontaine stürzte die Partei in eine Führungskrise, die sich mit seiner Rückzugsankündigung nach überstandener Operation noch verschärfte. Die Fortdauer des alten Führungsmodells mit Lötzsch und Ernst sollte die Einheit der noch jungen Partei gewährleisten - vor allem angesichts zunehmender Flügelkämpfe zwischen Reformern und Radikaloppositionellen, Ost- und West-Landesverbänden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/die-linke-doppelspitze-in-gefahr-1.24509
Doppelspitze in Gefahr
00/03/2010
Die Mitglieder der Linken werden darüber abstimmen, ob ihre Partei auch künftig von einer Doppelspitze geführt wird.
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Dieter Jasper, der falsche Doktor von der CDU, wird zunehmend zum Problem für NRW-Landesvater Jürgen Rüttgers. Die SPD schießt sich nach neuen Details jetzt auf Arbeitsminister Laumann ein. Den falschen Doktor hat der CDU-Bundestagsabgeordnete Dieter Jasper längst aus seinem Lebenslauf gestrichen. Möglicherweise aber muss der umstrittene Titelfälscher daran bald weitere Korrekturen vornehmen. Dieter Jasper warb im Bundestagswahlkampf in seinem Heimatwahlkreis Steinfurt III mit seiner angeblich umfassenden Wirtschaftskompetenz. Dazu gehörte etwa sein Doktor der Wirtschaftswissenschaften - den er sich allerdings 2004 an einer berüchtigten Titelmühle in der Schweiz gekauft hatte. Dazu gehört seine Arbeit als kaufmännischer Angestellter im väterlichen Betrieb, einem Metallbauunternehmen, das vor allem Güllebehälter zusammenschweißt. Und dazu gehört, in jedem Lebenslauf Jaspers nachzulesen, eine offenbar zweijährige Zeit bei der Unternehmens- und Personalberatung Kienbaum in Düsseldorf. Der Herr Praktikant Ausweislich seiner persönlichen Homepage und der biographischen Angaben auf den Seiten des Deutschen Bundestages war Jasper von 1989 bis 1990, also bis kurz vor Abschluss seines Wirtschaftsstudium an der Uni Münster, für Kienbaum tätig. Kienbaum ist eine der Topadressen, wenn es in Deutschland um Unternehmensberatung geht. Zwei Jahre Kienbaum - das müsste doch Spuren hinterlassen haben. Doch bei Kienbaum in Düsseldorf erinnert man sich nur vage an einen gewissen Dieter Jasper. Und der war nicht von 1989 bis 1990 sondern lediglich vom 13. März 1989 bis 16. Juni 1989 im Unternehmen - als Praktikant, wie ein Sprecher des Unternehmens sueddeutsche.de bestätigt. Der Sprecher wollte zwar nicht ausschließen, dass Jasper danach noch als freier Mitarbeiter tätig gewesen sei. Doch ungewöhnlich findet auch er, dass Jasper in seinem Lebenslauf nicht auf seinen damaligen formalen Status hinweist. Schließlich sei Kienbaum eben auch ein Personalberatungsunternehmen. Korrekte Angaben im Lebenslauf seien hier oberstes Gebot. Jasper selbst will sich überhaupt nicht mehr zu seiner Person äußern. Aufatmen im Münsterland Seinen Fall konnten seine Parteifreunde im CDU-Kreisverband Steinfurt bisher noch mit Mühe lokal begrenzen. Am Donnerstag erklärte Bundestagspräsident Norbert Lammert, dass er eine Wahlprüfung in Jaspers Wahlkreis nicht zulassen werde. Es sei nicht nachweisbar, dass der falsche Doktortitel ausschlaggebend für die Wahlentscheidung der Bürger im von Jasper mit 2000 Stimmen denkbar knapp gewonnen Wahlkreis war. Da atmeten viele in der Kreis-CDU auf. Nach dieser neuerlichen Volte aber gerät auch das wichtigste Zugpferd im Wahlkampfstall von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) langsam unter Beschuss. NRW-Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann ist Chef des CDU-Kreisverbandes Steinfurt und somit parteipolitisch gesehen Jaspers direkter Vorgesetzter. Ohne sein Plazet wäre Jasper sicher nicht Bundestagskandidat geworden. Der Generalsekretär der SPD in Nordrhein-Westfalen Michael Groschek bläst schon mal zum Angriff: "Nachdem der Bundestagpräsident Neuwahlen ablehnt, ist das jetzt ein Fall für uns", sagte Groschek entschlossen zu sueddeutsche.de. Die CDU spiele hier wie auch schon in der Sponsoring-Affäre mit "gezinkten Karten". Jasper müsse umgehend zurücktreten. Das sei ein "Gebot der Fairness und des Anstandes". Was ihn aber befremde sei das Verhalten von Karl-Josef Laumann. Der spiele in Rüttgers Mannschaft sonst die ehrliche Haut. Jetzt aber habe er offenbar "nicht die Kraft, Herrn Jasper zum Rücktritt zu drängen". Herausragende Wirtschaftskompetenz? Laumann selbst will sich auf Anfrage von sueddeutsche.de dazu nicht äußern und verweist auf seinen Kreisgeschäftsführer Johannes Machill. Auch für ihn kam die neueste Unstimmigkeit in Jaspers Lebenslauf überraschend. Jedenfalls sei auch im Kreisvorstand nicht bekannt gewesen, dass er lediglich als Praktikant bei Kienbaum gewesen sei. Eine herausragende Wirtschaftskompetenz, wie im Wahlkampf nach außen getragen, lässt sich daraus jedenfalls nicht ableiten. Es kann jetzt also durchaus als Absetzbewegung gewertet werden, wenn Machill gegenüber sueddeutsche.de erklärt, es sei jetzt an Jasper, die Sache aufzuklären. Jasper in Schutz zu nehmen, dafür fehlt dem Kreisvorstand inzwischen wohl die Kraft. Und es wird wohl noch schlimmer kommen. Nämlich dann, wenn in der nächsten Zeit die Staatsanwaltschaft Münster ihre Prüfungen abgeschlossen hat und eine Ermittlungsverfahren gegen Jasper wegen Titelmissbrauchs einleitet. Dann könnte der Fall Jasper zu einem echten Wahlkampfthema in Nordrhein-Westfalen werden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/falscher-doktor-in-nordrhein-westfalen-ruettgers-neuestes-problem-1.11992
Falscher Doktor in Nordrhein-Westfalen - Rüttgers neuestes Problem
00/03/2010
Dieter Jasper, der falsche Doktor von der CDU, wird zunehmend zum Problem für NRW-Landesvater Jürgen Rüttgers. Die SPD schießt sich nach neuen Details jetzt auf Arbeitsminister Laumann ein.
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Unmittelbar nach dem Luftangriff auf Tanklaster bei Kundus vermutet die Bundeswehr tote Zivilisten - doch dann verschwinden die Vermerke. Ein früher Hinweis auf mögliche zivile Opfer des Luftschlags bei Kundus ist offenbar auf Weisung zweier Bundeswehrgeneräle aus einem Lagebericht vom selben Tag gelöscht worden. Unklar waren am Freitag die Motive für das Handeln der beiden hohen Offiziere. Die SPD vermutet, der Sachverhalt ziviler Opfer habe "vernebelt" werden sollen. In einer handschriftlichen Randnotiz auf einem Meldungsformular heißt es dagegen, die entsprechenden Details seien "noch nicht valide nachgeprüft". Die Frage nach zivilen Opfern hatte von Anfang an eine entscheidende Rolle bei der Bewertung des Luftschlags gespielt, der vom deutschen Oberst Georg Klein gegen die von Taliban entführten Tanklaster angeordnet wurde. Wie viele Menschen bei dem Angriff getötet wurden, lässt sich nicht mehr präzise feststellen. Unterschiedliche Quellen sprechen von 17 bis 142 Toten. Die Bundeswehr hatte zunächst stets betont, der Angriff am 4.September vorigen Jahres um 1.50 Uhr deutscher Zeit sei nur befohlen worden, weil Klein sicher gewesen sei, dass die Bomben nur Taliban oder deren erklärte Unterstützer treffen könnten. In einem um 15 Uhr am 4.September abgeschlossenen Lagebericht, den der Chef des Stabes im deutschen Provinz-Wiederaufbauteam (PRT) in Kundus erstellt hatte, heißt es jedoch, es sei wahrscheinlich, dass die Taliban Treibstoff aus den auf einer Sandbank gestrandeten Tanklastern an die örtliche Bevölkerung verteilt hätten. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass es unter den Opfern auch Zivilisten gegeben habe. Allerdings könnten diese Zivilisten nicht als Unbeteiligte gelten, da sie sich des Benzindiebstahls schuldig gemacht hätten und da sie hätten wissen müssen, dass die Tanker gestohlen waren. Auf einem Ausdruck dieser Meldung findet sich ein handschriftlicher Vermerk des Befehlshabers des Einsatzführungskommandos der Bundeswehr in Potsdam, Generalleutnant Rainer Glatz: "Wenn das so stimmt", schrieb Glatz, dann sei dies ein Verstoß gegen die Weisung des Oberkommandierenden der Afghanistan-Truppe Isaf, des US-Generals Stanley McChrystal. Heftige Debatten über "Geheimnisverrat" Dann hätte man "schlimmstenfalls" zivile Opfer billigend in Kauf genommen. McChrystal hatte befohlen, Militäroperationen, insbesondere Luftangriffe, zu vermeiden, wenn die Gefahr ziviler Opfer bestand. Glatz vermerkte weiter, der deutsche Kommandeur für Nord-Afghanistan und unmittelbare Vorgesetzte von Oberst Klein, Brigadegeneral Jörg Vollmer, werde disziplinar ermitteln. Nach einem Telefonat mit Glatz ließ Vollmer den Lagebericht mit den Passagen zur Verteilung des Benzins an die Bevölkerung aus dem Isaf-internen Kommunikationsnetz entfernen. In einer später eingestellten Neufassung des Lageberichts fehlen die entsprechenden Textstellen. Auf einem Ausdruck vermerkte Glatz wiederum handschriftlich, dies sei der Bericht, der zuvor "gemäß Weisung COM RC (N)" - gemeint ist der Regionalkommandeur Nord, Vollmer -, aus dem Netz genommen worden sei, "da Details noch nicht valide nachgeprüft waren". Glatz und Vollmer hatten am Donnerstag vor dem Kundus-Untersuchungsausschuss aussagen sollen und wären dabei wohl auch nach diesem Lagebericht befragt worden. Nachdem Spiegel Online über den Vorgang berichtet hatte, wurde die Sitzung unterbrochen. Nach Angaben von Teilnehmern gab es heftige Debatten über den "Geheimnisverrat". Dann einigten sich alle Fraktionen darauf, Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) aufzufordern, Strafanzeige gegen unbekannt zu stellen. Unions-Obmann Ernst-Reinhard Beck sagte: "Ich halte das für einen Skandal, wenn ständig aus geheimen Unterlagen zitiert wird." Die beiden Generäle sollen nun in einer Sondersitzung des Ausschusses am 15.März befragt werden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/kundus-bericht-generaele-loeschen-hinweise-auf-zivile-opfer-1.24873
Kundus-Bericht - Generäle löschen Hinweise auf zivile Opfer
00/03/2010
Unmittelbar nach dem Luftangriff auf Tanklaster bei Kundus vermutet die Bundeswehr tote Zivilisten - doch dann verschwinden die Vermerke.
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Man mag es nach den Debatten der jüngsten Vergangenheit eigentlich kaum mehr hören, aber immer dann, wenn dieser Tage in der Bundespolitik besonders großer Unsinn erzählt wird, ist Guido Westerwelle nicht weit. In einer Fernseh-Talkshow hat der FDP-Vorsitzende jetzt vorgerechnet, dass die Regierung in diesem Jahr sechs Milliarden Euro weniger an neuen Schulden aufnehmen werde als vom früheren SPD-Finanzminister Peer Steinbrück einst geplant - und das obwohl sie zu Jahresbeginn Hoteliers und besserverdienende Eltern steuerlich entlastet hat. Damit ist nach Lesart des Vizekanzlers der Beweis erbracht, dass Steuersenkungen das Wachstum ankurbeln und sich am Ende auch positiv in der Staatskasse bemerkbar machen. Das Dumme ist nur, dass die Rechnung von vorne bis hinten falsch ist: Zwar haben die Haushälter von Union und FDP in der Nacht zu Freitag tatsächlich beschlossen, die Nettokreditaufnahme gemessen an Steinbrücks Entwurf um sechs Milliarden auf gut 80 Milliarden Euro zu senken. Was Westerwelle jedoch verschweigt: Die wirtschaftliche Lage stellt sich heute gänzlich anders dar als im Juli des vergangenen Jahres, nämlich deutlich besser. Deshalb sind die Steuerausfälle nicht so gravierend und die Arbeitsmarktausgaben nicht so hoch wie Steinbrück dies seinerzeit befürchtet hatte - was den Haushalt um insgesamt etwa zwölf Milliarden Euro entlastet. Die schwarz-gelbe Regierung gibt also nicht sechs Milliarden Euro weniger aus als die schwarz-rote Vorgängerkoalition, sondern sechs Milliarden mehr. Man mag es für nebensächlich halten, ob sich der Bund nun zusätzlich 74 Milliarden oder 80 Milliarden Euro bei Banken und Bürgern leihen muss, denn mit einer in etwa doppelt so hohen Neuverschuldung wie im bisherigen Rekordjahr 1996 wird der Haushalt 2010 so oder so in die Geschichte eingehen. Tatsächlich sind die Zahlen nicht viel mehr als das Spiegelbild der Wirtschaftskrise und der vielen staatlichen Programme, die zu ihrer Eindämmung nötig waren. Was jedoch bedenklich stimmt, ist das Signal, das von diesen Etatberatungen ausgeht: Wie will eine Koalition, die schon im ersten Amtsjahr deutlich mehr ausgibt als sie muss und die für den weiteren Verlauf der Wahlperiode Steuer- und Gesundheitsreformen mit Kosten in jeweils zweistelliger Milliardenhöhe plant, die gigantische Konsolidierungsaufgabe bewältigen, die ihr bevorsteht? Schon 2011 werden Union und FDP mindestens zehn Milliarden Euro im Haushalt einsparen müssen, wenn sie das Grundgesetz und den EU-Stabilitätspakt nicht brechen wollen. Bis 2016 kommen Jahr für Jahr weitere zehn Milliarden dazu. Um diese Herausforderung zu meistern, bedarf es eines klaren, transparenten und für die Bürger nachvollziehbaren Fahrplans, den die Regierung trotz aller Aufforderungen bis heute schuldig geblieben ist. Was es dagegen nicht braucht, sind billige Rechenspiele derer, die für diese Klarheit sorgen müssten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/neuverschuldung-westerwelles-rechentricks-1.21760
Neuverschuldung - Westerwelles Rechentricks
00/03/2010
Der FDP-Chef und Vizekanzler Guido Westerwelle behauptet, dass die Bundesregierung spart. Doch das Gegenteil ist richtig.
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Kinder, Knöllchen und Tabaksponsoring: Wirklich spektakuläre Entscheidungen standen im Bundesrat nicht an. Daher befasste sich die Länderkammer mit eigenen Initiativen. Spektakuläre Entscheidungen standen im Bundesrat nicht an. Die Tagesordnung mit 27 Punkten war eher dünn, denn Bundestag und Bundesregierung leiten derzeit wenige Gesetzesvorlagen zu. Die Länderkammer befasste sich daher meist mit eigenen Initiativen. Einige von ihnen standen bereits zum zweiten Mal auf der Tagesordnung, weil der Bundestag sich vor der Wahl im vergangenen Herbst nicht mehr damit beschäftigt hatte. Dazu zählte auch der Vorstoß zur Tolerierung von Kinderlärm. Kurzfristig wieder abgesetzt wurde ein Antrag aus Baden-Württemberg zum Ankauf von Steuersünder-Dateien. Die Beschlüsse im Einzelnen: KNÖLLCHEN OHNE GRENZEN: Wer im EU-Ausland mit Geldbußen und Geldstrafen belangt wird, muss künftig mit einer Vollstreckung auch in Deutschland rechnen. Das Geld soll nur dann nicht eingetrieben werden, wenn weniger als 70 Euro fällig sind. Dies wird vor allem Verkehrssünder treffen. Nach der noch geltenden Rechtslage werden Raser und Falschparker in seltenen Fällen nach ihrer Rückkehr in Deutschland noch belangt. Das soll sich zum 1. Oktober ändern - vorausgesetzt, der Bundestag stimmt ebenfalls zu. KINDERLÄRM: Kinderlärm in der Nachbarschaft ist nach Auffassung des Bundesrates nicht mit Autolärm zu vergleichen und damit auch kein Umweltschaden, der Entschädigungsansprüche begründet. Mehr Rechtssicherheit soll nun eine Gesetzesänderung bringen. Sie soll gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden helfen. Kitas und Kinderspielplätze in reinen Wohngebieten sollen danach nicht länger nur ausnahmsweise, sondern "im Regelfall" zulässig sein. Nach Auffassung der Länder ist der Lärm spielender Kinder "sozialadäquat" und muss hingenommen werden. GEWALT GEGEN POLIZISTEN: Wer gegen Polizisten gewalttätig wird, soll härter bestraft werden. Dieses Ziel verfolgen Sachsen und Bayern mit einem Gesetzesantrag. Danach soll Widerstand gegen Polizeibeamte mit bis zu drei Jahren Freiheitsentzug geahndet werden können. Derzeit liegt die Höchststrafe bei zwei Jahren. Strafverschärfend auswirken soll sich, wenn ein Angreifer "gefährliche Werkzeuge" wie Glasflaschen oder Eisenstangen benutzt. GEWALT GEGEN AUSLÄNDER: Auch fremdenfeindlich motivierte Gewalttaten sollen härter bestraft werden. Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern setzten sich nach einem ersten, gescheiterten Anlauf in der Länderkammer erneut dafür ein, menschenverachtende, rassistische oder fremdenfeindliche Motive eines Täters bei der Strafzumessung stärker zu berücksichtigen. Erreicht werde soll damit, dass Gerichte nach politisch motivierten Gewalttaten keine Bewährungsstrafen mehr verhängen, sondern die Täter gleich zu Haftstrafen verurteilen. SCHÖFFEN: Das Schöffenamt bei Gericht sollen künftig nur Personen ausüben dürfen, die so gut Deutsch sprechen und verstehen können, dass sie der Gerichtsverhandlung folgen können. Wenn nicht, soll der Ausschluss vom Schöffenamt möglich sein. Anlass für die Initiative waren Fälle, in denen Schöffen der Hauptverhandlung mangels hinreichender Sprachkenntnisse nicht folgen konnten, sie aber aus der Schöffenliste dennoch nicht gestrichen werden konnten. Der Gesetzentwurf wird der Bundesregierung zugeleitet. TABAKSPONSORING: Das Sponsoringverbot bei TV-Sendungen durch Tabakhersteller soll auch für das Internet gelten. Nicht gestattet sein soll auch Produktplatzierung von Tabakwaren in Sendungen sogenannter audio-visueller Mediendienste, die nach dem 19. Dezember 2009 produziert wurden. Bis zu diesem Zeitpunkt musste eine entsprechende EU-Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Mit dem vom Bundesrat gebilligten Gesetzentwurf soll das bisher schon bestehende Verbot der Fernsehwerbung für Tabakerzeugnisse erweitert werden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesrat-kinderlaerm-muss-sein-1.20975
Kinderlärm muss sein
00/03/2010
Kinder, Knöllchen und Tabaksponsoring: Wirklich spektakuläre Entscheidungen standen im Bundesrat nicht an. Daher befasste sich die Länderkammer mit eigenen Initiativen.
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Der Missbrauch von Sozialleistungen ist eines der kleinsten Probleme dieses Landes. Das scheint FDP-Chef Westerwelle nicht zu gefallen. Wider jede Vernunft bezweifelt er schlicht gesicherte Daten. FDP-Chef Guido Westerwelle ist mal wieder in sozialer Mission unterwegs. In ZDF-Talklady Maybrit Illners Sendung mit dem passenden Titel "Politik oder Polemik" erklärt er am Donnerstagabend, ihm gehe es nur um die Sache. Er werde lediglich seiner staatspolitischen Verantwortung gerecht, wenn er Sozialmissbrauch kritisiere. Das Übliche eben. An einer Stelle aber gibt es doch Grund zu stutzen. Illner erklärt dem Außenminister im Nebenjob gerade, dass die Sozialmissbrauchsquote in Deutschland gerade mal bei 1,9 Prozent liege. Das ist die neueste Zahl der Bundesagentur für Arbeit (BA), einer der neuen Regierung unterstellten Bundesbehörde. Westerwelle aber widerspricht kühl und in bester Demagogenmanier: "Ich habe da meine Zweifel." Das muss wohl reichen. Woran genau und warum er an den Zahlen der BA zweifelt, erklärt Westerwelle nicht. Welche Zahlen er für die glaubwürdigeren hält, auch nicht. Aber er hat Misstrauen gegenüber den Daten der Bundesagentur geschürt. Nach dem Verlauf der von Westerwelle mit Verweisen auf "anstrengungslosen Wohlstand" und "spätrömische Dekadenz" angezettelten Sozialstaatsdebatte, muss der Beobachter den Eindruck gewinnen, als sei der Sozialstaat eine Art Selbstbedienungsladen, in dem das Kassenpersonal fehlt. Da ist eine so kleine Zahl wie 1,9 Prozent Sozialmissbrauch bei 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfängern eher störend. Also hat Westerwelle eben Zweifel - und schon stimmt das Weltbild wieder. Westerwelle suggeriert damit, der Sozialmissbrauch sei eines der drängendsten Probleme, die das Land derzeit habe. Das aber ist nach Ansicht von Experten mitnichten der Fall. Von denen bestreitet niemand, dass die Missbrauchsquote von 1,9 Prozent durchaus höher liegen kann. Unter den 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfängern sind auch 1,8 Millionen Kinder, die selbsttätig eher nicht dazu in der Lage sind, den Staat zu betrügen. Auch stellt niemand in Abrede, dass es eine Dunkelziffer gibt, weil in die Statistik allein die aufgedeckten Fälle aufgenommen werden können. Doch selbst wenn die Quote bei fünf Prozent läge, wäre sie immer noch verschwindend gering. Es spricht vieles dagegen, dass die Dunkelziffer enorm von den belegbaren Daten abweicht. Wichtigstes Instrument der Missbrauchsfahnder ist der automatische Datenabgleich. Die Sozialbehörden fragen alle drei Monate auf elektronischem Weg bei allen Beziehern von Arbeitslosengeld II ab, ob sie noch andere Einkommensquellen haben, die sie möglicherweise bisher nicht angegeben haben. Die Behörde hat so im vergangenen Jahr 126.000 Fälle von Leistungsmissbrauch identifiziert. Wobei ein Hartz-IV-Empfänger durchaus für mehrere Fälle verantwortlich sein kann. Der Schaden hält sich in überschaubaren Grenzen. Im Sprech der Bundesagentur summieren sich die sogenannten Überzahlungen 2009 auf 72 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor waren es noch 86 Millionen Euro. Schwierig angesichts dieser Summen, von einem brennenden Problem zu sprechen. Zum Vergleich: Für das laufende Jahr hat die schwarz-gelbe Bundesregierung Ausgaben für das Arbeitslosengeld II in Höhe von 24 Milliarden Euro angesetzt. Eine lächerlich kleine Summe sind die 72 Millionen Euro auch im Vergleich zu dem Schaden, den Steuerhinterzieher anrichten. Laut OECD verliert Deutschland durch Steuerhinterziehung und Steuerbetrug mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr. Allein die nackte Meldung, dass eine CD mit den Daten von Steuerhinterziehern existiere, hat dazu geführt, dass inzwischen weit über 100 Millionen Euro dem Fiskus in Selbstanzeigen nachgemeldet wurden.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/fdp-und-hartz-iv-missbrauch-die-zweifel-des-guido-w-1.8533
FDP und Hartz-IV-Missbrauch - Die Zweifel des Guido W.
00/03/2010
Der Missbrauch von Sozialleistungen ist eines der kleinsten Probleme dieses Landes. Das scheint FDP-Chef Westerwelle nicht zu gefallen. Wider jede Vernunft bezweifelt er schlicht gesicherte Daten.
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Als Hans Mayer im März 1961 den Verfasser der "Blechtrommel" zu einer Lesung nach Leipzig geladen hatte und dieser im Hörsaal vor den Akademikern stand, unter ihnen Ernst Bloch, dem man das Lehren schon verboten hatte, überbrachte Günter Grass Grüße von Uwe Johnson - Johnson hatte in diesem Hörsaal studiert, die DDR 1958 verlassen müssen. Es gab, erinnert sich Grass, großen Beifall für die Grüße, dann aber sei ein Assistent ans Mikrofon gegangen: ",Wir haben Grüße gehört von Uwe Johnson. Uwe Johnson hat unsere Republik verlassen und verraten.' Und der fügte ironisch hinzu: ,Für solche Grüße bedanken wir uns.' Da wurde er ausgezischt." Im Mai desselben Jahres, in Ostberlin auf dem V. Schriftstellerkongress, kam Grass wieder auf Johnson zu sprechen. Er verteidigte ihn gegen Angriffe Hermann Kants, berichtete, wie man Johnson "alle wirtschaftlichen Möglichkeiten" entzogen habe, in der DDR zu existieren, dass man nun sogar seine Übersetzung von "Israel Potter" ohne Nennung des Übersetzers herausgegeben habe. Da erntete er wieder Beifall im Saal und Wut unter den Funktionären. Sie wurde nicht kleiner, als Grass Freiheit des Wortes forderte, die im Westen gefährdet sei, die es im Osten aber nicht gebe. Wie Hermann Kant seinen westdeutschen Schriftstellerkollegen einschätzte, hielt nach einem Gespräch mit der Kontaktperson "Kant" im Juli 1961 ein Leutnant Schindler vom Ministerium für Staatssicherheit fest: "GRASS ist ein Mensch ohne jede feste politische Einstellung und Haltung. Er schießt praktisch nach beiden Seiten und kommt sich dabei sehr imposant vor. Er möchte als ein Freiheitsapostel erscheinen." Da wurde er ausgezischt Im August des Schicksaljahres protestierte Grass scharf gegen den Mauerbau, schrieb offene Briefe an Anna Seghers und, gemeinsam mit Wolfdietrich Schnurre, an den Schriftstellerverband. Am 18. August begann die systematische Stasi-Überwachung des Schriftstellers. "Angefallen wegen Provokation" stand auf dem Suchzettel. Bis zum Ende war Grass bei den DDR-Oberen nicht gern gesehen. Wie das MfS ihn observieren ließ, dem berühmten Schriftsteller beizukommen suchte, kann man jetzt nachlesen. Kai Schlüter, Redakteur bei Radio Bremen, hat aus etwa 2200 Aktenseiten die wichtigsten ausgewählt, hat Zeitzeugen interviewt oder um Kommentare gebeten. Herausgekommen ist ein spannendes, lehrreiches Dokument der deutschen Literatur- und Teilungsgeschichte (Kai Schlüter: Günter Grass im Visier. Die Stasi-Akte. Ch. Links Verlag, Berlin 2010. 384 Seiten, 20 Abb., 24,90 Euro). Das gescheite Buch verrät viel über die Furcht der Machthaber, Farce und Schrecken der Überwachung, Mut und Anpassung unter Literaten. Vor allem aber ist es geeignet, das Bild zu korrigieren, das sich die Öffentlichkeit von Günter Grass macht. Da er die Einheit, wie Kohl sie wollte, maßlos scharf kritisierte, da er die DDR eine "kommode Diktatur" nannte, wurde er als Verharmloser attackiert. Seine Stasi-Akte aber zeigt: Nur wenige haben mehr für dafür getan, das deutsch-deutsche Gespräch am Leben zu erhalten, als Günter Grass. Er blieb aufrechter Sozialdemokrat, und das hieß in der DDR, die auf der Ausschaltung aller Sozialdemokratie beruhte: Staatsfeind. Im Juni 1989 schickte die Hauptabteilung XX eigens einen Major in den Norden der Republik, da Grass auf Rügen und Hiddensee lesen sollte. Generalleutnant Kienberg informierte: "Grass besitzt seit Jahren Kontakte zu feindlichen und oppositionellen Personenkreisen aus der DDR, hat mehrfach an Zusammenkünften derartiger Personen in der DDR teilgenommen und dabei stets eine inspirierende, auf die Organisierung politischer Untergrundtätigkeit abzielende Rolle gespielt. Er propagiert die These von der ,Einheit der deutschen Kulturnation' und anderen durch die SPD in ihrer ,Ost- und Deutschlandpolitik' vertretene Theorien und setzt sich aktiv für uneingeschränkte Menschenrechte, Meinungs- und Informationsfreiheit ein." Seit 1980 hatte Grass Einreiseverbot, das aber aus Opportunitätsgründen immer wieder mal aufgehoben wurde.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/guenter-grass-und-die-ddr-der-falsch-verstandene-1.13870
Günter Grass und die DDR - Der falsch Verstandene
00/03/2010
Imposanter Provokateur: Günter Grass war nicht Verharmloser, sondern aufrechter Sozialdemokrat - seine Stasi-Akte erscheint in Buchform.
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Ein US-Kongressausschuss stuft die massenhafte Tötung von Armeniern im Osmanischen Reich als "Völkermord" ein. Die Türkei ist empört. Ankara und Washington steuern auf eine schwere Krise zu. Die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei steuern auf eine schwere Krise zu. Nachdem der Auswärtige Ausschuss des US-Repräsentantenhauses am Donnerstag die massenhafte Tötung von Armeniern im Osmanischen Reich als "Völkermord" eingestuft hatte, rief Ankara noch am Abend seinen Botschafter Namik Tan aus Washington zu Konsultationen zurück, eine scharfe Form des diplomatischen Protests. "Wir verurteilen diese Resolution, die die türkische Nation eines Verbrechens beschuldigt, das sie nicht begangen hat", erklärte die Regierung. Der Ausschuss hatte mit der knappstmöglichen Mehrheit von 23 zu 22 Stimmen der entsprechenden Vorlage zugestimmt. Das Dokument könnte nun dem Plenum der Abgeordnetenkammer des Kongresses vorgelegt werden. Ob es dort ebenfalls angenommen wird, ist unsicher. In der nicht bindenden Erklärung fordert der Ausschuss Präsident Barack Obama auf, die "systematische und vorsätzliche Auslöschung von 1,5 Millionen Armeniern klar als Völkermord zu qualifizieren". Im Wahlkampf hatte Obama angekündigt, als Präsident ebendies zu tun. Diese Zusage hat er bislang nicht eingelöst. Der Ausschuss verlangte zudem, der Präsident solle sicherstellen, dass die Erinnerung an die Ereignisse im Ersten Weltkrieg Teil der US-Außenpolitik sei. US-Außenministerin Hillary Clinton hatte versucht, eine Mehrheit für die Resolution zu verhindern. Ihr Ministerium begründete dies damit, das Votum könne die Annäherung zwischen der Türkei und Armenien gefährden. Ähnlich hatte sich der Sprecher des Weißen Hauses geäußert. Der türkische Präsident Abdullah Gül hatte am Mittwoch mit Obama telefoniert. Zudem waren türkische Politiker nach Washington gereist, um Abgeordnete dazu zu bewegen, gegen die Resolution zu stimmen. Vertreter türkischer Staatsfirmen riefen Chefs großer US-Unternehmen in den USA auf, sich gegen die Resolution auszusprechen. Bereits im Jahr 2007 hatte ein Ausschuss des US-Kongresses eine Armenien-Resolution verabschiedet und damit eine diplomatische Krise zwischen den beiden Ländern ausgelöst. Das Dokument hatte es aber wegen des politischen Widerstands nicht bis ins Plenum des Repräsentantenhauses geschafft. Nach Ansicht türkischer Interessengruppen könnte es diesmal anders sein. Sie werfen Obama vor, im Unterschied zu seinen Vorgängern nicht deutlich genug zugunsten Ankaras Stellung zu nehmen. Historischer Hintergrund des Streits ist die Vernichtung und Vertreibung der Armenier aus Anatolien 1915/16. Armenien sagt, dabei seien bis zu 1,5 Millionen Armenier systematisch ermordet worden. Die offizielle Türkei spricht von höchstens einer halben Million Toten, deren Schicksal den Kriegswirren geschuldet sei und bestreitet scharf, dass es sich um einen systematischen Völkermord gehandelt habe. Im Video: Ungeachtet des Drucks der Regierung und der Türkei hat ein Ausschuss des US-Repräsentantenhauses das Massaker an Armeniern im Osmanischen Reich während des Ersten Weltkriegs als Völkermord eingestuft. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-armenien-resolution-tuerkei-ruft-botschafter-zurueck-1.11634
USA: Armenien-Resolution - Türkei ruft Botschafter zurück
00/03/2010
Ein US-Kongressausschuss stuft die massenhafte Tötung von Armeniern im Osmanischen Reich als "Völkermord" ein. Die Türkei ist empört. Ankara und Washington steuern auf eine schwere Krise zu.
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Die Rechtspopulisten können bei der Wahl zur stärksten Fraktion werden, die anderen Parteien sind ratlos. Bleibt nur, Wilders (mit-)regieren und sich entzaubern zu lassen. "Heute Almere und Den Haag, und morgen die ganzen Niederlande!". Im Siegesrausch klingt der Rechtspopulist Geert Wilders ein bisschen wie Adolf Hitler, wenn er wissen lässt, dass alles nach Plan läuft. Seine Partei für die Freiheit (PVV) ist, obwohl sie nur in zwei Städten antrat, klarer Sieger der Kommunalwahlen. So grässlich sich Wilders' Triumphgeheul auch anhören mag, es ist kein Zeichen von Größenwahn: Wenn nichts dazwischenkommt, wird die PVV bei der Parlamentsneuwahl im Juni zur stärksten oder zweitstärksten Fraktion. Das ist schlimm für die Niederlande. Außer Islamhass hat Wilders diesem Land kaum etwas zu bieten. Wie alle Populisten ist er nicht an Lösungen interessiert. Er lebt nur von der Angst der Menschen - der Angst vor dem Fremden, dem Unsicheren, Unkontrollierbaren. Es muss ihm auch niemand dankbar sein für den Hinweis, dass einiges schieflief in der niederländischen Integrationspolitik, die gewaltige Probleme aus falsch verstandener Liberalität, und auch aus Faulheit, nicht zur Kenntnis nahm. Der Intellektuelle Paul Scheffer läutete diese Alarmglocke schon im Jahr 2000 und riss damit seine Sozialdemokraten wenigstens ein bisschen aus dem Schlaf. Zurück zu Wilders: Was ist von einem Politiker zu halten, der sein Denken und Handeln letztlich aus einem einzigen Satz ableitet - "der Islam ist schuld an allem" - und den Leuten daher einzureden versucht, ihre Probleme ließen sich ganz einfach lösen, wenn nur endlich dieser Islam verboten sei und möglichst viele Muslime aus dem Land geworfen würden? Nein, Holland braucht Geert Wilders ganz und gar nicht, eher stimmt der in diesen Tagen gefallene Satz, dass dieser Mann Hollands größtes Problem sei. Aber er ist da, er lässt sich nicht wegwünschen. Die Menschen wählen ihn, was für seine Cleverness spricht. Aber es ist auch ein Ausdruck des stark gestörten Vertrauensverhältnisses zwischen den Bürgern und den etablierten Parteien. Wie also sollen diese Parteien umgehen mit dem Anti-Politik-Politiker? Wilders verteufeln und mit allen Mitteln draußen halten oder ihn einhegen? Das ist eine altbekannte Frage, auf die es keine einfache Antwort gibt. Die schlechteste Strategie ist es, Wilders wegen "Beleidigung" der Muslime, wie jüngst geschehen, vor Gericht zu zerren. Das liefert ihm nur eine weitere Bühne, auf der er sich als Opfer der politischen Elite darstellen kann. Eine Anti-Wilders-Koalition hingegen würde auf die Wiederholung des eben zerbrochenen und reichlich diskreditierten christ-sozialdemokratischen Bündnisses hinauslaufen. Man würde Wilders damit eine große Freude bereiten. Bleibt also, den Mann mit den gebleichten Haaren (mit-)regieren und sich selbst entzaubern zu lassen, wie es weiland geschah bei Österreichs Freiheitlichen. Man wird dann sehen, wie weit Wilders mit der Forderung kommt, das Kopftuch aus allen öffentlichen Einrichtungen zu verbannen. Oder eine Steuer von 1000 Euro auf jedes Kopftuch zu erheben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/niederlande-wilders-welt-1.19162
Niederlande - Wilders' Welt
00/03/2010
Die Rechtspopulisten können bei der Wahl zur stärksten Fraktion werden, die anderen Parteien sind ratlos. Bleibt nur, Wilders (mit-)regieren und sich entzaubern zu lassen.
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Der Aufstieg des Islamfeindes Geert Wilders ist beispiellos. Die Methoden des Niederländers sind berüchtigt: Wie Wilders Wähler mobilisiert - und warum seine Macht bald schon wachsen könnte. Geert Wilders hat es fast geschafft - und die Polit-Konkurrenz bebt seit Jahren: Zunächst aus Wut und Empörung über seine islamfeindlichen Ausfälle, inzwischen zittern Liberale, Konservative und Sozialdemokraten aber längst aus Furcht. Die Mitte-links-Regierung von Ministerpräsident Jan Peter Balkenende ist zerbrochen, die Niederlande wählen am 9. Juni neu - aus Wilders Warte zur rechten Zeit. Zwei wichtige Kommunalwahlen - am Regierungssitz Den Haag sowie in der Retortenstadt Almere - geben in diesen Tagen Aufschluss über die politische Stimmung im Land der Deiche und Tulpen. Denn Wilders' Partei PVV (Partei für die Freiheit) räumte bei beiden Abstimmungen ab: In Almere wurde die PVV stärkste politische Kraft, in Den Haag belegte sie Platz zwei knapp hinter den Sozialdemokraten. "Heute Almere und Den Haag", verkündete Wilders in seiner Rede zum Wahltriumph, "morgen die ganzen Niederlande!" Es ist ein Ausruf, der manchen aufhorchen lässt, angesichts der Analogie zu einem Kampflied von Hitlers Sturmabteilung, der SA: "Denn heute gehört uns Deutschland, und morgen die ganze Welt ...", grölten die Mitglieder der berüchtigten Schlägertruppe. Gut möglich, dass Geert Wilders bewusst diese Paralelle gezogen hat, es wäre nur ein weiterer Tabubruch des PVV-Chefs. Warum sollte er sich fürchten? Bislang ging es für ihn schließlich nur in eine Richtung: nach oben. Geert Wilders Karriere fügt sich ein in die Erfolge anderer rechtspopulistischer Bewegungen in Europa und doch ist er beispiellos. Seine Partei besteht erst seit wenigen Jahren und fand sofort Anklang. Virtuos spielt der 46 Jahre alte Wilders die islamfeindliche Melodie - so wie der Schweizer Christoph Blocher und der Haider-Zögling Hans-Christian Strache in Wien. Doch anders als Österreichs gebräunter Rechtsaußen und der dumpf wetternde Eidgenosse setzt Wilders auf eine ausgeklügelte thematische Mischung. Sie attackiert immer in eine Stoßrichtung: Gegen den Islam, gegen den Koran. Verschiedene Zielgruppen Wilders besetzt Themen, die Menschen betreffen, welche an sich nicht das klassische Rechtsaußen-Potential ausmachen: Frauen, Arbeiter, Homosexuelle, Juden und Wertekonservative. Er stilisiert sich auch als Verteidiger von Menschenrechten - und unterstreicht, wie durch den Koran die Freiheit von Frauen, von Schwulen und Lesben angeblich beschränkt wird. Er findet Gehör bei den Arbeitnehmern, wenn er sich gegen ein höheres Renteneintrittsalter stemmt. Die fehlenden Milliarden im Staatshaushalt hätte man leicht bei der Migranten-Unterstützung einsparen können. Wilders punktet bei Konservativen, wenn er seine Bewunderung für Maggie Thatcher kundtut und Winston Churchill zitiert. Er liebe Israel, behauptet er. Die Kosten der Einwanderung Dann die Nazi-Masche: Der forsche Niederländer weiß, dass im kollektiven Gedächtnis seiner Landsleute die Erinnerung an Hitlers Wehrmacht, die die Niederlande 1940 überfiel und danach besetzt hielt, nach wie vor präsent ist. Auf die bei manchen vorhandenen antideutschen Reflexe setzt Wilders, wenn er den Islam faschistisch nennt und den Koran mit Hitlers Hetz-Pamphlet Mein Kampf vergleicht. Mit seinem jüngsten Kniff will Wilders diejenigen für sich gewinnen, die in der Wirtschaftskrise Geld verloren haben. Also: fast alle. Es geht um die Ausgaben für Integration und den lädierten Staatshaushalt. Wilders will die wahren Kosten der Immigration aus nicht westlichen Ländern errechnen lassen. Alle will Wilders bedienen, bei allen will er eines auslösen: Auch der letzte Niederländer soll Angst bekommen, und wenn er sich nicht fürchtet, soll er wenigstens wütend werden. Lesen Sie auf Seite 2, wo Wilders seine politische Karriere startete - und wie es um seine Chancen bei der Parlamentswahl im Juni steht.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/niederlande-wilders-und-das-prinzip-angst-1.17454
Niederlande - Wilders und das Prinzip Angst
00/03/2010
Der Aufstieg des Islamfeindes Geert Wilders ist beispiellos. Die Methoden des Niederländers sind berüchtigt: Wie Wilders Wähler mobilisiert - und warum seine Macht bald schon wachsen könnte.
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Mehr als 20 Prozentpunkte lagen die Tories in Umfragen schon vorne - kurz vor der Wahl ist Browns Labour-Partei fast wieder auf Augenhöhe. Warum der Vorsprung Camerons geschrumpft ist. Englands Labour-Partei trauert um einen ihrer Großen. Als Michael Foot vor zwei Tagen im Alter von 96 Jahren starb, erinnerte sich die politische Elite mit Wehmut an den Grandseigneur von Old Labour. Foot war aus einer anderen Zeit: ein Intellektueller, brillanter Redner, unverbesserlicher Idealist und Herzblutpolitiker - aber als Vorsitzender führte er 1983 seine Partei in eine der katastrophalsten Niederlagen, die Labour je erleben musste. Wie werden die Nachfahren in ferner Zukunft wohl über Gordon Brown urteilen, wenn er sich von der Politik zurückgezogen hat? Es mehren sich Zweifel daran, dass der hölzern wirkende und als Choleriker verschriene Premierminister, der an diesem Freitag vor dem Irak-Untersuchungsausschuss aussagen muss, nach der Unterhauswahl im Mai sein Büro in der Downing Street 10 wirklich räumen muss. Gordon Brown - der unbeliebteste Parteichef, der Wahlen gewinnen konnte? Es wäre schon ein denkwürdiges Comeback, falls Labour die Wahl am 6. Mai gewinnen sollte. Vor weniger als zwei Jahren waren die Konservativen um Sunnyboy David Cameron in den Umfragen meilenweit enteilt. Mehr als 20 Prozentpunkte lagen zwischen den Parteien. Doch der Vorsprung schmolz und schmolz weiter - bis vor wenigen Tagen die neueste Umfrage Labour nur noch fünf mickrige Punkte hinter der Tory-Partei sah. Was war passiert? Dass die Sozialdemokraten wieder im Rennen sind, haben sie freilich allem, nur nicht der Persönlichkeit Browns zu verdanken. Sein TV-Auftritt, als ihm bei einem Gespräch über seine tote Tochter die Tränen kamen, war nicht der ausschlaggebende Grund für das Revival von Labour. Nicht zuletzt die Enthüllungen des Journalisten Andrew Rawnsley, die mit Dutzenden Zeugenaussagen Brown als brüllenden und Dinge um sich werfenden Heißsporn beschreiben, sorgen dafür, dass Brown wohl niemals ein vom Volk geliebter Premier sein wird. "Wir sind sehr wohl imstande, Politiker zu wählen, die wir nicht mögen", sagt Kieron O'Hara, Fellow am Centre for Policy Studies (CPS), einem eher dem konservativen Lager angehörenden Londoner Thinktank. Vor allem, wenn sie mit Inhalten und Kompetenzen aufwarten können. Die Tory-Partei hat es versäumt, aus dem Meinungstief des politischen Gegners zu profitieren und mit Inhalten zu glänzen. Die geplanten Maßnahmen der Konservativen zur Bekämpfung des riesigen Haushaltsdefizits lassen die Wähler etwas ratlos zurück - und verärgern sie bisweilen auch. Vote for Change, so lautet in Anlehnung an Barack Obamas erfolgreiche Kampagne der Wahlkampfslogan der Tories. Aber wie dieser Wechsel aussehen soll, will nicht so recht rüberkommen. Die Konservativen haben ein Kommunikationsproblem. Die Dezentralisierung staatlicher Kompetenzen - einer der wichtigsten Punkte im Programm - verfängt nicht. Hinzu kommt, dass der ansonsten so smarte Cameron schon mal den Faden verliert, wenn er Versprechen zur finanziellen Förderung von Ehepaaren gibt und diese an einem Tag zwei Mal korrigieren muss. Punktsieg für Labour: Browns Boni-Steuer für Banker kam dagegen gut an im Wahlvolk. "Die Menschen sehen im Labour-Lager das erfahrenere Team mit mehr Kompetenz", sagt O'Hara. Die beängstigende Finanzkrise, die Brown mit Entschlossenheit anpackte, habe auf jeden Fall Labour in die Hände gespielt. "Das ist keine Zeit für einen Anfänger", kommentierte Brown denn auch schon im Jahr 2008 Camerons Ambitionen auf das Amt des Premiers. Mehr denn je scheint dies nun beim Wähler anzukommen. Denn Cameron hat ein sehr junges Team um sich geschart. George Osborne, Schatzkanzler im Schattenkabinett, ist 38 Jahre alt; William Hague, der Außenminister werden soll, ist 48; Schatten-Gesundheitsminister Michael Gove ist 42, Cameron selbst wird im Oktober 44. Die Gruppe, die vor zwei Jahren von der Times noch als bestes Tory-Team seit 50 Jahren tituliert wurde, verblasst im Vergleich zu den krisenerprobten Labour-Ministern. "Sie sind alle sehr ähnlich, sie sind jung, sie sind schlau, aber sie sind auch ein wenig glatt", sagt O'Hara über die Tory-Vorderbänkler, "und wirken wie spielende Jungs in der großen Welt der Politik."
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https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-brown-ist-die-hoffnung-1.12130
Großbritannien - Brown ist die Hoffnung
00/03/2010
Mehr als 20 Prozentpunkte lagen die Tories in Umfragen schon vorne - kurz vor der Wahl ist Browns Labour-Partei fast wieder auf Augenhöhe. Warum der Vorsprung Camerons geschrumpft ist.
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14 Stunden hat die Schlussrunde gedauert, dann war der erste Haushalt von Schwarz-Gelb beschlossen - und ein neuer Schuldenrekord amtlich. Die Opposition warnt vor dem "Himmelfahrtskommando". Mehr als 14 Stunden saßen sie bei der Schlussrunde zusammen, dann war der erste Haushalt der schwarz-gelben Koalition unter Dach und Fach. Und nach mehr als 14 Stunden war ein neuer Schuldenrekord amtlich. Bis zum frühen Freitagmorgen wurde um jeden Posten gerungen. Das bekam auch die Ministerriege zu spüren. Lange mussten die Ressortchefs von Union und FDP auf einen Auftritt vor dem Haushaltsausschuss des Bundestages warten, um ein letztes Mal für ihren Etat zu kämpfen. Immer wieder kam es zu Verzögerungen. Vor Sitzungssaal 2.400 schien zeitweise das halbe Kabinett versammelt, teils im Dunkeln bei ausgeschaltetem Licht. Am Ende der ungewöhnlich langen "Bereinigungssitzung" klopften sich die Haushaltspolitiker der Koalition dann stolz auf die Schulter. Sie haben ihr Ziel erreicht und können die erhoffte Botschaft verkünden: Die Neuverschuldung wurde 2010 von 85,8 Milliarden im Entwurf auf 80,2 Milliarden gedrückt. Das ist zwar immer noch ein einsamer Rekordwert, aber die Schuldenexplosion fällt weniger schlimm aus als befürchtet. Die Opposition winkt - nicht nur wegen des Verhandlungsmarathons - müde ab: Die nun geringere Verschuldung sei fast ohne Sparanstrengungen möglich gewesen und Folge bloßer Anpassungen an neue Wachstumsprognosen. Vor allem aber schweige die Koalition weiter über den Sparkurs ab 2011. Finanzminister Wolfgang Schäuble musste ausgerechnet die Schlussverhandlungen über seinen Etat vom Krankenbett aus verfolgen. Den Attacken der Opposition konnte er so nur wenig entgegensetzen. Knapp vier Monate nach Amtsübernahme ist die Schonfrist für den 67-jährigen CDU-Politiker vorbei. Auch der längere Klinikaufenthalt Schäubles hindert SPD, Grüne und Linke nicht, den Ton zu verschärfen. Natürlich lässt sich Schäuble, der nach einem Eingriff länger als erwartet im Krankenhaus bleiben muss, auf dem Laufenden halten - ob Griechenland-Krise, Etat 2010, die parallel laufenden Haushaltsverhandlungen für 2011 oder der Dauerstreit um illegal beschaffte Daten über Steuerbetrüger. Im Finanzministerium hofft man, dass Schäuble bei der abschließenden Etat-Beratung des Bundestages Mitte März wieder an seinem Schreibtisch an der Wilhelmstraße sitzt. Dann kann er auch im Plenum auf Vorwürfe reagieren, er lasse die Bürger weiter im Unklaren über den drastischen Sparkurs. Zuletzt hatte Schäuble "schwerwiegende Entscheidungen" und Einschnitte auch bei gesetzlichen Leistungen für die Zeit ab 2011 angekündigt.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundeshaushalt-mit-rekorddefizit-die-lange-nacht-der-schulden-1.4768
Bundeshaushalt mit Rekorddefizit - Die lange Nacht der Schulden
00/03/2010
14 Stunden hat die Schlussrunde gedauert, dann war der erste Haushalt von Schwarz-Gelb beschlossen - und ein neuer Schuldenrekord amtlich. Die Opposition warnt vor dem "Himmelfahrtskommando".
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Juristisch ist jetzt aus der Sponsoring-Affäre erst mal die Luft raus - politisch geht der Streit aber unverdrossen weiter. Nun macht die CDU der SPD und den Grünen Vorwürfe. Die Affäre um Parteisponsoring und feilgebotene Gespräche von CDU-Ministerpräsidenten hat der SPD in den letzten Tagen Auftrieb gegeben. Der Blick auf die Umfragen macht Sigmar Gabriel so viel Freude wie lange nicht mehr in den letzten Jahren, vor allem in Nordrhein-Westfalen. Die SPD steigt, die CDU sinkt - das hat es Ewigkeiten nicht mehr gegeben. Kein Wunder, dass der SPD-Vorsitzende versucht, dieses Gefühl auch in die nächsten Wochen zu retten. Gabriels jüngste Versuche: Er ruft nach dem Staatsanwalt und unterstellt Bundestagspräsident Norbert Lammert bei der Prüfung Parteilichkeit. Am Donnerstag hat Gabriel dabei allerdings einen Rückschlag erlitten. Eine Staatsanwalt hat juristisch Luft rausgenommen und der Bundestagspräsident hat Rückendeckung erhalten. Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf lehnte die Einleitung von Strafermittlungen wegen der "Sponsoren-Affäre" ab. Staatsanwalt Johannes Mocken erklärte auf Anfrage der Süddeutschen Zeitung, bei seiner Behörde sei eine Strafanzeige gegen den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) wegen des Verdachts der Vorteilsannahme eingegangen. Eingehende Prüfung Nach eingehender juristischer Prüfung habe die Staatsanwaltschaft dem Anzeigenerstatter zwischenzeitlich mitgeteilt, dass derzeit "ein Anfangsverdacht" für eine strafbare Handlung weder bei Rüttgers noch bei anderen Verantwortlichen der NRW-CDU erkennbar sei. "Wir sehen nicht, dass wir da tätig werden müssen", erklärte Mocken. Nach dem so genannten Tatortprinzip ist die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft für die mit ihrer Parteizentrale dort ansässige Landes-CDU zuständig. Die von Rüttgers als Landesparteichef geführte NRW-CDU hatte jahrelang in Werbebriefen an spendable Sponsoren von Parteiveranstaltungen offeriert, diese könnten für einen Aufschlag von etwa 6000 Euro in den Genuss von exklusiven Vier-Augen-Gesprächen mit Ministerpräsident Rüttgers oder anderen Mitgliedern der Landesregierung kommen. Genugtuung nach der Kritik Staatsanwalt Mocken erklärte, seine Ermittlungsbehörde habe den Fall aufgrund der dort vorliegenden Medienberichte geprüft. Auch der Erstatter der Strafanzeige habe ausschließlich auf Presseveröffentlichungen Bezug genommen. Auch der Bundestagspräsident hat sich gestern erneut zu Wort gemeldet. Ihn hat die jüngste Kritik Gabriels, er prüfe zu lange und sei parteiisch, nicht kaltgelassen. Also gab Lammert am Donnerstag dem Ältestenrat des Bundestagse einen Zwischenbericht seiner Prüfung - und verkündete am Nachmittag, dass ihm in diesem Gremium niemand bei dem Ziel widersprochen habe, "so sorgfältig wie nötig und so zügig wie möglich" aufzuklären. Alle Parteien hätten "ihr vollstes Vertrauen in seine Überparteilichkeit" zum Ausdruck gebracht. Man konnte Lammert ansehen, dass das eine Genugtuung war nach den Kritiken. Zu Vorschlägen, die Regeln für die Parteienfinanzierung zu verschärfen, sagte der CDU-Politiker mit Blick auf die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai, dafür seien Wahlkampfzeiten nicht günstig. Das Thema brauche eine ruhige und sorgfältige Betrachtung. Ungeachtet dessen ist der politische Streit zwischen den Parteien auch am Donnerstag fortgesetzt worden. In einer Aktuellen Stunde im Bundestag sprach die SPD von "verbotenen Zweckspenden" gegen welche die Bundestagsverwaltung Strafzahlungen verhängen müsse. Von unzulässigen Spenden sprachen auch die Grünen. Ihr Geschäftsführer Volker Beck forderte Lammert auf, bis Mitte April seine Prüfungen des Vorfalls abzuschließen. Zudem rief Beck auf, Sponsoring im Parteiengesetz zu regeln und dort genauso zu behandeln wie Spenden. Vertreter von Union und FDP erklärten, sie seien möglichen Änderungen beim Parteiengesetz gegenüber aufgeschlossen. Zugleich warfen sie auch den anderen Parteien vor, sie hätten in besonderer Weise für Sponsoring und Kontakte zu Politikern geworben.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/sponsoring-affaere-heisse-luft-im-bundestag-1.19033
Heiße Luft im Bundestag
00/03/2010
Juristisch ist jetzt aus der Sponsoring-Affäre erst mal die Luft raus - politisch geht der Streit aber unverdrossen weiter. Nun macht die CDU der SPD und den Grünen Vorwürfe.
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Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will den Dialog mit den etwa vier Millionen Muslimen in Deutschland auf eine neue Grundlage stellen. Hierfür werde er die Deutsche Islamkonferenz als zentrales Forum für diesen Dialog völlig umgestalten, sagte de Maizière am Donnerstag in Berlin. Die Teilnehmer der bisher 30 Personen zählenden Runde aus Bund, Ländern, Gemeinden und Muslim-Vertretern werden weitgehend ausgetauscht. Beim nächsten Treffen am 17. Mai neu hinzukommen sollen Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) und der nordrhein-westfälische Minister Armin Laschet (CDU) als derzeitiger Vorsitzender der Integrationsministerkonferenz. Zudem sollen die Oberbürgermeister von Nürnberg, Duisburg und Göttingen beteiligt werden - als Beispiel-Städten mit hohem Muslim- oder Ausländeranteil. Der Minister verteidigte seine Entscheidung, den Moscheenverband Milli Görüs und seinen Dachverband Islamrat nicht mehr einzuladen. "Ich möchte mich nicht mit jemandem an einen Tisch setzen, gegen den wegen des erheblichen Verdachts auf Delikte wie Steuerhinterziehung in Millionenhöhe ermittelt wird", sagte er mit Blick auf laufende Verfahren gegen Milli Görüs. Der Vorsitzende des Islamrats, Ali Kizilkaya sagte dazu, der eigentliche Grund für den Rauswurf sei die kritische Haltung des Verbandes bei den bisherigen Treffen. "Als Feigenblatt zur Legitimierung von Positionen, die von muslimischer Seite nicht tragbar sind" stehe er nicht zur Verfügung. Das Innenministerium hatte Kizilkaya eine ruhende Mitgliedschaft angeboten, solange die Vorwürfe gegen Milli Görüs nicht ausgeräumt sind. Dies hatte der Islamrat aber abgelehnt. Der Verband Milli Görüs, den der Verfassungsschutz islamistisch nennt, umfasst etwa 300 Moscheegemeinden in Deutschland, die von Hunderttausenden Muslimen besucht werden. De Maizière räumte ein, dass er noch nicht genau wisse, wie er diese Muslime nun einbinden könne. Man müsse wohl an dem Verband vorbei auf die Anhänger zugehen. Islamkritiker weichen Professor für Religionspädagogik Vollständig ausgetauscht werden die neun unabhängigen Muslim-Vertreter in der Konferenz, unter ihnen die Islamkritiker Seyyran Ates und Necla Kelek. Diese besänftigte der Minister, indem er sie weiter als Berater persönlich anhören will. Kelek, die zuvor vor einer Dominanz der Religionsverbände gewarnt hatte, zeigte sich damit zufrieden. An ihrer Stelle sollen Muslime mit Praxiserfahrung treten, etwa der Osnabrücker Professor für Islamische Religionspädagogik, Bülent Ucar, oder der Politologe und Publizist Hamed Abdel-Samad. Auch ein Imam und ein Islamlehrer sollen eingeladen werden, wer ist noch unklar. Mit den neuen Teilnehmern will de Maizière rascher zu Ergebnissen kommen. Bisher waren die Konferenzpapiere weitgehend im Allgemeinen geblieben. Konkret nannte de Maizière den schnellen Aufbau von Islamlehrstühlen zur Ausbildung heimischer Imame und Islamlehrer. Es sei "überhaupt nicht schön", dass diese bisher meist aus dem Ausland gesandt werden, sagte er.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/dialog-mit-den-muslimen-de-maiziere-reformiert-islamkonferenz-1.23586
Dialog mit den Muslimen - De Maizière reformiert Islamkonferenz
00/03/2010
Innenminister de Maizière ordnet die Islamkonferenz neu: Zahlreiche Teilnehmer werden ausgetauscht - auch der umstrittene Verband Milli Görüs.
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Lange Haftstrafen für die Angeklagten: Ein kluger Richter, vernünftige Verteidiger und ein angemessenes Urteil machen den Sauerland-Prozess zu einem Erfolg. Lateinisch gebildete Juristen sprechen gern vom Strafverfahren als einem Prozess, der deshalb Prozess heißt, weil er voranschreiten soll. Für die Beteiligten kann daraus sogar ein Lernprozess werden, wie der Sauerland-Prozess zeigte. Niemals zuvor hat die Öffentlichkeit solche Einblicke in das Innenleben des deutschen Dschihad bekommen. Noch niemals zuvor wurde der Widerspruch zwischen der Unreife von Spätpubertierenden und ihrer Gefährlichkeit für die Gesellschaft so deutlich. Das Urteil, das der Vorsitzende Richter Ottmar Breidling an diesem Donnerstag gegen die vier Angeklagten verkündete, ist - alles in allem - angemessen. Mehr Strafrabatt für Geständnisfreude war angesichts der verheerenden Anschlagsziele und des geplanten Massenmords nicht drin. Ein Verteidiger hatte vom "größten untauglichen Versuch eines terroristischen Anschlags" gesprochen. Diese Diagnose war richtig, aber wahr ist auch, dass dieser untaugliche Versuch sehr ernsthaft gemeint war. Dass der Prozess ein Erfolg wurde, ist vor allem Richter Breidling zu verdanken. Mit guter Vorbereitung und straffer Verhandlungsführung steuerte er die Beteiligten durch die Klippen dieses Monster-Verfahrens. Die Verteidiger sind zu loben, weil sie im Interesse ihrer Mandanten verteidigten und nicht die große Show suchten. Die Geständnisse der Angeklagten füllen mehr als 1000 Seiten und verraten die Sehnsucht nach einer Perspektive für die Zeit nach der langen Haft. Selbst solch irrwitzig anmutende Täter lassen sich also erreichen. Bei der Roten-Armee-Fraktion (RAF) hat es so etwas nicht gegeben. Der Prozess bot viele Einblicke in die Gedankenwelt der islamistischen Gotteskrieger und die Betrachter im Gerichtssaal schauten auf die Überreste familiärer Katastrophen: die Eltern geschieden, Suche nach irgendeiner Orientierung, kein innerer Kompass, erst Gefühlschaos, dann nur noch Chaos - so sah das Lebensmuster der Angeklagten aus. Sie suchten Werte und Orientierung und endeten im abgrundtiefen Hass. Sie waren fanatisch und spürten keine Zweifel am Erfolg ihrer wahnsinnigen Mission, selbst als sie wussten, dass sie beobachtet wurden. Die Heimwerker des Todes verhielten sich so auffällig, dass deutsche Terrorermittler im Herbst 2007 rätselten, ob diese Truppe nur von einem anderen Trupp ablenken wolle, in dem echte Profis Anschläge planten. Durch den Sehschlitz von Verschwörungstheoretikern betrachtet, hätte es sich bei der Sauerland-Bande um Provokateure der Nachrichtendienste handeln können - so auffällig dilettantisch gingen diese Gotteskrieger vor. Sie waren aber tatsächlich echte Dilettanten. Der Prozess hat auch Aufklärung über das Gewese der seltsamen Islamischen Dschihad Union (IJU) gebracht, die Dschihadisten vom Schlag der Sauerland-Bande ausgebildet und mit einem Auftrag versehen hat. Vor der Hauptverhandlung stritten sich Experten, ob es die IJU überhaupt gibt. Sie existiert wirklich und ist ein unorganisierter Haufen von Kämpfern, die unter primitivsten Bedingungen ein paar junge Leute für den Kampf in Afghanistan oder Europa mehr schlecht als recht ausbilden. Ein Grund für Entwarnung ist der marode Zustand der IJU nicht. Aber auch kein Grund für übertriebene Terrorwarnungen. Im Video: Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die vier Angeklagten der sogenannten Sauerland-Gruppe am Donnerstag zu langen Haftstrafen verurteilt. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-im-sauerland-prozess-gefaehrliche-dilettanten-1.19586
Urteil im Sauerland-Prozess - Gefährliche Dilettanten
00/03/2010
Lange Haftstrafen für die Angeklagten: Ein kluger Richter, vernünftige Verteidiger und ein angemessenes Urteil machen den Sauerland-Prozess zu einem Erfolg.
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Nach der Union steht nun auch die SPD unter Verdacht, Sponsoren mit Kontakt zu Spitzenpolitikern geködert zu haben. Parteienfinanzierung wird zum wahlentscheidenden Thema in NRW. Stichtag 9. Mai 2010: Bei der Bundestagsdebatte zum Thema "Sponsoring von Parteien" entstand der Eindruck, es gehe vor allem darum, wann die Parlamentsverwaltung die Vorwürfe gegen die CDU untersucht - vor oder nach dem Wahltag in Nordrhein-Westfalen. SPD, Grüne und Linkspartei forderten, dass sich Bundestagspräsident Norbert Lammert "unverzüglich" der Aufklärung widmen solle. Es müssten sofort Konsequenzen gezogen werden (Volker Beck, Grüne). Die Redner der Regierungsparteien von Union und FDP hingegen warnten vor voreiligem Handeln und mahnten "Sorgfalt und Qualität" bei der Untersuchung an (Stephan Mayr, CSU). Der Zeitplan der jeweiligen Gegner wurde im Lichte der NRW-Wahl ganz schnell als wahltaktisch abgekanzelt - während die eigenen Argumente natürlich ausschließlich mit der Sache zu tun hatten. Sieht man jedoch von den unterschiedlichen Zeiplänen ab, unterscheiden sich die Forderungen nur marginal - von der Linkspartei mal abgesehen. Die will das Parteiengesetz ändern und Sponsoring komplett verbieten. Die anderen Redner hielten Parteien-Sponsoring für prinzipiell zulässig. "Es ist ein öffentlicher und transparenter Vorgang", sagte Gabriele Fograscher (SPD). Trotzdem waren sich alle einig, dass Kontakte nicht für Geld zu verschachern sind: "Natürlich dürfen Gesprächstermine nicht verkauft werden", sagte Marco Buschmann (FDP). "Rent-a-Rüttgers", "Miet-den-Tillich": Die Sponsoring-Affäre der CDU war in den vergangenen Wochen an die Öffentlichkeit geraten. Die CDU in NRW hatte Stände auf ihrem Parteitag an Unternehmen vermietet, für einen Aufpreis gab es einen etwas größeren Stand - und einen Besuch des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers. Kurz danach wurde bekannt, dass die CDU in Sachsen ähnlich vorgegangen war. Der Bundestagspräsident ist derzeit mit der Aufklärung der Vorwürfe befasst. SPD-Chef Sigmar Gabriel warf Lammert in dem Zusammenhang Parteilichkeit vor. Der Parlamentspräsident müsse den Staatsanwalt einschalten, um gegen die betroffenen Ministerpräsidenten wegen des Verdachts der Bestechlichkeit einzuschreiten, sagte Gabriel der Leipziger Volkszeitung. "Im Zweifel muss die Immunität aufgehoben werden. Denn hier geht es doch um den Verdacht der Vorteilsnahme, den Verdacht der Bestechlichkeit, bis hin zu der Frage, ist das eigentlich eine Form von Nötigung, dass man jemandem sagt, du kriegst nur einen Termin beim Ministerpräsidenten, wenn du Geld zahlst", so der SPD-Chef. Pikant an dieser Forderung ist, dass offensichtlich auch die SPD interessierten Sponsoren persönliche Gespräche mit Parteichef Gabriel in Aussicht gestellt hat. Die Landesgruppe Niedersachsen/Bremen der Bundestagsfraktion habe, das berichtet die Leipziger Volkszeitung, für ihr Pfingsttreffen den Firmen ein entsprechendes Präsentationspaket angeboten. Wörtlich heiße es darin: "Unseren Sponsoren bieten wir: Präsentation Ihres Logos auf unserer Einladung, Präsentation z.B. mit einem Infostand oder Bannern vor Ort, Persönliche Danksagung zu Beginn des Pfingst-Treffens, Entsendung von zirka zwei Vertretern zur Veranstaltung seitens Ihres Unternehmens." Hauptredner Gabriel stünde den Gästen nach seinem Vortrag "zu Gesprächen zur Verfügung". SPD-Sprecher Tobias Dünow wies den Eindruck zurück, es gebe Parallelen zu der Sponsoring-Affäre der CDU in Nordrhein-Westfalen und Sachsen. "Herr Gabriel ist nicht käuflich, anders als Herr Rüttgers", sagte er. Er teilte zudem mit, dass Gabriel die fragliche Veranstaltung auch nicht besuchen werde. Die Antikorruptionsorganisation Transparency International forderte als Konsequenz aus den Sponsoring-Vorwürfen eine Verschärfung des Parteiengesetzes. Sponsoring sollte den gleichen Veröffentlichungspflichten unterliegen wie Parteispenden, fordert die Organisation. Außerdem sollte die Einhaltung des Gesetzes von einem unabhängigen Gremium überwacht werden. Eine Internet-Datenbank soll es jedem Bürger ermöglichen, nachzulesen, wer wie viel an welche Partei spendet.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-sponsoring-stichtag-9-mai-1.17811
Debatte um Sponsoring - Stichtag 9. Mai
00/03/2010
Nach der Union steht nun auch die SPD unter Verdacht, Sponsoren mit Kontakt zu Spitzenpolitikern geködert zu haben. Parteienfinanzierung wird zum wahlentscheidenden Thema in NRW.
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Großes Interesse an einer bizzaren Idee: Ein Bürgermeister in Thüringen will sowohl Straßen als auch die Gemeindefinanzen sanieren. Deshalb verkauft er Schlaglöcher. Sie sind hässlich, führen mitunter zu Autounfällen und ganz fies wird es, wenn sie sich mit Wasser füllen und durch Eissprengung zu weiteren Straßenschäden führen: Schlaglöcher sind nicht gerade en vogue. Würde man denken. Im thüringischen Niederzimmern, auf halber Strecke zwischen Erfurt und Weimar, verkaufen sich die klaffenden grauen Schandflecken jedoch wie warme Semmeln. Trotz der stolzen 50 Euro pro Loch. Bürgermeister Christoph Schmidt-Rose kam die Idee aus Mangel an Haushaltsgeldern, wirklich ernst gemeint war sie zu Beginn nicht. Inzwischen klicken sich Hunderte Interessenten durch das Angebot auf www.niederzimmern.de - und sogar internationale Kaufangebote trudeln ein. sueddeutsche.de: Herr Schmidt-Rose, Sie verkaufen auf der Internetseite Ihrer Gemeinde Schlaglöcher für 50 Euro. Wie kamen Sie dazu? Christoph Schmidt-Rose: Also eigentlich fing alles mit dem Ärger über die Schlaglöcher an. Viele Bürger kamen auf mich zu und fragten, wann wir das denn endlich mal machen. Im Haushalt war dieses Jahr dafür aber kein Geld. Als manche zum dritten Mal gefragt haben, hab ich gesagt - lass uns die doch einfach verkaufen! sueddeutsche.de: Was hat man denn von so einem eigenen Schlagloch als Käufer? Schmidt-Rose: Zuerst einmal natürlich das Schlagloch an sich, das ist ja schon mal was. Und dann natürlich die Plakette aus Metall. Entweder mit einem Schriftzug oder Wunschbild. Die kommt oben auf die Füllung drauf - als Widmung an den Käufer. sueddeutsche.de: Und wie groß ist diese Plakette? Schmidt-Rose: Circa so groß wie ein Zwei-Euro-Stück. sueddeutsche.de: Könnte man sich auch dazu entscheiden, das Loch leer zu lassen, oder anderweitig zu verwerten? Schmidt-Rose: Nein, das steht nicht zur Debatte. Wobei ich schon Anfragen in der Art hatte, nach dem Motto: "Ich kaufe eins, lass es aber offen, okay?". Das geht natürlich nicht. Man kauft nicht das Recht am Schlagloch, sondern das Recht auf eine Plakette, wenn man so will. sueddeutsche.de: Ist die Nachfrage groß? Schmidt-Rose: Sehr. Die Aktion läuft nicht mal drei Tage und wir haben schon Hunderte Besucher auf unserer Internetseite. Ganz konkrete Kaufangebote aus der Gemeinde gibt es auch schon. sueddeutsche.de: Auf Ihrer Internetseite haben Sie eine Bilderauswahl der Schlaglöcher. Rufen Leute an und sagen "Ich hätte gerne Schlagloch sieben, das gefällt mir besonders"? Schmidt-Rose: Bisher nicht. Wobei schon eine Anfrage dabei war, welches ich persönlich am schönsten fände. So als Kauftipp. sueddeutsche.de: Wie viele Schlaglöcher haben Sie denn im Angebot? Muss man sich beeilen? Schmidt-Rose: Die Anzahl der Schlaglöcher ist nicht begrenzt. Wenn die Nachfrage das Angebot übersteigt, teeren wir einfach die ganze Straße zu und verteilen die Plaketten. Da kommt keiner zu kurz. sueddeutsche.de: Die lokale Presse spekuliert bereits auf eine Verwandlung der Straße in einen "Walk of Fame" à la Hollywood. Wurden denn schon glamouröse Beschriftungsideen geäußert? Schmidt-Rose: Bisher habe ich noch nicht viele Wünsche erhalten, das dauert noch, bis die mit den Überweisungen eingehen. Der Thüringer Innenminister, Peter Michael Huber, hat, um die gute Idee zu würdigen, allerdings schon eine bestellt - mit dem Aufdruck "Der Thüringer Innenminister". sueddeutsche.de: Mussten Sie Wunschsignaturen auch schon ablehnen? Schmidt-Rose: Noch nicht. Aber natürlich schreiben wir keine rassistischen oder unangebrachten Sprüche auf die Straße. Aber ich sag mal, wenn jemand da stehen haben will "Ich liebe den Mond" - von mir aus. sueddeutsche.de: Sie werben nicht nur auf Deutsch mit dem Slogan "Teer muss her", sondern auch auf Englisch mit "We need Tar - buy your personal road hole". Hoffen Sie auf den internationalen Schlaglochmarkt? Schmidt-Rose: Internationale Anfragen gab es schon - jedoch erst mal aus dem deutschsprachigen Ausland, also Österreich und der Schweiz. Aber ich habe auch schon eine Anfrage von der BBC erhalten. sueddeutsche.de: Wenn sich die Zeichen der Zeit auch am Rathaus zu schaffen machen - kann man sich dann auch dort verewigen für 50 Euro? Schmidt-Rose: Mal sehen, wie's läuft. Zunächst beschränken wir das mal auf die Straße, aber dann - wer weiß. Wobei sich so eine Idee ja meistens abnutzt nach dem ersten Mal.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/gemeinde-verkauft-schlagloecher-sogar-die-bbc-will-eins-1.2677
"Gemeinde verkauft Schlaglöcher - ""Sogar die BBC will eins"""
00/03/2010
Großes Interesse an einer bizzaren Idee: Ein Bürgermeister in Thüringen will sowohl Straßen als auch die Gemeindefinanzen sanieren. Deshalb verkauft er Schlaglöcher.
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mlsum_de-train-634
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SPD-Chef Gabriel sieht Defizite bei der Aufklärung der Sponsoring-Affäre. Er erhebt gegen Bundestagspräsident Lammert schwere Vorwürfe - und hat einen Rat für ihn. SPD-Chef Sigmar Gabriel hat Bundestagspräsident Norbert Lammert Parteilichkeit im Zusammenhang mit der Sponsoring-Affäre vorgeworfen. Der CDU-Politiker nehme Rücksicht auf seine wahlkämpfende Partei in Nordrhein-Westfalen, sagte Gabriel im Interview mit der Leipziger Volkszeitung. Deswegen schiebe er die Aufklärung auf die lange Bank. Der SPD-Chef sagte weiter: "Es wäre die Aufgabe von Herrn Lammert, nicht jetzt Zeit zu fordern und Dialoge, sondern zu prüfen und zu entscheiden. Er soll sich mal ein Beispiel an Herrn Thierse nehmen. Der hat klar entschieden - das nehmen die ihm in der CDU und in der FDP heute noch übel - wie man in der Kohl-Spendenaffäre zu agieren hat." Dass der Bundestagspräsident Zeit schindet, hält Gabriel für offensichtlich, schließlich komme Lammert selbst aus Nordrhein-Westfalen. Dieser hatte zuvor gefordert, man solle in Ruhe und nach den Landtagswahlen von NRW am 9. Mai 2010 prüfen, ob es zu Änderungen im Parteienfinanzierungsgesetz kommen solle. Der Vorsitzende der SPD hält letztere Forderung für überflüssig: "Was die CDU in Sachsen und in Nordrhein-Westfalen getan hat, ist bereits heute verboten. Das verstößt gegen jede Form bürgerlichen Anstands", so Gabriel. Die Christdemokraten hätten Zeit und Zugang zu Ministern verkauft, zu staatlichen Amtsträgern. Deswegen verlangte Gabriel im Interview mit der Leipziger Volkszeitung von Lammert, die Staatsanwaltschaften zu bitten, ein Verfahren zu eröffnen. Das sei der richtige Umgang mit jenen, die gegen geltendes Recht verstoßen. Im Zweifel müsse auch die Immunität aufgehoben werden. Gabriel machte zugleich deutlich, dass die SPD komplett und sofort auf die Möglichkeit des Sponsorings verzichten würde. Er sagte in dem Interview: "Na klar, lass uns verabreden, so etwas gibt es nicht mehr. Ich muss keine Finanzierung von Parteitagen machen, bei denen wir dringend Geld von Leuten brauchen, die da Stände machen, nur weil wir die Parteitage zu Hochämtern stilisiert haben. Unsere Altvorderen haben kluge Beschlüsse gefasst und haben einfachere Parteitage gemacht." Das sei sehr gut gewesen. Die Sponsoringpraxis der Parteien ist am Donnerstag einer der Schwerpunkte der Sitzung des Bundestages. In einer Aktuellen Stunde wollen sich die Abgeordneten auf Antrag der Linksfraktion mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit Sponsoring die Glaubwürdigkeit der Politik beeinträchtige.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/gabriel-zu-sponsoring-lammert-schiebt-das-auf-die-lange-bank-1.21881
"Gabriel zu Sponsoring - ""Lammert schiebt das auf die lange Bank"""
00/03/2010
SPD-Chef Gabriel sieht Defizite bei der Aufklärung der Sponsoring-Affäre. Er erhebt gegen Bundestagspräsident Lammert schwere Vorwürfe - und hat einen Rat für ihn.
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Es kracht wieder heftig in der Koalition: Wegen des großen Bedarfs will die Union den Zivildienst verlängern. Die FDP lehnt den Vorstoß ab. Zivildienstleistende sollen ihren Dienst nach Willen der Union künftig freiwillig um bis zu sechs Monate verlängern können. Mit diesem Vorschlag will die Union insbesondere den Befürchtungen der großen Wohlfahrtsverbände begegnen, die einen Zusammenbruch des Systems befürchten, wenn der Wehr- und der Zivildienst wie in der Koalition vereinbart vom 1. Januar 2011 an nur noch sechs Monate betragen wird. Darüber gibt es nun heftigen Streit in der Koalition. Die FDP lehnt den Vorschlag der Unionsfraktion ab. Sie vermutet hinter den Bestrebungen der Union den Versuch, den Zivil- und damit auch den Wehrdienst zu stabilisieren. Die Liberalen dagegen plädieren für eine Abschaffung des Wehrdiensts, konnten sich in der Koalition aber nicht voll durchsetzen. Hintergrund des aktuellen Konflikts ist eine Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, in dem sich Union und FDP darauf verständigt haben, den Wehrdienst von derzeit neun auf sechs Monate zu verkürzen - und die Dauer des Zivildiensts daran anzupassen. Die fünf großen Wohlfahrtsverbände hatten daraufhin jedoch angekündigt, sie seien unter diesen Umständen kaum mehr in der Lage, die Arbeit mit den etwa 90.000 Zivildienstleistenden im Jahr ordnungsgemäß durchzuführen. In einem Schreiben an ihre Fraktionsführung warnt die Vorsitzende der Fraktionsarbeitsgruppe Familie, Dorothee Bär (CSU), vor einem Ende des Zivildienstes und plädiert dafür, einen freiwilligen Anschlussdienst an den Pflichtzivildienst einzuführen. Die Dauer soll ein bis sechs Monate betragen, die Bezahlung soll sich am Pflichtzivildienst orientieren. Die Kosten für Sold und Sozialversicherungen sollen wie beim Pflichtzivildienst zwischen Bund und Wohlfahrtsverband geteilt werden. Außerdem soll der junge Mann, der seinen Dienst freiwillig verlängert, jederzeit ausscheiden können. Die FDP lehnt den direkt an den Zivildienst gekoppelten Anschlussdienst ab. Die stellvertretende Fraktionschefin Miriam Gruß spricht vom falschen "Ansatzpunkt, einen Pflichtersatzdienst freiwillig zu verlängern". Statt dessen bietet die FDP zwei Alternativen, die beide von der Union abgelehnt werden. Die Liberalen schlagen vor, eine eigenständige Form von Freiwilligendienst zu schaffen oder den Zivildienst - gekoppelt an die Besoldung des verlängerten Wehrdienstes - um bis zu sechs Monate zu verlängern. Hinter beiden Vorschlägen vermutet die Unionsseite den Versuch der FDP, den Zivildienst und als Folge auch den Wehrdienst zu schwächen. Den ersten FDP-Vorschlag hält sie für unrealisierbar. Der Grund: Er erzwinge ein "bürokratisches Monster", weil die jungen Männer bei einem nicht an den Zivildienst gekoppelten Freiwilligendienst mehrfach bei Kranken- und Rentenversicherungen an- und abgemeldet werden müssten. Im zweiten Fall befürchtet die Union Zusatzkosten, die von den Wohlfahrtsverbänden nicht getragen werden könnten. Bär kommt in ihrem Schreiben an die Fraktionsspitze, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, zu dem Schluss: "Die Gegenvorschläge der FDP sind keine an der Sache orientierten Kompromissvorschläge, sondern undurchführbare und auf die Destabilisierung des Zivildienstes ausgerichtete Projekte." Demnächst soll sich der Koalitionsausschuss mit dem Streit befassen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/streit-in-der-koalition-union-will-zivildienst-retten-die-fdp-ist-entsetzt-1.6712
Streit in der Koalition - Union will Zivildienst retten - die FDP ist entsetzt
00/03/2010
Es kracht wieder heftig in der Koalition: Wegen des großen Bedarfs will die Union den Zivildienst verlängern. Die FDP lehnt den Vorstoß ab.
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Mit ihrem Vorschlag, die Pflegezeit auf zwei Jahre zu erhöhen, erntet Familienministerin Schröder harsche Kritik von Sozialverbänden, Opposition und Wirtschaft. Die Ministerin gibt sich unbeirrt. Der Plan von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) zur Ausweitung der Pflegezeit auf zwei Jahre stößt bei Sozialverbänden, Wirtschaft und Opposition weiterhin auf Kritik. "Die finanzielle Absicherung der pflegenden Angehörigen ist nicht gewährleistet, wenn sie auf 25 Prozent ihres Lohns verzichten sollen", sagte die Präsidentin des Sozialverbandes Deutschland, Ulrike Mascher, der Rheinischen Post. Pflegende Angehörige seien aber zumeist Frauen in schlecht bezahlten Jobs, so Mascher. "Der Vorschlag geht nicht weit genug." Pflegekritiker Claus Fussek sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, die Pläne seien nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. "Das Gros der Angehörigen hat davon überhaupt nichts." Der weit überwiegende Teil der pflegenden Angehörigen habe gar keine Zeit, noch eine andere Tätigkeit auszuüben. "Vielfach müssen die Angehörigen 24 Stunden täglich, sieben Tage die Woche und damit 30 oder 31 Tage im Monat ihre Liebsten pflegen", sagte Fussek. Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast bezeichnete Schröders Vorstoß als ein Modell vergangener Gesellschaften. "Was die Menschen brauchen, ist eine dreimonatige Auszeit mit Lohnersatzleistung, um die Pflege eines Angehörigen zu organisieren und qualitativ hochwertige Pflegestützpunkte, die alle notwendigen Dienstleistungen anbieten", forderte sie in den Ruhr Nachrichten. Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Karl Lauterbach, bezeichnete den Schröder-Plan als "gefährliche Falle für Frauen, weil sie damit aus dem Beruf gelockt werden". Er sagte der Neuen Presse, die Gefahr sei groß, dass Frauen nach der Pflegezeit lieber ganz aus dem Beruf aussteigen. "Zurück an den Herd" Schröders Konzept entspreche einem überholten Familienbild. "Das ist wie bei vielen Vorschlägen der CDU: Am Ende sollen die Frauen zurück an den Herd gelockt werden." Die SPD habe vorgeschlagen, die Pflegesätze für die ambulante Betreuung daheim deutlich zu erhöhen. "Das wäre eine sinnvolle und ganz einfache Maßnahme." Die Union sei jedoch dagegen. Der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Achim Dercks, sagte der Berliner Zeitung, dass bei diesem gesamtgesellschaftlichen Thema die finanziellen Risiken nicht einseitig beim jeweiligen Betrieb abgeladen werden dürften. Statt eine staatliche Einheitslösung festzuschreiben, sollten gute Arbeitszeitmodelle aus der Praxis bekannter gemacht werden. Zudem sei eine Professionalisierung der Pflegeangebote notwendig. Die Familienministerin verteidigte unterdessen im ARD-Morgenmagazin ihr Pflegezeit-Modell. Sie sagte, ihr Haus rechne gerade ein Versicherungsmodell durch, das Risiken ihres Modells für die Unternehmen abfedern soll. Das Gehalt später wieder "reinholen" Zu den Vorwürfen, ihr Pflegemodell koste die Unternehmen zu viel, sagte Schröder: "Der Faktor Arbeit wird nicht wirklich verteuert." Von den Arbeitgebern werde nicht verlangt, dass sie mehr Geld zahlen müssten. Das Gehalt werde später wieder "reingeholt". Wer zwei Jahre wegen der Pflege von Angehörigen nur halbtags arbeitet, soll nach Schröders Vorstellung zunächst 75 Prozent seines Gehaltes weiter bekommen. Anschließend sollen die Arbeitnehmer wieder voll in den Beruf einsteigen. Allerdings bekommen sie weiterhin nur 75 Prozent des Gehalts ausgezahlt und zwar so lange, bis das Gehalts- und Arbeitszeitkonto wieder ausgeglichen ist. Schröder räumte allerdings ein, dass für die Unternehmen ein Risiko bestehe: "Was machen wir, wenn die Mitarbeiter doch nicht nach der Pflegezeit zurückkehren?" Diesen Fall lasse sie gerade als Versicherungsmodell durchrechnen. "Wir brauchen auf freiwilliger Basis die Möglichkeit, dass man sich gegen dieses Risiko absichert", sagte die Ministerin. Nach ihren Angaben müsste der Arbeitgeber die Versicherungspolice übernehmen. "Da man aber davon ausgehen kann, dass die meisten Arbeitnehmer zurückkehren, wäre das im vertretbaren Rahmen." Die Ministerin kündigte an, in Modellprojekten kurzfristig ihr Pflegeteilzeitmodell zu testen. "Danach werde ich möglichst schnell einen Gesetzentwurf vorlegen", sagte sie.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/ausweitung-der-pflegezeit-eine-gefaehrliche-falle-1.11481
"Ausweitung der Pflegezeit - ""Eine gefährliche Falle"""
00/03/2010
Mit ihrem Vorschlag, die Pflegezeit auf zwei Jahre zu erhöhen, erntet Familienministerin Schröder harsche Kritik von Sozialverbänden, Opposition und Wirtschaft. Die Ministerin gibt sich unbeirrt.
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Die Macht der Pracht: Außenminister Guido Westerwelle lädt Prominente gern in die Villa Borsig ein - bezahlt wird aus der Ministerschatulle. Die Opposition ist irritiert. Als Außenminister Guido Westerwelle seinen Kollegen Sergej Lawrow jüngst nach Tegel bestellte, wunderte sich der Russe. Die Adresse ließ einen schmucklosen Treffpunkt in der Nähe des Berliner Flughafens befürchten. An Ort und Stelle zerstreuten sich die Sorgen. Westerwelle lud seinen Moskauer Gast zu Tisch in die Villa Borsig, ein neobarockes Schloss mit herrlichem Blick auf den Tegeler See. Schon seit 2006 steht die einstige Industriellenvilla dem Auswärtigen Amt als Gästehaus zur Verfügung. Der Sozialdemokrat Frank-Walter Steinmeier bat eher selten Besuch in das feudale Ambiente. Sein Nachfolger Westerwelle hingegen vertraut auf die Macht der Pracht in der Diplomatie. Er will Leben in die Villa bringen und sie zur "Marke" machen. Da sein Amt nun mal über die Immobilie verfüge, müsse sie doch auch genutzt werden, argumentierte er jüngst bei den Etatberatungen im Haushaltsausschuss. Das sieht, im Prinzip, auch die Opposition so. Dennoch gibt es Ärger. Zwei Mal schon hat Westerwelle zu "Berliner Abenden" in die Villa Borsig geladen - zum Gedankenaustausch bei gutem Essen und anschließender Kaminrunde mit Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Medien und Diplomatie. Ein "völlig normaler Vorgang des internationalen gesellschaftlichen Lebens", heißt es dazu aus dem Auswärtigen Amt. Die Serie werde fortgesetzt. Die Opposition ist aber misstrauisch; sie verlangt Auskunft über die Abende, die aus der Ministerschatulle für "außergewöhnlichen Aufwand aus dienstlichem Anlass in besonderen Fällen" finanziert werden. "Westerwelle ist nicht König Guido, sondern ein Minister unter demokratischer Kontrolle", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Brandner. "Er lädt zu diesen Abenden nicht als FDP-Vorsitzender, sondern in seiner Funktion als Bundesaußenminister", sagt Brandner und verlangt Klarheit, ob die Abende "im Interesse der Bundesrepublik" stattfinden. Ein ziemlich hoher Anspruch - und ein weltfremder, wie Diplomaten finden. Zur Außenpolitik gehöre nun mal auch das gesellschaftliche Leben. Entsprechend liest sich die Gästeliste des ersten "Berliner Abends", der Mitte Dezember stattfand. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung waren dazu unter anderen geladen: ZDF-Showmaster Thomas Gottschalk, Talkmasterin Sabine Christiansen, Fußball-Trainer Felix Magath und Berlinale-Chef Dieter Kosslick, außerdem Telekom-Chef René Obermann, der Milliardär Reinhold Würth und schließlich die Botschafter Spaniens und der Schweiz. "Westerwelle sollte sich mal um deutsche Außenpolitik kümmern und nicht um deutsche B-Prominenz", kritisiert der grüne Abgeordnete Sven-Christian Kindler. Bei der Auswahl der Gäste dürfte neben Prominenz allerdings auch Sympathie eine Rolle gespielt haben. Schraubenhersteller Würth war viele Jahre lang FDP-Mitglied, Fußballtrainer Magath bekannte nach der Bundestagswahl 2009: "Tatsächlich steht Leistung bei mir im Berufsleben ganz weit oben, deshalb habe ich auch die Hoffnung, dass die FDP das hinkriegt und Wort hält."
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https://www.sueddeutsche.de/politik/aussenminister-westerwelle-koenig-guido-und-sein-schloss-1.22641
Außenminister Westerwelle - König Guido und sein Schloss
00/03/2010
Die Macht der Pracht: Außenminister Guido Westerwelle lädt Prominente gern in die Villa Borsig ein - bezahlt wird aus der Ministerschatulle. Die Opposition ist irritiert.
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"Was hier geschah, ist überall möglich": Der Triumph bei den Kommunalwahlen lässt den Rechtspopulisten Geert Wilders auf einen Sieg bei den Parlamentswahlen hoffen. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders hat auf seinem Weg zur Beteiligung an der politischen Macht im Land bei Kommunalwahlen erheblichen Auftrieb bekommen. In Den Haag, dem Sitz der Regierung, wurde seine Partei für die Freiheit (PVV) zweitstärkste politische Kraft nach der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA). In der Stadt Almere verwies die PVV, die vor allem mit ausländerfeindlichen Parolen angetreten war, nach dem vorläufigen Endergebnis mit 21,6 Prozent der Stimmen alle anderen Parteien auf die Plätze. Als zweitstärkste Kraft kamen die Sozialdemokraten hier auf 17,6 Prozent. Die PVV trat nur in den beiden Städten Den Haag und Almere an, wo sie bei den Europawahlen im vergangenen Sommer besonders gut abgeschnitten hatte. "Was in Den Haag und Almere geschah, ist überall in den Niederlanden möglich", sagte Wilders mit Blick auf die vorgezogenen Parlamentswahlen am 9. Juni. Ziel der Freiheitspartei sei es, dabei stärkste politische Kraft des Landes zu werden. "Wir werden die Niederlande zurückerobern von der linken Elite, die immer noch an den Islam, an Multikulti, an den Unsinn von Entwicklungshilfe und den europäischen Superstaat glaubt", rief Wilders jubelnden Anhängern in Almere zu. Ungeachtet ihrer Erfolge blieb die PVV aber hinter den vorausgesagten 30 Prozent der Stimmen in diesen Städten zurück. Der christdemokratische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende, dessen Partei ähnlich wie die Sozialdemokraten teils erhebliche Verluste hinnehmen musste, gratulierte den Wahlsiegern. Dazu zählen neben der Wilders-Partei unterschiedlich stark auch die rechtsliberale VVD sowie die linksliberale D66 und die linke Umweltpartei GroenLinks. Beobachter werteten die Kommunalwahlen zu 394 Gemeinderäten vor allem als Indikator für die Neuwahlen des Parlaments, die durch den Zusammenbruch der christlich-sozialdemokratischen Regierungskoalition in Den Haag vor zwei Wochen nötig geworden sind. Daher wurde einer Umfrage am Rande der Kommunalwahlen im Auftrag des öffentlich-rechtlich Fernsehens mit Blick auf die Parlamentswahlen am 9. Juni stark beachtet. Sie wies die Partei für die Freiheit mit voraussichtlich 24 Mandaten im 150 Sitze umfassenden Parlament als künftig drittstärkste politische Kraft der Niederlande aus. Trotz Verlusten blieben Balkenendes Christdemokraten mit 29 Mandaten (statt bislang 41) stärkste Partei, gefolgt von den Sozialdemokraten mit 27 (statt 33) Sitzen. Balkenende äußerte sich zu einer Zusammenarbeit mit Wilders zwar skeptisch, wollte dies aber auch nicht ausschließen. Wilders hofft unterdessen auf eine noch besseres Abschneiden seiner Einmann-Partei und verwies auf eine Umfrage des privaten Instituts Maurice de Hond, bei der die PVV besser abschnitt. Kopftuchverbot und frühe Rente "Wir werden am 9. Juni die größte Partei der Niederlande", sagte er. Zu den den Wahlkampfforderungen der Wilders-Partei gehörte ein Kopftuchverbot in allen Behörden und sämtlichen staatlich geförderten Einrichtungen. Kopftücher kennzeichneten die Unterdrückung von Frauen in islamischen Gesellschaften, erklärte der Rechtspopulist. Wilders verlangte auch ein rückhaltloses Vorgehen der Polizei gegen jugendliche Randalierer aus Immigrantenkreisen, die er als "marokkanische Straßenterroristen" bezeichnet. Außerdem versprach die PVV, sich für die Beibehaltung der Rente mit 65 statt erst mit 67 Jahren stark zu machen. Bei Befragungen gab fast die Hälfte der Wilders-Wähler an, mit der Stimmabgabe gegen soziale Folgen der Wirtschaftskrise, Probleme bei der Ausländerintegration und eine zunehmende Kriminalität protestieren zu wollen. Zur Teilnahme an den Kommunalwahlen für rund 8700 Sitze in den Gemeinderäten waren 12,2 Millionen Niederländer aufgerufen. Die Wahlbeteiligung lag bei 56 Prozent und damit leicht unter der bei den Gemeinderatswahlen vor vier Jahren. In manchen Orten, darunter am Regierungssitz Den Haag, bewarben sich bis zu 20 Parteien.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/niederlande-wilders-auf-dem-weg-an-die-macht-1.10188
Niederlande - Wilders auf dem Weg an die Macht
00/03/2010
"Was hier geschah, ist überall möglich": Der Triumph bei den Kommunalwahlen lässt den Rechtspopulisten Geert Wilders auf einen Sieg bei den Parlamentswahlen hoffen.
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Der libysche Staatschef ist beleidigt und verhängt ein Wirtschaftsembargo gegen die Schweiz. Diplomaten hatten sich über Gaddafis Aufruf zum Heiligen Krieg gegen die Schweiz lustig gemacht. Der libysche Staatschef Muammar al-Gaddafi ist beleidigt, weil sich Diplomaten über seinen Aufruf zum Heiligen Krieg gegen die Schweiz lustig machen. Vom US-Außenministerium fordert er nun eine Entschuldigung, weil sich Außenamts-Sprecher Philip Crowley ironisch über seine kämpferischen Reden geäußert hatte. Das libysche Allgemeine Volkskomitee für auswärtige Beziehungen bestellte am Mittwoch die Geschäftsträgerin der US-Botschaft in Tripolis ein, um gegen die Äußerung Crowleys zu protestieren. Sollte sich das Ministerium weigern, sich bei Gaddafi "offiziell zu entschuldigen", werde dies negative Folgen für die Beziehungen zwischen den beiden Staaten haben, erklärten die Libyer nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur JANA. Gleichzeitig betonte das Volkskomitee, Oberst Gaddafi habe sich seinerseits stets respektvoll über US-Präsident Barack Obama geäußert. Crowley war am vergangenen Freitag von einem Journalisten gefragt worden, wie das US-Außenministerium von Gaddafis Aufruf zum "Dschihad"" beurteilt. Daraufhin antwortete er, die jüngste Gaddafi-Rede habe ihn an dessen Auftritt vor den Vereinten Nationen im vergangenen September erinnert: "Viele Worte, viel Papier, das überall herumflog - nicht unbedingt viel Vernünftiges." Am Mittwochabend verlautete aus Regierungskreisen in Tripolis, Libyen werde seine Handelsbeziehungen zur Schweiz abbrechen. Bei einem Treffen von Regierungsvertretern in der Stadt Sirte wurde beschlossen, künftig keine Medikamente mehr aus der Schweiz zu beziehen. Gaddafi hatte am Donnerstag vergangener Woche in einer Rede vor Präsidenten und Stammesführern aus islamischen Staaten erklärt, der Heilige Krieg ("Dschihad") gegen die Schweiz sei eine Pflicht für die Muslime, weil die Eidgenossen "die Häuser Gottes zerstören". Damit bezog sich der libysche Revolutionsführer, der nach der vorübergehenden Festnahme seines Sohnes Hannibal in Genf 2008 eine Kampagne gegen die Schweiz begonnen hatte, auf das im vergangenen Jahr per Volksabstimmung beschlossene Verbot für den Bau von Minaretten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/libyer-boykottieren-die-schweiz-gaddafi-ist-beleidigt-1.20077
Libyer boykottieren die Schweiz - Gaddafi ist beleidigt
00/03/2010
Der libysche Staatschef ist beleidigt und verhängt ein Wirtschaftsembargo gegen die Schweiz. Diplomaten hatten sich über Gaddafis Aufruf zum Heiligen Krieg gegen die Schweiz lustig gemacht.
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Catherine Ashton rennt die Zeit davon. Bis Ende März muss die Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union deren Mitgliedstaaten einen Vorschlag machen, wie der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) aussehen soll. Keine leichte Aufgabe. Denn wer in das verharzte Brüsseler Institutionengefüge etwas Neues einzufügen sucht, der trifft vor allem auf eins: Widerstand. So geht es für Ashton am Samstag bei informellen Treffen der europäischen Außenminister im spanischen Cordoba um nicht weniger als um einen Durchbruch. Sie muss die Runde von ihren Ideen überzeugen und ihre Rückendeckung gewinnen. Doch das Papier über die Zuständigkeiten und die Organisation des diplomatischen Dienstes, das sie den Ministern vor einigen Tagen hat zukommen lassen, ließ bei manchen die Augenbrauen befremdet nach oben gehen. Dieses Papier, sagt ein hoher Diplomat aus einem der großen Mitgliedsländer, enthalte "solch kuriose Optionen" und es mangele ihm dermaßen an "Gradlinigkeit", dass sich die Minister schon fragen müssten, ob es sich überhaupt zu diskutieren lohnt. In der Tat strotzt das vierzehn Seite lange Papier vor Ungereimtheiten und Unklarheiten. Würde das eins zu eins realisiert, dann "beschädigen wir die europäische Außenpolitik", räumen selbst Diplomaten ein, die Ashton wohlwollen. Kann die Britin ihren Job also wirklich nicht, wie ihr von einer täglich wachsenden Zahl von Kritikern nachgesagt wird? Das kann man so, aber auch anders sehen. Wie etwa die Europaabgeordnete und außenpolitische Expertin der Grünen, Franziska Brantner. Die liest das Ashton-Papier als einen "Hilferuf an die Mitgliedstaaten". Und Hilfe kann Ashton brauchen. Sie ist dabei, im Kampf mit der mächtigen EU-Kommission unterzugehen. Und dann steht sie sich manchmal auch noch selbst im Wege. Es gibt in Brüssel nur ein Alphatier Niemand hatte von der außenpolitisch unerfahrenen Britin erwartet, dass sie gleich nach ihrer Berufung durch die Staats- und Regierungschefs im vergangenen November die außen- und sicherheitspolitischen Dossiers der EU komplett beherrscht. Doch ihr Auftritt auf der Münchner Sicherheitskonferenz war wenig gelungen, und bei der Naturkatastrophe in Haiti agierte sie unsicher. Als Kommissionspräsident José Manuel Barroso einem engen Vertrauten aus Portugal - rechtlich zulässig - dann den wichtigen EU-Botschafterposten in Washington zuschob, war das Signal klar: Es gibt in Brüssel nur ein Alphatier und das heißt Barroso. Das beschädigte Ashton ebenso wie die Entscheidung Barrosos und des Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, sie zur Amtseinführung des neuen ukrainischen Präsidenten zu schicken. Dadurch verpasste sie das Treffen der Verteidigungsminister, die mit ihr über den EAD reden wollten. Das kam bei denen nicht gut an. Nun wird in Ashtons Umgebung durchaus eingeräumt, dass man Fehler gemacht habe. So habe sie fast alle ihre Mitarbeiter aus ihrer Zeit als EU-Handelskommissarin mit ins neue Amt genommen, anstatt sich gleich mit in Brüssel erfahrenen Außen- und Sicherheitsspezialisten zu umgeben. Erst nach langem Zögern hat sie sich jetzt den dänischen EU-Botschafter Poul Skytte Christofferson als Berater ausgeliehen. Es mag sein, dass die Sache mit dem EAD besser liefe, wenn Ashton eine erfahrene Außenpolitikerin wäre. Der FDP-Europaabgeordnete und Berufsdiplomat Alexander Graf Lambsdorff warnt allerdings vor voreiligen Schlüssen. Der Vertrag von Lissabon bringe jeden, der auf diesem Posten ist, in Probleme. Denn der müsse die Kommission, das Ratssekretariat, die Mitgliedsländer und das Europaparlament mit seinem Vorschlag für den EAD "gleichermaßen glücklich machen", was aber "schlicht nicht geht". Wie extrem kompliziert es ist, den nach Vertragstext so klaren Willen der EU-Staaten nach einer einheitlichen europäischen Außenpolitik in praktische Formen zu gießen, muss Ashton seit Wochen erfahren. In dem Entwurf, den sie nun vorlegt, spiegeln sich diese Kämpfe. Und die Unzulänglichkeiten dieses Papiers lassen sich nur verstehen, wenn man seinen Vorläufer betrachtet. Am 17. Februar legte Ashton der EAD-Arbeitsgruppe von Rat, Kommission und Mitgliedstaaten ein Konzept vor, das durchaus konsistent war und den Vorstellungen der Mitgliedstaaten nahekam. Die, daran muss erinnert werden, auch nach der Reform weiterhin die Herren der Außen- und Sicherheitspolitik sind. Dass dieses erste Konzept nie das Licht der ministeriellen Beratungen erblickte, daran sind die Mitgliedstaaten selber schuld. Sie haben vorgeschrieben, dass die Hohe Vertreterin einen Vorschlag für den EAD nur mit Zustimmung der Kommission machen darf. Diesen Hebel nutzt die Kommission, ihre Pfründe zu sichern. So blockierte, wie Teilnehmer der Sitzung am 17.Februar berichten, die Generalsekretärin der Kommission, Catherine Day, die Vorschläge. Über Day sagen Diplomaten, dass sie keine sei, die man zur Feindin haben möchte. Noch sitzt die Kommission nicht nur an einem stabilen, sondern auch am längeren Hebel. Anders als Ashton steht Barroso nicht unter Zeitdruck. Sein Interesse ist es, möglichst wenig an politischer Zuständigkeit, Personal und Geld an den von ihm unabhängigen EAD abzugeben. Der nächste Kampf Barroso kann es durchaus recht sein, wenn Ashton nun mit einem Papier bei den Ministern aufläuft, in dem so unsinnige Ideen stehen wie etwa die, dass die EU-Botschafter auch Weisungen von der Kommission entgegennehmen müssen. Oder dass Botschafter nur mit Zustimmung der Kommission ernannt werden. Oder dass wesentliche Gelder der Außenpolitik unter der Kontrolle der Kommission bleiben. Als Spitze des Absurden aber hat die Idee in das Papier Eingang gefunden, die Entwicklungspolitik aufzuteilen: Die Kommission kriegt Afrika, der EAD Asien. Das sind alles keine Ideen Ashtons, sondern Ergebnisse der Interventionen der Kommission. Dass Ashton sich dennoch mit diesem Papier vor die Minister traut, kann nur einen Grund haben: Sie will ihnen vor Augen führen, was passiert, wenn die Mitgliedstaaten sie im Regen stehen lassen. Wie Franziska Brantner sagt, ein Hilferuf, aber einer mit einem deutlich drohenden Unterton. Dass sie die Hilfe der Mitgliedstaaten braucht, liegt nach Ansicht eines führenden europäischen Politikers daran, dass sie ohne EAD "noch eine Dame ohne Unterleib" ist. Was heißen soll, dass ihr derzeit ein Apparat fehlt, der es mit der Kommission aufnehmen könnte. Deren Macht und potentiell destruktive Kraft können nur die Mitgliedsländer zügeln. Es werde Zeit, dass die Staats- und Regierungschefs, die Ashton mit dieser gegenwärtig schwersten Aufgabe in der EU betraut haben, Barroso zügeln, sagen Diplomaten und Politiker, die mit den Verhandlungen vertraut sind. "Vor allem Merkel und Sarkozy" trügen als Chefs der größten Länder dafür auch die größte Verantwortung. Hilfe für Ashton kommt derweil aus einer unerwarteten Ecke. Auf Initiative von Lambsdorff hat sich im Europaparlament ein fraktions- und länderübergreifender Kreis der "Freunde des EAD" gebildet, bei dem auch einige externe Experten mitarbeiten. Dieser Kreis bietet Ashton seinen Rat an - den sie inzwischen wohl auch nutzt. Vor allem aber könnten die Freunde des EAD die sichere Brücke sein, die Ashton ins Europäische Parlament braucht. Die Abgeordneten müssen bei der Errichtung des EAD zwar nur "gehört" werden. Aber wenn es um dessen Personalstatut und Finanzen geht, dann liegt die Entscheidung in den Händen des Parlaments. Das ist der nächste Kampf, der Ashton bevorsteht.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/eu-aussenbeauftragten-ashton-einsame-kaempferin-in-bruessel-1.14960
EU-Außenbeauftragten Ashton - Einsame Kämpferin in Brüssel
00/03/2010
Kann die Britin ihren Job nicht? Der neuen EU-Außenbeauftragten Ashton fehlen der Machtapparat und die Erfahrung, um sich gegenüber der Kommission durchzusetzen.
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Geißler wird 80: Kohls einstiger Demagoge ist heute der Konservative, den die CDU am meisten hasst. Dafür bewundere ich ihn. Ich gebe zu: Früher haben wir Kabarettisten Heiner Geißler als einen üblen Demagogen empfunden. Er war ein Mensch, der Argumente wie ein gerissener Advokat ausgenutzt hat. Der CDU-Generalsekretär Heiner Geißler war hinterhältig, listig und gemein. Dafür haben wir ihn gehasst - und natürlich auch ein wenig bewundert. Auch er wurde Opfer von Helmut Kohl. Dieser Kanzler hat es fertiggebracht, in der Republik eine Quasi-Monarchie zu etablieren: Und so hat er regiert. König Helmut I. trieb Hausmacht-Politik, um sich herum baute er ein Netz von Vasallen auf. Dann brauchte er nur anzurufen und zu sagen: "Entlass den, stell den an, haut die da weg, der darf Karriere machen - und der nicht." Das klappte auch prima in Redaktionen. In der CDU erst recht - siehe Geißler. Der wurde von Kohl eingestampft, weil er den Kanzler durchschaut hatte: Da wollte der Demagoge kein Demagoge mehr sein. Es lag nicht daran, dass er keinen hohen Job mehr hatte wie den des Generalsekretärs oder einen Ministerposten. Nein: Heiner Geißler hat wirklich nachgedacht. Über diese Republik, über seine Partei, über Helmut Kohl. Eine echte Wesensänderung Die Erkenntnis, so viele Jahre für einen solchen Mann gekämpft und die Drecksarbeit verrichtet zu haben, muss fürchterlich gewesen sein. Kein Zweifel: Heiner Geißler hat eine echte Änderung seines Wesens vollzogen. Inzwischen sitzt der frühere Jesuitenschüler da, als wäre er tatsächlich ein Mönch geworden. Er besitzt nun die Frechheit, offen zu sagen, was er für richtig - was er für die Wahrheit hält. Geißler ist wohl der Christdemokrat, den sie in der Union am meisten hassen. Dafür bewundere ich ihn! Nun wird Heiner Geißler 80 Jahre alt und Kohls Mädchen Merkel gratuliert ihm eifrig. Ich hoffe nur, dass der Jubilar das aushält.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/dieter-hildebrandt-ueber-heiner-geissler-von-der-frechheit-die-wahrheit-zu-sagen-1.8451
Dieter Hildebrandt über Heiner Geißler
00/03/2010
Geißler wird 80: Kohls einstiger Demagoge ist heute der Konservative, den die CDU am meisten hasst. Dafür bewundere ich ihn.
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Verhandelt wird die höchste Summe, über die Straßburg je entschieden hat: 100 Milliarden Dollar, umgerechnet 75 Milliarden Euro; dabei gibt es nach Ansicht der Verteidigung nicht mal einen Kläger. Vieles ist ungewöhnlich, alles kompliziert und der Ausgang völlig offen, wenn an diesem Donnerstag vor dem Europäischen Menschenrechtsgerichtshof die Klage des russischen Ölkonzerns Yukos angehört wird. Die ehemaligen Yukos-Eigner hatten ihre Klage bereits 2004 eingereicht, zwei Jahre später wurde das Unternehmen für bankrott erklärt und enteignet, so der Londoner Anwalt Piers Gardner - und zwar aus politischen Gründen. Obwohl es Yukos also nicht mehr gibt, hatte das Gericht entschieden, dass eine Ablehnung der Klage Regierungen geradezu ermutigen würde, Firmen vom Gang vor Gericht abzuschrecken. Russische Medien spotteten, offenbar habe Straßburg erkannt, dass man einen Fall nicht deshalb einstellen könne, weil das Opfer tot ist. Kreml-Kritiker sprechen bereits davon, dass in Straßburg Moskaus gelenkter Justiz der Prozess gemacht wird, dass das Urteil von Straßburg sogar Auswirkungen auf das Verfahren gegen Michail Chodorkowskij haben könne. Dabei haben die Fälle juristisch nichts miteinander zu tun. Der Yukos-Gründer steht mit seinem Geschäftspartner Platon Lebedjew in einem umstrittenen Verfahren gerade zum zweiten Mal in Moskau vor Gericht. In einem ersten Verfahren war er zu acht Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Chodorkowskij, so sehen es viele, hatte vor zehn Jahren politische Ambitionen erkennen lassen und damit den damaligen Präsidenten Wladimir Putin herausgefordert. Dieser habe ein Exempel statuieren lassen - damit war das Schicksal von Yukos besiegelt. Im April 2004 hatten die russischen Steuerbehörden von Yukos rückwirkend und trotz vorheriger Prüfungen eine Nachzahlung von 88,4 Milliarden Rubel (2,7 Milliarden Euro) verlangt. Später hatte ein Gericht Yukos untersagt, zur Begleichung der Schulden eine Tochterfirma zu verkaufen. Stattdessen wurde der Verkauf seines Kronjuwels Yuganskneftegas angeordnet. Für die Hälfte seines geschätzten Wertes ging das Unternehmen schließlich an die eigens zu diesem Zweck gegründete Firma Baikalfinansgrup, die kurz darauf an den staatlichen Ölkonzern Rosneft verkauft wurde. Rosneft-Aufsichtsratschef ist der Vizepremier und Putin-Vertraute Igor Setschin, den viele als den eigentlichen Drahtzieher der Yukos-Affäre sehen. Um die Rolle Setschins aber dürfte es in Straßburg nur am Rande gehen, und ob sich das Gericht auf die Erörterung politischer Motive einlassen wird, ist noch nicht klar. Nicht einmal die drastischen Steuernachzahlungen sind für das Gericht per se ein Fall von Menschenrechtsverletzungen, bemerkte der Ex-Yukos-Anwalt Dmitrij Gololobow. Schließlich hat nach Ansicht Straßburgs jeder Staat das Recht, Steuern zu erheben, wie er möchte. Wem das nicht passe, der müsse in diesem Land ja keine Geschäfte machen. Der Menschenrechtsgerichtshof wird vielmehr Verfahrensfehler untersuchen und der Frage nachgehen, ob die Enteignung (wenn es denn eine war) im Interesse der Allgemeinheit zu rechtfertigen war, weil Yukos Steuern hinterzogen hatte, wie die russische Seite behauptet. Kürzlich hatte das Gericht bereits entschieden, dass die Festnahme von Chodorkowskijs Partner Platon Lebedjew unrechtmäßig war - ein Urteil, das Lebedjew moralisch vielleicht aufrichtete. Für den aktuellen Fall aber war es juristisch ohne Bedeutung. Vor wenigen Wochen wurde eine erste Yukos-Anhörung verschoben, weil der Vertreter Russlands, wie es offiziell hieß, in Moskau an der Ratifizierung des 14.Zusatzprotokolls der Menschenrechtskonvention teilnehmen müsse. Russland war das letzte Land, das dem Inkrafttreten des Protokolls noch im Wege stand. Dass nun als erster Fall nach diesem Schritt in Straßburg ausgerechnet Yukos verhandelt wird - für Kritiker das Symbol des Unrechtsstaates Russland - entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Pawel Laptew, Moskaus Vertreter in Straßburg, sieht es allerdings gerade umgekehrt: "Pressevertreter, schreiben Sie auf: Russland wird diesen Fall gewinnen", hatte er Journalisten vor einem Jahr diktiert. Bislang allerdings verliert Russland meistens. 33000 Fälle gegen Russland sind in Straßburg anhängig, was erheblich zum Prozess-Stau beigetragen hat. Alle paar Wochen wird Moskau zur Zahlung von Entschädigungen verurteilt, oft wegen Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien. Dass Russland im Falle Yukos tatsächlich zur Rekordsumme von umgerechnet 75 Milliarden Euro verurteilt wird, gilt allerdings längst nicht als ausgemacht. Nach Medienberichten hatte Yukos-Anwalt Piers Gardner in diesen Betrag nicht nur den entgangenen Gewinn unter Berücksichtigung des gestiegenen Ölpreises eingerechnet, sondern auch seine Hotelkosten. Doch Russland will nicht weniger zahlen, sondern am liebsten gar nicht. Jede Verurteilung in Straßburg würde das Fundament des Moskauer Chodorkowskij-Prozesses "erschüttern", schreibt die Zeitung Nowaja Gaseta: "Und das wäre für Russland ein zu hoher Preis." Unterdessen hat sich Michail Chodorkowskij - wie schon öfter kurz vor einem brisanten Termin - zu Wort gemeldet. In der Zeitung Nesawisimaja Gaseta kritisierte er das russische Rechtssystem als "Totengräber russischer Staatlichkeit". "Tausende der aktivsten, klügsten und selbständigsten Bürger" würden durch Willkür und Rechtsbeugung zum Widerstand gegen den Staat aufstachelt. Ein "Fließband" des Unrechts sei dieses System, das nach eigenen Regeln lebe jenseits jeder Kontrolle.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/yukos-enteignung-russland-wird-diesen-fall-gewinnen-1.6445
"Yukos-Enteignung - ""Russland wird diesen Fall gewinnen"""
00/03/2010
Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof verhandelt über die Yukos-Enteignung. Es geht um die höchste Summe, über die Straßburg je entschieden hat.
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Familienministerin Kristina Schröder will den Pflegenotstand lindern. Doch dafür zahlen soll nicht der Staat - sondern Familien und Unternehmen. Richtig konkret ist Christina Schröder in ihrer kurzen Amtszeit bisher nicht geworden. Es gab Fotos von der Verlobung der damaligen Kristina Köhler, es gab Fotos von der Hochzeit mit dem Staatssekretär Ole Schröder, und dazu gab es allerlei Nachrichten über die Bemühungen der Bundesfamilienministerin, im Internet ihre Kommunikation mit Anhängern zu verbessern. Dass sie mit ihrem Ministeramt auch inhaltlich etwas vor hat, ist bislang nicht wirklich erkennbar geworden. Das soll sich offenbar ändern. Die 32-Jährige hat nun vorgeschlagen, den Angehörigen von Pflegebedürftigen stärker unter die Arme zu greifen. Sie sucht sich damit ein Handlungsfeld, das zentral ist im Zusammenleben in einer Gesellschaft. Und sie hat damit offensichtlich auch einen Bereich für sich ausgewählt, in dem ihre politisch bislang so übermächtige Vorgängerin Ursula von der Leyen, salopp gesagt, Platz gelassen hat. Dem Staat entgehen nur wenig Steuergeld Im Kern schlägt Kristina Schröder vor, Angehörigen von Pflegebedürftigen mehr Zeit für die Pflege ihrer Eltern, Geschwister oder Kinder zu geben. Schröder will einen Rechtsanspruch auf eine Familien-Pflegezeit von zwei Jahren einführen. In dieser Zeit könnte der Pflegende seine Arbeitszeit auf die Hälfte reduzieren und würde von seinem Arbeitgeber, um davon leben zu können, trotzdem 75 Prozent des Gehaltes bekommen. Nach der zweijährigen Pflegezeit würde er wieder voll arbeiten und die nächsten zwei Jahre weiter nur 75 Prozent des Lohnes erhalten. Damit wäre sein Arbeitszeit- und Lohnkonto nach vier Jahren wieder ausgeglichen. Der Charme für die Politik ist eindeutig: Dem Staat würden kaum Mehrkosten entstehen, den Großteil der Konsequenzen würden erst die Unternehmen übernehmen und danach die Arbeitnehmer wieder ausgleichen. Wer sehr fiskalisch rechnet, erkennt an Schröders Vorschlag allenfalls, dass dem Staat ein wenig Steuergeld verlorengeht. Und das auch nur zeitweise. Dem Vorwurf, die Zeche müssten vor allem die Unternehmen tragen, kontert Schröder in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit dem Gegenargument, heute schon seien die Unternehmen mit dem demographischen Wandel und seinen Folgen, also nicht zuletzt wachsenden Pflegeaufgaben, konfrontiert. ,,Ich glaube, dass es sich Unternehmen im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter nicht mehr leisten können, hier nicht flexibel zu sein'', so Schröder. Man fühlt sich tatsächlich ein wenig an Ursula von der Leyen erinnert. Sie, die in der Union für so viel Ärger und so viel Veränderung gesorgt hat, argumentierte nicht selten mit exakt den gleichen Worten: Unternehmen könnten es sich im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter nicht mehr leisten... Familienpflegezeit gibt es nicht zum Nulltarif Das zeigt immerhin, dass Schröder dazugelernt hat. Hinzu kommt eine gewisse Chuzpe. Ihre Idee verlangt von anderen etwas, ihre Idee soll etwas am Notstand verbessern. Dass der Staat selbst zusätzliche Lasten tragen könnte - davon ist bei Schröder bislang keine Rede. Entsprechend gemischt fallen die ersten Reaktionen aus. Die Sozialverbände begrüßen den Vorschlag, verlangen aber Nachbesserungen. Pflegende Angehörige dürften nicht schlechtergestellt werden als Väter und Mütter in der Elternzeit, hieß es beim Paritätischen Wohlfahrtsverband in Berlin. Der Vorschlag der Ministerin könne daher nicht das letzte Wort sein. "Im Grunde handelt es sich hier um eine Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich", kritisierte der Verbandsvorsitzende Eberhard Jüttner. "Pflegende Angehörige brauchen die gleiche Absicherung wie junge Eltern mit Elternzeit und Elterngeld." Auch die Deutsche Hospiz-Stiftung mahnt, die Familienpflegezeit könne es nicht zum Nulltarif geben. "Es ist nicht sinnvoll, wenn Frau Schröder von vornherein die Bedingung stellt, ihre Initiative dürfe nichts kosten", sagte der Geschäftsführende Vorstand der Patientenschutzorganisation, Eugen Brysch. "Gute Pflege ist ein Wert, der nicht länger kleingerechnet werden darf", kritisierte er. Professionelle Hilfe sei weder durch Angehörige noch durch hilfsbereite Laien zu ersetzen. Notwendig seien Entschlossenheit und umfassende Konzepte. Zurückhaltend reagierte auch die deutsche Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt sagte, die Unternehmen setzten auf flexible Arbeitszeitmodelle und nicht auf gesetzliche Regelungen. "Angesichts der andauernden Wirtschafts- und Finanzkrise darf es keine weiteren Belastungen für Arbeit und Beschäftigung geben", so Hundt. Lieber noch einmal durchrechnen Es koste Geld, wenn Arbeitnehmer ihre Firma verlassen, bevor die durch die Pflegezeit unterbliebene Arbeit nachgeholt sei. "Tarifverträge, Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträge bieten individuelle und umfassende Möglichkeiten, um Angehörige zu pflegen", sagte Hundt. Die Metallarbeitgeber lehnen gesetzliche Regelungen ebenfalls ab. Die Pflege sei zwar ein wichtiges Thema. Aber dafür gebe es heute schon genügend Möglichkeiten, Arbeitszeit-Guthaben anzusparen, auch über mehrere Jahre. "Solche Guthaben sind flexibel einsetzbar, für Auszeiten, für Weiterbildung, natürlich auch für die Pflege von Angehörigen", sagt der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Martin Kannegiesser. Das klingt nicht nach großer Unterstützung. Im Gegenteil. Zumal die Opposition, anders als einst in Zeiten von der Leyens, nicht etwa Unterstützung signalisiert, sondern Widerstand ankündigt. Zu sehr scheint ihr Vorschlag noch zu Lasten Dritter zu gehen. Schröder selbst sagt, gewisse Dinge wolle sie noch durchrechnen lassen. Das scheint dringend nötig zu sein. Wenn ihr die Pflege wirklich so wichtig ist, dann erhöht sie ihre Glaubwürdigkeit nur, wenn sie selbst für ihre Idee einen Preis zu zahlen bereit ist.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/familien-pflegezeit-ein-angebot-mit-charme-1.3024
Familien-Pflegezeit - Ein Angebot mit Charme
00/03/2010
Familienministerin Kristina Schröder will den Pflegenotstand lindern. Doch dafür zahlen soll nicht der Staat - sondern Familien und Unternehmen.
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Das älteste Parlament der Welt hat den Vorteil, dass seine Webfehler ebenfalls schon eine ganze Weile bekannt sind. Das britische Westminster-System mag also die Keimzelle des demokratischen Parlamentarismus sein, genauso aber blockiert das britische Mehrheitswahlrecht die Parteienvielfalt. Bei Mehrheitswahlen gibt es nur einen Gewinner, was - zumindest im vergangenen Jahrhundert - den Briten quälende Koalitionsdebatten weitgehend erspart hat. Die Lieblingsbeschäftigung des Berliner politischen Personals, das Koalitionsgezänk, ist den Briten so fremd wie unheimlich. Für sie zeugt das nur von einer schwachen Demokratie und einem instabilen Staat. Das System wankt, Rufe nach einer Verfassung werden laut Das Mehrheitswahlrecht wird dann zum Problem, wenn das politische System plötzlich mehr als zwei Parteien kennt, die das Land unter sich aufteilen wollen. Der hartnäckige Erfolg der Liberaldemokraten und das Aufkeimen radikaler Parteien stürzt die britische Politik nun in die Krise. Wieder mal, könnte man meinen, denn die Briten sehen mit Inbrunst das System wanken und debattieren mit Leidenschaft, ob die Nation achthundert Jahre nach der Magna Charta nicht doch eine Verfassung bräuchte. Diesmal aber ist es ernst. Allen Umfragen zufolge wird es bei den Unterhauswahlen in diesem Halbjahr keinen klaren Sieger geben. Labour wird vielleicht ein paar Sitze mehr haben als die Konservativen, und keine der großen Parteien wird alleine die absolute Mehrheit im Unterhaus stellen können. Es wird also eine Minderheitsregierung in enger Absprache mit den Liberalen geben müssen, vielleicht gar eine Koalition, möglicherweise auch Neuwahlen. Das ist keine verlockende Aussicht, vor allem nicht für den volkswirtschaftlich sehr bedeutsamen Finanzplatz in London, der das Land am liebsten unter der festen Führung einer fiskalisch verlässlichen konservativen Partei sähe. Die Torys verlieren ihren Vorsprung Diese konservative Partei aber hat die vergangenen Monate genutzt, um einen bislang als sicher anzunehmenden Wahlerfolg ernsthaft zu gefährden. Die Torys unter der Führung von David Cameron sind binnen zwei Jahren von einem satten zweistelligen Vorsprung in den Umfragen abgestürzt und haben ihren Frischefaktor verloren. Während Premierminister Gordon Brown in erstaunlicher Schmerzunempfindlichkeit alle Folter eines Politikerlebens ertrug, machte David Cameron: nichts. Der Vorsitzende der Torys glaubte, sich vom Nimbus des Parteien-Siegfrieds nähren zu können, den die Granden der Konservativen in all ihren Machtkämpfen nicht zu verletzen vermochten. Jetzt aber wurde seine verwundbare Stelle entdeckt: Über Cameron ist die Zeit hinweggegangen, Brown hat ihn schlicht ausgesessen. Die Torys haben an zwei Phänomenen zu knabbern: Erstens ist es schwer, wenn man jeden Tag so tun muss, als wenn man morgen die Amtsgeschäfte übernimmt. Wer nämlich jeden Tag Sahnekuchen verspricht, der macht Lust auf Schwarzbrot. Schwarzbrot aber, das ist Gordon Brown. Und zweitens haben die Torys vor lauter Siegesgeheul vergessen, dass die Wähler womöglich doch die eine oder andere inhaltliche Frage haben. Der Albtraum: keine absolute Mehrheit im Unterhaus Browns Boni-Steuer für gierige Manager war ein großer Erfolg. Dagegen wollen die Torys Volksaktien von Pleite-Banken unter die Leute bringen, bezuschusst vom Staat. Für diese Spielereien hat das zornige Wahlvolk kein Verständnis mehr. Hung Parliament ist die Bezeichnung für den Albtraumzustand des etablierten britischen Systems, ein Wahlergebnis, das für keine absolute Mehrheit im Unterhaus sorgt. Für die kleinen Parteien ist es ein Traumzustand, weil endlich die Ungerechtigkeit eines Systems offenbar wird, das den Wählerwillen nicht repräsentativ abbildet. Halten sich die Stimmungswerte, dann schliddert Großbritannien tatsächlich in eine Krise. Sie könnte sich als heilsam erweisen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-vor-der-wahl-mitgefangen-mitgehangen-1.22385
Großbritannien vor der Wahl - Mitgefangen, mitgehangen
00/03/2010
Gordon Brown kämpft, David Cameron strauchelt: Prognosen sagen beiden Politikern keine absolute Mehrheit voraus. Großbritannien schliddert auf die Krise zu.
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Das endgültige Aus für Ministerpräsidentin Timoschenko: Das ukrainische Parlament hat ihr bei einem Misstrauensvotum das Vertrauen entzogen. Einen knappen Monat nach der Präsidentschaftswahl und fünf Jahre nach der Orangenen Revolution steht die Regierung in Kiew vor dem endgültigen Ende: Die ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko muss nach einem Misstrauensvotum des Parlaments zurücktreten. Die Abgeordneten stimmten mehrheitlich gegen Timoschenko, deren Regierungskoalition am Dienstag zerbrochen war. Für das Misstrauensvotum, das die Partei des neuen Präsidenten Viktor Janukowitsch beantragt hatte, stimmten 243 Abgeordnete. Nötig waren mindestens 226 Stimmen des 450 Sitze zählenden Parlaments. Damit kann der Wahlsieger Viktor Janukowitsch offiziell den Prozess zur Bestimmung eines neuen Regierungsbündnisses in Gang setzen. Der NATO-Gegner Janukowitsch will rasch eine neue Regierung bilden, um das Land aus der schwersten Krise seit dem Zerfall der Sowjetunion vor 20 Jahren zu führen. Wer das neue Kabinett leiten soll, stand zunächst nicht fest. Allerdings wird befürchtet, dass sich das Verfahren Wochen, wenn nicht gar Monate hinziehen dürfte. Bis dahin droht der ohnehin politisch und wirtschaftlich angeschlagenen Ukraine eine längere Phase ohne Regierung, da Timoschenko kurz vor der Abstimmung im Parlament eine kommissarische Weiterführung der Regierungsgeschäfte strikt abgelehnt hatte. Eigentlich ist es üblich, dass Timoschenko geschäftsführend im Amt bleiben würde, bis das neue Kabinett steht. Nun droht dem Land ein längeres Machtvakuum. Timoschenko hatte zuvor angekündigt, sich im Falle einer Niederlage sofort in die Opposition begeben und gegen den neuen Präsidenten Viktor Janukowitsceinen "harten Oppositionskampf" führen. Die ehemalige Ministerpräsidentin hatte noch am Vormittag bei einer Rede vor den Abgeordneten in der Obersten Rada versucht, die Regierungskoalition zu retten. Sie habe das Land trotz der schweren innenpolitischen Krise vor dem Staatsbankrott bewahrt und soziale Mindeststandards aufrechterhalten, sagte sie. Sie erhielt auch Gegenstimmen aus dem eigenen Lager. Janukowitsch hatte die Stichwahl gegen Timoschenko am 7. Februar mit einem Vorsprung von 3,5 Prozentpunkten gewonnen. Internationale Beobachter bezeichneten den Urnengang als frei und transparent. Timoschenko hatte ihrem Rivalen jedoch Wahlbetrug vorgeworfen und einen Rücktritt zunächst ausgeschlossen. Mit dem Misstrauensvotum gegen Timoschenko endet die Regierung der Kräfte der pro-westlichen Orangenen Revolution, die 2004 einen demokratischen Wandel in der Ukraine eingeleitet hatte.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-timoschenko-muss-zuruecktreten-1.20742
Ukraine - Timoschenko muss zurücktreten
00/03/2010
Das endgültige Aus für Ministerpräsidentin Timoschenko: Das ukrainische Parlament hat ihr bei einem Misstrauensvotum das Vertrauen entzogen.
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Weil die schwarz-gelbe Regierung in Baden-Württemberg Daten vermeintlicher Steuerbetrüger nicht kaufen will, hat sie jetzt eine Anzeige am Hals. Vorwurf: Strafvereitelung. Die SPD geht jetzt auch juristisch gegen die schwarz-gelb geführte Landesregierung von Baden-Württemberg vor, weil diese die ihr angebotene CD mit den Daten von Steuersündern nicht kaufen will. Mit Rückendeckung der Bundestagsfraktion der SPD hat der baden-württembergische SPD-Landesgruppenchef, Christian Lange, am Dienstag Strafanzeige wegen Strafvereitelung im Amt gegen Ministerpräsident Stefan Mappus sowie gegen Justizminister Ulrich Goll (FDP) gestellt. Für Lange ist erwiesen, dass Mappus und Goll mit ihrer Entscheidung, die Steuerdaten-CD nicht zu kaufen, ihre Kompetenzen überschritten hätten. Sie verhinderten damit, dass die 1748 mutmaßlichen Steuerbetrüger, deren Daten auf der CD gespeichert sind, strafrechtlich verfolgt werden könnten. Das sagte Lange an diesem Mittwoch in Berlin. Ministerpräsident Mappus und Minister Goll hätten Zweifel geäußert, ob der Ankauf der Daten-CD rechtmäßig sei. Der Zweifel allein aber reiche als Begründung nicht aus, die Daten nicht für die Steuerfahndung zu nutzen. Sie könnten auch in einem möglichen Strafverfahren Verwendung finden. Deshalb sei die Weisung des Justizministers, nicht zu kaufen, rechtswidrig. Lange erläuterte, Mappus sei offenbar "nicht Manns genug" den Anspruch des Staates, Steuervergehen zu verfolgen, gegen die FDP durchzusetzen. Die CDU im Land lasse sich von der FDP vorführen. Im Stuttgarter Landtag prüft die Fraktion der SPD derzeit, ob die Landesregierung die vom Anbieter der CD zur Prüfung überlassenen Datensätze von 50 Steuerhinterziehern ebenfalls nicht verfolgt - und somit einen Rechtsbruch begangen habe. Sollte dies der Fall sein, werde auch dort über eine Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt nachgedacht. Auf Bundesebene ist jetzt entschieden worden, die Steuerdaten-CD zu kaufen. Das hat eine Sitzung des Finanzausschusses am Vormittag ergeben. Auch in den meisten anderen Bundesländern haben die Landesregierungen grünes Licht zum Kauf gegeben. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Hartmut Koschyk (CSU), hatte erst vergangene Woche erklärt, er habe dem Finanzministerium in Stuttgart mitgeteilt, der Datenkauf sei in dem vorgetragenen Fall "rechtlich zulässig". Der Landtag hatte anders entschieden Thomas Oppermann, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, sagt, Steuer-Straftäter müssten verfolgt werden. Eine Regierung, die das unterlasse, "mache sich mit Steuerhinterziehern gemein". Es dürfe in Deutschland keine "Schutzzonen für Steuerhinterzieher geben". Die Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, Birgit Homburger, erklärt, die Strafanzeige "beunruhigt mich gar nicht". Homburger, die auch Landesvorsitzende der FDP in Baden-Württemberg ist, begründete die Entscheidung der Landesregierung damit, dass jede der angebotenen CDs "individuell zu bewerten ist". Der Staat könne nur kaufen, was "rechtsstaatlich einwandfrei ist". Sie vertraue lieber auf eine Erneuerung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Schweiz, mit dem dann alle Steuersünder erfasst werden könnten. Heikel für die Landesregierung: Anfang Februar bereits entschied der Landtag über einen Antrag der SPD, die CD zu kaufen. Der Landtag entschied sich in namentlicher Abstimmung mit Mehrheit dafür. Die Regierung aber sah das anders.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/steuer-cd-in-baden-wuerttemberg-spd-zeigt-mappus-an-1.6654
Steuer-CD in Baden-Württemberg - SPD zeigt Mappus an
00/03/2010
Weil die schwarz-gelbe Regierung in Baden-Württemberg Daten vermeintlicher Steuerbetrüger nicht kaufen will, hat sie jetzt eine Anzeige am Hals. Vorwurf: Strafvereitelung.
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Immer wieder gelangen vertrauliche Mails der CDU in Nordrhein-Westfalen an die Öffentlichkeit. Jetzt gibt es eine Anzeige. Für Jürgen Rüttgers läuft es nicht gut. Der Februar stand ganz im Zeichen der Sponsoring-Affäre und des Rücktritts von Generalsekretär Hendrik Wüst. Im März - zwei Monate vor der Landtagswahl - nun die Quittung: Katastrophale Umfragewerte. Doch damit nicht genug: Die CDU in Nordrhein-Westfalen muss neue peinliche Enthüllungen fürchten. Immer wieder gab es in der Vergangenheit Indiskretionen, die die Regierung von Ministerpräsident Rüttgers in Bedrängnis brachten. Der wunde Punkt ist der E-Mail-Verkehr zwischen CDU-Landesgeschäftsstelle und Staatskanzlei. Jetzt droht der Blog ruhrbarone.de: "Allein in den kommenden Wochen stehen dem Mann einige miese Überraschungen bevor, vor denen ich schon jetzt Angst hätte, wenn ich er wäre." Die CDU fühlt sich von den Bloggern in die Ecke gedrängt - und geht in die Offensive. Bei der Staatsanwaltschaft in Düsseldorf stellte der Landesverband am Montag Anzeige gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Ausspähung und Abfangen von Daten. Allen Querelen gemeinsam ist der Vorwurf, dass unter Rüttgers die Partei- und Regierungsarbeit nicht klar genug getrennt werde. Das wurde auch in der Sponsoring-Affäre sichtbar: Wirtschaftsunternehmen, die Stände am CDU-Landesparteitag buchten, bekamen für einen Aufpreis von 6000 Euro einen etwas größeren Stand - und die Zusage, dass der Herr Ministerpräsident vorbeischauen würde. Boris Berger, Rüttgers' Mann fürs Grobe Generalsekretär Wüst kostete diese Vorgehensweise das Amt. Viele halten ihn allerdings für ein Bauernopfer, da das System schon länger bestehe, als Wüst im Amt sei. Der Verantwortliche für die Verquickung von Partei und Regierung sei stattdessen Boris Berger, einer der engsten Berater des Ministerpräsidenten. Berger organisierte den Wahlkampf 2005 und steuerte seitdem als Angestellter der Staatskanzlei alle PR-Kampagnen des Regierungschefs. Von dieser Aufgabe ist er nun entbunden, um sich erneut um den Wahlkampf zu kümmern. Berger war auch die Schlüsselfigur der Videoüberwachungs-Affäre, die im Herbst 2009 die NRW-CDU gebeutelt hatte. Interne Mails hatten bewiesen, dass der Rüttgers-Vertraute Wahlkampfauftritte der SPD-Gegenkandidatin Hannelore Kraft gezielt ausspionieren ließ. Anzeige wegen Datenklau Dass die CDU gerade jetzt eine Anzeige gegen unbekannt aufgibt, legt den Verdacht nahe, dass sie so von ihren eigenen Skandalen ablenken und sich als Opfer einer E-Mail-Affäre stilisieren will. Johannes Mocken, Sprecher der Staatsanwalt Düsseldorf, bestätigt sueddeutsche.de, dass Ermittlungen gegen unbekannt nach Paragraph 202a Strafgesetzbuch eingeleitet werden. In dem Paragraphen heißt es: "Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Die Staatsanwaltschaft ist verpflichtet, in alle Richtungen zu ermitteln und ist bereits mit den Spezialisten des Landeskriminalamtes in Kontakt, um zu prüfen, wie die Daten nach außen gelangen konnten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-datenklau-in-nrw-ruettgers-jagt-den-maulwurf-1.2391
CDU: Datenklau in NRW - Rüttgers jagt den Maulwurf
00/03/2010
Immer wieder gelangen vertrauliche Mails der CDU in Nordrhein-Westfalen an die Öffentlichkeit. Jetzt gibt es eine Anzeige.
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Spitze in der Union, mickrig bei den Grünen: Die Parlamentarier haben ihre Nebeneinkünfte offengelegt. Was sie wirklich hinzuverdienen, bleibt allerdings unklar. Der Amtsantritt als Außenminister hatte bei Guido Westerwelle auch Nebenwirkungen. In der vergangenen Legislaturperiode fanden sich unter seinen Nebeneinkünften Dutzende hochdotierte Vortragstätigkeiten sowie Mitgliedschaften in Firmenbeiräten: Referentenhonorare von jeweils mehr als 7000 Euro bei Versicherungen, Hoteliers, Handelskonzernen und Banken, Vergütungen als Aufsichtsrat etwa bei Unternehmensberatern. Als Regierungsmitglied ist Westerwelle dies nun untersagt und so heißt es bei den Einkünften, die er der Bundestagsverwaltung meldet, kurz: "Bundesminister, monatlich, Stufe 3". Fünf Wochen nach Ablauf der Meldefrist liegen jetzt die Angaben über die Nebeneinkünfte der 622 Parlamentarier vor. Im Lauf der Legislaturperiode hinzukommende müssen sie nachmelden. Generell sind alle Nebentätigkeiten offenzulegen, die mehr als 1000 Euro monatlich oder 10.000 Euro jährlich einbringen. Dazu werden sie in drei Gruppen gegliedert: Stufe eins umfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte bis 3500 Euro, Stufe zwei bis 7000 Euro und Stufe drei Bezüge von mehr als 7000 Euro. 111 Abgeordnete erzielen den Angaben zufolge Verdienste der dritten Gruppe - 67 aus der Union und 25 aus der FDP. Bei der SPD mit 14, der Linken mit drei und den Grünen mit zwei gibt es dagegen deutlich seltener Einkünfte, die über der 7000 Euro-Marke liegen. Sehr üppig ist der Hinzuverdienst etwa beim früheren Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU). Außer den Diäten und einem Gehalt als Berater des familieneigenen Müllerbetriebs sitzt er im Aufsichtsrat der Castellbank, der Münchner Hypothekenbank und im Beirat einer Personalberatung - jeweils mit Bezügen der Stufe drei. Ähnlich ertragsreiche Jobs hat der Koblenzer Michael Fuchs (CDU): Mehrere Beratertätigkeiten stehen neben dem Sitz in Firmengremien, etwa bei der Zürcher AKO Capital und Kienbaum Consultants. Auch die CDU-Kollegen Wolfgang Bosbach, Heinz Riesenhuber und Frank Steffel, der 2001 bei der Berliner Bürgermeisterwahl Klaus Wowereit unterlag, haben eine Reihe von Einkünften gemeldet. Steffel etwa erhält - außer den Abgeordnetenbezügen von 7668 Euro und 3969 Euro Kostenpauschale - ein Einkommen als Geschäftsführer seines Teppichhandels, verfügt zudem über gut 20 Beteiligungen an Kapitalgesellschaften und Einkünfte der ersten Stufe im Beirat der Spielbank Berlin. Unzureichendes Stufen-System In der FDP führt Ex-Parteichef Wolfgang Gerhardt Beraterverträge auf, etwa einen der Stufe drei vom Bundesverband privater Spielbanken. Beim jüngsten Abgeordneten, dem 23-jährigen Studenten Florian Bernschneider (FDP), ist es hingegen nur die Übernahme der Gebühren für ein Duales Studium durch eine Landesbank. Bei der Opposition hatte zum Beispiel der frühere Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ein Aufsichtsratsmandat bei Thyssen Krupp zu melden. Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bei der Rhön-Klinikum AG und Fraktionsvize Joachim Poß bei der RAG Steinkohle haben solche Nebenjobs. Zahlreiche Abgeordnete sitzen außerdem in Beiräten von Sparkassen oder Volksbanken in ihren Wahlkreisen. Im Jahr 2007 hatten Parlamentarier beim Bundesverfassungsgericht gegen die Offenlegung geklagt, gerade für Selbständige und Anwälte sei die Veröffentlichung von Mandanten-Honoraren unzumutbar. Ohne Erfolg. Dennoch halten Kritiker das Stufen-System für unzureichend. Die Organisation Lobby Control bemängelt, dass die dritte Stufe nicht unterteilt ist. Es sei dadurch nicht ersichtlich, ob ein Abgeordneter etwa mit einem Aufsichtsratsposten 8000 oder 80.000 Euro hinzuverdiene.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/bundestag-lukrative-nebenjobs-1.10281
Bundestag - Lukrative Nebenjobs
00/03/2010
Spitze in der Union, mickrig bei den Grünen: Die Parlamentarier haben ihre Nebeneinkünfte offengelegt. Was sie wirklich hinzuverdienen, bleibt allerdings unklar.
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Bislang konnte die Familienministerin wenig glänzen. Nun will Kristina Schröder aus dem Schatten ihrer Vorgängerin von der Leyen treten und Profil gewinnen - mit Plänen für ein Recht auf zwei Jahre Pflegezeit. Bisher stand Kristina Schröder, vormals Köhler, auf der politischen Bühne im Schatten ihrer prominenten Vorgängerin Ursula von der Leyen. Seit Schröders überraschender Berufung zur Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im November 2009 hat sie noch am meisten Aufmerksamkeit für ihre Hochzeit mit Ole Schröder, Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, erhalten. Die 32-Jährige nutze die Zeit, um sich einzuarbeiten, hieß es aus dem Ministerium. Aber es war ja auch schwierig für Schröder, sich in ihrem neuen Amt zu profilieren: Die beachtenswerten Reformen ihrer vereinnahmenden Vorgängerin standen der Newcomerin im Weg, mit Elterngeld und Krippenausbau hatte von der Leyen das Feld der Familienpolitik nachhaltig umgegraben. Nun aber Schröders Vorstoß, politische Aufmerksamkeit zu erlangen: Bereits kurz nach Amtsantritt hatte sie versprochen, etwas für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf zu tun, nun hat sie in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erläutert, wie das funktionieren soll. Demnach will es Schröder Berufstätigen ermöglichen, über einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren ihre Arbeitszeit zurückzufahren und sich um pflegebedürftige Angehörige - zum Beispiel Eltern oder Kinder - zu Hause zu kümmern, ohne dabei den Job zu verlieren oder enorme Gehaltseinbußen hinzunehmen. Immer mehr Pflegende weiter berufstätig Der Pflegende soll seine Arbeitsleistung um die Hälfte reduzieren dürfen, aber weiterhin drei Viertel seines Gehalts beziehen. Nach Ende der Pflegezeit müsste er dann wieder voll arbeiten, bekäme aber zum Ausgleich zwei Jahre lang ebenfalls nur 75 Prozent seines Gehalts - eine ähnliche Regelung, wie sie zum Beispiel bei der Finanzierung von Sabbatjahren gilt. Damit will Schröder auf den Trend reagieren, dass mittlerweile mehr als die Hälfte derer, die einen Angehörigen zu Hause betreuen, weiter berufstätig sind. Zudem wünschten sich ohnehin die meisten Menschen, bei Krankheit oder im Alter von ihren Angehörigen zu Hause versorgt zu werden. Zwar gibt es bereits jetzt die Möglichkeit, sechs Wochen zu Hause zu bleiben, um einen Angehörigen in den eigenen vier Wänden zu pflegen. Doch viele Arbeitnehmer fürchten dadurch Nachteile im Beruf und verzichten darauf. "Keine Kosten für Steuerzahler" Es bleibt die Frage, wie Schröders Modell finanziert werden soll. Die Familienministerin sagte der FAZ, der Steuerzahler werde fast keine Kosten tragen. Der Staat verzichte lediglich auf die Steuereinnahmen, wenn kein volles Gehalt gezahlt werde. Und "der Pflegeversicherung dagegen käme die Familien-Pflegezeit langfristig zugute, denn Pflege zu Hause kostet weniger als im Heim". Zudem könnte die Pflegezeit eine Lösung für das Problem sein, dass die Zahl der älteren, pflegebedürftigen Menschen ständig zunimmt und die Zahl der Plätze in Seniorenheimen gar nicht so schnell mitwachsen kann. Im Hinblick auf die Unternehmen, die wohl nicht alle begeistert von einem Recht auf Pflegezeit sein dürften, meint Schröder, dass es sich "Unternehmen im Wettbewerb um qualifizierte Mitarbeiter nicht mehr lange leisten können, hier nicht flexibel zu sein". Es bestehe zwar ein gewisses Risiko, dass ein Arbeitnehmer mitten in der Pflege-Teilzeit den Betrieb verlasse, ohne das zu viel bezahlte Gehalt wieder eingespielt zu haben. "Wie sich Unternehmen dagegen absichern können, lassen wir gerade durchrechnen", sagte Schröder in dem Interview. Zwei Jahre sind für viele Pflegende zu wenig Ein Problem aber bleibt: Zwei Jahre Pflege reichen in den meisten Fällen nicht aus. Was ist, wenn ein Angehöriger nicht nur vorübergehend wegen eines Unfalls oder einer Krankheit Hilfe benötigt, sondern wirklich dauerhaft auf Betreuung angewiesen ist? "Der Staat kann nicht alles regeln", meint Schröder. Sie glaube aber, dass privatwirtschaftliche Anschlussmodelle gefunden werden könnten. Das scheint nicht unbedingt realistisch: Schon ein Recht auf zwei Jahre Pflegezeit dürfte die Privatwirtschaft nur zähneknirschend hinnehmen. Und Erfahrungen mit dem Modell Elterngeld, wo Männer angehalten sind, zwei Monate zu Hause zu bleiben, zeigen: Zunehmend mehr Männer wollen diese Zeit nutzen, doch trotz Rechtsanspruchs sehen sich viele nicht in der Lage, die Auszeit gegenüber ihrem Arbeitgeber durchzusetzen. Aber Schröder hat recht, wenn sie sagt: Das Recht auf Pflegezeit wäre schon ein Schritt in die richtige Richtung.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/vorstoss-zur-pflegezeit-schroeder-packt-an-1.2907
Vorstoß zur Pflegezeit - Schröder packt an
00/03/2010
Bislang konnte die Familienministerin wenig glänzen. Nun will Kristina Schröder aus dem Schatten ihrer Vorgängerin von der Leyen treten und Profil gewinnen - mit Plänen für ein Recht auf zwei Jahre Pflegezeit.
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Ärger vor der Wahl: Die Steuer-Affäre um den Parteivize und Milliardär Lord Ashcroft erschüttert die bereits angeschlagenen britischen Konservativen. Für David Cameron, Führer der britischen Konservativen, hat die Woche schlecht angefangen. Zuerst verkündete am Montag Lord Ashcroft, Milliardär und einer der wichtigsten Spender der Torys, dass er keinen Wohnsitz in Großbritannien habe und daher auch keine Steuern auf sein Auslandsvermögen zahle. Und dann bestätigten am Dienstag neue Umfragen auch noch, dass sich der Abstand zwischen Torys und Labour verringert. Demnach liegen die Parteien nur noch fünf Prozentpunkte auseinander, und ein klarer Sieg bei den kommenden Parlamentswahlen, den Cameron schon sicher glaubte, wird immer unwahrscheinlicher. Der Wohnsitz und Steuerstatus von Lord Ashcroft bewegt die Briten seit mehr als zehn Jahren. 2000 wurde Michael Ashcroft, der die Konservativen nicht nur mit großzügigen Spenden bedacht hatte, sondern auch deren Schatzmeister von 1998 bis 2001 gewesen war, Mitglied des Oberhauses - unter der Bedingung allerdings, dass er seinen Hauptwohnsitz von Belize ins Königreich verlege. Nicht illegal, aber anrüchig Das hatte Ashcroft dem damaligen Tory-Chef William Hague schriftlich zugesagt, und Hague hatte sogar damit geworben, dass dieses Versprechen mehrere zehn Millionen Pfund (an zu zahlenden Steuern) wert sei. Wiederholte Nachfragen von Labour, wo Ashcroft nun tatsächlich residiere, mochten aber weder der Lord noch die Torys beantworten. Wie sich jetzt herausstellte, interpretierte Ashcroft die Bedingung des britischen Wohnsitzes eher lax: Er habe damals mit der Regierung vereinbart, dass er als "non domiciled" nur Steuern auf seine britischen Einkünfte und nicht auf das restliche Vermögen zahlen müsse. Das ist nicht illegal, wohl aber anrüchig - und für Cameron höchst unangenehm. Zum einen hatte der Tory-Führer vollmundig versprochen, im Fall eines Regierungswechsels dafür sorgen zu wollen, dass alle Parlamentarier Steuern auf ihre gesamten Einkünfte zahlen müssen. Zum anderen stellt sich die Frage, wie lange Cameron gewusst hat, wo nun Ashcroft tatsächlich seinen Wohnsitz hat und wie viel Steuern er zahlt. Wichtige Figur Für die Konservativen ist Ashcroft, inzwischen sogar stellvertretender Parteichef, eine wichtige Figur: Insgesamt 5,2 Millionen Pfund hat er der Partei seit 2001 gespendet, vier Millionen davon in den vergangenen fünf Jahren, in denen Cameron an der Spitze steht. Ein großer Teil des Geldes ist nach Aussagen der Zeitung The Independent nicht in die zentrale Parteikasse geflossen, sondern an einen Verein, der konservative Abgeordnete unterstützt, deren Wiederwahl gefährdet ist. Ob Labour allerdings großes Kapital aus dem Fall Ashcroft schlagen kann, ist ungewiss - die neusten Umfragen sind gemacht worden, bevor der Lord an die Öffentlichkeit gegangen war. Auch die Regierungspartei hat in den Reihen ihrer Spender einen Baron mit dem Status des "non domiciled", der keine Steuern auf sein Auslandsvermögen zahlt. Und auch Labour hat Super-Spender mit einem Adelstitel belohnt wie den Multimillionär Lord Levy, der 2006 Schlagzeilen machte, nachdem er Parteispenden als Darlehen getarnt hatte. Nach der am Dienstag im Independent veröffentlichten Meinungsumfrage liegen die Torys fünf Prozentpunkte vor Labour, selbst eine Erhebung für die erzkonservative Sun sieht den Abstand bei nur sieben Punkten. Würde jetzt gewählt, so entfielen laut Independent auf die Konservativen 37 Prozent, auf Labour 32 Prozent und auf die drittstärkste Partei, die Liberaldemokraten, 19 Prozent der Stimmen. Wegen des Mehrheitswahlrechts bliebe Labour dennoch stärkste Kraft - jedoch ohne absolute Mehrheit. Demnach könnte Premier Gordon Brown im Amt bleiben, er wäre aber auf Koalitionäre angewiesen. Eine Koalition regierte in London zuletzt unter Winston Churchill von 1941 bis 1945.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/grossbritannien-affaere-um-lord-ashcroft-fluechtiger-adel-1.22766
Großbritannien: Affäre um Lord Ashcroft - Flüchtiger Adel
00/03/2010
Ärger vor der Wahl: Die Steuer-Affäre um den Parteivize und Milliardär Lord Ashcroft erschüttert die bereits angeschlagenen britischen Konservativen.
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Berüchtigt ist Boris Berger für einen rüden Ton und teure Restaurantbesuche. Nun soll er dem Ministerpräsidenten zu neuer Glaubwürdigkeit verhelfen. Der Tipp kam vom Fahrer. Als Jürgen Rüttgers im Jahre 2002 in der nordrhein-westfälischen CDU-Zentrale personell aufrüstete, um die rot-grüne Landesregierung abzulösen, holte er auf Anraten seines Chauffeurs den damals 28-jährigen Bundeswehr-Hauptmann Boris Berger als Politberater an seine Seite. Der resolute Soldat erwies sich als Allzweckwaffe. Bald avancierte er zum erfolgreichen Kampagnen-Planer bei der CDU und schuf die Basis für Rüttgers' Wahlsieg bei der Landtagswahl 2005. Mit dem neuen CDU-Regierungschef zog Berger als Abteilungsleiter für Regierungsplanung in die Düsseldorfer Staatskanzlei ein. Fortan liefen bei dem engen Rüttgers-Vertrauten alle Fäden zusammen. Selbst gestandene Landesminister wurden von dem ruppigen Reserve-Hauptmann geschurigelt. Bergers Regime war gefürchtet Zehn Wochen vor der kommenden NRW-Landtagswahl hat Rüttgers seinen Chef-Strategen in der Staatskanzlei "unbefristet beurlaubt" und neben dem neuen Landes-Generalsekretär Andreas Krautscheid in seine CDU-Zentrale beordert. Nach der "Sponsoring-Affäre" soll Berger für den in seiner Glaubwürdigkeit schwer beschädigten Ministerpräsidenten eine drohende Niederlage am 9. Mai abwenden. Mit dem raschen Wechsel seines Schreibtisches habe sich die Aufgabenstellung für den einflussreichen Rüttgers-Einflüsterer kaum verändert, spottet die Landtagsopposition von SPD und Grünen. Bereits in der Staatskanzlei steuerte Berger alle PR-Kampagnen für den Ministerpräsidenten. Dabei operierte der 36-Jährige immer in enger Abstimmung mit der CDU-Zentrale. Als Landesbediensteter nahm er regelmäßig an den Sitzungen der Parteigremien teil. In dubiose Praktiken der NRW-CDU - wie die Videobeobachtung der SPD-Herausforderin Hannelore Kraft - war er stets eingebunden. Der promovierte Politologe und verheiratete Vater einer Tochter, der im Rhein-Sieg-Kreis nahe der alten Bundeshauptstadt Bonn heimisch ist, war zugleich Rüttgers Mann fürs Grobe. Geräuschlos erledigte er die Dinge, bei denen sich ein Ministerpräsident nicht gerne die Finger schmutzig macht. Bergers Regime war in der Staatskanzlei gefürchtet, etliche Mitarbeiter blieben auf der Strecke. Wegen seines Hangs zu sündhaft teuren Gourmet-Restaurants hatte das Alter Ego des Regierungschefs rasch den Spitznamen "Scampi-Boris" weg. Berger schminkte Rüttgers um Unter Düsseldorfer Journalisten hat der rabiate Berger keinen Ruf mehr zu verlieren. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. Nur wenige Tage nach dem Wahlsieg empfahl der clevere Stratege dem neuen Ministerpräsidenten, er müsse sich als "omnipräsenter Landesvater" unabhängig machen von der "zynischen" und "verwöhnten" Landespressekonferenz. Den drögen CDU-Regierungschef schminkte Berger erfolgreich zum feurigen Arbeiterführer um. "Kosmetikabteilung" wurde dessen Ressort für politische Planung spöttisch in der Staatskanzlei genannt, weil dort millionenschwere Image-Kampagnen für den Ministerpräsidenten konzipiert wurden. Jetzt muss der Image-Berater als Parteisoldat in die Schlacht ziehen, um die vor fünf Jahren eroberte Staatskanzlei zu verteidigen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/nrw-sponsoring-affaere-scampi-boris-ruettgers-mann-fuers-grobe-1.18487
"NRW: Sponsoring-Affäre - ""Scampi-Boris"" - Rüttgers' Mann fürs Grobe"
00/03/2010
Berüchtigt ist Boris Berger für einen rüden Ton und teure Restaurantbesuche. Nun soll er dem Ministerpräsidenten zu neuer Glaubwürdigkeit verhelfen.
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An diesem Donnerstag berät der Haushaltsausschuss des Bundestags abschließend über den Etatentwurf für 2010, den ersten der neuen Koalition. Die Opposition wirft der Regierung vor, nicht zu sparen und das Geld der Bürger stattdessen für Steuererleichterungen an Hoteliers zu verprassen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wehrt sich - vom Krankenbett aus, denn der 67-Jährige erholt sich gerade von einer Operation, bei der ihm ein Implantat ersetzt worden war. SZ: Herr Schäuble, Sie sind derzeit gesundheitlich außer Gefecht gesetzt. Wie geht es Ihnen? Schäuble: Danke, die Operation an sich ist gut verlaufen, aber der anschließende Heilungsprozess dauert etwas länger als ursprünglich erwartet. Ich habe mich aber im Krankenhaus soweit einrichten können, dass ich auch hier mit Telefon und Internet gut arbeiten kann. SZ: An diesem Donnerstag verabschiedet der Haushaltsausschuss Ihren Etat für 2010 -- mit einer Rekordneuverschuldung von 80 Milliarden Euro. Wann beginnen Sie eigentlich mit dem Sparen? Schäuble: Um es zunächst einmal klarzustellen: Herr des Verfahrens ist jetzt der Deutsche Bundestag. Die Bundesregierung hat unmittelbar nach Amtsantritt in kürzester Zeit einen aktualisierten Entwurf für den Haushalt 2010 vorgelegt. Darin ist es gelungen, das Sofortprogramm der neuen Koalition umzusetzen und zugleich die Nettokreditaufnahme noch leicht abzusenken. Wenn es im parlamentarischen Verfahren jetzt gelingt, die Nettokreditaufnahme noch weiter zu senken, ist das ein großer Erfolg. SZ: Welcher Erfolg? Sie sparen nicht, Sie kürzen lediglich ein paar Posten, die Sie zunächst zu hoch angesetzt hatten. Schäuble: Wirtschaft und Bürger - die gesamte Öffentlichkeit - erwarten von uns ein deutliches Signal, dass wir die richtigen Lehren aus der Wirtschafts- und Finanzkrise ziehen. Wir können zwar 2010 wegen der andauernden Auswirkungen der Krise noch nicht auf einen konsequenten Konsolidierungskurs einschwenken. Aber wir müssen bereits jetzt deutlich machen: Die expansive Haushaltspolitik wird beendet. Und wir meinen es ernst mit der Schuldenbremse und den im Koalitionsvertrag genannten goldenen Regeln der Finanzpolitik. Das heißt auch: alle schon jetzt erkennbaren Einsparpotentiale zu nutzen. Wenn sich dabei erweist, dass die Erfolge bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit es ermöglichen, die Ansätze für die Arbeitsmarktausgaben abzusenken: um so besser! SZ: Sie haben für die Zeit von 2011 an schmerzhafte Sparmaßnahmen angekündigt. Wie lange wollen Sie die Bürger eigentlich noch darüber im Unklaren lassen, was das konkret bedeutet? Schäuble: Bitte eins nach dem anderen. In dieser Woche beraten wir den Haushalt 2010. Zu einer verantwortungsvollen Finanzpolitik gehört es auch, Entscheidungen erst auf der Basis belastbarer Informationen zu treffen. Deshalb hatten wir uns bei der Erarbeitung des neuen Regierungsentwurfs zum Haushalt 2010 auch gegen eine gleichzeitige Überarbeitung des mittelfristigen Finanzplans entschieden. Mit dem Haushalt 2011 und den folgenden Jahren werden wir uns in den kommenden Monaten intensiv beschäftigen. Mit der Steuerschätzung im Mai werden wir über die nötigen Informationen verfügen, um die erforderlichen Entscheidungen zu treffen. Eins ist jedoch klar, die Konsolidierungsanstrengungen müssen erheblich gesteigert werden, weil ab 2011 die neue Schuldenregel einzuhalten ist. Sie verlangt von uns, das strukturelle Defizit im Bundeshaushalt bis zum Jahr 2016 in gleichmäßigen Schritten auf dann nur noch 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung abzubauen. Im Durchschnitt bedeutet das jährliche Konsolidierungsschritte von zehn Milliarden Euro. SZ: Selbst die Wirtschaft hält mittlerweile die Haushaltskonsolidierung für wichtiger als Steuersenkungen. Wann begreift das auch die Koalition? Schäuble: Solide Staatsfinanzen und wachstumsorientierte Steuerpolitik sind kein Widerspruch. Eine wachstumsorientierte Steuerpolitik muss sowohl auf Steuervereinfachung als auch auf Steuerentlastung setzen. Wir können auf Dauer nur dann erfolgreich konsolidieren, wenn wir wieder robustes Wirtschaftswachstum erreichen. Und umgekehrt ist das Vertrauen der Wirtschaft in die Solidität und Tragfähigkeit der öffentlichen Haushalte unabdingbare Voraussetzung für anhaltendes Wachstum. SZ: Sie haben im Etat 2010 keinerlei Vorkehrungen für Finanzhilfen an Griechenland getroffen. Bedeutet das, dass Deutschland den Griechen nicht hilft? Schäuble: Griechenland hat keine finanzielle Unterstützung erbeten. Die Frage konkreter Hilfen stellt sich deshalb nicht. Griechenland steht in der Pflicht, seine Haushalts- und Finanzpolitik auf einen soliden Pfad zu bringen und niemand kann den Griechen diese Aufgabe abnehmen. Die griechische Regierung hat nun bis zum 16. März Zeit, ihre zusätzlichen Anstrengungen überzeugend zu dokumentieren. Dann wird von Seiten der Europäischen Kommission und des Ministerrates über mögliche weitere Schritte im Defizitverfahren zu entscheiden sein.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/wolfgang-schaeuble-wir-muessen-pro-jahr-zehn-milliarden-euro-sparen-1.3064
"""Wir müssen pro Jahr zehn Milliarden Euro sparen"""
00/03/2010
Bekenntnis zur Schuldenbremse: Finanzminister Schäuble will den strikten Konsolidierungskurs und keine Hilfe für Griechenland.
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Sind Polizei und Geheimdienste nach dem Karlsruher Urteil noch voll handlungsfähig? Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will sich im Streit um eine Gesetzesnovelle nicht unter Druck setzen lassen. In der tief zerstrittenen schwarz-gelben Bundesregierung gab es bislang zwei Ministerien, die unerwartet gut, zumindest aber geräuschlos zusammenarbeiteten: das CDU-geführte Bundesinnenministerium und das von der FDP besetzte Justizministerium. Mit dem Datenurteil aus Karlsruhe bricht nun auch zwischen diesen beiden Ressorts mutmaßlich folgenreicher Zwist aus. Nicht einmal drei Stunden nach der Verkündung der Karlsruher Entscheidung wurde deutlich, wie unterschiedlich Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und seine Justizkollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger den Spruch der Verfassungsrichter werten. Leutheusser-Schnarrenberger kündigte an, sie sehe keinerlei Zeitdruck für die Erarbeitung einer Novelle. De Maizière verlangte hingegen, man müsse nun "klug, aber schnell" ein neues Gesetz zur Umsetzung der von Karlsruhe diktierten Vorgaben schaffen. De Maizières Parteikollege Wolfgang Bosbach, der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, ging noch weiter. "Jetzt müssen jede Nacht die Lichter im Justizministerium brennen. Wir brauchen ein neues Gesetz bis zum Sommer", sagte Bosbach der Süddeutschen Zeitung mit der Begründung, es gebe andernfalls Lücken bei der Abwehr schwerer Gefahren und bei der Strafverfolgung in Deutschland. "In tausenden von Fällen gibt es keine Fingerabdrücke, keine Zeugen, keine DNA-Spuren, sondern nur die Telekommunikationsdaten als Ermittlungsansatz", argumentiert Bosbach. Unmittelbare Folgen für Polizei und Geheimdienste Tatsächlich hat das Karlsruher Urteil unmittelbare Folgen für die Arbeit der Polizei und der Geheimdienste. Die dürfen nun keine jener Daten mehr nutzen, die bislang sechs Monate auf Grundlage des nun für verfassungswidrig erklärten Gesetzes gespeichert worden waren. Die Deutsche Telekom kündigte unmittelbar nach dem Urteil an, keine Auskunft mehr über diese Informationen zu geben. Den Kriminalämtern und anderen Polizeibehörden bleiben diese Informationen bis zur Verabschiedung eines neuen Gesetzes verwehrt. Der Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst, für die der Zugang zu diesen Daten schon bislang sehr beschränkt möglich war, werden sie nach dem Karlsruher Richterspruch vom Dienstag möglicherweise niemals wieder erhalten. Sicherheitsexperten übten prompt Kritik - nicht an den Verfassungsrichtern, aber an den Politikern der großen Koalition aus Union und SPD, die das Gesetz im November 2007 gegen die Stimmen von FDP, Grünen und Linkspartei verabschiedet hatten. Abermals habe eine schlampige Gesetzesformulierung dazu geführt, dass der Polizei ein notwendiges Ermittlungsinstrument aus der Hand geschlagen worden sei, schimpfte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Konrad Freiberg. Für die Polizisten werde es nun schwieriger, Menschen vor Straftaten zu schützen, prophezeite Freiberg und drängt deshalb auch auf ein neues Gesetz, um gespeicherte Daten alsbald zur Aufklärung schwerer Verbrechen nutzen zu können. Nach dem nun obsoleten Gesetz mussten seit 2008 Verbindungsdaten aus der Telefon-, Mail- und Internetnutzung für ein halbes Jahr aufbewahrt werden. Bei Telefongesprächen wurden Nummern, Datum und Uhrzeit des Gesprächs, bei Handy-Anrufen auch der Aufenthaltsort der Gesprächsteilnehmer registriert, bei Internetverbindungen die sogenannten IP-Identifizierungsadressen, Datum und Dauer der Nutzung. Bei E-Mails wurden auch die Adressen aller Beteiligten sowie der Zeitpunkt des Versands zu den Akten genommen. Allein bei der Telekom sollen sich über die sechs Monate Speicherdauer 19 Terabyte an Daten angehäuft haben. Druckte man diese Sammlung auf Papier aus, würden fast fünf Milliarden DIN-A4-Seiten zusammenkommen. Die Strafverfolgungsbehörden nutzten sie bislang für mannigfaltige Recherchen bei Verdacht auf schwere und schwerste Straftaten, die vom Kampf gegen Kinderpornographie bis hin zur Terrorabwehr reichen. Bei der Fahndung nach Besitzern von Kinderpornographie-Material bedienten sich die Ermittler der Telekommunikationsdaten, weil solche schmutzigen Geschäfte inzwischen hauptsächlich über Telefon und Internet abgewickelt werden. Der Innenexperte Bosbach vermutet, dass die deutschlandweit gut 300 Ermittlungen wegen islamistischen Terrorverdachts nun behindert werden könnten. Denn viele Spuren führten über Mobilanrufe und Internetverbindungen. Welche konkreten Folgen das Urteil für die Arbeit der Ermittler ansonsten bedeutet, vermochten die Behörden am Dienstag noch nicht genau zu sagen. Aber auch das BKA machte klar, dass es eine baldige Neuregelung erwartet. Die Datenspeicherung sei alternativlos und man gehe davon aus, "dass der Gesetzgeber im Interesse der öffentlichen Sicherheit schnell eine den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts genügende Regelung schafft", teilte ein Sprecher mit. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger musste die Frage offen lassen, ob Beweismittel, die seit 2008 aus diesen Datensammlungen gewonnen wurden, nun überhaupt noch verwertet werden dürfen. Anders als die Polizeigewerkschaft sieht sie keine Lücken bei der Sicherheit und der Arbeit der Strafverfolgungsbehörden. "Wir haben keinen rechtsfreien Raum in Deutschland, der zu Sicherheitsproblemen führen könnte", sagte sie. Auch deshalb solle sich die Koalition bei den Überlegungen für ein neues Gesetz nicht unter einen unnötigen Druck setzen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/vorratsdatenspeicherung-ermittler-in-fesseln-1.23276
Vorratsdatenspeicherung - Ermittler in Fesseln
00/03/2010
Sind Polizei und Geheimdienste nach dem Karlsruher Urteil noch voll handlungsfähig? Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger will sich im Streit um eine Gesetzesnovelle nicht unter Druck setzen lassen.
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Die CDU schenkte Heiner Geißler ein Streitgespräch zum 80. Geburtstag. Und der Sozialpolitiker ließ sich über Westerwelle, Hartz IV und die Gierigen aus. Zum Empfang plätschert Fahrstuhl-Musik. Irgendetwas zwischen Richard Claydermann und André Rieu. Es klimpert, und es wird einem ganz seicht ums Herz. Dabei soll es doch hier im Foyer der Berliner CDU-Parteizentrale Streit geben - heftigen Streit sogar. Gewünscht hat ihn sich Heiner Geißler zu seinem 80. Geburtstag, den er an diesem Mittwoch feiert. Der ehemalige Generalsekretär der CDU, unter Helmut Kohl großgeworden in der Partei und dann von Kohl niedergemacht, will sich auf hohem Niveau auseinandersetzen mit einem Groß-Philosophen der Gegenwart: Peter Sloterdijk. Die CDU bietet dafür das Forum im Konrad-Adenauer-Haus. Sloterdijk ist seltsam sanft an diesem Geißler-Abend. Ein paar Spitzen nur lässt der ansonsten streitbare Denker in Richtung CDU los. Er habe mit der Union schon früher Berührung gehabt, doch habe er dieses "festgefügte Unions-Umfeld" eher "als ein ideales Gegenlager für eine intellektuelle Entwicklung erlebt". Ein Satz der bei manchem der geladenen Gäste für aufgeregtes Hüsteln sorgt. Was machte Sloterdijk so sanft? Ansonsten: Sloterdijk friedlich. Zumindest im Vergleich zu Heiner Geißler. Der möchte mit ihm über das Menschenbild debattieren, am liebsten gipfelnd in Sloterdijks These, dass der Staat - einem gierigen Monster gleich - den Menschen das Geld aus der Tasche ziehe, statt in ihm seinen über Jahrtausende gelernten kooperativen Sinn herauszufordern. Der Mensch müsse wieder dazu erzogen werden, gerne zu geben, statt Zwangssteuern zu entrichten, die in der Mitte der Gesellschaft nur noch Frust auslösten. Das alles sagt Sloterdijk auch an diesem Abend - aber erst spät, als die meisten Zuhörer schon von der philosophischen Debatte über das Wesen des Menschen ermattet in ihren Stühlen liegen. Stimmung kommt da nicht mehr auf. Und so muss Geißler seine Sozialstaatsthesen ohne den antagonistischen Stichwortgeber loswerden, was er offenbar gerne tut. Beifallsstürme bekommt er dafür inzwischen auf Kongressen des globalisierungskritischen Netzwerkes Attac, dessen Mitglied er seit einigen Jahren ist. Im Konrad-Adenauer-Haus klatschen nur die letzten verbliebenen Sozialpolitiker der Partei Beifall. Geißler beginnt mit seiner Abrechnung beim Gesundheitswesen, oder besser dem, was eine neoliberale Clique daraus zu machen gedenke. Deutschland sei auf dem Weg, das deutsche System dem britischen System, wo über 80-Jährige keine neue Hüfte mehr bekämen, wenn sie keinen "privaten Bimbes" hätten, also eine private Absicherung. Heute würden die Leute nicht mehr wegen ihrer Hautfarbe diskriminiert, sagt Geißler, sondern wegen des Geldes. Es zähle nur der, der hat. "Der Mensch ist nur noch Kostenfaktor", wettert der einstige Generalsekretär, und brandmarkt die zunehmende "Durchökonomisierung der Gesellschaft". Ende der sozialen Marktwirtschaft In diesem Gesundheitssystem werde der Mensch umfunktioniert zum Kunden. "Als wenn das Gesundheitssystem ein Kartoffelmarkt wäre", ereifert er sich. "Das Gesundheitswesen darf man nicht verwechseln mit dem Media-Markt." Seine Auffassung sei: "Die soziale Marktwirtschaft existiert nicht mehr." Stille wie nach einem Donnerhall im Foyer des Adenauer-Hauses. Die Kanzlerin sitzt in der ersten Reihe und rührt sich nicht. Dabei ist es doch Angela Merkel, die sich die Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft auf die Fahnen geschrieben hat. Nach Geißler aber gibt es da nur nichts mehr zu verteidigen. Philosoph Sloterdijk hält noch dagegen, dass er nicht einverstanden sei mit dem Lesen solcher "schwarzer Messen des Miserabilismus", diesem Schlechtmachen der Wohlstandserrungenschaften der vergangenen 200 Jahre. Es habe ja geradezu eine Wohlstandsrevolution stattgefunden. Jetzt lebten die Menschen in einer der wohlhabendsten Gesellschaften, die "zugleich die verdrossenste ist". In der aktuellen Debatte über den Sozialstaat fehle ihm "bei fast allen Gesprächsteilnehmern das Staunen über das real existierende Wunderwerk der Wohlstandsgesellschaft". Böse gesprochen: Wer heute satt ist, soll nicht darüber klagen, das andere es besser haben. Geißler will davon nichts wissen. Jetzt geht er mit Hartz IV ins Gericht. Die Hartz-Gesetze seien nichts anderes, "als die in Paragraphen gegossene staatliche Missachtung der Lebensleistung der Menschen". Das Arbeitslosengeld II sei eine "begriffliche Lüge". Es sei nicht mehr als eine Fürsorgeleistung. "Wer 35 Jahre gearbeitet hat, wird behandelt wie ein Alkoholiker, der noch nie einen Hammer in der Hand hatte." Der Christdemokrat hebt den Artikel 1 des Grundgesetzes hervor, die Würde des Menschein ist unantastbar, um daraus einen Angriff auf FDP-Chef Guido Westerwelle abzuleiten. Den hatte er wenige Tage zuvor wegen seiner Einlassungen zur Sozialstaatsdebatte ("anstrengungsloser Wohlstand" und "spätrömische Dekadenz") mit einem Esel verglichen. Trampeln auf den Schwächsten Die Würde des Menschen dürfe durch das Urteil anderer Menschen nicht in Frage gestellt werden, sagt Geißler. Jetzt aber "müssen wir erleben, wie jemand aus der Regierung auf den Schwächsten der Schwächsten herumtrampelt. Das geht nicht." Milder Applaus erhebt sich. Es sei falsch zu glauben, die Wohlhabenden heute seien durch persönlichen Fleiß zu Reichtum gekommen, maßregelt er Westerwelle, ohne ihn beim Namen zu nennen. Die Reichen seien zum größten Teil reich geworden durch "Vererbung und Spekulation". Die Diskussion endet mit einem Monolog Geißlers über Nächstenliebe, auch um damit Sloterdijk doch noch einmal zu widersprechen, der die freiwillige Gabe zum Stützpfeiler einer solidarischen Gesellschaft machen will. Geißler ist dagegen. Nächstenliebe sei keine Freiwilligkeit. "Nächstenliebe ist Pflicht." Weil das vielleicht nicht jeder im Saal verstanden hat, setzt Geißler nach: "Die Menschen haben die Pflicht zur Solidarität." Das sei die christliche Sicht. Die heidnische Sicht laute: Jeder helfe sich selbst, "am besten, indem er einen Kapitalstock bildet". Ob er sich das nun leisten könne oder nicht. Am Anfang hat Angela Merkel in einer kurzen Laudatio auf Geißler gesagt, er habe mal fälschlicherweise von sich behauptet, eine "fundamentale Wandlung von konservativen hin zu linken Positionen" durchlaufen zu haben. "Ich kann damit wenig anfangen", sagte die Kanzlerin. "Mir scheint das Streben nach sozialer Gerechtigkeit die Konstante in ihrem Leben gewesen zu sein", und das unabhängig vom Links-rechts-Schema. Wenn die CDU-Chefin recht hat, aber Geißler das Gefühl dennoch nicht los wird, linker geworden zu sein, dann hat sich möglicherweise nur die CDU verändert. Hartz IV war zwar eine Erfindung von Rot-Grün - doch die CDU hat das Ganze im Bundesrat mitbeschlossen. Geißler hat den Umstand an diesem Abend nicht erwähnt. Vielleicht war das auch besser so. Sonst hätte es am Ende wirklich noch Streit gegeben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/geissler-vs-sloterdijk-bimbes-regiert-die-welt-1.21211
Geißler vs. Sloterdijk - Bimbes regiert die Welt
00/03/2010
Die CDU schenkte Heiner Geißler ein Streitgespräch zum 80. Geburtstag. Und der Sozialpolitiker ließ sich über Westerwelle, Hartz IV und die Gierigen aus.
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Das Bundesverfassungsgericht hat die Gefahren der Vorratsdatenspeicherung benannt - aber nur halbherzig Konsequenzen gezogen. Die Richter ordnen an, bisher gespeicherte Daten zu löschen, lassen aber zu, dass in Zukunft umfassend Daten gespeichert werden können. Das Urteil klagt, das Urteil warnt, das Urteil droht. Es sagt: Bis hierher und nicht weiter. Das Urteil verwirft die bisherigen deutschen Regeln für die Vorratsdatenspeicherung. Es befiehlt, die auf der Basis des bisherigen Gesetzes gespeicherten Daten sofort wegzuwerfen. Die Verfassungsrichter formulieren neue, strenge Regeln. Überhaupt: Das Verfassungsgericht hält die ganze Sammelei von Telekommunikationsdaten auf Vorrat für suspekt. Es sei dies, so die Richter, ein "schwerer Eingriff" in die Bürgerrechte, "mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt". Das Urteil weiß und beschreibt sehr gut, was passieren kann, wenn alle Telefon- und Internet-Daten von allen Bürgerinnen und Bürgern sechs Monate lang gespeichert und zum staatlichen Abruf bereitgehalten werden. Das Urteil weiß, was drohen kann, wenn ausgewertet wird, wer wann mit wem, wie oft und von wo aus E-Mails und SMS-Botschaften geschickt oder telefoniert hat. Die Speicherung all dieser Daten ermöglicht, so steht es im Urteil, "die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers". Bei der Auswertung der umfassend gespeicherten Kommunikationsbeziehungen kann auch schnell festgestellt werden, wer in einer Gruppe von Atom-, Windkraft- oder Kriegsgegnern, von protestierenden Milchbauern, von demonstrierenden Neonazis oder Antifaschisten welche Rolle spielt, wer Vordenker, Logistiker, Organisator oder Mitläufer ist. Vor allem die Experten des Chaos Computer Clubs haben dies dem Gericht sachverständig geschildert. Durch die Auswertung der Daten können auch die hierarchischen Strukturen in einer politischen Partei schnell analysiert werden. Es kann ganz quick herausgefunden werden, wer welchem Journalisten wann und wo welche Informationen gegeben hat. Eine Totalerfassung aller Daten ist daher für die Meinungs-, für die Kommunikations- und für die Pressefreiheit höchst gefährlich. Sie bedroht sämtliche Berufsgeheimnisse. Das alles weiß und fürchtet das Bundesverfassungsgericht: Die Gefahren der Vorratsdatenspeicherung sind in seinem langen Urteil anschaulich zusammengefasst - aber die Konsequenzen sind nur halbherzig gezogen worden. Das Urteil ist hart, aber nicht hart genug. Es ordnet zwar an, die bisher gespeicherten Daten zu löschen, lässt aber die Speicherung und Weitergabe der Daten für die Zukunft umfassend zu. Auf der Basis der im Urteil geschilderten Gefahren hätte die Speicherung aber generell verboten werden müssen. Das haben sich die Richter jedoch nicht getraut, weil es sonst einen Rechtskrieg mit der Europäischen Union gegeben hätte. Den versucht Karlsruhe zu vermeiden. In Brüssel hängen die Grundrechte noch nicht so hoch wie in Karlsruhe, und wie es der Europäische Gerichtshof damit hält, weiß man noch nicht so genau. Die Zeit, in der man dem Konflikt nicht mehr ausweichen kann, rückt aber näher.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-zur-vorratsdatenspeicherung-grundrechte-in-gefahr-1.14341
Urteil zur Vorratsdatenspeicherung - Grundrechte in Gefahr!
00/03/2010
Das Bundesverfassungsgericht hat die Gefahren der Vorratsdatenspeicherung benannt - aber nur halbherzig Konsequenzen gezogen. Die Richter ordnen an, bisher gespeicherte Daten zu löschen, lassen aber zu, dass in Zukunft umfassend Daten gespeichert werden können.
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Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den umstrittenen Abriss von 22 Häusern im arabischen Ostteil Jerusalems vorerst gestoppt. Die Stadtverwaltung solle sich mehr Zeit nehmen, um mit den Bürgern eine Einigung zu erreichen, teilte das Büro des Ministerpräsidenten am Dienstag in Jerusalem mit. Die Stadtverwaltung will nach dem Abriss in dem Gebiet südlich der Altstadt von Jerusalem einen Bibelpark errichten. Der Überlieferung nach sollen dort vor 3000 Jahren König Salomo sein Hohelied und König David Psalme geschrieben haben. Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat stellte das Projekt "Garten des Königs" am Dienstag in Jerusalem vor. Angesichts der ohnehin aufgeheizten Atmosphäre in den Palästinensergebieten und Ostjerusalem hatten Anwohner wie auch Kommentatoren vor neuen Krawallen und Ausschreitungen gewarnt. "Wir werden niemals gehen. Wenn sie (die Israelis) darauf bestehen, wird es viel Ärger geben und möglicherweise auch gewalttätig", sagte ein Sprecher des Einwohnerkomitees. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte die arabischen Länder auf, zu handeln: "Sie müssen Jerusalem als islamische und christliche Hauptstadt der Araber betrachten, die es zu bewahren gilt." Der künftige Status von Jerusalem soll erst in Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern geklärt werden. Die Palästinenser werfen der Stadtverwaltung vor, mit neuen Projekten wie dem Gartenpark den Status quo im besetzten arabischen Ostteil Jerusalems zugunsten Israels ändern zu wollen. Das israelische Kabinett hatte 1980 Jerusalem zur ungeteilten und ewigen Hauptstadt Israels erklärt. Der UN-Sicherheitsrat bezeichnete diese Entscheidung später als "null und nichtig". Araber als "illegale Anwohner" bezeichnet Der von Bürgermeister Barkat vorgestellte Plan sieht vor, dass in dem arabischen Stadtteil al Bustan (Garten) 22 der 88 Häuser abgerissen werden. Auf 3000 Quadratmeter Land sollen dann in einer Gartenlandschaft Geschäfte, Restaurants, Souvenirläden sowie Apartmenthäuser entstehen. Barkat kündigte nach dem Eingreifen Netanjahus einen Dialog mit Einwohnern an, um neue Ideen in den Plan aufzunehmen. Danach solle die Planungsbehörde in der Stadtverwaltung entscheiden. Barkat bezeichne die jetzt in dem Stadtteil al Bustan lebenden rund 1500 Araber als "illegale Anwohner", weil die Häuser ohne Genehmigung gebaut worden seien. Die betroffenen Familien sollten nach dem Abriss ihrer Häuser umgesiedelt werden. Dagegen verweist ein Bürgerkomitee darauf, dass die Familien Eigentümer des Grund und Bodens seien. Außerdem habe die Stadtverwaltung von Jerusalem generell keine Baugenehmigungen ausgestellt, so dass die Familien für Kinder und Kindeskinder illegal bauen mussten. Die Stadtverwaltung sei auch nicht bei Baubeginn eingeschritten. Sie habe auch Steuern und Abgaben für die Häuser kassiert.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/bibelpark-in-jerusalem-netanjahu-stoppt-umstrittenes-bauprojekt-1.13506
Bibelpark in Jerusalem - Netanjahu stoppt umstrittenes Bauprojekt
00/03/2010
Israels Ministerpräsident Netanjahu stoppt den Bau des umstrittenen Bibelparks im arabischen Osten Jerusalems - palästinensische Anwohner hatten heftig protestiert.
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Nach ihrer Niederlage bei der Präsidentenwahl hat die proeuropäische Regierungschefin Timoschenko nun auch ihre Mehrheit im Parlament verloren. Knapp einen Monat nach der Präsidentenwahl in der Ukraine ist das Ende der Regierung in Kiew so gut wie besiegelt: Nach ihrer Niederlage bei der Präsidentenwahl hat die proeuropäische Regierungschefin Julia Timoschenko nun auch ihre Mehrheit im Parlament verloren. Parlamentspräsident Wladimir Litwin erklärte die Koalition am Dienstag in Kiew für beendet: "Von heute an gibt es im Parlament keine Koalition mehr." Das Bündnis aus Timoschenkos Partei BJuT, Litwins Block und der Partei Unsere Ukraine - Selbstverteidigung des Volkes des abgewählten Präsidenten Viktor Juschtschenko hatte zusammen bislang mehr Stimmen als Janukowitschs Partei der Regionen. Offenbar sind nach Timoschenkos Niederlage bei der Präsidentenwahl aber einige Abgeordnete zu Janukowitschs Lager übergelaufen. Timoschenko verurteilte die Entscheidung. Die Koalition sei "auf illegale Weise" zerstört worden, sagte sie in einer ersten Reaktion. Am Mittwoch muss sich Timoschenko noch einem Misstrauensvotum stellen. Sollte ihr wie erwartet die Zustimmung entzogen werden, hätten die Anhänger des neuen Präsidenten Viktor Janukowitsch grünes Licht für die Bildung eines neuen Regierungsbündnisses. Dieses könnte allerdings Wochen in Anspruch nehmen und die krisengeschüttelte Ukraine politisch und wirtschaftlich weiter lähmen. Als Grund für die Auflösung der Koalition nannte Litwin den Austritt der Fraktion Unsere Ukraine des früheren Präsidenten Viktor Juschtschenko. Der neue Staatschef Janukowitsch will mit seiner Partei der Regionen eine neue Regierungsmehrheit bilden. Die Koalition unter einem neuen Ministerpräsidenten soll das Land aus der schwersten Krise seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vor 20 Jahren führen. Wechsel in die Opposition Nach ukrainischen Medienberichten hat Janukowitschs Partei inzwischen 231 Stimmen für eine neue Mehrheit im Parlament gesammelt, fünf mehr als nötig. Der neue Staatschef hatte nach seiner Amtseinführung am vergangenen Donnerstag Timoschenko erneut zum Rücktritt aufgefordert. Diese hatte ihren Wechsel in die Opposition zunächst aber abgelehnt. Nach der Abwahl von Juschtschenko und dem Rücktritt von Timoschenko wäre der Machtwechsel in Kiew komplett. Fünf Jahre nach der Orangenen Revolution, bei der Juschtschenko und Timoschenko als demokratische Helden gefeiert worden waren, will der damalige Verlierer Janukowitsch das Land durch wirtschaftliche Reformen wieder auf die Beine bringen. Der Nato-Gegner will dabei sowohl den proeuropäischen als auch den nach Russland orientierten Kräften seines politisch gespaltenen Landes gerecht werden. Im Video: Knapp einen Monat nach der Präsidentenwahl in der Ukraine ist das Ende der Regierung in Kiew so gut wie besiegelt. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-timoschenko-verliert-regierungsmehrheit-1.19351
Ukraine - Timoschenko verliert Regierungsmehrheit
00/03/2010
Nach ihrer Niederlage bei der Präsidentenwahl hat die proeuropäische Regierungschefin Timoschenko nun auch ihre Mehrheit im Parlament verloren.
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Er kämpft gegen die Dummheit und formuliert Sätze wie Schwertstreiche: Der Politiker, Autor, Kapitalismuskritiker und Bergsteiger Heiner Geißler wird 80. Zum Geburtstag wünscht er sich einen Streit. Wenn man über andere Politiker seines Alters schreibt, schreibt man von der Vergangenheit. Man schreibt davon, wie wichtig diese Leute einmal waren und was sie damals, vor Jahrzehnten, so alles darstellten: Generalsekretär, Minister, Erneuerer ihrer Partei. Man schreibt von den Wahlkämpfen, die sie einst geführt, gewonnen und verloren haben. Man erinnert sich an die Streitigkeiten, die sie damals angezettelt, an die Entrüstung, die sie geerntet haben. Das alles kann man bei Heiner Geißler auch machen, da gibt es viel zu erzählen. Geißler gehört zu den politischen Kriegselefanten der Bundesrepublik. Wenn man über andere Politiker seines Alters schreibt, muss man sich entscheiden, ob man im Präteritum, im Perfekt oder im Plusquamperfekt schreibt. Über Heiner Geißler schreibt man am besten im Präsens - weil er eine öffentliche Präsenz hat, um die ihn die meisten Politiker, die nur halb so alt sind wie er, beneiden. Er ist der bekannteste, wortmächtigste, streitlustigste und ideenreichste Sozialpolitiker der CDU, er ist einer, der Sätze formulieren kann wie Schwertstreiche. Schon Jahre vor der großen Finanz- und Wirtschaftskrise, als für seine Parteifreunde Kritik am Kapitalismus noch ein Sakrileg war, hat er, scharf wie kaum ein anderer, den Marktradikalismus verdammt: "Der Kapitalismus ist genauso falsch wie Sozialismus und Kommunismus: Die Kommunisten wollten die gesellschaftlichen Konflikte lösen, indem sie das Kapital eliminierten und die Kapitaleigner liquidierten. Bekanntlich sind sie daran gescheitert. Heute eliminiert das Kapital die Arbeit und liquidiert quasi die Menschen am Arbeitsplatz." Diese Sentenz stammt aus einem Interview mit Geißler im Jahr 2005. Geißler forderte eine Bankenaufsicht und die "Spekulationssteuer" Damals haben ihn seine politischen Nachfolger in der CDU, damals hat ihn die Parteispitze wegen solcher Sätze für einen Altersverrückten gehalten. Damals wurde in der Partei durchaus getuschelt, ob "so einer" überhaupt noch dazugehört. Geißler stieß vor fünf Jahren weder auf Freude noch auf Verständnis, wenn er von seiner Partei eine Programmatik forderte, die den Kapitalismus so zähmt, dass dieser die Demokratie nicht frisst. Heute ist die CDU wieder stolz auf ihren begnadeten Spinner, dem sie jetzt wieder den Titel Visionär gibt. Das war er schon vor 35 Jahren, als er die "Neue Soziale Frage" entdeckte und in einem aufsehenerregenden Buch (dem an die zwanzig weitere Bücher folgten), die katholische Soziallehre renovierte und die Sozialpolitik als Kernpolitik einer guten Demokratie beschrieb. Das hat er dann als Generalsekretär und als Bundesminister für Jugend, Familie und Gesundheit zur Grundlage seiner Politik gemacht. Heute wirbt er für eine internationale öko-soziale Marktwirtschaft: "Die globale Ökonomie braucht eine globale politische Antwort." Und er wehrt sich dagegen, dass sich die Verfechter des freien und ungebändigten Marktes auf Ludwig Erhard berufen. Wenn das passiert, dann verwandelt Geißler jede Bühne in ein politisches Seminar: "Erhard war auch der Erfinder der Kartellgesetzgebung und der Fusionskontrolle. Und dafür braucht man als Garanten den Staat, um so eine Ordnung zu garantieren."
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https://www.sueddeutsche.de/politik/heiner-geissler-der-missionar-der-cdu-1.10655
Der Missionar der CDU
00/03/2010
Er kämpft gegen die Dummheit und formuliert Sätze wie Schwertstreiche: Der Politiker, Autor, Kapitalismuskritiker und Bergsteiger Heiner Geißler wird 80. Zum Geburtstag wünscht er sich einen Streit.
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Das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts befriedigt kurzfristig die Gegner der Vorratsdatenspeicherung und langfristig ihre Befürworter. Was das Karlsruher Gericht will - und was der Gesetzgeber jetzt tun muss. Zehn Punkte. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts befriedigt kurzfristig die Gegner der Vorratsdatenspeicherung - und langfristig ihre Befürworter. Es erklärt nur jene geltenden deutschen Gesetze für nichtig, welche die vorsorgliche Erfassung und Speicherung aller Telekommunikationsdaten ohne konkreten Anlass anordnen und regeln. Zugleich aber ist das höchste deutsche Gericht, abweichend von seiner bisherigen Rechtsprechung, grundsätzlich mit einer Vorratsdatenspeicherung einverstanden, wenn beim Zugriff bestimmte Regeln eingehalten werden. Die zehn wichtigsten Punkte des Urteils. 1. Die geltenden Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Vorratsdatenspeicherung sind verfassungswidrig und nichtig: Sie sind unverhältnismäßig; sie genügen den Sicherheitsstandards nichts; die Gefahr des illegalen Zugriffs auf die Daten ist zu groß; und die bisherigen Voraussetzungen für den Zugriff auf die gespeicherten Daten sind zu allgemein, zu weit und zu lasch. 2. Eine Vorratsdatenspeicherung - also die vorsorgliche Erfassung und Speicherung aller Telekommunikationsdaten ohne konkreten Anlass - darf in der Bundesrepublik bis zum Erlass eines neuen Gesetzes nicht stattfinden. 3. Die auf Grund des bisherigen Gesetzes schon gespeicherten Daten müssen sofort gelöscht werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte nämlich in einstweiligen Anordnungen die bloße Speicherung der Daten, aber nicht ihre Verwendung, vorläufig erlaubt. 4. Es darf auch in Zukunft in Deutschland keinen "offenen Datenpool" geben, aus dem sich die Sicherheitsbehörden und die Geheimdienste nach Belieben oder politischem Ermessen bedienen können. Das Verfassungsgericht versucht daher, die Ampeln für alle weiteren Eingriffe in die Privatheit der Bürger auf "Rot" zu stellen - auch auf EU-Ebene: Die Einführung der Vorratsdatenspeicherung zwinge den Gesetzgeber bei weiteren Datensammlungen zur "Zurückhaltung". Der warnende Satz der Richter ist sperrig, aber deutlich: "Dass die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf, gehört zur verfassungsrechtlichen Identität der Bundesrepublik, für deren Wahrung sich die Bundesrepublik in europäischen und internationalen Zusammenhängen einsetzen muss. Durch die vorsorgliche Speicherung der TK-Verkehrsdaten wird der Spielraum für weitere anlasslose Datensammlungen auch über den Weg der Europäischen Union erheblich geringer." Bis hierher geht der Sieg der mehr als 35.000 Beschwerdeführer. Von diesem Punkt an beginnt ihre Niederlage. Das Bundesverfassungsgericht weicht nämlich in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung vom bisherigen Credo seiner Rechtsprechung ab: Bisher, seit dem Urteil zur Volkszählung im Jahr 1983, galt die anlasslose Datenspeicherung als grundgesetzwidrig. Im Video: Das Bundesverfassungsgericht hat die umstrittene Vorratsdatenspeicherung gekippt. Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/bundesverfassungsgericht-das-urteil-die-zehn-gebote-der-vorratsdatenspeicherung-1.21093
Bundesverfassungsgericht: Das Urteil - Die zehn Gebote der Vorratsdatenspeicherung
00/03/2010
Das aktuelle Urteil des Bundesverfassungsgerichts befriedigt kurzfristig die Gegner der Vorratsdatenspeicherung und langfristig ihre Befürworter. Was das Karlsruher Gericht will - und was der Gesetzgeber jetzt tun muss. Zehn Punkte.
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mlsum_de-train-660
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Der wegen Volksverhetzung angeklagte Bischof Williamson wirft Muslimen die Unterwanderung Europas vor. Den Islam nennt er "Geißel Gottes" und sagt ein "Blutbad" voraus. Weil er den Holocaust geleugnet hat, wurde er bereits angeklagt, jetzt hat sich der Traditionalistenbischof Richard Williamson offenbar ein neues Ziel gesucht: In einer E-Mail-Kolumne wettert er gegen den Islam. Dieser sei "eine einfache und gewalttätige Religion, welche die ganze Welt mit dem Schwert zu erobern" trachte, schreibt der Brite. Der Islam sei "eine Geißel Gottes", das Christentum habe ihn "tausend Jahre lang nur durch das Schwert in Schach halten" können. Williamson schreibt in seiner wöchentlichen Kolumne, die per E-Mail verbreitet wird, der Islam sei vor etwa 1400 Jahren als "Abspaltung von der katholischen Christenheit im Nahen Osten" entstanden und habe sich dann "wie ein Lauffeuer" verbreitet. Für mehrere Jahrhunderte habe der Islam auch Spanien "besetzt" und sei kurz sogar nach Frankreich eingebrochen. Heute, da die europäischen Christen dabei seien, ihren Glauben zu verlieren, erlaubten sie den "Mohammedanern", nach Europa zurückzukommen: "Nicht durch das Schwert, aber durch Einwanderung", so Williamson weiter. Die "Mohammedaner" wollten auf die Weise "in die Lage gelangen, Europa zu erobern". Der Bischof sieht deshalb einen blutigen Krieg heraufziehen: Obwohl Europa täglich mehr "verfaule", gebe es noch viele Europäer mit einer so großen Liebe zur eigenen Lebensart, "dass sie diese mit einem Blutbad verteidigen werden, wenn sie zu stark von außen bedroht scheint oder wird". Es erscheine immer wahrscheinlicher, dass Gott dieses Blutbad "als Strafe zulassen" könne. "In der Tradition eines Kreuzritters" Der Geschäftsführer des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman A. Mazyek, sagt, Williamson zeige einmal mehr, "dass er Brandstifter und Hassprediger ist, ganz in der Tradition eines fanatischen Kreuzritters". Mazyek fügt hinzu: "Nach dem Antisemitismus folgt nun beinahe logisch die Islamfeindlichkeit." Der Geschäftsführer der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle der Bischofskonferenz (Cibedo), Peter Hünseler, bezeichnet Williamsons Äußerung als "Entgleisung" und "Anmaßung". "Die Aussage von Bischof Williamson ist falsch. Sie wird dem Islam nicht gerecht und hält keiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung stand", betonte Hünseler. Der Bischof war im vergangenen Jahr von der Piusbruderschaft wegen seiner Holocaust-Leugnung seiner Ämter entbunden worden und lebt seither in London. Er hatte im November 2008 in einem Interview die Existenz von Gaskammern während des Zweiten Weltkriegs bestritten. Daraufhin erließ das Amtsgericht Regensburg im Oktober 2009 einen Strafbefehl wegen Volksverhetzung gegen Williamson. Er legte Einspruch dagegen ein. Am 16. April kommt es in Regensburg zum Prozess.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/piusbruderschaft-bischof-williamson-wuetet-gegen-den-islam-1.3593
Piusbruderschaft - Bischof Williamson wütet gegen den Islam
00/03/2010
Der wegen Volksverhetzung angeklagte Bischof Williamson wirft Muslimen die Unterwanderung Europas vor. Den Islam nennt er "Geißel Gottes" und sagt ein "Blutbad" voraus.
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Nicht nur Deutschland, die ganze EU soll das Datensammeln stoppen: Werner Hülsmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung über die Folgen des Karlsruher Urteils. Diplom-Informatiker Werner Hülsmann arbeitet als Datenschutzbeauftragter und ist Mitglied im Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Die Bürgerrechtler, Datenschützer und Internetnutzer hatten zur Beteiligung an der Verfassungsbeschwerde gegen die massenhafte Datenspeicherung aufgerufen und die Kläger unterstützt. sueddeutsche.de: Herr Hülsmann, das Bundesverfassungsgericht hat die deutsche Regelung zur Vorratsdatenspeicherung gekippt. Sind Sie zufrieden mit dem Urteil? Werner Hülsmann: Es ist ja nur ein Kippen auf Zeit. Zwei Paragraphen dürfen nicht mehr angewendet werden. Gleichzeitig hat das Bundesverfassungsgericht leider festgestellt, dass eine verfassungskonforme Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung durchaus möglich ist, dass es also ein neues Gesetz geben kann. Von daher sind wir mit dem Urteil nicht ganz zufrieden. sueddeutsche.de: Hätten die Richter mehr Mut haben und sich mit der EU anlegen sollen? Hülsmann: Es hätte die Möglichkeit gegeben, eine Vorlage beim Europäischen Gerichtshof einzureichen. Dann hätten sich die Richter gar nicht mit der EU angelegt, sondern einfach gesagt: Das deutsche Gesetz basiert auf einer EU-Richtlinie, und für die ist der Europäische Gerichtshof zuständig. Das wäre eine grundsätzlichere Entscheidung gewesen. sueddeutsche.de: Das wäre Ihre Wunsch-Entscheidung gewesen? Hülsmann: Ja. Denn es gibt zwar ab sofort keine Vorratsdatenspeicherung mehr, aber es wird eine neue Regelung geben. Allerdings hat der Gesetzgeber eine Ohrfeige bekommen: Die Bundesverfassungsrichter haben klargestellt, dass die deutsche Regelung weit über das hinausging, was die europäische Richtlinie vorgibt. sueddeutsche.de: Das Gesetz muss reformiert werden. Was erhoffen Sie sich dabei von der Bundesregierung? Hülsmann: Dass wirklich nur das Minimum, was die EU-Richtlinie vorsieht, umgesetzt wird. Dieses Minimum enthält immer noch eine sechsmonatige Speicherung aller Verkehrsdaten, also Angaben darüber, wer wann von wo aus mit wem telefoniert, SMS oder E-Mails ausgetauscht hat. Allerdings müssen die Gründe für Zugriffe auf diese Daten laut Richtlinie auf wirklich schwere Straftaten eingeschränkt werden. Die Daten können nicht, wie es Deutschland gemacht hat, für die Verfolgung jeglicher Straftaten, die per Internet, SMS oder Telefon begangen werden, genutzt werden. sueddeutsche.de: Wäre ein Gesetz, das über diesen europäischen Mindeststandard nicht hinausgeht, ein Kompromiss, mit dem Sie sich anfreunden können? Hülsmann: Wir vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung fordern von der Bundesregierung, dass sie sich auf EU-Ebene dafür einsetzt, dass die entsprechende Richtlinie, die laut einer EU-Kommissarin ohnehin überprüft werden muss, aufgehoben wird. Und wir werden uns jetzt umso stärker auf europäischer Ebene mit anderen Organisationen zusammenschließen, um diese Überprüfung kritisch zu begleiten. sueddeutsche.de: Wie beurteilen Sie die Chancen, dass die Bundesregierung bei der Überarbeitung des Gesetzes nun Ihre Linie übernimmt? Immerhin hat Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger selbst gegen das Gesetz in Karlsruhe geklagt. Hülsmann: Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat bei verschiedenen Gelegenheiten deutlich gezeigt, dass Sie zum Teil andere Auffassungen als die Bundesregierung vertritt. Aber natürlich kann die Justizministerin die Neufassung des Gesetzes jetzt nicht einfach auf die lange Bank schieben. Ich gehe allerdings davon aus, dass sie das Urteil sehr genau lesen wird und Karlsruhe nicht noch einmal über die Vorratsdatenspeicherung urteilen muss.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-zur-vorratsdatenspeicherung-wir-sind-nicht-zufrieden-1.7791
"Urteil zur Vorratsdatenspeicherung - ""Wir sind nicht zufrieden"""
00/03/2010
Nicht nur Deutschland, die ganze EU soll das Datensammeln stoppen: Werner Hülsmann vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung über die Folgen des Karlsruher Urteils.
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Es wird eng für Thilo Sarrazin, den früheren Berliner Finanzsenator und jetzigen Bundesbanker mit rhetorischem Alleinvertretungsanspruch. Sein Ausschluss aus der SPD wird immer wahrscheinlicher. Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zum Beispiel, einst Sarrazins Chef, äußert sich nur noch ironisch über den Schlagzeilen-Helden: "Jemand, der so ein Gehalt hat, ist auch ein wunderbarer Ratgeber, dass er anderen, die wenig Geld haben, sagt, was sie einkaufen müssen, dass sie kalt duschen müssen und wie hoch die Zimmertemperatur ist", sagte Wowereit in der ARD-Talksendung Beckmann. Bundesbank-Vorstand Sarrazin hatte in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung Hartz-Empfängern empfohlen, lieber kalt zu duschen: "Warmduscher sind noch nie weit gekommen." Auch für den Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky (SPD), ist ein SPD-Ausschluss Sarrazins jetzt denkbar. Mit seinen jüngsten Äußerungen in der Süddeutschen Zeitung sei er zu weit gegangen, so Buschkowsky. "Dieses Interview am Tag der Anhörung der Landesschiedskommission über seinen möglichen Parteiausschluss, das war eine gezielte Provokation", erklärt Buschkowsky, der sich wie Sarrazin teils sehr kritisch zur Integrations- und Sozialpolitik geäußert hat. "Mit den Äußerungen in der SZ hat Sarrazin eine Grenze überschritten, das ist teils nackter Rassismus, das trage ich nicht mit", so der SPD-Politiker. Buschkowsky bezog sich dabei vor allem auf die Passagen, ob es sinnvoll sei, noch mehr Geld in die Bildung der Kinder von Hartz-IV-Empfängern zu stecken. Nach Ansicht von Sarrazin ist Intelligenz "weitgehend erblich". Deshalb sei es auch eine Illusion zu glauben, man könne Menschen oder sogar soziale Schichtungen durch die Schule ändern. "Wer mit 15 Jahren Schulversager sei, komme mit allergrößter Wahrscheinlichkeit auch in seinem weiteren Leben nicht mehr in die Spur", zitiert ihn die SZ. "Sehr nah an der Rassentheorie" Sarrazin hatte auch erklärt: "Jemanden, der als Teenager immer noch nicht richtig lesen kann, den lasse ich nicht zurück. Da sage ich: 'Das ist nun mal so'." Solche Einschätzungen sind für Buschkowsky "sehr nah an der Rassentheorie". Zudem seien sie inhaltlich falsch. "Wenn Intelligenz tatsächlich vererbt würde, dann wären wir alle noch Kinder der Proletarier des 19. Jahrhunderts", erklärt SPD-Mann Buschkowsky. Die seien alle arm und ungebildet gewesen. Sarrazin leugne damit die Herausbildung einer Mittelschicht, die sich durch Bildung hochgearbeitet und so Schichten aufgebrochen habe. Bisher sei er ein "glühender Gegner eines Parteiausschlusses" gewesen, weil eine so breit aufgestellte Partei wie die SPD auch Querköpfe wie Sarrazin aushalten müsse, sagt Buschkowsky: "Nun bin ich kein bedingungsloser Gegner mehr!" "Erst noch ein Bier, dann ins Bett": Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich Sarrazin nach der Sitzung der Landesschiedskommission äußerte und was die SPD-Funktionäre über das Treffen berichteten.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/parteiausschlussverfahren-berliner-spd-groessen-duschen-sarrazin-1.6301
Parteiausschlussverfahren - Berliner SPD-Größen duschen Sarrazin
00/03/2010
Berlins Stadtoberhaupt Wowereit und der Neuköllner Bürgermeister Buschkowsky wenden sich gegen Noch-SPD-Parteifreund Sarrazin. Ein Vorwurf: "Nackter Rassismus".
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Mit dem warnenden Urteil zur Vorratsdatenspeicherung weicht das Bundesverfassungsgericht von seinem bisherigen Credo ab: Die Gegner der Datenspeicherung haben gewonnen, aber nicht gesiegt. Der Jubel der Beschwerdeführer ist berechtigt, muss aber doch im Hinblick auf die mittel- und langfristigen Folgen im Hals stecken bleiben. Die Beschwerdeführer haben gewonnen, aber nicht gesiegt: Zum ersten Mal wird vom Karlsruher Gericht die Speicherung von Daten auf Vorrat zu noch unbestimmten Zwecken für zulässig erklärt, ohne dass es einen konkreten Anlass oder gar einen Verdacht geben muss. Seit dem Urteil zur Volkszählung im Jahr 1983 hatte das Gericht immer wieder betont, dass das Grundgesetz den Bürger "gegen die unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner Daten" schütze. Das ist nun nicht mehr der Fall. Das höchste deutsche Gericht weicht von seinem bisherigen Credo ab. Nun erklärt es, Europa und der in Brüssel erlassenen Richtlinie zuliebe, anlasslose Datenspeicherungen seien "nicht in Gänze" und "nicht schlechthin" verfassungswidrig. Das ist ein Kotau vor der Europäischen Union: Diese hat die Speicherung sämtlicher Telekommunikationsdaten sämtlicher Bürger angeordnet. Die höchsten deutschen Richter sagen nun, um dem Konflikt mit der EU aus dem Weg zu gehen, in Abweichung von ihrer bisherigen Rechtsprechung, dies sei nicht schon per se verfassungswidrig. Verfassungswidrig sei es aber, wie die Speicherung hierzulande nun im Einzelnen geregelt worden sei. Sehr wohl ist dem Bundesverfassungsgericht bei diesem Urteil nicht. Es hätte offensichtlich gerne die umfassende Speicherung verboten oder eingeschränkt, hat sich das aber nicht getraut - weil es dann die ganze Geschichte entweder dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung hätte vorlegen oder aber erklären müssen, die EU habe mit der Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung ultra vires gehandelt, also ihre Macht überschritten. Davor schreckte das Gericht zurück. Es warnt daher in seinem Urteil zur Vorratsdatenspeicherung lieber vor deren Gefahren - und es tut dies, dies muss lobend anerkannt werden, eindringlich und eindrucksvoll: Es handele sich um einen "besonders schweren Eingriff" in die Rechte der Bürger, "mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt". Die Speicherung aller Telekommunikationsdaten aller Bürger für einen Zeitraum von sechs Monaten ohne Anknüpfung an ein vorwerfbares Verhalten sei bisher beispiellos. Die Speicherung beziehe sich "auf Alltagshandeln, das im täglichen Miteinander elementar und für die Teilnahme am sozialen Leben nicht mehr verzichtbar ist". Mit diesen Daten lassen sich, so die Richter weiter, "tiefe Einblicke in das soziale Umfeld und die individuellen Aktivitäten eines Bürgers gewinnen". Je nach Nutzung der Telekommunikationsüberwachung könne eine solche Speicherung "die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers ermöglichen". Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit einer Speicherung der Telekommunikationsdaten setze daher voraus, "dass diese eine Ausnahme bleibt. Sie darf auch nicht im Zusammenspiel mit anderen vorhandenen Daten zur Rekonstruierbarkeit praktisch aller Aktivitäten der Bürger führen." Zwei Richter sind aus der Phalanx ausgebrochen Trotz dieser grusligen Aussichten belässt es das Gericht dabei, nicht die Speicherung, sondern nur den staatlichen Zugriff auf die gespeicherten Daten einzuschränken. Das Urteil ist pfiffig (auch in der Art und Weise, wie die Richter der EU-Richtlinie einen deutschen Rucksack aufschnallen), aber ihm fehlt der große Mut, der zur Verteidigung der Grundrechte nötig ist. Die Richter riskieren den Konflikt mit der EU und dem Europäischen Gerichtshof nicht. Sie warnen und drohen: Bis hierher und nicht weiter. Das reicht nicht mehr. Zwei Richtern fehlte schon dieser kleine Mut: Sie sind aus der Phalanx der Richter des Ersten Senats ausgebrochen, der seine Entscheidungen zu den Sicherheitsgesetzen bisher immer einstimmig getroffen hat; zwei Richter haben ein abweichendes Votum geschrieben: Sie halten die mit der Vorratsdatenspeicherung verbundenen Grundrechtseingriffe für nicht so schwerwiegend. Man kann nur hoffen, dass dies nicht die Vorboten eines allmählichen Schwenks der Rechtsprechung des Ersten Senats sind, der bisher den Rechtsstaat hochgehalten hat. Im Video: Die aktuellen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung sind damit nichtig und die entsprechenden Daten umgehend zu löschen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-zur-vorratsdatenspeicherung-gruslige-aussichten-1.11309
Urteil zur Vorratsdatenspeicherung - Gruslige Aussichten
00/03/2010
Mit dem warnenden Urteil zur Vorratsdatenspeicherung weicht das Bundesverfassungsgericht von seinem bisherigen Credo ab: Die Gegner der Datenspeicherung haben gewonnen, aber nicht gesiegt.
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Die große Koalition beherrschte 2006 das politische Einmaleins - anders als Merkel und Westerwelle heute. Acht Thesen zum Regierungsvergleich. Der 1. März 2006 ist ein wunderbarer Tag für Angela Merkel und ihren Vizekanzler Franz Müntefering. Der politische Aschermittwoch steht an, und just zu diesem Datum haben die beiden ihre ersten 100 gemeinsamen Regierungstage in der großen Koalition hinter sich gebracht. Was ist die Freude groß! Union und SPD haben sich bis zu diesem 1. März 2006 nicht viel vorzuwerfen. Der damalige CSU-Chef Edmund Stoiber rät den Genossen in seiner Aschermittwochrede, sich nicht zu sehr auf Kosten der Union zu profilieren. SPD-Chef Matthias Platzeck wiederum lobt die SPD als das "Herz der Koalition" und bemängelt ansonsten nur die mangelnde Präsenz einzelner Unions-Minister. In den Umfragen steht die große Koalition glänzend da. Fast drei Viertel der Deutschen halten ihre Arbeit für gut bis befriedigend. Selbst die Opposition hat kaum etwas zu mäkeln. Stillstand vielleicht, das war da schon das härteste Argument. Traumhafte Zustände im Vergleich zu heute. Die schwarz-gelbe Koalition - angeblich eine Wunschformation - hat in den Umfragen schon abgewirtschaftet, bevor die sie richtig losgelegt hat. Am politischen Aschermittwoch vor wenigen Wochen haben CSU und FDP derart aufeinander eingedroschen, dass sich der Beobachter fragen muss, wer hier eigentlich mit wem - oder besser gegen wen - regiert. Nahezu täglich tauschen die Regierenden gezielt Bösartigkeiten untereinander aus. Die FDP fühlt sich von der Union über den Tisch gezogen - weil sie die Gesundheitsprämie ausbremst und Steuersenkungen prominent ignoriert werden. Die Union dagegen sieht im dem kleinen Partner FDP nur noch eine Aufstellung aufgeblasener Gartenzwerge, die gegen jede Vernunft Milliarden zum Fenster hinauswerfen wollen. Und mittendrin versucht Kanzlerin Angela Merkel zu moderieren, was noch zu moderieren ist. Viel ist das nicht. Acht Thesen, warum Schwarz-Rot besser lief als Schwarz-Gelb. I. Keine Ehe, eine Scheidung. Angela Merkels Vizekanzler Guido Westerwelle ist ganz unstaatsmännisch auf Krawall gebürstet, um das eigene und das Profil der Partei zu schärfen. Die CSU hält mit aller Kraft dagegen, froh wieder einen Gegner auf Augenhöhe zu haben. Und Merkels CDU ist sich uneins, ob sie nun lachen oder weinen soll. Schon erstaunlich: Die angebliche Liebesehe von Konservativen und Liberalen, auf die sie seit elf Jahren hingearbeitet haben, sie befindet sich drei Monate nach dem Eheversprechen augenscheinlich mitten im Scheidungskrieg. Die Zwangsverheirateten aus Union und SPD hingegen waren nach 100 Tagen allerbester Dinge. Damals wuchs zusammen, was doch eigentlich nicht zusammengehören durfte. Die Wochen und Monate nach der Bundestagswahl 2005 sind eine Zeit der Ernüchterung. Die Union hat die Wahl nicht wirklich gewonnen. Die SPD so gerade nicht verloren. Beide Lager retten sich mehr in die Regierung, als dass sie sie sich verdient hätten. Beide haben sich vorher aufs Messer bekämpft. Die Wunden sind noch nicht verheilt, da müssen sie mit dem schärfsten Kontrahenten gemeinsame Sache machen. II. Gefragt ist Nüchternheit. Angela Merkel und Franz Müntefering begreifen im Herbst 2005 wohl als Erste, dass die Zeit der Grabenkämpfe erst mal vorbei ist. Sie müssen zusammen regieren. Also machen sie das Beste draus. Es ist die Zeit der Ausnüchterung. Nach Jahrzehnten ideologischer Debatten erlebt die Republik, wie aus Gegnern Partner werden. Eine Zweckgemeinschaft, in der die Mitspieler plötzlich überrascht waren, wie gut es mit den anderen laufen kann. Aber langweilig ist sie, die große Koalition. Die Mehrheiten im Bundestag sind immer ganz große Mehrheiten. Innerparteiliche Kritiker haben keine Relevanz mehr, weil sie nie genug Abgeordnete hinter sich versammeln können, um die ganz großen Mehrheiten auch nur ansatzweise in Gefahr zu bringen. Es zählt, was im Koalitionsausschuss verabredet wird. Das macht das Regieren zu einer überschaubaren Angelegenheit. Aber die große Koalition regiert immerhin. Still und effizient. Das stört nur die Medien, die wenig zu schreiben haben. Die Menschen freut es. Sie sind nach den aufreibenden letzten rot-grünen Agenda-Jahren reformmüde. Sie sind dankbar, dass Merkel die Politik entschleunigt. Von der großen Koalition werden am Anfang keine Wunder erwartet. Natürlich, sie hat rechnerisch die Macht, die großen Probleme des Landes zu lösen. Zwei-Drittel-Mehrheit in Bundestag und Bundesrat sind ein ziemliches Pfund. Aber dafür sind sich Union und SPD dann inhaltlich doch nicht einig genug. III. Entscheide nur, wenn es nicht strittig ist. Ein Problem für den inneren Zusammenhalt der Koalition ist das nicht. Merkels Leitsatz lautet damals: Entscheide kein strittiges Thema, das du nicht entscheiden musst. Der Atomstreit bricht deshalb nicht richtig aus, weil beide Seiten wissen, dass sie nie eine Einigung finden werden. Also gilt einfach der Status quo fort. Merkel reicht das. Vizekanzler Franz Müntefering auch. Und wo es nicht anders geht - siehe Gesundheitsreform - wird so lange an einem Kompromiss geschraubt, bis es eine Lösung gibt, die beide Seiten nach einer eventuellen gewonnenen Wahl wieder aufbohren können.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/schwarz-rot-vs-schwarz-gelb-die-geheime-sehnsucht-der-angela-merkel-1.18572
Schwarz-Rot vs. Schwarz-Gelb - Die geheime Sehnsucht der Angela Merkel
00/03/2010
Die große Koalition beherrschte 2006 das politische Einmaleins - anders als Merkel und Westerwelle heute. Acht Thesen zum Regierungsvergleich.
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Die Stadtverwaltung von Jerusalem will im arabischen Ostteil der Stadt 40 palästinensische Häuser abreißen. Die Bewohner sollen umgesiedelt werden. Die Stadtverwaltung von Jerusalem plant trotz aller Warnungen den Abriss von 40 Häusern von Palästinensern im arabischen Ostteil der Stadt. An gleicher Stelle soll im Viertel Silwan ein Bibelpark als Touristenattraktion entstehen. Jerusalems Bürgermeister Nir Barkat wollte am Dienstagnachmittag Details des Projekts "Garten des Königs" vorstellen, das sich auf die Gärten des Königs Salomon bezieht. Diese waren nach Darstellung der Bibel einst an der Stelle, wo jetzt der Park entstehen soll. Der Überlieferung nach soll König Salomo hier vor rund 3000 Jahren sein Hohelied komponiert haben. Die palästinensischen Anwohner laufen seit Monaten gegen die Pläne Sturm und haben Widerstand angekündigt. Angesichts der ohnehin aufgeheizten Atmosphäre in den Palästinensergebieten und Ostjerusalem warnen Kommentatoren vor neuen Krawallen und Ausschreitungen. In dem betreffenden Gebiet, das von den Palästinensern Al-Bustan (der Garten) genannt wird, leben rund 1500 Menschen in 88 Häusern. Die Pläne der Stadtverwaltung sehen nach Medienberichten vor, dass die vom Abriss betroffenen Familien umgesiedelt werden. Nach israelischen Angaben sind die Häuser illegal gebaut worden. Die Anwohner wiederum verweisen darauf, dass die Stadtverwaltung von Jerusalem für sie generell keine Baugenehmigungen ausstellt und dass sie seit Jahren Steuern und Abgaben für ihre Häuser gezahlt haben. Der künftige Status von Jerusalem soll erst in Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern geklärt werden. Die Palästinenser werfen der Stadtverwaltung vor, mit neuen Projekten wie dem Gartenpark den Status quo im besetzten arabischen Ostteil Jerusalems zu Gunsten Israels ändern zu wollen. Israel hatte Jerusalem 1980 zur ungeteilten und ewigen Hauptstadt erklärt. Der UN- Sicherheitsrat erklärte diese Entscheidung später für "null und nichtig". Israel will auch bei Friedensvertrag im Jordantal bleiben Derweil erklärte die Regierung, Israel wolle auch nach Abschluss eines Friedensvertrags mit den Palästinensern das gesamte Jordantal besetzt halten. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte in Jerusalem, selbst bei einem Friedensvertrag mit den Palästinensern werde es keinen Truppenabzug aus diesem Gebiet an der Grenze des Westjordanlands zu Jordanien geben. Vor einem Parlamentsausschuss begründete Netanjahu dies mit der besonderen strategischen Bedeutung dieser Region, wie ein Teilnehmer der Sitzung berichtete. Das Jordantal erstreckt sich über etwa ein Viertel des Westjordanlands, das bis zum Sechstagekrieg von 1967 zu Jordanien gehörte. Israel betrachtet dieses Gebiet, in dem rund 6.000 jüdische Siedler leben, als Pufferzone gegen arabische Angriffe. Palästinenser beanspruchen Westjordanland komplett Die Palästinenser beanspruchen aber das gesamte Westjordanland für einen eigenen Staat. Dabei gilt das Jordantal als Kornkammer und als einzige Region, die noch größere Mengen von palästinensischen Flüchtlingen aufnehmen könnte. Israel hat kürzlich zwei historische Stätten im Westjordanland zum nationalen Kulturerbe erklärt. Dabei handelt es sich um die Höhle der Patriarchen in Hebron und Rachels Grab in der Nähe von Bethlehem. Dieser Schritt wurde von den USA scharf kritisiert, die sich zurzeit intensiv um die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen zwischen Israel und den Palästinensern bemühen. Für Mitte Mai ist ein Treffen des internationalen Nahost-Quartetts in Moskau mit dem Ziel geplant, die Wiederaufnahme der Nahostgespräche auf den Weg zu bringen. Dabei will US-Außenministerin Hillary Clinton mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und der EU-Chefin für Außenpolitik, Catherine Ashton, zusammenkommen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/jerusalem-abrissplaene-zugunsten-von-bibelpark-1.8714
Abrisspläne zugunsten von Bibelpark
00/03/2010
Die Stadtverwaltung von Jerusalem will im arabischen Ostteil der Stadt 40 palästinensische Häuser abreißen. Die Bewohner sollen umgesiedelt werden.
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Das Bundesverfassungsgericht hat die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung für grundgesetzwidrig und nichtig erklärt. Das warnende Urteil aus Karlsruhe ist gut, aber nicht ausreichend - den Richtern fehlt der ganz große Mut. Eine Vorratsdatenspeicherung ist grundsätzlich und ausnahmsweise möglich, aber nicht so, wie sie derzeit in den deutschen Gesetzen geregelt ist: Dies ist der Inhalt des soeben verkündeten und mit Spannung erwarteten Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Das höchste deutsche Gericht erklärt die Vorratsdatenspeicherungs-Regeln des deutschen Telekommunikationsgesetzes zwar für grundgesetzwidrig und nichtig, erläutert aber zugleich, wie künftig ein verfassungsgemäßes Gesetz auf der Basis der einschlägigen EU-Richtlinie aussehen kann. Bis dahin darf es keine Vorratsdatenspeicherung geben. Alle bisher gespeicherten Daten (das Verfassungsgericht hatte in einstweiligen Anordnungen die Speicherung, aber nicht die Herausgabe der Daten vorläufig genehmigt) müssen sofort gelöscht werden. Das Bundesverfassungsgericht lässt damit die Vorratsdatenspeicherung zwar nicht derzeit, aber doch künftig im Prinzip zu und weicht damit von seiner bisherigen Rechtsprechung ab; es verbietet die vorsorgliche Erfassung und Speicherung aller Telekommunikationsdaten aller Bürger nicht mehr; will eine solche Speicherung aber, wenn sie ohne konkreten Anlass erfolgt, sehr streng geregelt wissen. Das Gericht macht aus seinem Urteil eine eindringliche und eindrucksvolle Warnung vor den Gefahren, die eine umfassende Vorratsdatenspeicherung mit sich bringt: Es handele sich um einen "besonders schweren Eingriff" in die Rechte der Bürger "mit einer Streubreite, wie sie die Rechtsordnung bisher nicht kennt". Das Urteil ist nur ein halber Sieg für die mehr als 35.000 Beschwerdeführer: Die bisher (auf der Basis des verfassungswidrigen Gesetzes) gespeicherten Daten müssen zwar gelöscht werden. Die Richtlinie der Europäischen Union zur Vorratsdatenspeicherung lässt das Bundesverfassungsgericht jedoch völlig unangetastet; es hätte sonst einen Konflikt mit dem Europäischen Gerichtshof riskiert. Stattdessen rügt es die Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht und die einzelnen gesetzlichen Regeln für den Zugriff des Staates auf die gespeicherten Daten. Die müssen nun völlig neu und unter Beachtung der Karlsruher Einschränkungen formuliert werden. Im Video: Die aktuellen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung sind damit nichtig und die entsprechenden Daten umgehend zu löschen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/vorratsdatenspeicherung-schwerer-eingriff-in-die-rechte-der-buerger-1.8314
"""Schwerer Eingriff in die Rechte der Bürger"""
00/03/2010
Das Bundesverfassungsgericht hat die deutschen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung für grundgesetzwidrig und nichtig erklärt. Das warnende Urteil aus Karlsruhe ist gut, aber nicht ausreichend - den Richtern fehlt der ganz große Mut.
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Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherungs-Regeln des deutschen Telekommunikationsgesetzes für grundgesetzwidrig und nichtig erklärt. Die Speicherung der Daten ist aber weiterhin grundsätzlich und ausnahmsweise möglich. Die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung sind nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe begründete seine Entscheidung damit, dass die Datensammlung des Staates in der jetzigen Form gegen das Fernmeldegeheimnis verstoße. Damit wurde das entsprechende Gesetz außer Kraft gesetzt. Der Gesetzgeber muss ein neues Gesetz verabschieden und die vorhandenen Daten löschen lassen. (Az.: 1 BvR 256/08 u.a.) Die Karlsruher Richter erklären die Vorratsdatenspeicherung allerdings für zulässig, wenn eine Reihe enger Vorgaben zur Verwendung der Daten, zu ihrer Sicherheit bei der Speicherung sowie zur Transparenz bei ihrer Verwendung erfüllt werden. Nach Ansicht der Richter handelt es sich bei der Speicherung aller Telefon- und Internetverbindungsdaten für sechs Monate um einen "besonders schweren Eingriff in das Fernmeldegeheimnis", weil die Verbindungsdaten inhaltliche Rückschlüsse "bis in die Intimsphäre" ermöglichten und damit aussagekräftige Persönlichkeits- oder Bewegungsprofile gewonnen werden könnten. Weil zudem Missbrauch möglich ist und die Datenverwendung von den Bürgern nicht bemerkt werde, sei die Vorratsdatenspeicherung in ihrer bisherigen Form geeignet, "ein diffus bedrohliches Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen". Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wurde im Dezember 2007 verabschiedet. Es regelt, dass alle Telefonunternehmen ein halbes Jahr lang die Daten speichern müssen, wer wann von wo aus mit wem telefoniert hat. Auch SMS- oder E-Mail-Verkehrsdaten werden gespeichert. Der Inhalt der Gespräche oder Mails wird jedoch nicht erfasst. Bei Straftaten oder zur Gefahrenabwehr konnten Staatsanwaltschaften, Polizei oder Geheimdienste auf die Daten bei den Telefonunternehmen zurückgreifen. In einstweiligen Anordnungen hatten die Karlsruher Richter bereits 2008 das Abrufen der Daten durch staatliche Stellen erschwert. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache durften sie demnach nur noch bei schweren Straftaten wie Mord und Totschlag, aber auch Kinderpornografie, Urkundenfälschung oder Bestechung genutzt werden. Das illegale Herunterladen von Musik dagegen war seitdem kein Grund mehr für eine mögliche Nutzung der Daten. Gegen das Gesetz lag die Rekordzahl von fast 35.000 Klagen vor. Bei der Entscheidung vom Dienstag ging es aber nur um einige ausgewählte Verfassungsbeschwerden, darunter die der jetzigen Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Im Video: Die aktuellen Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung sind damit nichtig und die entsprechenden Daten umgehend zu löschen, entschied das Bundesverfassungsgericht. Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/urteil-zur-vorratsdatenspeicherung-karlsruhe-kippt-deutsche-regelung-1.14712
Urteil zur Vorratsdatenspeicherung - Karlsruhe kippt deutsche Regelung
00/03/2010
Das Bundesverfassungsgericht hat die Vorratsdatenspeicherungs-Regeln des deutschen Telekommunikationsgesetzes für grundgesetzwidrig und nichtig erklärt. Die Speicherung der Daten ist aber weiterhin grundsätzlich und ausnahmsweise möglich.
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Eine der wenigen Freuden eines Oppositionspolitikers besteht darin, sich jederzeit über die Regierung mokieren zu können, besonders dann, wenn es um diese schlecht bestellt ist. Die Feststellung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier, dass Schwarze und Gelbe seit 120 Tagen ein unvorstellbares politisches Spektakel abgegeben, ist deshalb verständlich. Mehr noch - diese Feststellung ist richtig. Unverständlich ist dagegen Steinmeiers indirekte Ermunterung an die Bundeskanzlerin und ihren Vize zum Bruch des christlich-liberalen Bündnisses. Denn es gibt zwei Dinge, welche die Sozialdemokraten stärker fürchten müssen als gut dreieinhalb weitere Jahre in der Opposition: Eine neue große Koalition und, schlimmer noch, Neuwahlen. Anders als mancher Christdemokrat phantasiert in diesen schwierigen Regierungszeiten kein Sozialdemokrat über eine neuerliche Zusammenarbeit mit CDU und CSU. Die Genossen wissen nur zu gut, dass die SPD in einer derartigen Koalition vollends erstickt und ihren Charakter als Volkspartei vielleicht für immer verlieren würde. Die SPD ist immer noch staatstragend, ansonsten hätte sie dem neuen Afghanistan-Mandat für die Bundeswehr nicht zugestimmt und würde nicht bei einer Grundgesetzänderung zugunsten der Job-Center mitwirken. Doch zum Wohl des Landes möchte sie sich trotzdem nicht entleiben - auch wenn selbst ein Teil der einstigen scharfen Kritiker der großen Koalition im Rückblick bescheinigt, dass sie eben jenem Wohl durchaus gedient hat. Eine vorgezogene Bundestagswahl würde ausweislich der Meinungsumfragen und aller internen Analysen die trübe Lage der SPD nicht verbessern. Vielleicht könnte sie ihre katastrophalen 23 Prozent vom vergangenen Herbst etwas übertreffen, vielleicht aber auch nicht. Dass sie über die für eine Volkspartei entscheidenden 30 Prozent der Wählerstimmen hinauskäme, gar den Kanzler stellen könnte, ist kaum zu erwarten. Die Enttäuschung von Millionen einstiger Wähler über die Reformpolitik der Ära Schröder sitzt zu tief. Das Vertrauen, das die Sozialdemokraten in elf Jahren Regierungsverantwortung verloren haben, können sie in wenigen Monaten nicht zurückgewinnen, selbst wenn Schwarze und Gelbe noch heftiger stritten. Baldige Neuwahlen würden nicht die Roten, wohl aber die Grünen stärken und dem Wunsch-Koalitionspartner der SPD womöglich neue Machtperspektiven im Bund geben. Auch das kann nicht das Interesse der SPD sein. Bevor die Sozialdemokraten überhaupt an Neuwahlen denken können, müssen sie sich selbst über ihren heute nur vage erkennbaren Kurs für die Zukunft klar werden. Und sie müssen abwarten, wie sich die Linkspartei unter deren neuer Führung entwickelt, ob sie als Koalitionspartner irgendwann einmal im Bund mitregieren kann und mag. Rot-Rot-Grün ist für die SPD auf mittlere Sicht die einzige Chance. Denn die Westerwelle-FDP fällt als Partner aus.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-gefaehrliche-versuchung-1.18029
SPD - Gefährliche Versuchung
00/03/2010
Die SPD sollte nicht auf einen Bruch der schwarz-gelben Koalition hoffen. Denn was die Sozialdemokraten vor allem fürchten müssen, sind Neuwahlen.
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CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ist konservativer Kritik am Kurs seiner Partei entgegengetreten. "Hinter dem Gerede vom Linksruck der CDU verbirgt sich bei manchem der Wunsch nach einer rechten Partei", sagte Gröhe der Saarbrücker Zeitung. "Das ist die CDU aber nie gewesen. Wir sind die Partei der Mitte, deren Politik vom christlichen Menschenbild geprägt ist." Konservative Intellektuelle hatten zuletzt für ihr "Manifest gegen den Linkstrend" in der Union nach eigenen Angaben Hunderte Unterstützer aus der Parteimitgliedschaft gefunden. Gröhe sagte, "das Gerede darüber, dass diese Parteiführung für einen Linkstrend stehe, ist geradezu absurd". Er verwies auf die Schuldenbremse oder die Einigung im Streit um die Vertriebenen-Stiftung als Beispiele klarer CDU-Politik. Der CDU-Generalsekretär verteidigte nachhaltig die Modernisierung seiner Partei etwa in der Familienpolitik. "Modernität und Grundsätze sind keine Gegensätze. Entscheidend ist, die Balance zwischen beiden zu finden." Gröhe ging zugleich auf Distanz zur FDP in der Hartz-IV-Debatte. "Die FDP hat sich in dieser Debatte für eine Zuspitzung im Ton entschieden." Das Kernproblem sei aber nicht "massenhafte Verweigerung der Annahme von Arbeit". Arbeitslosigkeit habe viele Ursachen - etwa kein Arbeitsangebot, kein Berufsabschluss, keine Kinderbetreuung. "So wie ich Steuerzahler nicht gleich die Hinterziehung unterstelle, unterstelle ich Hartz-IV-Empfängern auch nicht sofort Leistungsmissbrauch", sagte Gröhe. Warum es einen neuen Koalitionsstreit gibt, die Liveberichterstattung von Anschlägen in Afghanistan verboten werden soll und Bill Clinton zu mehr Hilfe für Haiti aufruft: Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.
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https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-groehe-gegen-rechte-cdu-1.21605
Gröhe gegen rechte CDU
00/03/2010
Generalsekretär Gröhe verteidigt die Modernisierung der CDU und wittert den Versuch einiger Parteimitglieder, die Union nach rechts zu steuern. Kurzmeldungen im Überblick.
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Ob Gaza-Krieg oder der mutmaßliche Mossad-Mord: Das Ansehen Israels hat kräftig gelitten. Jetzt sollen Israelis auf Reisen Werbung für ihr Land machen - mit Argumenten der Regierung. Neulich war Juli Edelstein, der in Israel dem "Ministerium für Aufklärung und Diasporafragen" vorsteht, auf einer Dienstreise in London. Großbritannien ist derzeit nicht das beste Pflaster für israelische Politiker, auf manche warten Horden von Demonstranten, auf manche wartet sogar ein Haftbefehl. Edelstein aber kam wohlbehalten zurück und berichtete hinterher von seinen Gesprächen mit britischen Parlamentariern. "Ich habe ihnen erklärt, dass ich manchmal in der Freizeit meine Frau ausführe - und dass wir dann nicht losziehen und Palästinenser bekämpfen." Wahrscheinlich hat ihm das auch niemand unterstellt, doch der Minister will mit dieser Zuspitzung zeigen, mit welchen negativen Stereotypen Israelis im Ausland empfangen werden. Tatsächlich hat das internationale Ansehen des Landes kräftig gelitten, erst war der Gaza-Krieg, nun gibt es die Affäre um den mutmaßlichen Mossad-Mord in Dubai. Da hält es die Regierung offenbar für angezeigt, nun mit einer Image-Kampagne gegenzusteuern, und Minister Edelstein hat das gleich mit einem Doppelschlag ins Werk gesetzt: Zunächst hat er die Schuldigen an all den bösen Urteilen über Israel identifiziert - das sind die internationalen Medien. Und dann hat er die Helfer benannt, die das ändern sollen - das sind alle Israelis, die auf Auslandsreise gehen. Künftig sollen sie in der Fremde allesamt gut geschult als "Botschafter" ihres Landes auftreten. Den Auftakt der Kampagne bilden satirische Fernsehspots, die zur besten Sendezeit den Israelis vorführen, wie tumbe ausländische Journalisten die Wahrheit verfälschen: Da läuft ein englischer Reporter durch die Wüste und berichtet seinen Landsleuten, dass das Kamel das Haupttransportmittel der Israelis sei und auch von der Kavallerie genutzt werde. Oder eine französische Korrespondentin schildert dem Publikum das Leben inmitten ständiger Explosionen, während im Hintergrund Bilder eines Feuerwerks laufen. Am Ende erklärt eine sonore Stimme: "Wenn du etwas dagegen tun willst, wie Israel in der Welt dargestellt wird, dann gehe auf die Webseite des Ministeriums für Aufklärung." Solchermaßen aufgeklärt findet man dann unter www.masbirim.gov.il eine hebräische Seite mit dem Motto: "Zusammen werden wir das Bild verändern." Breit aufgefächert gibt es hier Handreichungen dafür, wie die Israelis ihr Land im Ausland positiv präsentieren und wie sie den "Pfeilen der Kritik" begegnen sollen. Die Vorurteile können dabei offenbar gar nicht dämlich genug sein, als dass das Ministerium nicht eine Antwort darauf vorformuliert hätte. Unter der Rubrik "Mythos und Wirklichkeit" zum Beispiel ist nachzulesen, warum es falsch ist, dass die Israelis nur Falafel oder Hummus essen und alle Frauen mit Kopftüchern herumlaufen. Zugleich jedoch wird auf der Internetseite auch mit vermeintlichen politischen Mythen aufgeräumt. Warum die Siedler kein Hindernis für den Frieden sind, warum Israel keine Verpflichtung hat zum Rückzug auf die Grenzen von 1967, warum die Juden sowieso schon viel früher da waren als die Araber - all das wird ausführlich erklärt. Dies allerdings hat auch innerhalb Israels die Kritiker auf den Plan gerufen, weil diese Punkte allein die Ideologie der rechtsgerichteten Regierung widerspiegelten. Doch Minister Edelstein ficht das nicht an. Vielmehr ruft er diese Landsleute zur Ordnung. Sie sollten sich nicht auch noch an der "negativen Kampagne" gegen Israel beteiligen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/israel-image-kampagne-ein-volk-von-botschaftern-1.16986
Israel: Image-Kampagne - Ein Volk von Botschaftern
00/03/2010
Ob Gaza-Krieg oder der mutmaßliche Mossad-Mord: Das Ansehen Israels hat kräftig gelitten. Jetzt sollen Israelis auf Reisen Werbung für ihr Land machen - mit Argumenten der Regierung.
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Der seit Jahren schwelende Streit um das Recht auf Waffenbesitz in den USA geht in eine neue, vielleicht entscheidende Runde. Das Oberste Gericht in Washington verhandelt an diesem Dienstag über eine Klage gegen die Stadt Chicago, die den Verkauf von Waffen in der Millionenstadt untersagt. Bereits vor zwei Jahren hatte der Supreme Court ein entsprechendes Verbot in Washington aufgehoben. Doch war das Urteil auf die Hauptstadt beschränkt, die rechtlich gesehen Bundesterritorium ist. Sollte das Gericht nun ein ähnliches Verbot in Chicago kippen, würde es überall in den USA Gültigkeit haben. Städte wie Chicago oder Washington hatten in den vergangenen Jahren unter extrem hohen Mordraten zu leiden. Um den Zugang zu Handfeuerwaffen zu erschweren, haben viele Kommunen daher den Verkauf oder auch Besitz von Waffen extrem eingeschränkt und - ähnlich wie in Deutschland - streng reglementiert Waffenscheine ausgeteilt. Diese Beschränkungen wären kaum mehr zu halten, sollte der Supreme Court, wie allgemein erwartet, sein Washingtoner Urteil auf Chicago übertragen. Doch liegt die Sache ganz so einfach nicht. Tatsächlich versteckt sich hinter der Frage eine komplizierte verfassungsrechtliche Debatte, die vor allem die konservativen Richter am Obersten Gerichtshof in die Bredouille bringen könnte. Zum einen sind sie ohne Zweifel der Überzeugung, dass der berühmte zweite Zusatz zur US-Verfassung, das sogenannte Second Amendment, jedem Amerikaner das Recht auf Waffenbesitz zur Selbstverteidigung gewährt. Zum anderen aber vertreten sie seit jeher die Auffassung, dass man die Verfassung nur so auslegen dürfe, wie es die Verfassungsväter gemeint hatten. Und ganz ohne Zweifel hatten die den Zusatz schlicht auf das Tun der US-Bundesregierung gemünzt. Die darf keinem Amerikaner den Waffenbesitz untersagen. Ob das aber ein Bundesstaat darf oder gar eine Gemeinde, darüber sagt die ursprüngliche Verfassung nichts, wenn man sie an so strengen Maßstäben misst. Erst nach dem Bürgerkrieg wurde ein weiterer Zusatz aufgenommen, der es Bundesstaaten verbietet, die Freiheitsrechte der Bürger einzuschränken. Waffenfreunde sind der Meinung, dass dieser Zusatz auch auf das Recht auf Waffenbesitz zutrifft. Die Waffengegner argumentieren dagegen, dass es vielmehr im Sinne der Verfassungsväter wäre, die Entscheidung über Einschränkungen für den Waffenbesitz allein den Bundesstaaten und Kommunen zu überlassen. Waffengegner schwer enttäuscht von Obama In den vergangenen Wochen haben Waffenfreunde im ganzen Land eine Kampagne gestartet, um für das Grundrecht auf Waffenbesitz zu werben. In allen Bundesstaaten, die so etwas gesetzlich erlauben, besuchten sie provokativ mit Pistolen am Gürtel Restaurants und Schnellimbisse. Besonderer Zielpunkt der Aktion waren Ketten wie Starbucks, deren Publikum als politisch eher links eingestellt gilt. Starbucks indes hat sich der Kontroverse entzogen und erklärt, dass die Filialen den Regelungen der einzelnen Bundesstaaten Folge leisten würden. Andere Ketten wie California Pizza Kitchen untersagten Waffenträgern den Zutritt zu ihren Restaurants. Politisch hatte die Debatte über Beschränkungen für den Waffenbesitz mit der Amtsübernahme von Präsident Barack Obama noch einmal an Schärfe zugelegt. Vor allem die rechte Waffenlobby hatte eine Angstkampagne gestartet, die suggerierte, dass die neue Regierung den Waffenbesitz drastisch einschränken wolle. Daraufhin schnellten die Prüfanfragen beim FBI erkennbar in die Höhe. Diese Anfragen sind bei den meisten Waffenkäufen in den USA vorgeschrieben, aber im Prinzip bundesweit die einzige Einschränkung. Dabei werden die Waffenkäufer auf einen etwaigen kriminellen Hintergrund überprüft. 2009 gingen beim FBI 14 Millionen solcher Anfragen ein, im Jahr zuvor waren es 12,7 Millionen. Zudem wurden in einem halben Dutzend republikanisch dominierter Bundesstaaten weitere Restriktionen für den Waffenbesitz in den vergangenen Monaten aufgehoben. Waffengegner und die politische Linke sind indes schwer enttäuscht von Obama. So hat der Präsident bisher keinerlei Anstalten gemacht, ein Wahlkampfversprechen zu erfüllen und die weitgehend unkontrollierten Verkäufe auf den weit verbreiteten Waffenmessen zu reglementieren. Zum Kummer der Waffengegner unterzeichnete er vielmehr Gesetze, die das Tragen von Schusswaffen in Nationalparks und den Transport von Waffen im Reisegepäck bei Zugfahren erlauben.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/waffenbesitz-in-den-usa-mit-pistolen-am-guertel-ins-restaurant-1.8214
Waffenbesitz in den USA - Mit Pistolen am Gürtel ins Restaurant
00/03/2010
Entscheidende Schlacht: Der Streit um das Recht auf Waffenbesitz wird vor dem Obersten Gericht in Washington verhandelt. Waffenfreunde demonstrieren auf ihre Art.
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Im größten Massenklageverfahren seiner Geschichte wird das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung mit Spannung erwartet - aller Voraussicht nach werden die 35.000 Kläger zumindest teilweise Erfolg haben. Im größten Massenklageverfahren seiner Geschichte verkündet das Bundesverfassungsgericht an diesem Dienstag sein Urteil. Der Erste Senat entscheidet, ob die Speicherung der Telefon- und Handyverbindungsdaten aller Bürger für sechs Monate ohne jeden Verdacht mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Aller Voraussicht nach werden die 35.000 Kläger zumindest teilweise Erfolg haben. Es wird erwartet, dass die Richter die Nutzung der Daten allenfalls in engen Grenzen erlauben. Das Gericht hat bereits im Jahr 2008 in zwei einstweiligen Anordnungen die Verpflichtung der Telekommunikationsdienstleister zur Speicherung zwar gebilligt, für den Abruf der Daten aber strenge Beschränkungen angeordnet. Die Verbindungsdaten dürfen deshalb vorerst nur zur Verfolgung schwerer Straftaten oder zur Abwehr dringender Gefahren für Leib und Leben genutzt werden; für Nachrichtendienste gelten ebenfalls enge Vorgaben. Weil auch in der Anhörung vergangenen Dezember - über etwa 60 Fälle wurde in Karlsruhe exemplarisch verhandelt - einige Verfassungsrichter ihre Skepsis deutlich zeigten, wird erwartet, dass sich die Grundtendenz der Eilbeschlüsse auch im Urteil widerspiegelt. Damit würde ein zentrales Instrument zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus eingeschränkt. Zwar sind von der Datensammlung, mit der eine EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umgesetzt worden war, nur die Telekommunikationsverbindungsdaten, nicht aber die Inhalte von Gesprächen oder Mails betroffen. Aus Sicht von Experten lassen sich aber aus den Informationen - wer hat wann und wo mit wem wie lange telefoniert oder Mails ausgetauscht - private Beziehungen oder auch die Bildung sozialer und politischer Gruppierungen ablesen, und zwar effizienter als aus abgehörten Gesprächen. Handys als Ortungswanzen "Verbindungsdaten können aussagekräftiger als Inhaltsdaten sein, nicht zuletzt deshalb, weil sie automatisiert analysierbar sind", heißt es in einer Stellungnahme des Chaos Computer Clubs (CCC), dessen Sprecherin Constanze Kurz als Sachverständige in der Anhörung aufgetreten war. Zudem könnten die 110 Millionen Handys in Deutschland bald bis auf wenige Meter genau geortet werden und würden damit - weil auch ihre Standortdaten gespeichert werden - automatisch zu Ortungswanzen. Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier, der am Dienstag zum letzten Mal vor seinem Ausscheiden ein Urteil verkünden wird, fragte zudem, wie sicher die Daten bei den privaten Providern seien. Laut CCC lassen sich große Datenmengen leicht schmuggeln: Die Verbindungsdaten sämtlicher Festnetzteilnehmer in Deutschland über mehrere Tage hinweg passten auf eine Speicherkarte von der Größe eines Fingernagels. Konflikt um Kompetenzen Weil die Speicherpflicht im Grundsatz EU-rechtlich vorgegeben ist - mit Fristen von sechs Monaten bis zwei Jahren -, würden die Richter einen Konflikt um ihre Kompetenzen heraufbeschwören, wenn sie das Gesetz komplett für grundgesetzwidrig erklärten. Allerdings könnte ihr Urteil die Meinungsbildung in Brüssel beeinflussen: Viviane Reding, Vizepräsidentin der EU-Kommission, will laut Spiegel bis Jahresende die EU-Richtlinie überprüfen, denn "die Vorratsdatenspeicherung kann jedermanns Grundrecht auf Privatsphäre einschränken". Auch für weitere Erfassungspläne könnte die Entscheidung relevant sein - etwa für die derzeit diskutierte Speicherung von Fluggastdaten, wie eine Vertreterin von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im Dezember angemerkt hatte.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/grundsatzurteil-erwartet-karlsruhe-regelt-schutz-von-telefondaten-1.18220
Grundsatzurteil erwartet - Karlsruhe regelt Schutz von Telefondaten
00/03/2010
Im größten Massenklageverfahren seiner Geschichte wird das Urteil zur Vorratsdatenspeicherung mit Spannung erwartet - aller Voraussicht nach werden die 35.000 Kläger zumindest teilweise Erfolg haben.
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Unions-Fraktionschef Kauder lehnt es kategorisch ab, Ministerpräsidenten gegen Geld zu vermarkten. Sein sächsischer Parteifreund Tillich versteht die Aufregung nicht. Unions-Fraktionschef Volker Kauder hat sich jetzt in die Sponsoring-Affäre seiner Partei eingeschaltet. Er äußerte Unverständnis darüber, dass sich Ministerpräsidenten im Rahmen von Partei-Sponsoring für Gespräche bezahlen lassen. "Ein Ministerpräsident darf nicht gegen Geld vermarktet werden. Punkt", sagte er dem Reutlinger General-Anzeiger. Damit reagierte der CDU-Politiker auf die umstrittenen Zahlungen für Gesprächstermine, wie sie jetzt bei den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Sachsen, Jürgen Rüttgers und Stanislaw Tillich (beide CDU), bekannt wurden. Tillich wies am Montag alle Vorwürfe wegen der Sponsoring-Praxis seiner Partei zurück. Er betonte bei der "Denkfabrik Sachsen" am Abend: "Sponsoring hin oder her - der sächsische Ministerpräsident ist nicht käuflich." Am Wochenende war bekanntgeworden, dass für die Veranstaltung Unterstützer zu einem Preis von bis zu 8000 Euro Standflächen erwerben konnten - inklusive eines Fototermins, einer Erwähnung in der Begrüßungsrede sowie eines kurzen Gesprächs mit dem Partei- und Regierungschef. Tillich sagte, das Konzept der Veranstaltung sei von Fachleuten geprüft worden, zudem habe man ihm versichert, dass es dem geltenden Parteienrecht entspreche. Trotzdem werde die CDU dazu ein Gutachten einholen und dieses auch veröffentlichen, kündigte der Ministerpräsident an. Lammert will Parteiengesetz prüfen Bundestagspräsident Norbert Lammert bekräftigte seine Forderung nach einer gründlichen Prüfung des Parteiengesetzes. "Wir haben im geltenden Parteiengesetz keine ausdrücklichen spezifischen Regelungen für Sponsoring und auch damit hat sich ja der Gesetzgeber etwas gedacht", sagte der CDU-Politiker in der Passauer Neuen Presse. "Aber ich persönlich bin jedenfalls fest davon überzeugt, er hat sich nicht damit gedacht, dass die Transparenzanforderungen, die im Gesetz ausdrücklich reklamiert werden, über Sponsoring- Aktivitäten leerlaufen können", sagte Lammert. Der Verkauf von Gesprächen mit Parteivorsitzenden verstößt nach Auffassung des Parteienforschers Hans Herbert von Arnim gegen das Verbot von Zweckspenden im Parteienrecht. Spenden dürften nicht "in erkennbarer Erwartung eines Vorteils für den Geldgeber gezahlt werden", sagte er der Passauer Neuen Presse . Wenn Termine mit einem Ministerpräsidenten angeboten und verkauft würden, könne das "sogar gegen das Verbot von Vorteilsnahme im Strafgesetzbuch verstoßen". Zwar lehnte der Wissenschaftler ein komplettes Verbot von Sponsoring-Maßnahmen der Parteien als übertrieben ab. Doch forderte er, die entsprechende Lücke im Parteiengesetz zu schließen. Im Video: Die sächsische CDU hat Kritik an ihrer Sponsoring-Praxis entschieden zurückgewiesen. Weitere Videos finden Sie hier
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/sponsoring-affaere-in-der-cdu-kauder-bebt-tillich-gibt-sich-gelassen-1.16501
Sponsoring-Affäre in der CDU - Kauder bebt, Tillich gibt sich gelassen
00/03/2010
Unions-Fraktionschef Kauder lehnt es kategorisch ab, Ministerpräsidenten gegen Geld zu vermarkten. Sein sächsischer Parteifreund Tillich versteht die Aufregung nicht.
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Der Bund will das mögliche Atommüll-Endlager Gorleben weiter erkunden - die Öffentlichkeit soll aber nicht mitreden dürfen. Zumindest auf dem Papier sollten für das geplante deutsche Atommüll-Endlager in Gorleben ganz neue Zeiten anbrechen. Zwar hält die Bundesregierung an dem Salzstock im Wendland fest und will nach zehn Jahren Pause möglichst bald die Arbeiten wieder aufnehmen. Sie will aber die Betroffenen künftig stärker einbeziehen als bisher - so jedenfalls steht es im Koalitionsvertrag: "Der gesamte Prozess wird öffentlich und transparent gestaltet", versprachen sich Union und FDP im Oktober 2009. Im März 2010 sieht die Sache schon anders aus. Da arbeitet der Bund - über das Bundesamt für Strahlenschutz und die Endlagerfirma DBE - fieberhaft an der künftigen rechtlichen Grundlage für das "Erkundungsbergwerk". Denn der geltende Rechtsrahmen, der sogenannte Rahmenbetriebsplan, läuft Ende September aus. Bis Ende März müsste nach Lage der Dinge ein neuer Antrag her, zu bewilligen binnen sechs Monaten durch die Bergbehörden. Ohne Betriebsplan keine Erkundung, so will es das Gesetz. Und ohne Erkundung kein Endlager. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hat sich das Bundesumweltministerium für das weitere Prozedere schon festgelegt. Es will keinen neuen Rahmenbetriebsplan vorlegen, sondern den alten schlicht verlängern - er stammt aus dem September 1983. Aus Sicht des Bundes hat der 27 Jahre alte Plan einen entscheidenden Vorteil: Er entspricht dem alten Bergrecht. Es wurde 1990 geändert, und erst seitdem sieht es für bestimmte Projekte vor, was in Deutschland für jedes andere Infrastrukturprojekt üblich ist: die Beteiligung der Öffentlichkeit. Wird der alte Plan fortgesetzt, so läuft der Ausbau in Gorleben wie schon bisher großteils unter Ausschluss der Öffentlichkeit weiter. Rechtlich ist dagegen nicht viel einzuwenden, allerdings ist eine solche Dauerverlängerung eines Rahmenbetriebsplans bisher auch ohne Beispiel. "So einen Fall hat es noch nie gegeben", sagt der Hamburger Gorleben-Anwalt Nikolaus Piontek. "Der rechtliche Rahmen von damals stimmt einfach nicht mehr." Zu einem ähnlichen Ergebnis war auch ein Gutachten aus dem vorigen September im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz gekommen. So habe sich das Projekt Gorleben seit 1983 in zentralen Punkten geändert, heißt es darin. Sicherheitsanforderungen seien verschärft worden, Menge und Art der Abfälle haben sich geändert, ebenso die Zeitpläne. Der Streit vor Gericht könnte Jahre dauern "Durch die weitgehenden Änderungen des Vorhabens ist die Aufsichts- und Steuerungsfunktion des Rahmenbetriebsplans 1983 aufgebraucht", urteilte das Gutachten. Letzterer "kann daher keine Rechtsgrundlage für eine weitere bergrechtliche Erkundung des Endlagerstandortes Gorleben sein". Das Bundesumweltministerium sieht das anders. Schließlich würden bei den untertägigen Arbeiten im Salzstock nicht die Rechte Dritter berührt - anders als bei oberirdischen Projekten. Und werde Gorleben tatsächlich dereinst Endlager, dann sei auch die Bürgerbeteiligung fällig. Für Transparenz solle in der Zwischenzeit eine internationale Expertengruppe sorgen, welche die weiteren Schritte beäugt. Das Strahlenschutz-Amt wiederum verweist darauf, die Verlängerung sei nur eine Übergangslösung. Was danach kommen soll, sei unklar. Die Gorleben-Gegner sind längst auf den Barrikaden. "Es kann nicht sein, dass die Öffentlichkeit erst dann beteiligt wird, wenn das Ding schon steht", sagt Wolfgang Ehmke, Kopf der Anti-Endlager-Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. "Aber das beweist, dass der Bund die öffentliche Auseinandersetzung mit Gorleben scheut." Schon prüfen die Gegner des Endlagers rechtliche Schritte; ein erstes Ergebnis wollen sie bald präsentieren. Doch der Streit vor Gericht, so schwant auch ihnen, könnte Jahre dauern. Aber was macht das schon, bei diesen Zeiträumen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/atommuell-endlager-geheimsache-gorleben-1.10442
Atommüll-Endlager - Geheimsache Gorleben
00/03/2010
Der Bund will das mögliche Atommüll-Endlager Gorleben weiter erkunden - die Öffentlichkeit soll aber nicht mitreden dürfen.
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Die Welt war ratlos, als zu Beginn der neunziger Jahre der Krieg auf dem Balkan ausbrach. Der Westen ignorierte lange Zeit die Massaker, man wollte sich in diesen "Bruderkrieg" nicht einmischen. Die bemerkenswerte Parole lautete damals: Alle sind schuld, alle sind Opfer. Erst im Mai 1993, als angesichts der Kriegsverbrechen in Bosnien der Druck der Öffentlichkeit auf die Politiker im Westen zu groß wurde, beschlossen die Vereinten Nationen die Gründung eines Tribunals zur Ahndung von Kriegsverbrechen auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien. Seither hat das Gericht 161 Personen angeklagt, 121 Verfahren sind abgeschlossen, 61 Angeklagte wurden verurteilt. Ziel des UN-Tribunals war nicht nur, die individuelle Schuld an Gräueltaten nachzuweisen, sondern auch zur Versöhnung zwischen den Balkanvölkern beizutragen und künftigen Verbrechen vorzubeugen. Das ist nach Meinung des serbischen Journalisten Dejan Anastasijevic nicht gelungen. "Einige der schlimmsten Verbrechen, einschließlich des Genozids in Srebrenica, der Vertreibung der Serben aus Kroatien und der Gräueltaten im Kosovo, geschahen, nachdem das Tribunal seine Arbeit aufnahm", sagte Anastasijevic Mitte Februar auf einer Balkan-Konferenz, die von der Indiana University organisiert wurde. Die Versöhnung lasse sich nicht von außen diktieren, nötig seien Geduld und Engagement der gesamten Gesellschaft. Doch die Gesellschaften auf dem Balkan seien nicht reif für diesen Prozess, meint Anastasijevic, der als einer der besten Kenner der jugoslawischen Zerfallskriege gilt und im Prozess gegen den Serbenführer Slobodan Milosevic ausgesagt hat. Es überrascht deshalb nicht, dass die Fortsetzung des Prozesses gegen Radovan Karadzic auf dem Balkan fast keine Reaktionen ausgelöst hat. Die Opfer seiner mörderischen Politik in Bosnien kritisieren vor allem die Tatsache, dass es der UN-Justiz nicht gelungen ist, die Hauptverantwortlichen für die Schwerverbrechen auf dem Balkan zu verurteilen. Milosevic starb während des Verfahrens in seiner Haager Zelle, nachdem er jahrelang die Richter an der Nase herumgeführt hatte. Der Prozess gegen Karadzic beginnt erst jetzt - fast zwei Jahrzehnte nach dem Zerfall Jugoslawiens. Der kroatische Journalist Boris Dezulovic, der in Belgrad lebt, warnte kürzlich die Richter in Den Haag vor Karadzic: Er werde sie narren wie einst die ganze internationale Gemeinschaft. Und eines Tages werde der mutmaßliche Massenmörder den Vorsitzenden Richter fragen: "Sagen Sie mal: Wann haben Sie sich zum ersten Mal wie ein Esel gefühlt?" Das Image des Tribunals ist besonders in Bosnien schlecht, weil Ratko Mladic, Befehlshaber der bosnisch-serbischen Truppen, noch auf freiem Fuß ist, vermutlich in Serbien. Dort findet erst jetzt die Debatte statt, ob das Parlament den Völkermord in Srebrenica verurteilen soll. In den meisten Belgrader Medien wird der Massenmord an den Muslimen als "Ereignis" bezeichnet - obwohl der Internationale Gerichtshof in Den Haag das Blutbad der serbischen Truppen als Genozid eingestuft hat.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/karadzic-vor-un-tribunal-schuld-und-schweigen-1.3417
Karadzic vor UN-Tribunal - Schuld und Schweigen
00/03/2010
161 Personen angeklagt, 61 verurteilt und jetzt endlich Karadzic auf der Anklagebank, doch die Kriegsverbrecher-Prozesse der UN helfen dem Balkan nicht.
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Bislang war klar: Tory-Chef David Cameron gewinnt die nächste Wahl - locker. Doch drei Monate vor der Abstimmung ist der uneinholbar wirkende Vorsprung dahingeschmolzen. Hohe Arbeitslosigkeit, immense Schulden, ein Premier, dessen Beliebtheitswerte stets auf den unteren Rängen der Skala dümpeln - unter diesen Bedingungen sollte es für einen halbwegs charismatischen Oppositionsführer ein Leichtes sein, die nächste Parlamentswahl für sich zu entscheiden. Zumal, wenn der Oppositionsführer David Cameron und der amtierende Premier Gordon Brown heißen: hier Cameron, politischer Senkrechtstarter und bei seiner Wahl zum Parteichef der Tories mit 39 Jahren als boy wonder umjubelt, rhetorisch begabt, geschickt darin, sich als frecher und unkonventioneller Mutmacher zu stilisieren. Auf der anderen Seite Pfarrerssohn Brown, hochintelligent, aber als Prinzipienreiter und Choleriker bekannt. Spätestens seit Großbritanniens Einsatz im Irakkrieg kämpft er einen aussichtlosen Kampf gegen seine Unpopularität. Doch gut drei Monate vor den Wahlen in Großbritannien ist der bequeme Vorsprung der Tories dahingeschmolzen: In einer Umfrage der Sunday Times sprachen sich nur noch 37 Prozent der Briten für die Konservativen aus, der oft so glücklos agierende Brown kam mit Labour auf 35 Prozent. Shocking! Zwei Prozentpunkte Abstand - im Dezember 2009 waren es noch fast 20 Punkte, der Vorsprung schien uneinholbar. Daran schien sich auch nicht viel zu ändern, als der ansonsten eher emotionslos und berechnend wirkende Brown Mitte Februar in einer Talkshow in Tränen ausbrach, als er vom Tod seiner zu früh geborenen Tochter kurz nach der Geburt im Jahr 2002 erzählte. Viele Briten stimmte es sogar skeptisch, dass der Regierungschef, der ansonsten penibel darauf achtet, sein Privatleben und seine beiden anderen Kinder vor der Öffentlichkeit zu schützen, nun große Gefühle zeigte. Kritiker ätzten, Brown verrate seine Prinzipien und kämpfe offenbar mit alle Mitteln gegen seine schlechten Umfragewerte. Brown könnte im Amt bleiben Doch jetzt scheint es plötzlich im Bereich des Möglichen zu liegen, dass Brown nach der Wahl eine Minderheitsregierung stellen, dass der 59-Jährige im Amt bleiben könnte. Die miserablen Umfragewerte haben die Tories am Wochenende im südenglischen Brighton aufgeschreckt. Dort traf sich die Partei ein letztes Mal vor den Wahlen, die vermutlich am 6. Mai stattfinden. Entsprechend räumte der 43-jährige Cameron ein, dass er nunmehr mit einem knappen Wahlausgang rechne, dass es einen "echten Kampf" mit Brown um das Regierungsamt geben werde. Doch die Art und Weise, wie er seine Anhänger auf diesen Wahlkampf einschwören wollte, begeisterte nicht alle Tories. So verwunderte er die eigene Partei damit, noch vor den Wahlen Details zu einer anvisierten Steuerentlastung von Verheirateten zu verraten. Bisher hatten es die Konservativen vermieden, Genaueres zu dieser kostspieligen und in der britischen Bevölkerung umstrittenen Idee zu sagen. "Unsere patriotische Pflicht, das Blatt zu wenden" Dass der frei redende Cameron auf dem Parteitag nun, scheinbar spontan und impulsiv, ankündigte, bald mehr zu verkünden, habe besonders ältere Parteivertreter und sogar Mitglieder seines Schattenkabinetts vor den Kopf gestoßen, berichteten Times und Guardian. Ansonsten hatte Cameron seinen Leuten offenbar nicht viel zu bieten, denn er zog es vor, über Brown und Labour herzuziehen: Weitere fünf Jahre unter Labour wären ein "Desaster" für das Land, Brown ziehe Großbritannien in einem "gefährlichen Todestanz" in die Tiefe. Großbritannien stecke in einem "Schlamassel", und es sei "unsere patriotische Pflicht, das Blatt zu wenden und dem Land eine bessere Zukunft zu geben". Cameron, der sich selbst gern als Mann für Wandel und Neuanfang vermarktet, nannte Brown inkompetent, mit seiner Schuldenpolitik habe er eines der besten Pensionssysteme der Welt ruiniert. Das werde sich bei den anstehenden Wahlen rächen. Cameron versprach zwar, er wolle das Bildungssystem und den Sozialstaat reformieren sowie den Staatsapparat abspecken. Doch im Gegensatz zu seiner Kritik an Brown blieben seine Ausführungen zu seinen politischen Ideen recht vage. Der Termin für die Parlamentswahlen steht derweil noch nicht genau fest. Als wahrscheinlicher Wahltag gilt der 6. Mai, da vier Tage später die Amtsperiode des Parlaments abläuft. Dann wird sich zeigen, ob Cameron mit seinen Tories den Vorsprung ins Ziel retten kann.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/wahlkampf-in-grossbritannien-cameron-spuert-browns-kalten-atem-1.15572
Wahlkampf in Großbritannien - Cameron spürt Browns kalten Atem
00/03/2010
Bislang war klar: Tory-Chef David Cameron gewinnt die nächste Wahl - locker. Doch drei Monate vor der Abstimmung ist der uneinholbar wirkende Vorsprung dahingeschmolzen.
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Das Massaker von Srebrenica, die Belagerung Sarajewos - vor dem Haager Tribunal weist Radovan Karadzic die ihm zur Last gelegten Verbrechen im Bosnienkrieg zurück. Sieht so ein Massenmörder aus? Ein fast schlohweißer Haarschopf, buschige Brauen, ein scharfkantiges Gesicht, stets wache Augen. Maßanzug mit Schlips und Kragen. Dazu ein souveränes Auftreten. Als Radovan Karadzic vor dem UN-Tribunal für das ehemalige Jugoslawien zu einer stundenlangen Verteidigungsrede ausholt, wirkt er nicht wie ein Angeklagter. Eher wie ein Geschichtsprofessor, der die Welt über ein paar bedauerliche, allerdings bislang von vielen, unter ihnen die Staatsanwälte, falsch beurteilte Entwicklungen auf dem Balkan aufklärt. "Alles, was wir Serben getan haben, war, uns zu verteidigen", hält er dem Gericht mit fester Stimme auf serbokroatisch entgegen. "Unsere Sache ist gerecht und heilig." Manchmal spricht er so schnell, dass die Simultandolmetscher zu Höchstleistungen auflaufen müssen. Karadzic beherrscht die englische Sprache bestens, aber er besteht auf Übersetzung. Das Gericht soll die Sprache seiner stolzen Nation hören, der Serben, die "in Bosnien jahrhundertelang unterdrückt wurden". Und daheim, wo seine Worte natürlich im Original zu hören sind, soll klarwerden: Hier steht einer von uns vor Gericht. Das Tribunal - ein Mittel zur Disziplinierung? Einer, der nichts weiter getan hat, als sein Volk gegen eine Verschwörung bosnischer Muslime und Kroaten mit der Nato zu beschützen, die einzig und allein Machtinteressen des Westens verfolgt habe. Ein serbischer Held. Zehntausende Seiten an Beweismaterial haben amerikanische Ankläger Alan Tieger und die deutsche Staatsanwältin Hildegard Uertz-Retzlaff mit ihrem Team gegen ihn zusammengetragen haben - laut Karadzic nichts weiter als "Fabrikation". Er wirft der Staatsanwaltschaft vor, sie wolle "dieses Tribunal zu einem Disziplinierungsinstrument der Nato" für ihn machen. Karadzic muss sich in elf Anklagepunkten wegen Kriegsverbrechen, Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnienkrieges von 1992 bis 1995 verantworten. Zu den Gräueltaten, die ihm zur Last gelegt werden, zählt das Massaker von Srebrenica, bei dem im Juli 1995 etwa 8000 muslimische Männer und Jungen ermordet wurden. Zudem soll Karadzic auch die monatelange mörderische Belagerung der einstigen Olympiastadt Sarajewo angeordnet haben. Er soll die Ermordung von Kindern, Frauen und Männern in Sarajevo durch Heckenschützen von den umliegenden Bergen aus gebilligt haben. Doch was immer man Radovan Karadzic vorhält, in seiner Argumentationskette wurden Serben stets durch andere und stets im Selbstschutz zu Gewalttaten gezwungen. Das und auch die Schuld der Nato, die indirekte Mitschuld von Ländern wie Deutschland, die voreilig ehemalige Teilrepubliken Jugoslawiens diplomatisch anerkannt und damit die Spannungen nur noch geschürt hätten, werde er "lückenlos beweisen", kündigte er an. Rundumschlag gegen Feinde der Serben Kann er das? Fest steht vorerst nur: Der Prozess wird sich viele Monate hinziehen. Und es werden Sachverhalte zur Sprache kommen, die auch für die Nato möglicherweise peinlich oder zumindest nicht ganz einfach zu erklären sein dürften. Ob der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon aus Südkorea am Ende zu dem Schluss kommt, die Anklage habe hinreichend bewiesen, dass Karadzic wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt werden muss, schien zumindest an diesem Montag im Saal 1 des Jugoslawien-Tribunals offen. Auch die Beweisführung der Staatsanwaltschaft, wenngleich eher an konkreten persönlichen Schuldvorwürfen als an großen historischen Zusammenhängen orientiert, macht nicht immer den Eindruck vollkommen schlüssig zu sein. Karadzic hingegen redet sich gelegentlich in Argumentationen hinein, die die das Gericht kaum als Stärkung seiner Glaubwürdigkeit bewerten dürfte. Sein Rundumschlag gegen die Feinde der Serben lässt fast niemanden aus. Die Aussagen internationaler humanitärer Helfer? Das waren doch alles Agenten. Die hätten Waffen und Kämpfer für Serbiens Feinde geschmuggelt. Bilder und Videos von Opfern serbischer Gräueltaten? Alles manipuliert, alles gelogen durch gekaufte Journalisten. Zu Skeletten abgemagerte gefangene Bosnier? Das seien Menschen gewesen, die "halt von Stacheldraht umgeben, ansonsten aber frei waren". Und überhaupt: "Meine Version ist viel glaubwürdiger als die der Staatsanwaltschaft!" Vollkommen sicher erscheint am Ende nur dies: Egal, was Karadzic sagt, er bereut nichts. Im Video: In Den Haag wird nach viermonatiger Pause der Prozess gegen den bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic fortgesetzt. Weitere Videos finden Sie hier
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https://www.sueddeutsche.de/politik/karadzic-vor-un-tribunal-unsere-sache-ist-gerecht-und-heilig-1.15380
"Karadzic vor UN-Tribunal - ""Unsere Sache ist gerecht und heilig"""
00/03/2010
Das Massaker von Srebrenica, die Belagerung Sarajewos - vor dem Haager Tribunal weist Radovan Karadzic die ihm zur Last gelegten Verbrechen im Bosnienkrieg zurück.
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Der Bundestagsabgeordnete Jakob Maria Mierscheid wird 77 Jahre alt - im Internet wettert er gegen Westerwelle, doch die Party für das Phantom fällt aus. Die Autorin Michelle Müntefering ist aktive SPD-Politikerin und mit dem ehemaligen Parteivorsitzenden Franz Müntefering verheiratet. Sie hat im Februar ein Praktikum bei der Süddeutschen Zeitung gemacht. Der dienstälteste Abgeordnete der SPD, Jakob Maria Mierscheid, wird an diesem Montag 77 Jahre alt. Eine Geburtstagsparty wird es allerdings nicht geben. Es wäre auch eine Sensation, würde der extrem kamerascheue Politiker erstmals auf einem Fest erscheinen. Denn das "Phantom des Bundestags", wie Mierscheid genannt wird, hat sich in der Politik zwar durchaus verdient gemacht, aber tatsächlich gesehen hat den Mann bisher noch niemand. Einsatz für die geringelten Haubentaube Eine ganze "Ochsentour-Parteikarriere" hat Jakob Mierscheid hinter sich. Zusammen mit Staatsmännern wie Herbert Wehner oder Helmut Kohl saß er im Bundestag, aber nie hat er es in die erste Reihe geschafft. Obwohl er Qualitäten mitbrachte, die so manchem erfolgreichen Politiker den Weg bereiteten: Er ist in der Gewerkschaft, im Sängerbund und im Seniorenvorstand, interessiert sich für "allgemeine Sozialfragen" und widmete sich der "Aufzucht und Pflege der geringelten Haubentaube in Mitteleuropa und anderswo" ebenso hingebungsvoll wie der "Untersuchung des Nord-Süd-Gefälles im Bundesgebiet". "Ich habe 1980 das erste Mal von ihm gehört und war ziemlich verblüfft, als mich Kollegen aufgeklärt haben, dass das ein Phantom-Abgeordneter ist", sagt Ex-Verteidigungsminister Peter Struck. "Phantom" heißt unwirkliche Erscheinung, Einbildung oder Geist. Insofern hat Jakob Mierscheid gewisse Ähnlichkeit mit der Steinlaus, jenem Fabelwesen, das Loriot 1983 erfand. Ein fiktives Nagetier, das sich von Steinen ernährt und vom Aussterben bedroht ist. Die Steinlaus wurde zum Inbegriff des wissenschaftlichen Witzes. Sie schaffte es bis in das höchste medizinische Nachschlagewerk, den Pschyrembel. Mierscheid schaffte es immerhin auf die Internetseite des deutschen Bundestages. Hier ist auch das einzige Foto zu sehen, das von ihm geschossen wurde. Das Bild zeigt ihn in der letzten Reihe des Bundestages, von hinten. Sonst weist auf der Bundestagsseite nichts weiter darauf hin, dass sich dieser Abgeordnete von seinen Kollegen unterscheidet. Posthume Ehre für Carlo Schmid Auf anderen Seiten im Internet kursiert eine weitere vergilbte Fotografie, ein angebliches Jugendfoto Mierscheids mit hochgezwirbeltem Schnauzbart und nachträglich aufgemalter Nickelbrille. Doch die Wirklichkeit sieht so aus: Am 11. Dezember 1979 stirbt der ehemalige SPD-Abgeordnete und Staatsrechtler Carlo Schmid. Zwei Bundestagskollegen, Peter Würtz und Karl Haehser, sitzen im Restaurant des Bonner Bundeshauses. Sie betrauern den Verlust des Freundes und schaffen ihm zu Ehren einen Nachfolger. Auf der Rückseite einer Speisekarte zeichnen sie das Bild: Mierscheid ist geboren. Er ist 44 Jahre alt, ein Schneider aus dem Hunsrück. Dietrich Sperling, damals Staatssekretär im Bundes-Bauministerium leiht ihm fortan nicht nur sein Geburtsdatum, sondern übernimmt auch seinen Schriftverkehr. Später verantwortet der technische Leiter der SPD-Bundestagsfraktion, Friedhelm Wollner, die Pflege des Phantoms. Bis heute ist Wollner der Kopf hinter Mierscheid, dessen Lebensaufgabe es ist, die Abgeordneten von Zeit zu Zeit an das wahre Leben zu erinnern, was durchaus auch mal lustig sein darf. 1988 wird Mierscheids Vorschlag im Bundestag bekannt, das Hinterbänkler-Dasein abzuschaffen. Alle Stühle des Bundestags sollten einfach in die erste Reihe gestellt werden, schlug er vor. Damit seien fortan alle gleichberechtigt. Briefwechsel mit Staatssekretär Kinkel Außerdem sollten die Debatten wiederbelebt werden, indem die Abgeordneten es bei dem Satz belassen: "Ich komme zum Schluss" - und den Rest ihrer Reden einfach zu Protokoll geben. Der damalige FDP-Staatssekretär Klaus Kinkel lässt sich gar auf einen längeren Briefwechsel mit Mierscheid ein, als dieser fordert, "alle rechtlichen Aspekte des Nord-Süd-Gefälles" müssten untersucht werden. Kinkel erwägt in seiner schriftlichen Stellungnahme, die Grünen um "fraktionsübergreifende Amtshilfe zu bitten - und für die Untersuchungsexkursion Fahrräder zur Verfügung zu stellen".
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-phantom-politiker-mierscheid-eine-zweifelhafte-existenz-1.3983
SPD: Phantom-Politiker Mierscheid - Eine zweifelhafte Existenz
00/03/2010
Der Bundestagsabgeordnete Jakob Maria Mierscheid wird 77 Jahre alt - im Internet wettert er gegen Westerwelle, doch die Party für das Phantom fällt aus.
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Der US-Präsident macht Ernst: Obama entscheidet über eine neue Nuklearstrategie - damit könnten die letzten Atombomben aus Deutschland verschwinden. US-Präsident Barack Obama bereitet eine neue Atomstrategie vor. Nach Informationen der New York Times sollte Verteidigungsminister Robert Gates Obama am Montag hierzu verschiedene Vorschläge unterbreiten. Kern der neuen Strategie sei die Verringerung des Atomwaffenarsenals der USA um mehrere tausend Sprengköpfe. Washington werde sich verpflichten, keine neuen Nuklearwaffen zu entwickeln, schrieb die New York Times. Damit würde auch das von Obamas Vorgänger George W. Bush gestartete Programm zur Entwicklung von Mini-Atombomben für den Einsatz gegen Bunker gekippt werden. Die Landesverteidigung solle künftig statt auf nuklearer Abschreckung vermehrt auf Systemen zur Raketenabwehr aufbauen. Den Angaben zufolge will sich die US-Regierung aber weiter vorbehalten, bei einem Erstschlag auch Atomwaffen einzusetzen. Wie die New York Times unter Berufung auf Regierungskreise in Washington weiter meldete, führen die USA auch Verhandlungen mit Verbündeten in Europa über einen möglichen Abzug der dort stationierten Atomwaffen. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte auf Druck der FDP im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass in dieser Legislaturperiode eine Vereinbarung über den Abzug der letzten verbliebenen Atombomben aus Deutschland erreicht werden soll. Zuletzt forderte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar den Abzug der US-Nuklearwaffen. Die USA lagern nach Schätzungen von Experten im Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz unterirdisch zehn bis zwanzig Atombomben. Büchel ist inzwischen der einzig verbliebene Standort in Deutschland mit Atombomben, nachdem vom US-Stützpunkt Ramstein im Jahr 2004 die dort gelagerten bis zu 130 Atombomben abgezogen wurden. Zuvor hatte die US-Armee auch die in Memmingen und Noervenich gelagerten Atombomben abgezogen. Neben Deutschland soll die US-Armee auch Nuklearwaffen in Italien, Belgien, der Türkei und den Niederlanden lagern. Obama hat in seinem ersten Jahr als US-Präsident mehrfach betont, dass er eine Welt ohne Atomwaffen anstrebt. Dafür wurde er im Dezember mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Obamas Kurs ist in den USA allerdings umstritten. Seine Kritiker werfen ihm vor, eine Absage an Nuklearwaffen sei angesichts der atomaren Bedrohungen aus Iran und Nordkorea naiv.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/usa-und-nuklearwaffen-obama-bereitet-neue-atomstrategie-vor-1.22758
USA und Nuklearwaffen - Obama bereitet neue Atomstrategie vor
00/03/2010
Der US-Präsident macht Ernst: Obama entscheidet über eine neue Nuklearstrategie - damit könnten die letzten Atombomben aus Deutschland verschwinden.
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Krach zwischen FDP und Union, dazu noch Rüttgers Sponsoring-Affäre: Kurz vor der Wahl in NRW kommt die SPD aus der Defensive. Sie muss aber dringend ihr Verhältnis zur Linken klären. Die in Folge der demütigenden Niederlage bei der Bundestagswahl 2009 nach Erfolgen dürstenden Sozialdemokraten reiben sich verwundert die Augen. Könnte es tatsächlich sein, dass sie am 9. Mai in Nordrhein-Westfalen die vor fünf Jahren verlorene Macht zurückerobern und Schwarz-Gelb im Bund bereits nach wenigen Monaten die wichtige Mehrheit im Bundesrat verlöre? Schon einmal ist einer demoralisierten Opposition eine spektakuläre Wiederauferstehung gelungen. Im Jahr 1998 schien für die CDU nach dem Ende der Ära Kohl auf lange Zeit nichts mehr zu gewinnen zu sein. Doch dann erwies sich die mit hohen Erwartungen ins Amt gewählte rot-grüne Koalition als wenig kompetent. Den Unmut über die handwerklichen Fehler von Kanzler Gerhard Schröders Ministerriege fing in Hessen der CDU-Ministerpräsident Roland Koch mit seiner populistischen Unterschriftenkampagne gegen die Reform des Staatsbürgerschaftsrechts erfolgreich auf. Nun könnte sich Geschichte anderswo mit anderen Vorzeichen wiederholen. Die andauernden Streitigkeiten innerhalb der Union/FDP-Koalition, die überzogenen Angriffe von Guido Westerwelle auf den Sozialstaat und die "Sponsoring-Affäre", die das Image von Nordrhein-Westfalens CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers als selbsternannten Arbeiterführer massiv beschädigt haben, bilden eine für die Union gefährliche Mixtur. Schon gelingt es den Sozialdemokraten, ihre an sich selbst leidende und hadernde Wahlkampftruppe zu mobilisieren. SPD-Bundeschef Sigmar Gabriel will die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zu einer Abstimmung über die Kanzlerin und ihre Politik machen und mit der Schwäche des Gegners eigene Stärke demonstrieren. Plötzlich sieht sich die CDU in Düsseldorf, die eigentlich erst nach Ostern mit dem Wahlkampf beginnen wollte, einer Situation gegenüber, auf die sie nicht vorbereitet ist. Schon werden auch landespolitische Versäumnisse etwa in der Schulpolitik oder bei der Sicherheit von Gefängnissen zum Thema. Noch versucht Rüttgers Gelassenheit zu demonstrieren - aber es fällt zunehmend schwerer. Wie verunsichert die Union bereits ist, zeigt sich daran, dass sie in der Not zu einem politischen Ladenhüter greift: der Rote-Socken-Kampagne. Das allerdings könnte die SPD tatsächlich an einer sensiblen Stelle treffen. Denn die fast einstimmig wiedergewählte SPD-Landeschefin Hannelore Kraft hat sich auf dem Landesparteitag in Dortmund abermals von einer klaren Aussage gedrückt, ob sie sich auch mit den Stimmen der Linkspartei zur Ministerpräsidentin wählen lassen würde. Das Lavieren im Umgang mit den dunkelroten Genossen hat der SPD noch nie geholfen. Die eigene Stärke und Kraft zu überschätzen, könnte sich am Ende als Fehler für die SPD erweisen. Dann könnte es sich beim derzeitigen Flimmern am Horizont tatsächlich nur um eine Sinnestäuschung handeln.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/spd-in-nordrhein-westfalen-unverhofftes-glueck-1.8609
SPD in Nordrhein-Westfalen - Unverhofftes Glück
00/03/2010
Krach zwischen FDP und Union, dazu noch Rüttgers Sponsoring-Affäre: Kurz vor der Wahl in NRW kommt die SPD aus der Defensive. Sie muss aber dringend ihr Verhältnis zur Linken klären.
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Kurz vor seinem Parteiordnungsverfahren wegen rassistischer Äußerungen sorgtThilo Sarrazin erneut für Empörung. Nicht nur aus der SPD hagelt es Kritik. Heizung runterdrehen, Pulli anziehen und jetzt auch noch kalt duschen - Thilo Sarrazin, ehemaliger Finanzsenator von Berlin und nun im Vorstand der Bundesbank, hat viele Spartipps für Hartz-IV-Empfänger auf Lager. Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung sagte er, Warmduscher seien noch nie weit gekommen im Leben. "Schlicht zynisch", findet diese Äußerung Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. Das Zitat sei "ein weiterer Beleg dafür, wie weit Herr Sarrazin in seinem Bankenturm von der Lebenswirklichkeit der Hartz IV-Empfänger entfernt ist", so Schneider. Sarrazin habe offenbar "nichts dazugelernt". Ulrike Mascher, Vorsitzende des Sozialverbandes VdK, sagt zu sueddeutsche.de, Sarrazin habe fast schon gefehlt in der aktuellen Debatte um Hartz IV. Dessen Kritik an der intellektuellen Qualität von Westerwelles Dekadenz-Vergleich habe sie verwundert: "Sarrazins Aussagen haben eine ähnliche Qualität." Mascher verwahre sich dagegen, Teenager aufzugeben, die nicht lesen und schreiben könnten. Das sei nicht das "Menschenbild des deutschen Sozialstaates", sagt Mascher. Sie verurteilte die Debatte als "der Sache nicht angemessen". Auch von Westerwelle werde sie lediglich mit banalen Allgemeinplätzen bestritten. Aus den Parteien hagelte es ebenfalls Kritik. So sagte die designierte Bundesvorsitzende der Linken, Gesine Lötzsch, auf Anfrage, es sei "wirklich erschreckend, wie das politische Personal dieser Republik auf den Hund gekommen ist". Sarrazin und Westerwelle bewegten sich "unterhalb der geistigen Armutsgrenze". Von beiden habe sie noch keinen intelligenten Vorschlag gehört, wie mit den Verursachern der Finanzkrise umzugehen sei. "Offensichtlich wollen beide davon ablenken, dass sie mit ihren eigentlichen Arbeitsaufgaben überfordert sind", so Lötzsch. Ihre Parteifreundin Katja Kipping sagte zu sueddeutsche.de, Sarrazin habe offensichtlich "keine Ahnung, wie gesund Wechselduschen sind". In der Debatte um Hartz IV setzte Sarrazin jetzt das fort, was FDP-Parteichef und Außenminister Guido Westerwelle begonnen habe. Es sei ein "durchsichtiges Manöver, die Fortschritte, die das Hartz-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes gebracht hat, zu unterminieren". Wer so "menschenverachtende Sachen" sagt wie Sarrazin, sollte sich überlegen, ob er sich damit noch auf dem Boden der Demokratie befinde. Auch aus der Partei, der Sarrazin seit 37 Jahren angehört, kommt Empörung. Swen Schulz, Berliner SPD-Bundestagsabgeordneter, bezeichnete die Aussagen des Bankers als "völlig daneben". Eine warme Dusche gehöre zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Sarrazin wolle wie immer nur provozieren. Es sei "traurig mitanzusehen" wie der frühere Finanzsenator von Berlin gedanklich "verkomme", sagte Schulz. Für das Parteiordnungsverfahren gegen Sarrazin hätten dessen neue Aussagen jedoch keine Bedeutung. Dort gehe es ausschließlich um die angeblich "rassistischen Äußerungen" Sarrazins in einem Interview mit Lettre International. Zwei Kreisverbände hatten das Verfahren gegen Sarrazin angestrengt und dafür sogar ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Rassismus in dem Interview belegen soll. Der 65-Jährige hatte der Zeitung gesagt, er müsse niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert. Auch sein Zitat: "Die Türken erobern Deutschland genauso, wie die Kosovaren das Kosovo erobert haben: durch eine höhere Geburtenrate" stammt aus diesem Interview. SPD-Politiker Schulz rechnet nicht mit einem Rauswurf Sarrazins aus der SPD. Es wäre aber gut, wenn er eine Rüge bekäme, sagte er. Damit könne deutlich gemacht werden, "dass er den Grundkonsens der Partei verlassen hat". Die Landesgruppen-Chefin der Berliner SPD-Abgeordneten im Bundestag, Mechthild Rawert, sagte sueddeutsche.de, sie habe mit Verärgerung zur Kenntnis genommen, dass Sarrazin in seiner Kritik an Westerwelle lediglich das vom FDP-Chef verwendete Bild von der "spätrömischen Dekadenz" intellektuell in Frage gestellt habe. Auf inhaltlicher Ebene habe Sarrazin an Westerwelles Einlassungen zu Hartz IV offenbar nichts auszusetzen gehabt. "Unser Gesellschaftsbild ist das nicht", sagte Rawert. Sie wolle dem Parteiordnungsverfahren nicht vorgreifen, aber was Sarrazin zum Thema Integrationspolitik gesagt habe, etwa das Intelligenz vererbbar sei, das habe aus ihrer Sicht den Rubikon überschritten.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/hartz-iv-debatte-sarrazin-und-die-geistige-armutsgrenze-1.24729
"Hartz-IV-Debatte - Sarrazin und die ""geistige Armutsgrenze"""
00/03/2010
Kurz vor seinem Parteiordnungsverfahren wegen rassistischer Äußerungen sorgtThilo Sarrazin erneut für Empörung. Nicht nur aus der SPD hagelt es Kritik.
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Thilo Sarrazin und die Hartz-IV-Debatte: Es komme auf die Einstellung, nicht auf das Geld an, sagt der Bundesbanker. Dem FDP-Chef Westerwelle stellt der einstige Berliner Finanzsenator dennoch ein "intellektuelles Armutszeugnis" aus - und erinnert an Lukullus. FDP-Chef Guido Westerwelle löste mit seinem Spruch über spätrömische Dekadenz bei Hartz-IV-Empfängern die aktuelle Sozialstaatsdebatte aus - und Bundesbanker Thilo Sarrazin ist für den Ratschlag berühmt, Hartz-IV-Empfänger sollten sich doch einen dicken Pulli anziehen, um Heizkosten zu sparen. Zwei Männer, die sich verstehen müssten. Könne man meinen - doch man irrt. Auf Westerwelle angesprochen, geht Sarrazin, der ehemalige Berliner Finanzsenator, hoch wie ein Sektkorken: Er redet vom Feldherrn Lukullus, der sich mit einer Feder am Gaumen kitzeln ließ, um zu erbrechen und weiteressen zu können. Was, so fragt der 65-Jährige, habe das mit dem Frühstück eines Hartz-IV-Empfängers zu tun? "Völlig misslungen", sei dieses Bild, sagt Sarrazin dem SZ-Reporter bei einem Termin in einem Café in Berlin-Charlottenburg, und stellt Westerwelle ein "intellektuelles Armutszeugnis" aus. (Die ganze Reportage über Thilo Sarrazin lesen Sie auf der Seite 3 der Süddeutschen Zeitung). Trotzdem verteidigt auch Sarrazin im Gespräch mit der SZ die geltenden Sätze des Arbeitslosengeldes II und nennt sie ausreichend. Auch neue Ratschläge für Hartz-IV-Empfänger kann sich das Vorstandsmitglied der Bundesbank nicht verkneifen - er empfiehlt kalte Duschen, das sei ohnehin viel gesünder: "Ein Warmduscher ist noch nie weit gekommen im Leben." Letztlich sei es keine Geldfrage, sondern eine Frage der Mentalität, des Wollens und der Einstellung. Sätze, denen FDP-Chef Westerwelle wahrscheinlich von ganzem Herzen zustimmen würde. Doch in dessen Partei würde sich Sarrazin nicht wohlfühlen. Seine SPD, in der er seit 37 Jahren Mitglied ist, ist ihm aber auch keine Herzensangelegenheit mehr. Deswegen sieht es Ökonom Sarrazin ziemlich gelassen, dass am heutigen Montag die Landesschiedskommission über seinen Parteiausschuss berät. Es war ebenfalls einer seiner verbalen Ausfälle, der ihn dieses Verfahren beschert hat - gegen Migranten in diesem Fall. In einem Interview mit Lettre International hatte der Ex-Finanzsenator gesagt, eine große Zahl an Arabern und Türken in Berlin habe keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel. Er müsse niemanden anerkennen, der vom Staat lebt und diesen Staat ablehnt und ständig "neue kleine Kopftuchmädchen produziert". Empörung war vorauszusehen - und zwei Kreisverbände der SPD waren so entsetzt, dass sie das Parteiausschlussverfahren in Gang setzten. Sie werfen dem Genossen parteischädigendes Verhalten vor und gaben sogar ein Gutachten über die Aussagen Sarrazins in Auftrag. Der Gutachter, Rassismusforscher Gideon Botsch, stufte die Äußerungen Sarrazins als "eindeutig rassistisch" ein. Das sei mit SPD-Positionen nicht vereinbar und schädige das Ansehen der Partei. Sarrazin attackiert das Gutachten in der Süddeutschen Zeitung scharf als intellektuell und moralisch "unsauber, schleimig und widerlich". Zum Ausgang des Verfahrens sagt er: "Das stehe ich völlig bewegungslos durch." Eine Entscheidung noch am Montag gilt nach Angaben einer SPD-Sprecherin als eher unwahrscheinlich.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-hartz-iv-sarrazin-warmduscher-sind-nie-weit-gekommen-1.9363
"Debatte um Hartz IV - Sarrazin: ""Warmduscher sind nie weit gekommen"""
00/03/2010
Thilo Sarrazin und die Hartz-IV-Debatte: Es komme auf die Einstellung, nicht auf das Geld an, sagt der Bundesbanker. Dem FDP-Chef Westerwelle stellt der einstige Berliner Finanzsenator dennoch ein "intellektuelles Armutszeugnis" aus - und erinnert an Lukullus.
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Die CDU in Dresden hält ihr Sponsoring nicht für anstößig. Auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich vermischt gerne Partei- und Staatsinteressen. Gemeinhin gilt die Fraktionschefin der Grünen im sächsischen Landtag, Antje Hermenau, als äußerst streitbar. Der eben aufgedeckten Sponsoring-Äffäre der sächsischen CDU aber, bei der Unionsvertreter Begegnungen mit dem Ministerpräsidenten gegen finanzielle Unterstützungen von Firmen versprachen, widmete die Grünen-Politikerin an diesem Wochenende gleichsam nur ein müdes Lächeln: Es sei schließlich "nicht das erste Mal", dass die regierende CDU oder ihre führenden Repräsentanten in Sachsen "auftreten, als seien sie der Staat", sagte sie. Wohl wahr. Denn Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich selber hat erst kürzlich den Eindruck erweckt, dass er die Interessen seiner Partei nicht recht von den Belangen des Staates unterscheiden kann. In einem Rundschreiben an einige tausend sächsische Landesbedienstete, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wünschte er kurz vor der Jahreswende nicht nur allen Mitarbeitern eine "frohe Weihnachtszeit". Der Regierungschef sinnierte auch über seine erfolgreiche Wiederwahl bei der Abstimmung über die Zusammensetzung des sächsischen Landtags im August 2009. Entsprechend wandte er sich mit einem direkten Dankeschön an die Staatsdiener: "Wir haben die Wahlen auch deshalb gewonnen, weil Sie in der Verwaltung unsere politischen Ideen umsetzen", lobte Tillich die Landesmitarbeiter, und er fuhr fort: "Ich danke Ihnen ganz persönlich für Ihren Anteil am erfolgreichen Wahljahr 2009." Nicht jeder Mitarbeiter fühlte sich von solcherart parteiischem Lob geehrt. In sächsischen Juristenkreisen löste der Brief, der bis heute nicht im vollen Wortlaut veröffentlicht wurde, erhebliche Unruhe aus. Als "Wahlkampfhelfer der CDU" abgestempelt So beschwerte sich der Chemnitzer Sozialrichter Udo Stampa in einem Antwortschreiben an den Ministerpräsidenten, er lasse sich nicht "zum Wahlkampfhelfer der CDU" abstempeln. Seine Urteile werde er weiterhin "im Namen des Volkes und nicht im Namen der Staatsregierung und der sie tragenden Parteien" sprechen. Ein anderer Jurist aus der Landesverwaltung monierte, mit dem Brief würden "elementare Verfassungsgrundsätze wie die Trennung von Staat und Partei sowie die Pflicht der Beamten zur neutralen Führung ihrer Amtsgeschäfte" verletzt. Aus Tillichs Sätzen spreche ein Staatsverständnis, "das Bauchweh macht", fasste der Landesvorstandssprecher der Neuen Richtervereinigung, Rüdiger Söhnen, die Reaktionen seiner Juristenkollegen zusammen. Auch der sächsische Beamtenbund und die Steuergewerkschaft wiesen darauf hin, dass Tillichs Formulierungen "den Eindruck einer parteipolitischen Vereinnahmung des öffentlichen Dienstes entstehen" ließen. Den sächsischen Ministerpräsidenten aber ficht das nicht an. Auf eine parlamentarische Anfrage ließ er den Chef seiner Staatskanzlei in Dresden, Johannes Beermann, jetzt erklären, mit seinem Dank an die vermeintliche Wahlhilfe der Landesmitarbeiter habe der Regierungschef bei den Staatsdienern "lediglich ein motivierendes Gruppengefühl zu begründen" versucht. "Daraus eine parteipolitische Vereinnahmung abzuleiten", so Beermann weiter, diskreditiere die "Arbeit in der sächsischen Landesverwaltung". Praktiken wie beim Sportverein Auch in der Sponsoring-Affäre fühlen sich führende CDU-Politiker in Sachsen keiner Schuld bewusst. So weist CDU-Generalsekretär Michael Kretschmer jegliche Parallele zu den Vorkommnissen in Nordrhein-Westfalen um Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) von sich: Es sei "augenfällig", dass man in Sachsen ganz anders handele. Indes bestätigt Kretschmer, dass zu der Veranstaltung "Denkfabrik Sachsen", die an diesem Montag im Dresdner Flughafen stattfinden soll, interessierte Firmen mit einem Vier-Stufen-Angebot zum Sponsoring gebeten wurden. Vom simplen Banner auf der CDU-Homepage bis zum Gespräch mit dem Ministerpräsidenten und der Erwähnung in der Rede des Generalsekretärs war alles zu haben - für Beträge zwischen 500 und 8000 Euro. Kretschmer sieht darin nichts Anstößiges, weshalb er in seiner Rede an diesem Montag auch "alle diejenigen, die sich besonders engagiert haben" namentlich erwähnen will. "Das wird doch bei jedem Sportverein genauso gemacht", rechtfertigt sich der Generalsekretär im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. Insgesamt beteiligen sich 42 Firmen an der CDU-Veranstaltung. Angesichts der "schmalen Mitgliederbeiträge" sei solches Sponsorengeld unverzichtbar, betont Kretschmer. Die Beträge der Firmen seien als eine Art Standmiete zu verstehen. "Da gehört es sich doch einfach, dass der Ministerpräsident Guten Tag sagt", begründet Kretschmer die den Sponsoren als Gegenleistung versprochene Begegnung mit dem Regierungschef. Das gewählte Finanzierungskonzept sei auch dem Ministerpräsidenten bekannt, betont der Generalsekretär - "doch er kennt nicht jedes Detail".
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/cdu-stanislaw-tillich-saechsisches-staatsverstaendnis-1.17634
CDU: Stanislaw Tillich - Sächsisches Staatsverständnis
00/03/2010
Die CDU in Dresden hält ihr Sponsoring nicht für anstößig. Auch Ministerpräsident Stanislaw Tillich vermischt gerne Partei- und Staatsinteressen.
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Liao Yiwu darf nicht nach Köln: Chinesische Behörden haben den Schriftsteller daran gehindert, zu einem deutschen Literaturfestival zu reisen. Kurzmeldungen im Überblick. China hat den Schriftsteller Liao Yiwu daran gehindert, zum Kölner Literaturfestival lit.Cologne nach Deutschland zu fliegen. Polizisten holten den Autor in der südwestchinesischen Stadt Chengdu kurz vor dem Start wieder aus dem Flugzeug, wie eine Freundin telefonisch berichtete. Liao Yiwu hatte ein deutsches Visum und wollte mit einer Zwischenstation in Peking nach Deutschland fliegen. Der 50-jährige dürfte im Herbst schon nicht zur Frankfurter Buchmesse mit dem damaligen Ehrengast China ausreisen. In einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Liao Yiwu Anfang Februar um Hilfe gebeten, sich für seine Ausreise nach Köln einzusetzen. Der Schriftsteller ist in Deutschland unter anderem bekannt für sein in China verbotenes Buch "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser: Chinas Gesellschaft von unten", das auf Deutsch erschienen ist. Auch intern streitet die CSU über die die Gesundheitspolitik. Russland und Georgien öffnen einen Grenzübergang. Die Union ist uneins über Schwarz-Grün. Auf den folgenden Seiten finden Sie weitere Kurzmeldungen.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/politik-kompakt-china-holt-autor-aus-dem-flieger-1.3590
China holt Autor aus dem Flieger
00/03/2010
Liao Yiwu darf nicht nach Köln: Chinesische Behörden haben den Schriftsteller daran gehindert, zu einem deutschen Literaturfestival zu reisen. Kurzmeldungen im Überblick.
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Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin stellt dem FDP-Chef in der SZ ein "intellektuelles Armutszeugnis" aus - und erteilt Hartz-IV-Empfängern erneut Spartipps. Thilo Sarrazin hat sich nach halbjährigem Schweigen wieder zu Wort gemeldet. In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung kritisierte das Bundesbank-Vorstandsmitglied den FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle. Dessen Vergleich zwischen staatlichen Leistungen für Langzeitarbeitslose und spätrömischer Dekadenz nannte Sarrazin ein "völlig misslungenes Bild", das dem FDP-Chef ein "intellektuelles Armutszeugnis ausstelle". Scharf attackierte Sarrazin den Politikwissenschaftler Gideon Botsch, der in einem Gutachten zu dem Schluss gekommen war, die umstrittenen Äußerungen Sarrazins gegenüber der Kulturzeitschrift Lettre International im vergangenen Herbst seien rassistisch gewesen. Laut Sarrazin ist das Gutachten intellektuell und moralisch "unsauber, schleimig und widerlich". Das Gutachten ist die Grundlage eines Parteiordnungsverfahrens, das zwei Berliner SPD-Untergliederungen derzeit gegen Sarrazin führen. Zum Ausgang des Verfahrens, das in dieser Woche in die zweite Runde geht und mit dem Parteiausschluss Sarrazins enden könnte, sagte das langjährige SPD-Mitglied Sarrazin: "Das stehe ich völlig bewegungslos durch." Sarrazin rät zur kalten Dusche Sarrazin äußerte sich auch zur derzeitigen Hartz-IV-Debatte. Er verteidigte die geltenden Sätze und nannte sie ausreichend. Letztlich sei es keine Geldfrage, sondern eine Frage der Mentalität, des Wollens und der Einstellung. "Wo diese fehlt, hilft auch kein Geld, und wo diese da ist, ist das Geld gar nicht so wichtig." Als Sparmöglichkeit nannte Sarrazin das Duschen: "Kalt duschen ist doch eh viel gesünder. Ein Warmduscher ist noch nie weit gekommen im Leben." Die Landesschiedskommission der Berliner SPD berät an diesem Montag über einen möglichen Parteiausschluss Sarrazins. Dies hatten zwei Kreisverbände beantragt. Sie werfen dem früheren Berliner Finanzsenator parteischädigendes Verhalten vor und berufen sich auf das Gutachten von Botsch. Unterdessen kritisierte auch der ehemalige Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) die Amtsführung seines Nachfolgers Westerwelle. "Die Menschen haben kaum die Chance, Westerwelle als Außenminister kennenzulernen", sagte Steinmeier der Bild-Zeitung. Stattdessen gebe es den FDP-Vorsitzenden, der sich als Vizekanzler in "populistischen Debatten" gefalle. "Der aber vergisst: Als Minister hat er auch ein Ressort - die deutsche Außenpolitik. Aber dafür, für die wichtigen Debatten über das Afghanistan-Mandat in den letzten Wochen beispielsweise, hat er offenbar keine Zeit", kritisierte Steinmeier. "Ehe zerrüttet" Steinmeier beanstandete zudem die Rolle Westerwelles in der Regierungskoalition. "Westerwelle gibt immer noch den Oppositionsführer." Union und FDP hätten angeblich 2009 "aus Liebe geheiratet", sagte der SPD-Fraktionschef. Dies sei aber offenbar ein Irrtum gewesen: "Ehe zerrüttet nach drei Monaten", sagte Steinmeier. Für Äußerungen von SPD-Chef Sigmar Gabriel zu Westerwelle forderte derweil die Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, eine Entschuldigung. Gabriel hatte dem FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle vorgeworfen, eine rechtspopulistische Politik zu betreiben, "die wieder ganz nah bei Möllemann ist". Homburger sagte am Sonntagabend in der ARD-Sendung Anne Will, Gabriel müsse sich dafür entschuldigen. Die Bundestagsabgeordnete kritisierte, dass in der Öffentlichkeit nur Westerwelle zur Ordnung gerufen werde. Mehr zu Sarrazins Äußerungen lesen Sie in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.
politik
https://www.sueddeutsche.de/politik/debatte-um-hartz-iv-sarrazin-attackiert-westerwelle-1.18277
Debatte um Hartz IV - Sarrazin attackiert Westerwelle
00/03/2010
Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin stellt dem FDP-Chef in der SZ ein "intellektuelles Armutszeugnis" aus - und erteilt Hartz-IV-Empfängern erneut Spartipps.
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Sie pochen auf umweltschonende Landwirtschaft und fairen Handel - doch niedrige Löhne gibt es auch bei Öko-Supermärkten. Alnatura bezahlt einige Beschäftigte unter Tarif. Nun hat auch die Biobranche ihren ersten vermeintlichen Lohnskandal. Ausgerechnet Deutschlands größte Ökokette Alnatura bezahlt einige Mitarbeiter unter Tarif, wie nun bekannt wurde. Ein Vorwurf, dem sich sonst vor allem Billiganbieter im Handel ausgesetzt sehen. Die Biobranche schien davon bislang ausgenommen. Das dachten zumindest die meisten Verbraucher. Denn viele Ökohändler haben sich nicht nur einem umweltschonenden Landbau verschrieben, sondern auch dem fairen Handel, der etwa eine anständige Bezahlung und Behandlung von Kleinbauern in Entwicklungsländern verlangt. Für die Gewerkschaft Verdi ist der Fall Alnatura ein gefundenes Fressen. "Der Grundsatz der Fairness darf gerade in der Biobranche nicht nur außerhalb der Landesgrenzen gelten, sondern muss auch im Land selbst gelten", forderte am Dienstag die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Margret Mönig-Raane. Niedrigster Stundenlohn: 7,50 Euro Firmenchef Götz Rehn, einer der Pioniere und renommiertesten Unternehmer in der deutschen Bioszene, bestreitet den Vorwurf nicht. Er zeigt sich betroffen über die Kritik: "Unsere Einkommensordnung nimmt Bezug auf Verantwortung, Qualifikation und Leistung. Sie orientiert sich auch am Tarifsystem, spiegelt es aber nicht in jeder Hinsicht", sagte er der Süddeutschen Zeitung und bestätigte damit einen Bericht der taz. Der bekennende Anthroposoph, 60 Jahre alt, ist Gründer, Geschäftsführer und alleiniger Eigentümer von Alnatura. "Fairness ist bei Alnatura ein hoher Wert; die Mitarbeiter liegen mir sehr am Herzen", betonte er. Alnatura mit Firmensitz im hessischen Bickenbach ist Marktführer vor den Bioketten Denn's Bio und Basic. Der Umsatz beträgt 360 Millionen Euro. In Deutschland betreibt das Unternehmen mehr als 50 Filialen, die Zahl der Beschäftigten liegt bei 1300. Rehn wirbt damit, fair mit Partnern in Produktion und Handel umzugehen. Trotzdem werden einige Mitarbeiter schlechter bezahlt als viele ihrer Kollegen im normalen Einzelhandel. Der niedrigste Stundenlohn liegt bei 7,50 Euro. Ein Betrag, der laut Verdi um mehr als 15 Prozent unter dem Lohnniveau liegt, das beispielsweise die Tarifverbände für die Beschäftigten im Berliner Handel festgelegt haben. Eine Alnatura-Kassiererin bekommt dort nach taz-Recherchen ein Gehalt, das sogar um 19 Prozent unter Tarif liegt. Eine Sprecherin bestätigte dies, sagte aber, dass dies nur in Einzelfällen bei Minijobbern so sei. Wie viele Beschäftigte der Biokette unter Tarif bezahlt werden, konnte sie nicht sagen. Nach ihren Angaben sind jedoch 15 Prozent der Mitarbeiter, meist Schüler und Studenten, geringfügig Beschäftigte, die nicht mehr als 400 Euro pro Monat verdienen. Der durchschnittliche Stundenlohn bei der Alnatura-Kette liegt nach ihren Angaben zwischen 13 und 14 Euro. Keine Beschwerden Rehn hat seine ganz eigenen Vorstellungen von einem gerechten Bezahlungssystem. "Unseren Lehrlingen zum Beispiel zahlen wir über Tarif", sagte er. Außerdem erhielten Mitarbeiter auch eine Art immateriellen Gehaltsausgleich, in Form eines umfangreichen Seminarprogramms, das etwa Yogakurse oder Theatergruppen beinhaltet. Tatsächlich scheint sich niemand über diese Personalpolitik zu beklagen. Alnatura-Mitarbeiter loben das gute Betriebsklima, auf das so mancher offenbar mehr Wert legt als auf eine höhere Bezahlung. Auch bei Verdi liegen keine Beschwerden von Alnatura-Beschäftigten vor, die sich benachteiligt fühlen. Gewerkschafterin Mönig-Raane erklärt dies mit dem Idealismus der Mitarbeiter, der dem Biomarkt in den vergangenen zwei Jahrzehnten Auftrieb gab. Alnatura ist, wie die meisten anderen Bioketten, nicht Mitglied im Arbeitgeberverband und muss sich nicht an geltende Tarifverträge gebunden fühlen. Auch Betriebsräte sind in den wenigsten Ökofirmen zu finden, eine der wenigen Ausnahmen bildet die Münchner Basic-Kette. Mönig-Raane zeigt für diese Verhältnisse kein Verständnis: "Viele Biounternehmen sind mittlerweile so professionell aufgestellt wie konventionelle Händler und haben Vorbildcharakter", sagte sie.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/alnatura-zoff-um-bezahlung-yoga-statt-tariflohn-1.17691
Alnatura: Zoff um Bezahlung - Yoga statt Tariflohn
00/03/2010
Sie pochen auf umweltschonende Landwirtschaft und fairen Handel - doch niedrige Löhne gibt es auch bei Öko-Supermärkten. Alnatura bezahlt einige Beschäftigte unter Tarif.
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Der frühere Vorstandschef bei Solar Millennium, Utz Claassen, will das Schweigen über seinen plötzlichen Rücktritt brechen. Der Solarkonzern giftet zurück. Nach dem überraschenden Rücktritt von Utz Claassen als Vorstandschef des Solarkraftwerkherstellers Solar Millennium zeichnet sich eine Schlammschlacht ab. In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel hatte der Manager unsauberes Geschäftsgebaren der Gesellschaft als Grund für die Amtsniederlegung vor zwei Wochen angedeutet. Falls Vorstand oder Aufsichtsrat es wünschten, sei er bereit, "öffentlich Transparenz über die Gründe meiner Amtsniederlegung zu schaffen, etwa mit einem offenen Brief oder einer Pressekonferenz". Er habe bislang "einzig und allein im Interesse des Unternehmens" darauf verzichtet, die Gründe im Detail öffentlich zu machen. Solar Millennium reagierte mit Bedauern auf die Aussagen. Die öffentlichen Erklärungen Claassens dienten "weder dem Unternehmen noch seinen Geschäftspartnern und auch nicht seinen Mitarbeiterteams und Investoren". Streit um Unternehmensführung "Dies gilt umso mehr, da er mehrfach gegenüber den Medien mitgeteilt hat, dem Unternehmen freundschaftlich verbunden zu bleiben", hieß es in einer Stellungnahme. Die Aktie von Solar Millennium verlor am Montag rund zehn Prozent an Wert. Das Papier war bereits nach Claassens Rücktritt um mehr als ein Drittel eingebrochen. Claassen betonte im Interview, dass er von seinem Posten nicht "aus einer Laune oder aus einem nichtigen Anlass" zurück getreten sei. "Für meinen Schritt gibt es gute professionelle Gründe." Die habe er einem Vorstandskollegen am Tag des Rücktritts erläutert, einen Tag später auch dem Aufsichtsratschef. Er habe bereits ein 27-seitiges Dossier über "relevante Abläufe, Vorgänge und Hintergründe" erstellt. Öffentlich nannte Claassens Seite bislang lediglich unterschiedliche Vorstellungen über Kultur und Corporate Governance (Unternehmensführung) bei Solar Millennium als Gründe. Solar Millennium kündigt Sonderprüfung an Strafanzeige habe er nicht erstattet, weil ihm "gesicherte Anhaltspunkte über strafbare Handlungen" nicht vorlägen. Das gelte auch für den Vorwurf des Bilanzbetrugs, den Solar Millennium mit einer Sonderprüfung ausräumen will. Man müsse aber zwischen "strafbar, rechtswidrig und fragwürdig" unterscheiden, sagte Claassen. Den Vorwurf, er habe dem Unternehmen die Gründe für seinen Rücktritt nicht genannt, wies er zurück. "Niemand im Vorstand oder Aufsichtsrat konnte oder kann von meinem Schritt überrascht sein." Inhaltlich äußerte sich das Unternehmen nicht zu angedeuteten Vorwürfen. Solar Millennium wolle zunächst den Erhalt des Dossiers abwarten und den Inhalt prüfen. Was steht im Dossier? Verwundert äußerte sich die Franken aber darüber, dass der frühere Chef des Energiekonzerns EnBW wenige Tage vor seiner Amtsniederlegung auf der Bilanzpressekonferenz der Solar Millennium AG noch öffentlich zum Unternehmen und den "hervorragenden Zukunftsaussichten" Stellung bezogen hatte. "Wenn sich nun Sachverhalte ergeben haben, die es für Claassen nicht möglich gemacht haben, sein Amt fortzuführen, so halten wir es für den richtigen Weg, wenn Claassen sein im Zeitungsinterview genanntes Dossier dem Vorstand und Aufsichtsrat zur Verfügung stellt", stichelte nun auch das Unternehmen.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/solar-millennium-und-claassen-schlammschlacht-ueber-die-medien-1.11363
Solar Millennium und Claassen - Schlammschlacht über die Medien
00/03/2010
Der frühere Vorstandschef bei Solar Millennium, Utz Claassen, will das Schweigen über seinen plötzlichen Rücktritt brechen. Der Solarkonzern giftet zurück.
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Die Kurzarbeit gilt als deutsches Erfolgsmodell im Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Doch sie hat einen Nachteil: Sie verteuerte die Arbeit im vergangenen Jahr deutlich. Die Arbeitskosten in Deutschland sind deutlich gestiegen. Insgesamt kostete im vergangenen Jahr eine Arbeitsstunde in der Privatwirtschaft 4,1 Prozent mehr als im Jahr davor. 2008 hatte der Zuwachs 2,6 und 2007 lediglich 0,7 Prozent betragen. Eine Arbeitsstunde in Deutschland kostet einen Arbeitgeber im Schnitt 30,90 Euro. Soviel wurde im vergangenen Jahr in der deutschen Privatwirtschaft gezahlt, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Im europäischen Vergleich lag Deutschland damit auf Rang acht: Teurer waren Arbeitsstunden demnach in Dänemark, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Österreich, Finnland und den Niederlanden. Bulgarien mit niedrigsten Arbeitskosten In 18 Ländern der EU waren die Kosten je Arbeitsstunde demnach günstiger - Bulgarien wies laut Statistik mit 2,90 Euro die niedrigsten Arbeitskosten auf. Aus einem Land - Irland - lagen keine Angaben vor. Die Arbeitskosten setzen sich aus den Bruttolöhnen und den Lohnnebenkosten zusammen. Die Branche mit den höchsten Arbeitskosten war hierzulande die Energiewirtschaft: Hier zahlten die Arbeitgeber laut Statistik im Schnitt 50,30 Euro pro Stunde. Die niedrigsten Kosten hatte demnach das Gastgewerbe, das im Schnitt 16,10 Euro pro Arbeitsstunde zahlte. Bei Lohnnebenkosten im Mittelfeld Im Verarbeitenden Gewerbe kostete die Arbeitsstunde in Deutschland 2009 im Schnitt 35,60 Euro. Damit lag Deutschland hinter Belgien und Dänemark auf Platz drei - in einer Branche, die besonders im internationalen Wettbewerb steht, wie die Statistiker mitteilten. Sie wiesen gleichzeitig darauf hin, dass die Arbeitskosten je geleisteter Stunde im vergangenen Jahr auch deshalb stark anstiegen, weil die Zahl der Arbeitsstunden wegen der Wirtschaftskrise stark zurückging - unter anderem wegen der Kurzarbeit. Auch die Lohnnebenkosten - also vor allem die Arbeitgeberbeiträge zu den Sozialversicherungen und die Aufwendungen für die betriebliche Altersvorsorge - verglichen die Statistiker. Arbeitgeber in Deutschland zahlten demnach im vergangenen Jahr auf 100 Euro Bruttolohn 32 Euro Lohnnebenkosten. Damit lag Deutschland unter dem europäischen Durchschnitt von 36 Euro und auf einem mittleren Rang 13, wie das Statistikamt erklärte. In Frankreich etwa betrugen die Lohnnebenkosten 50 Euro, in Schweden 49 Euro. Am unteren Ende der Liste findet sich demnach Malta, wo die Arbeitgeber nur neun Euro Lohnnebenkosten zahlten.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eu-vergleich-kurzarbeit-schraubt-lohnkosten-in-die-hoehe-1.4738
EU-Vergleich - Kurzarbeit schraubt Lohnkosten in die Höhe
00/03/2010
Die Kurzarbeit gilt als deutsches Erfolgsmodell im Kampf gegen die Wirtschaftskrise. Doch sie hat einen Nachteil: Sie verteuerte die Arbeit im vergangenen Jahr deutlich.
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Es geht bergauf - da ist der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Hüther, überzeugt. Rund läuft es aber noch nicht. Und Deutschland könnte bald über einen Fachkräftemangel stolpern. Verläuft die Kurve weiter nach oben oder droht ein erneuter Abschwung? IW-Chef Michael Hüther, 47, ist optimistisch. Der Wirtschaftswissenschaftler sieht allenfalls eine Wachstumspause. Von der Politik wünscht er sich jetzt die passenden Rahmenbedingungen: Bürokratie abbauen und Steuern runter. SZ: Herr Professor Hüther, alle spekulieren über die Konjunktur. Ist der bescheidene Aufschwung der vergangenen Monate schon wieder vorbei? Michael Hüther: Überhaupt nicht, wie kommen Sie darauf? SZ: Nun, die Exportindustrie ist sehr schlecht ins neue Jahr gestartet, der Schwung von Ende 2009 ist schon wieder dahin, und auch viele Experten werden wieder pessimistischer. Hüther: Die Exporte passen in der Tat eigentlich nicht zu dem Gesamtbild der uns bekannten Indikatoren. Der Auftragseingang im Januar war deutlich positiv, auch die Produktion. Der Einkaufsmanager-Index zeigt kontinuierlich nach oben. Also: Ich sehe weiter eine Aufwärtsbewegung. Aber, zugegeben, die verläuft nicht entlang des Lineals, sondern es wackelt hier und da. SZ: Nur ein Wackeln? Kommt nicht vielleicht doch ein "Double Dip", ein neuer Abschwung? Hüther: Dieses Wort würde ich nicht verwenden, weil es den Eindruck nährt, wir hätten nochmal die gleiche Schärfe des Einbruchs vor uns, den wir schon hinter uns haben. Nein, wir erleben schlimmstenfalls eine Wachstumspause. SZ: Die Sie nicht beunruhigt? Hüther: Nein, gar nicht. Wir sind 2009 sehr tief gefallen, minus fünf Prozent beim Wachstum, nun bewegen wir uns recht sukzessive, aber doch von der Richtung her eindeutig nach oben. SZ: Wann werden wir die Krise hinter uns gelassen haben? Hüther: Das ist natürlich eine Frage der Vergleichsgröße. Wenn ich den Sommer 2008 nehme, dann wird's noch dauern. Aber der Sommer 2008, das zeigen unsere Unternehmensbefragungen, ist nicht der Maßstab; damals hatten wir bereits eine Überdehnung der Kapazitätsauslastung. Wenn man schon Vergleiche zieht, dann bitte zum Durchschnitt der Jahre 2006 und 2007. Und dieses Niveau erreichen wir wieder Anfang 2012. SZ: Ihre Prognose für 2010? Hüther: Mein Institut geht von gut eineinhalb Prozent Wachstum aus, wenn es sehr gut läuft zwei Prozent. Und es werden weniger als vier Millionen Arbeitslose im Jahresschnitt sein. Die vergleichsweise gute Situation am Arbeitsmarkt stützt übrigens meine These, dass wir nur eine Wachstumspause haben, keinen erneuten Einbruch. SZ: Warum? Hüther: Die Unternehmen halten doch weitgehend die Belegschaften im Haus...
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/iw-chef-michael-huether-es-wackelt-hier-und-da-1.12471
"IW-Chef Michael Hüther - ""Es wackelt hier und da"""
00/03/2010
Es geht bergauf - da ist der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Hüther, überzeugt. Rund läuft es aber noch nicht. Und Deutschland könnte bald über einen Fachkräftemangel stolpern.
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Vier Mitarbeiter des australischen Konzerns Rio Tinto sind in Shanghai verurteilt worden. Doch China hat dabei Fehler gemacht - das Land wird sich aber wie immer rechtfertigen. Der Prozess gegen vier Mitarbeiter des australischen Bergbaukonzerns Rio Tinto in Shanghai war gleichzeitig ein Test für die Glaubwürdigkeit des chinesischen Rechtssystems. Das Testergebnis lautet: durchgefallen. Die Verurteilung an sich scheint rechtens zu sein, denn die Männer haben gestanden, Schmiergelder kassiert zu haben. Also müssen sie bestraft werden. Doch wie die Urteile genau zustande gekommen sind, bleibt letztlich unklar. Denn am entscheidenden Prozesstag verweigerte die Justiz australischen Diplomaten unter fadenscheiniger Begründung den Zugang in den Gerichtssaal, obwohl einer ihrer Staatsbürger auf der Anklagebank gesessen hat. Erfahrungsgemäß wird China jetzt argumentieren, dass es doch weitgehend transparent gerichtet habe. Kritik an seiner Handhabe des Falls wird das Land kategorisch abblocken und stattdessen mit dem Finger auf die Kriminellen zeigen: "Die haben doch etwas falsch gemacht, nicht wir!" Das ist ein klassischer Reflex des Regimes. Doch in diesem Fall hat auch China etwas falsch gemacht. Seit 1995 ist gesetzlich festgelegt, dass ausländische Diplomaten lückenlos bei Strafprozessen gegen Bürger ihres Landes anwesend sein dürfen. China hat also sein eigenes Gesetz gebrochen. Wenn dieser Gesetzesbruch samt Imageschaden das kleinere Übel darstellt im Vergleich zu einem transparenten Verfahren an allen Prozesstagen, dann stellt sich die Frage, was ging bei diesem Prozess hinter verschlossenen Türen vor? Eine Antwort darauf wäre Spekulation. Klar ist nur, dass Rechtssicherheit für ausländische Unternehmen in China im Zweifelsfall den Interessen des chinesischen Staates weichen muss.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/rio-tinto-prozess-china-schliesst-die-tueren-1.11719
Rio Tinto: Prozess - China schließt die Türen
00/03/2010
Vier Mitarbeiter des australischen Konzerns Rio Tinto sind in Shanghai verurteilt worden. Doch China hat dabei Fehler gemacht - das Land wird sich aber wie immer rechtfertigen.
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EADS hat die Hoffnung auf den Großauftrag aus dem US-Verteidigungsministerium noch nicht aufgegeben. Jetzt sucht das Unternehmen einen genügsamen Partner. Der Luft- und Raumfahrtkonzern EADS will sich nicht um jeden Preis für den Tankerauftrag der amerikanischen Luftwaffe bewerben. "Wir werden kein Dumping-Angebot abgeben", sagte Airbus-Chef Thomas Enders der Süddeutschen Zeitung. Dies sei nicht zu rechtfertigen, da EADS-Tochter Airbus unter anderem wegen der Zusatzkosten beim Militärtransporter A400M für unverhältnismäßige Preiszugeständnisse keinen Spielraum habe. Abgabefrist könnte verlängert werden Das amerikanische Verteidigungsministerium will in einer ersten Tranche 179 Tankflugzeuge für rund 35 Milliarden Dollar kaufen, insgesamt müssen aber mehr als 500 alte Tanker ersetzt werden. Der Auftrag ist einer der größten, den das amerikanische Militär jemals vergeben hat. Nach mehreren gescheiterten Anläufen und Wiederholungen läuft die Abgabefrist für Angebote eigentlich Anfang Mai aus. EADS-Partner Northrop Grumman, der als Hauptauftragnehmer fungierte, ist vor wenigen Wochen ausgestiegen, offiziell mit dem Hinweis, dass die Ausschreibungskriterien Konkurrent Boeing in unfairer Weise bevorzugen würden. Der Airbus A330 ist ein deutlich größeres Flugzeug als die Boeing 767, daher ist er auch teurer. EADS hatte kritisiert, dass das Pentagon die zusätzliche Fähigkeiten nicht honoriere, das Verfahren sei auf den kleineren Jet zugeschnitten. Seit dem Ausstieg Northrops spielt EADS mit dem Gedanken, sich auf eigene Faust zu bewerben. Einen ersten Erfolg konnte der europäische Anbieter dadurch verbuchen, dass das Pentagon mittlerweile den US-Ableger EADS North America mittlerweile als eigenständigen Anbieter akzeptiert. "Wir werden innerhalb der nächsten zwei Wochen entscheiden, ob wir uns bewerben", so Enders. In diesem Fall müsste EADS einen amerikanischen Lieferanten finden, der die militärische Ausstattung liefern könnte. Airbus würde das Flugzeug, einen Airbus A330, liefern. Derzeit sei er "noch skeptisch", so Enders. Das Pentagon hat bereits angedeutet, dass es möglicherweise die Frist für die Angebote verlängern will. EADS North America hat darum gebeten, drei Monate mehr Zeit zu bekommen, um sich vorzubereiten. Laut Enders bedeutet das extremen Zeitdruck, denn normalerweise würden Verhandlungen mit Lieferanten über einen so großen Auftrag viel länger dauern. Hoffnung auf günstigere Ausrüstung Ein Schlüssel zum Erfolg wird es offenbar sein, inwieweit es EADS North America gelingt, den neuen US-Partner preislich zu drücken. Northrop Grumman hat nach Angaben aus Branchenkreisen eine extrem hohe Gewinnmarge einkalkuliert, weil es an dem Projekt nur einen relativ kleinen Arbeitsanteil hat und weil das Geschäft von geringer strategischer Bedeutung für das Unternehmen war. Wenn es gelinge, die militärische Ausstattung deutlich günstiger einzukaufen, dann könne EADS womöglich ein Angebot abgeben, das mit dem Boeings mithalten könne, glaubt Enders. In diesem Fall sei es für das Pentagon nicht ohne Weiteres möglich, das europäische Angebot beiseite zu schieben. Branchenkreise halten die US-Firmen Raytheon und L3 Communications, beides Spezialisten für Verteidigungselektronik, für denkbare Kandidaten beim Tanker-Projekt. Lockheed Martin gilt als unwahrscheinlichste Variante.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eads-tankflugzeuge-kleiner-traum-vom-grossen-auftrag-1.8977
EADS: Tankflugzeuge - Kleiner Traum vom großen Auftrag
00/03/2010
EADS hat die Hoffnung auf den Großauftrag aus dem US-Verteidigungsministerium noch nicht aufgegeben. Jetzt sucht das Unternehmen einen genügsamen Partner.
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Hartes Urteil: Ein australischer Manager des Bergbaukonzerns Rio Tinto wandert in China für zehn Jahre ins Gefängnis. Die ausländische Wirtschaft vor Ort ist verschreckt. In China sind vier Manager des australisch-britischen Bergbaukonzerns Rio Tinto wegen Spionage und Korruption zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Stern Hu, der australische Leiter des Rio-Tinto-Büros in der chinesischen Wirtschaftsmetropole Shanghai soll dem Urteil zufolge zehn Jahre ins Gefängnis. Drei chinesische Mitarbeiter wurden zu sieben, acht beziehungsweise 14 Jahren Haft verurteilt. Hinter verschlossenen Türen Der Prozess hatte in der vergangenen Woche hinter verschlossenen Türen stattgefunden. Stern Hu und seine drei mitangeklagten chinesischen Kollegen hatten in der vergangenen Woche vor Gericht Bestechlichkeit eingeräumt, das Ausmaß der Vorwürfe aber zurückgewiesen. Ihnen wird auch vorgehalten, sich geheime Informationen über Bergwerke und Stahlhütten in China beschafft zu haben. Festnahme im vergangenen Juli Das Verfahren galt als Test für den Umgang des chinesischen Rechtssystems mit ausländischen Unternehmen. Australien hatte von China ein "transparentes Verfahren" gefordert. Es ist bekannt, dass ausländische Manager in China pragmatisch vorgehen, sonst könnten sie ihre Arbeit häufig gar nicht erledigen. Das Urteil könnte daher für Unruhe bei internationalen Unternehmen sorgen. Die vier Rio-Tinto-Beschäftigten waren im Juli vergangenen Jahres festgenommen worden. Damals verhandelten die chinesischen Stahlhersteller mit Rohstofflieferanten - darunter Rio Tinto - über einen Nachlass beim Preis für Eisenerz. Einen Monat zuvor war eine Vereinbarung über eine Erhöhung der Beteiligung des chinesischen Konzerns Chinalco an Rio Tinto geplatzt. Australien: Strafen sehr hart Australien reagierte mit Kritik auf die Urteile gegen die vier Angeklagten. Gemessen an australischen Standards seien die Strafen sehr hart - auch wenn sie für China im Rahmen der üblichen Rechtsprechung lägen, sagte Außenminister Stephen Smith. Bei dem Prozess seien wichtige Fragen offengeblieben. Auswirkungen auf das Verhältnis beider Länder erwarte er nicht. Ob dies auch auf die Wirtschaftsbeziehungen zutreffe, müsse aber abgewartet werden, sagte Smith. Der Minister erklärte zugleich, dass es Beweise für ein Fehlverhalten der Rio Tinto-Mitarbeiter gegeben habe.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/china-statuiert-exempel-zehn-jahre-haft-fuer-rio-tinto-manager-1.1403
China statuiert Exempel - Zehn Jahre Haft für Rio-Tinto-Manager
00/03/2010
Hartes Urteil: Ein australischer Manager des Bergbaukonzerns Rio Tinto wandert in China für zehn Jahre ins Gefängnis. Die ausländische Wirtschaft vor Ort ist verschreckt.
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mlsum_de-train-693
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Nach monatelangen Verhandlungen übernimmt der Geely-Konzern die schwedische Ford-Tochter und zahlt eine Milliarden-Summe. Doch noch immer gibt es Zweifel an dem Deal. Chinas Vizepräsident Xi Jinping hätte seinen Staatsbesuch in Schweden kaum symbolträchtiger beginnen können. Am Sonntagmorgen besichtigte er am Göteborger Hafen noch den Nachbau eines alten Dreimasters, mit dem europäische Kaufleute einst im 18. Jahrhundert Seide und Porzellan aus China heranschafften. Wenige Stunden nach diesem Ausflug in die Geschichte demonstrierten die Chinesen, wer heute in der Weltwirtschaft das Sagen hat: Im Göteborger Volvo-Werk unterzeichneten Li Shufu, Gründer und Haupteigentümer der Zhejiang Geely Holding Group, und Ford-Finanzvorstand Lewis Booth einen Kaufvertrag: Volvo geht in chinesischen Besitz über. Wie Shufu am Sonntag bei einer Pressekonferenz erklärte, kauft Geely den traditionsreichen Autohersteller für umgerechnet etwa 1,3 Milliarden Euro. Das Geschäft war bis zum Schluss umstritten. Schwedische Gewerkschaften hatten noch am Donnerstag protestiert. Sie fürchteten, dass die Chinesen nicht über genug Kapital verfügen, um Volvos Überleben langfristig zu sichern. Nach einem Gespräch mit Geely-Managern änderten sie jedoch am Samstag ihre Meinung. Man habe Antworten auf alle Fragen bekommen, sagte ein Gewerkschaftssprecher, "wir sind zufrieden." Ford-Finanzchef Booth erklärte, Geely habe über die Kaufsumme hinaus genügend Geld, um den laufenden Betrieb zu garantieren. Berichten zufolge finanziert Shufu die Übernahme überwiegend mit Geld aus China. Er rechnet aber wohl auch mit einem Kredit der Europäischen Investitionsbank über 400 Millionen Euro. Das Darlehen ist bisher für Volvo reserviert. Ob es auch einem chinesischen Eigner zur Verfügung steht, ist unklar. Mit der Übernahme endet die Ära der Amerikaner in der schwedischen Automobilindustrie. Mehr als zehn Jahre hatte Volvo als Tochterfirma dem Ford-Konzern angehört. Der kleinere Konkurrent Saab war im Januar von seinem langjährigen amerikanischen Eigner General Motors an das holländische Unternehmen Spyker verkauft worden. Die Schweden hatten in vielen Bereichen von den starken Partnern in Detroit profitiert, so wird etwa in Volvo-Autos zum Teil die gleiche Technik genutzt wie in Fords. Die Zusammenarbeit soll vorerst bestehen bleiben. Es wird aber erwartet, dass sich Geely neue Partner für seine schwedische Tochter suchen muss. Teil einer Strategie Der Verkauf von Volvo ist Teil von Fords Strategie, sich von seinen Premiummarken zu trennen. Der amerikanische Konzern hatte zuvor Jaguar und Land Rover an die indische Firma Tata Motors veräußert. Bei Volvo hofft man, durch die neuen Besitzer einen besseren Zugang zum chinesischen Markt zu erhalten, wo eine wachsende Mittelschicht sich zunehmend für Qualitätsautos aus Europa begeistert. Derzeit verkaufen die Schweden pro Jahr knapp 40.000 Fahrzeuge in China, es gibt dort sogar schon einen Produktionsstandort. Forschung und Entwicklung sollen weiter in Schweden betrieben werden, die Volvo-Werke in Göteborg und im belgischen Gent will Shufu erhalten. Trotz solcher Zusicherungen gibt es aber Zweifel an dem Deal. Eva Ossiansson, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Universität Göteborg, hat im Auftrag einer Gewerkschaft eine kritische Studie über die neue schwedisch-chinesische Auto-Allianz erstellt. Sie fürchtet insbesondere um den Ruf der Marke Volvo. Geely ist ein sehr junges Unternehmen, das in den 80er Jahren Kühlschränke und Motorräder herstellte. In der Autobranche fiel die Firma erst einmal unangenehm auf, weil sie ungeniert billige Plagiate ausländischer Marken-Wagen herstellte. Das Schmuddel-Image könne abfärben, meint Ossiansson. Die Vorteile, die Volvo durch Geely in China habe, bewertet sie als gering. "Geely verkauft dort vor allem billige Autos", sagt Ossiansson. "Es ist fraglich, ob dieses Unternehmen die Kompetenz hat, Volvo im Premiumbereich zu lancieren."
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schweden-volvo-wird-chinesisch-1.16194
Schweden - Volvo wird chinesisch
00/03/2010
Nach monatelangen Verhandlungen übernimmt der Geely-Konzern die schwedische Ford-Tochter und zahlt eine Milliarden-Summe. Doch noch immer gibt es Zweifel an dem Deal.
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mlsum_de-train-694
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Die Krux mit dem schlechten Image: Gebäudereiniger Eberhard Sasse über die Kultur des Saubermachens - und warum das Putzen Spaß macht. Das Gespräch hat kaum begonnen, da meldet sich schon das Handy von Eberhard Sasse. Ein Horn bläst: "Auf zur Jagd", sein Klingelton. Sasse ist passionierter Jäger und Familienunternehmer. Ein echter, seine Frau, eine Medizinerin, ist in der Firma für die Personalentwicklung zuständig. Sein Geld verdient Sasse mit Putzen und Schrauben. Aber das hört er nicht so gerne. Lieber redet er vom Facility Management, denn Putzen hat in Deutschland ein schlechtes Image. Seine Töchter hält das nicht davon ab, seine Nachfolge antreten zu wollen. Mit dem Vater teilen Laura und Clara auch die Liebe zur Jagd. SZ: Herr Sasse, willkommen in der Redaktion. Ist hier ordentlich geputzt? Eberhard Sasse: Schon. Mein erster Eindruck: Der Raum ist reinlich. An der Bauausführung wurde ein wenig gespart. Der Teppicheinsatz, zum Beispiel, der ist schnell ausgeschnitten und eingelegt, aber es wurde keine ordentliche Einfasskante gemacht. Die würde ja Geld kosten. SZ: Wir merken, Sie gucken in die Ecken. Macht Putzen Spaß? Sasse: Ja, es kann Spaß machen. Und Putzen ist ein Kulturgut. SZ: Wir dachten, eine Dienstleistung. Sasse: . . . aber eine auf hohem Niveau. Das Reinigen der Behausung ist eine menschheitsalte Kulturtechnik. Puto dum vivo, sagte man im alten Rom: Ich putze, solange ich lebe. SZ: Wer putzt bei Ihnen zu Hause? Sasse: Ich lasse putzen, aber nicht von der Firma Sasse, sondern von einem örtlichen Betrieb. Der kümmert sich auch um den Garten und repariert, was so anfällt. SZ: Müssen Ihre Töchter auch ran? Sasse: Laura, meine Älteste, und Clara haben schon als Kinder gelernt, ihre Sachen in Ordnung zu halten. Da gibt es eine nette Geschichte. SZ: Erzählen Sie. Sasse: Um eine Organisation zu leiten, muss man wissen, wie man mit Menschen umgeht und was die Menschen machen. Das erfährt man am besten vor Ort. SZ: Ist das die Geschichte? Sasse: Nein, die kommt jetzt. Laura macht regelmäßig parallel zum Studium Praktika. Zuletzt am Münchner Flughafen. Da reinigte sie die Toiletten. Das war eine gigantische Erfahrung. SZ: Was ist so gigantisch daran, fremde Toiletten zu schrubben? Sasse: Das Haupterlebnis für Laura war der Kontakt zu ihren Kolleginnen und Kollegen. Aber es war nicht ganz einfach, da hinzukommen. SZ: Wieso, Sie sind doch der Chef? Sasse: Unser Leiter am Flughafen dachte erst, meine Tochter wolle im Büro arbeiten. Dann sollte sie in der Eingangshalle die Papierkörbe leeren. Aber Laura wollte dorthin, wo es richtig hart zugeht. Es hat eine Weile gedauert, bis sie den Job bekommen hat, weil meine Leute dachten, sie könnten das meiner Tochter nicht zumuten. SZ: Wussten die Kollegen in der Putzkolonne, dass die Neue Ihre Tochter ist? Sasse: Das ließ sich nicht lange verheimlichen. Aber es war toll. Meine Tochter war beeindruckt von der Gemeinschaft, in die sie aufgenommen wurde. Die haben zusammen Brotzeit gemacht und sich über die Familie unterhalten. Was ich sagen will: Wenn man Dienstleistung bietet und mit vielen Menschen zu tun hat, ist das etwas anderes, als wenn man in einer Fabrik am Fließband steht. SZ: Was ist denn so anders? Sasse: Menschen sind für mich kein Produktionsfaktor. Ich muss aus ihnen ein Team formen, das trotz der schwierigen Bedingungen sagt: Hier arbeiten wir gerne. Das klingt nach Zuckerguss. Aber wenn die Atmosphäre nicht stimmt, stimmt auch die Leistung nicht. Wer Menschen nur als Arbeitsmasse betrachtet, ist bei uns fehl am Platz. Jeder meiner Mitarbeiter arbeitet unter schwierigen Bedingungen - sowohl vom Umfeld, von der sozialen Akzeptanz her als auch von der Bezahlung.
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https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/eberhard-sasse-im-gespraech-ich-putze-solange-ich-lebe-1.13746
"Eberhard Sasse im Gespräch - ""Ich putze, solange ich lebe"""
00/03/2010
Die Krux mit dem schlechten Image: Gebäudereiniger Eberhard Sasse über die Kultur des Saubermachens - und warum das Putzen Spaß macht.
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mlsum_de-train-695
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Wie gut geht es Thomas Middelhoff? Offenbar besser als dem von ihm einst geführten Pleitekaufhauskonzern Arcandor. Es gab sogar viel Beraterhonorar. Thomas Middelhoff, immer wieder Thomas Middelhoff. Selbst Menschen, die nicht den Wirtschaftsteil der Zeitungen lesen, kennen den Manager. Der promovierte Betriebswirt war einst Chef des Medienriesen Bertelsmann und dann des Kaufhauskonzerns Karstadt-Quelle, den er Arcandor taufen ließ. Seitdem aber Arcandor pleite ging, und die mit dem Unternehmen eng verbundene Kölner Privatbank Sal. Oppenheim die Selbstständigkeit verlor, interessieren sich viele für die Welt jenes Mannes, den Freunde "Big T" nannten. Und, siehe, ein vertraulicher Bericht der Wirtschaftsprüfer von Deloitte, die im Auftrag der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht aktiv wurden, enthüllt Erstaunliches. Danach hatten Thomas Middelhoff und seine Frau Cornelie bei Sal. Oppenheim Darlehen über insgesamt 107 Millionen Euro aufgenommen, wie die Süddeutsche Zeitung auf der Seite Drei berichtet. Im Wesentlichen wurden mit dem Geld Beteiligungen an Immobilienfonds des Josef Esch finanziert, jenes gelernten Poliers aus Troisdorf bei Siegburg, der einige Superreiche Deutschlands unter seine Fittiche genommen hat. Frappierend nur, dass Sal. Oppenheim im ersten Halbjahr 2009 auf die Middelhoff-Kredite eine Wertberichtigung von 37,4 Millionen Euro vorgenommen hat. Die Middelhoffs: Verhältnisse "unzureichend"? Die SZ zitiert Aussagen, wonach der Deloitte-Bericht festhalte, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Middelhoffs seinen "unzureichend". Die Bank brauche mehr Sicherheiten. In einem längeren Gespräch mit der SZ macht Thomas Middelhoff, was Menschen seiner Welt normalerweise nie machen: Er offenbart seine Vermögensverhältnisse. Makel kann er sich nicht erlauben. Danach habe er inzwischen mit der Deutschen Bank, die Sal. Oppenheim übernommen hat, 57 Millionen Euro Sicherheiten festgezurrt. Deloitte habe nur 53 Millionen für erforderlich gehalten. Und: Es gebe derzeit bei Middelhoff rund 50 Millionen Euro Festgelder. Tatsache ist, dass Middelhoff schon bei Bertelsmann absahnte. Einmal gewährte ihm der Konzernpatron Reinhard Mohn einen Bonus von 40 Millionen Euro: Der seinerzeitige Vorstandschef hatte eine 50-Prozent-Beteiligung an AOL Europe in der Boomzeit der New Economy sündteuer verkauft. Auf Empfehlung des Deutschbankiers Rolf Breuer will Middelhoff dann zu Alfred Freiherr von Oppenheim, zu "Alfi", gekommen sein. Und der wiederum reichte den Neukunden zu Josef Esch weiter. Der unterhält ein Family Office, das die Gesamtvermögensveraltung (GVV) von Superreichen übernimmt, sich also um alles kümmert, von Flugreisen bis Opernkarten. Middelhoff wurde GVV-Klient 008, wie die SZ ausführt. Zu seinem Arbeitsmittelpunkt wurde dann, mitten in den "Nullerjahren", die Karstadt-Quelle AG in Essen. Die Großaktionärin Madeleine Schickedanz, die ebenfalls von Josef Esch betreut wird, hatte ihn gewonnen - zunächst als Chef des Aufsichtsrats, dann des Vorstands. Dabei waren die Eheleute Middelhoffs zugleich an mehreren Oppenheim-Esch-Fonds beteiligt - und vier Fonds hatte in Karstadt-Warenhäuser investiert, in München, Potsdam, Leipzig und Karlsruhe. Dafür musste der Konzern hohe Mieten zahlen. "Was dem Privatmann Middelhoff Geld brachte, schadete dem Vorstandschef Middelhoff", so die SZ. Weil dieses Geflecht so undurchsichtig ist und die Arcandor-Pleite viel Vermögen vernichtet hat, ermittelt die Bochumer Staatsanwaltschaft gegen Midelhoff wegen Verdachts der Untreue. Die Kölner Staatsanwaltschaft hilft. Middelhoffs Anwalt schickte der Justiz etliche Informationen, darunter den Einkommensnachweis für das Jahr 2005, als "Big T" den Vorstandsvorsitz übernahm: Damals verdiente er 21.337.575 Euro, also mehr als 21,3 Millionen Euro. Die Botschaft: Er habe es gar nicht nötig gehabt, sich bei Karstadt-Quelle zu bereichern. Kunde 008 und seine Millionen Überhaupt: Damals bei Bertelsmann hatte Middelhoff ja Vertrag bis zum 75. Lebensjahr, die Abfindung betrug satte 20 Millionen. Und bei der Londoner Investmentfirma Investcorp, wo er danach arbeitete, flossen auch später noch exit fees aus den von ihm eingeleiteten Geschäften, 2007 seien das mehr als 3,4 Millionen Euro gewesen. In jenem Jahr habe er ein Netto-Einkommen von 12,975 Millionen Euro gehabt. Thomas Middelhoff, das ist sicher, hat ein großes Rad gedreht. Die Gelder flossen, um die Mühsal des Alltags kümmerte sich Helfer Esch, und er selbst redete viel über Arcandor. Ehrgeizige Aktienkursziele wurden verkündet. Als dann alles zusammenbrach und ein riesiges Blendwerk in Trümmern lag, da bekam Middelhoff von Sal. Oppenheim, der Bank an seiner Seite, sogar einen mit vier Millionen Euro im Jahr dotierten Beratervertrag. Das war großzügig. Immerhin war das Finanzhaus als Arcandor-Großaktionär selbst in die Bredouille geraten. Der bemerkenswerte Beratervertrag mit dem Ex-Arcandor-Chef wurde schon nach wenigen Monaten aufgelöst. Da aber eine Laufzeit von drei Jahren (plus Option auf ein weiteres Jahr) verabredet worden waren, nahm Middelhoff für die ausgefallene Beratung noch einmal zehn Millionen Euro ein, rechnet die SZ vor. Beim Gespräch mit der Zeitung präsentierte der Manager eine "Soll-Ist-Liste" für die Jahre 2005 bis 2010, die Vermögensberater Esch für den Kunden GVV 008 anfertigen ließ. Danach liege Middelhoff mit 72 Millionen Euro derzeit brutto um vier Millionen über dem einst errechneten Soll. Big T ist nicht pleite. Pleite ist nur Arcandor - und Sal. Oppenheim hat viel Geld verloren. Alles weitere bespricht der Staatsanwalt. Den vollständigen Artikel lesen Sie am Montag in der Süddeutschen Zeitung auf Seite Drei.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/sal-oppenheim-und-arcandor-middelhoff-das-gespenst-der-pleite-1.3300
Sal. Oppenheim und Arcandor - Middelhoff - das Gespenst der Pleite
00/03/2010
Wie gut geht es Thomas Middelhoff? Offenbar besser als dem von ihm einst geführten Pleitekaufhauskonzern Arcandor. Es gab sogar viel Beraterhonorar.
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Erst Katar, jetzt Abu Dhabi: Die Deutsche Bahn hat einen milliardenschweren Auftrag an Land gezogen. Doch einige Punkte sind noch offen. Die Deutsche Bahn hat den Zuschlag für die Planung eines Schienennetzes in den Vereinigten Arabischen Emiraten erhalten. Eine entsprechende Absichtserklärung wurde in Abu Dhabi unterzeichnet, wie die Bahn in Berlin mitteilte. Ob das Unternehmen auch an Bau und Betrieb beteiligt wird, soll einem Sprecher zufolge zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden. Das Gesamtvolumen inklusive Planung, Bau und Betrieb könne "durchaus in zweistelliger Milliardenhöhe" liegen. Ramsauer und Grube gemeinsam in Abu Dhabi Partner ist die Al-Masaood-Gruppe, eines der größten Industrieunternehmen in den Emiraten. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Bahn-Vorstandschef Rüdiger Grube waren gemeinsam zu Gesprächen in Abu Dhabi. "Deutschland wird die Vereinigten Arabischen Emirate beim Aufbau einer hochmodernen und leistungsfähigen Schieneninfrastruktur nach Kräften unterstützen", sagte Ramsauer einer Mitteilung seines Ministeriums zufolge. "Die heutige Absichtserklärung ist die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit." Grube zeigte sich zuversichtlich, dass sein Unternehmen bei den anstehenden Projekten mit seinen Planungsleistungen berücksichtigt werde. Milliardenschwere Investitionen In der Golfregion sind Konzernangaben zufolge in den kommenden Jahren milliardenschwere Investitionen in große Bahnsysteme geplant. Dazu gehörten Projekte für den Regionalverkehr, die Straßenbahn, die Metro und eine Fernbahnlinie, die Abu Dhabi mit den südlichen Emiraten verbinden soll. Der Geschäftsführer der DB International, Martin Bay, verwies auf ein mittlerweile fünf Jahre andauerndes Engagement des Unternehmens in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Milliardenauftrag in Katar Dazu gehöre auch die Planung eines Straßenbahnsystems. Das Verkehrsministerium erinnerte an den Milliardenauftrag an die Deutsche Bahn in Katar. Dort beteiligt sich das Unternehmen bereits am Aufbau eines Schienensystems.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/grossauftrag-deutsche-bahn-baut-auf-der-arabischen-halbinsel-1.2344
Großauftrag - Deutsche Bahn baut auf der Arabischen Halbinsel
00/03/2010
Erst Katar, jetzt Abu Dhabi: Die Deutsche Bahn hat einen milliardenschweren Auftrag an Land gezogen. Doch einige Punkte sind noch offen.
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Der Internetkonzern Google schaltet in China seine Seiten ab, weil er nicht mehr bereit ist, die Zensur der Informationen in der Volksrepublik mitzutragen. Er zieht sich aus dem Land zurück und ist damit das erste große Unternehmen, das aus politischen Gründen der Regierung in Peking die Stirn bietet und zudem auf die Wachstumschancen verzichtet. Die Regierung in Peking schlug sofort zurück und drohte dem Suchmaschinenanbieter mit "Konsequenzen". Schnell kursierte die Deutung, Google sei in China in Wahrheit nicht erfolgreich, es habe nur einen Marktanteil von 30 Prozent, das China-Geschäft mache bestenfalls einen Bruchteil des Konzernumsatzes aus. Andere behaupteten, der erfolgreichste Weltkonzern der jüngeren Vergangenheit nutze seine Probleme in China nur, um sein Image zu verbessern, das zuletzt gelitten hatte, weil sich die eifrigen Suchmaschinisten in alle Lebensbereiche der Menschen einmischten. Der Rückzug sei nichts als ein PR-Gag, zumal sich Google gar nicht völlig aus China verabschiede, sondern Anfragen nur auf einen Computer in Hongkong umleite. Dabei hat der Mitbegründer von Google, der in Russland geborene Sergej Brin, eine bemerkenswert einfache Begründung für den Google-Rückzug in China genannt: Er fühle sich an seine Heimat, die Sowjetunion, erinnert. Wahrscheinlich haben für Google alle Motive eine Rolle gespielt. Trotzdem ist die Entscheidung historisch zu nennen. Sie ist mutig, weil sie schwerwiegende Folgen für das Unternehmen haben kann. Man wünscht sich, dass andere dem Beispiel der Silicon-Valley-Firma folgen. Es ist bei Unternehmern und Managern in der westlichen Welt üblich, nicht über die politischen Verhältnisse in China zu sprechen. Die Wirtschaft schätzt das Land mit seinen 1,3 Milliarden Menschen als ein schier unerschöpfliches Wachstumsreservoir, das Geschäfte für Jahrzehnte verspricht. Die will man auf keinen Fall mit Bemerkungen über fehlende Menschenrechte und ein diktatorisches Regime gefährden. Weltkonzerne, die im eigenen Land nicht vor massivem Druck auf die Regierungen zurückschrecken würden, lassen sich in diesem Wachstumsmarkt Dinge gefallen, die sie anderswo niemals akzeptieren würden. In China ist der Diebstahl von Technologie gang und gäbe, er ist sogar eine Art Staatszweck. Rechtssicherheit ist ein Fremdwort in diesem Land. Allein der Blick auf die gewaltigen Chancen macht die Manager blind und stumm. Unternehmer müssen keine Freiheitskämpfer sein. Niemand kann ernsthaft erwarten, dass sie mit kritischen Bemerkungen über die Regierung in Peking ihre Geschäfte gefährden. Das ist Sache ihrer Politiker. Aber wenigstens sollten es die Wirtschaftsvertreter unterlassen, die politischen Verhältnisse in China schönzureden.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/google-vorbildlich-in-china-1.23557
Google - Vorbildlich in China
00/03/2010
Google hat den Kampf gegen Chinas Zensoren verloren. Dennoch kann das Unternehmen das Schlachtfeld mit erhobenem Haupt verlassen.
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Mit seinen jahrelangen Schmiergeldzahlungen hat der Autokonzern Daimler 1,9 Milliarden Dollar - also 1,4 Milliarden Euro - extra umgesetzt und dadurch mehr als 90 Millionen Dollar illegalen Gewinn erzielt. Diese Berechnungen hat jedenfalls die amerikanische Börsenaufsicht SEC am Freitag veröffentlicht. Im Zuge ihrer Korruptionsermittlungen wirft die SEC dem Stuttgarter Autobauer vor, der Konzern habe unzulässige Zahlungen in Höhe von mindestens 56 Millionen Dollar vorgenommen. Insgesamt seien mehr als 200 Transaktionen in Ländern wie Russland, China, Griechenland und Ägypten getätigt worden. Die Staatsanwälte des US-Justizministeriums haben bereits Klage gegen zwei Tochterfirmen von Daimler erhoben. Die SEC hatte parallel dazu ein Zivilverfahren gegen Daimler angestrengt. Am 1. April findet vor einem Washingtoner Gericht die Anhörung der Beteiligten statt, der Richter wird über die Anklage von US-Börsenaufsicht und Justizbehörde entscheiden. Zu Millionenzahlungen bereit Den Klägern zufolge hat Daimler zwischen 1998 und 2008 in mindestens 22 Ländern gegen Antikorruptionsgesetze verstoßen. Vor der Anhörung will Daimler den Fall nicht kommentieren. Der Autokonzern sucht einen Vergleich und ist dem Vernehmen nach bereit, 185 Millionen Dollar für eine Beilegung des Verfahrens zu zahlen. Allerdings geben sich die US-Behörden damit nicht zufrieden, sie wollen den Autokonzern drei Jahre lang auf tadelloses Verhalten hin überprüfen. Das soll der ehemalige FBI-Direktor Louis Freeh übernehmen, der auf Wunsch von Daimler schon vor Jahren zur Aufklärung der Korruptionsvorwürfe hinzugezogen wurde. Der Konzern hatte Freeh bereits Ende 2006 als Berater verpflichtet, aber selbst nach seiner Berufung kam es den Ermittlern zufolge zu Bestechungen von ausländischen Beamten. Zufriedene US-Ermittler Unterdessen melden sich erste Firmen zu Wort, deren Mitarbeiter sich schmieren ließen. Der chinesische Mineralölkonzern China Petroleum & Chemical (Sinopec) räumte ein, dass einer seiner Mitarbeiter Bestechungsgeld von den Stuttgartern angenommen habe. Der Mitarbeiter sei deswegen 2006 von einem Gericht in Peking verurteilt worden, teilte das Unternehmen auf seiner Webseite mit. Nicht nur die US-Behörden, auch die Antikorruptionsorganisation Transparency International halten Daimler zugute, seit Auftauchen der ersten Vorwürfe 2004 nicht untätig gewesen zu sein. Die US-Ermittler bezeichneten die Zusammenarbeit als hervorragend. Peter von Blomberg, der Vizechef von Transparency Deutschland, bescheinigte dem Autokonzern, seit 2005 erhebliche Anstrengungen unternommen zu haben, um unethischem Geschäftsgebaren einen Riegel vorzuschieben. Wie aus den Gerichtsunterlagen hervorgeht, war die Konzernspitze gegen 60 verdächtige Manager vorgegangen, 45 von ihnen mussten in den vergangenen Jahren die Firma verlassen. Das bewahrt den Konzern nun offenbar vor noch höheren Bußgeldzahlungen.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/daimler-korruptionsfall-schmierige-milliarden-1.16987
Daimler: Korruptionsfall - Schmierige Milliarden
00/03/2010
Lukrative Korruption: Daimler hat wegen der Schmiergeldzahlungen 1,4 Milliarden Euro mehr umgesetzt. Der Konzern entließ 45 verdächtige Manager.
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Weniger Schulden, weniger Abhängigkeit: GM zahlt einen Teil seiner Verbindlichkeiten an den US-Staat zurück. Außerdem: Die OECD drängt Deutschland zu Steuererhöhungen. Der US-Autohersteller General Motors (GM) zahlt weitere Schulden beim amerikanischen Steuerzahler zurück. GM will bis Ende März eine zweite Rate über insgesamt knapp 1,2 Milliarden Dollar an den US-amerikanischen und den kanadischen Fiskus überweisen. Konzernchef Edward Whitacre äußerte sich zuversichtlich, die kompletten Schulden wie geplant bis zum Juni zu tilgen. Dies würde dann fünf Jahre vor dem eigentlichen Zeitplan gelingen, sagte er. Grund seien die Fortschritte von GM. General Motors war Mitte vergangenen Jahr in die Insolvenz geschlittert. Die US- und die kanadische Regierung halfen dem Autokonzern auf die Beine und sind seitdem Mehrheitseigner. Unter anderem stellten sie direkte Kredite über 6,7 Milliarden Dollar beziehungsweise im Falle Kanadas 1,4 Milliarden Dollar zur Verfügung. Eine erste Rate über insgesamt 1,2 Milliarden Dollar hatte GM im Dezember getätigt. GM hatte sich im Zuge der Insolvenz von Tausenden von Mitarbeitern, ganzen Werken und hohen Kosten für Gesundheit und Pensionen befreit. Das Unternehmen verkaufte die schwedische Tochter Saab, stellte die US-Marken Saturn und Pontiac ein und will auch die Hummer-Geländewagen zur Not abwickeln. Whitacres Ziel ist es, nach fünf verlustreichen Jahren 2010 wieder einen Gewinn zu erwirtschaften. Dabei dürfte dem Konzernchef die angesprungene Kauflaune der Nordamerikaner zugutekommen. Seit Monaten boomt der Automarkt auf dem Kontinent. Mit Spannung wartet die Autowelt aber auf die Jahreszahlen für 2009, die GM noch schuldig ist. Sie sollen in nächster Zeit veröffentlicht werden. OECD drängt Deutschland zu Steuererhöhungen Zur Reduzierung des Haushaltsdefizits hat die OECD der Bundesregierung einen Mix aus Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen empfohlen. Vorrang sollten Kürzungen haben, weil sie weniger schädlich für das Wachstum seien als Steuererhöhungen, heißt es in dem Wirtschaftsbericht für Deutschland. Wenn eine Erhöhung der Steuereinnahmen angestrebt werde, "sollte dies vorzugsweise über den Abbau von Steuervergünstigungen geschehen". Die Regierung sollte eine Erhöhung des Anteils der indirekten Steuern am Gesamtsteueraufkommen in Erwägung ziehen, hieß es in dem Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in Europa weiter. Indirekte Steuern, insbesondere solche auf Immobilien und Verbrauch, seien für das langfristige Wachstum am wenigsten schädlich. Zudem empfahl die OECD der Regierung eine Überprüfung des Mehrwertsteuersystems. Des Weiteren könnte eine weitere Erhöhung der Umweltsteuern in Betracht gezogen werden. Zur Einhaltung der Schuldenbremse müssten die Defizite jedenfalls erheblich reduziert werden, heißt es weiter. Für Ausgabenerhöhungen und Steuersenkungen müsse der erforderliche fiskalische Spielraum erst noch gefunden werden. "Daher ist es wichtig, dass die Bundesregierung in Bälde einen präzisen Plan darüber vorlegt, wie sie die neue Haushaltsregel einzuhalten gedenkt." Post verliert Mehrwertsteuerprivileg Die Deutsche Post verliert ihr Mehrwertsteuerprivileg. Nach dem Bundestag beschloss auch der Bundesrat, dass die Post-Dienstleister bei der Umsatzsteuerbefreiung gleichgestellt werden. Demnach werden ab Juli auch andere Anbieter von Postdiensten von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie zumindest einen Teil der allgemeinen Leistungen wie den Transport von Paketen ständig und flächendeckend anbieten. Zugleich sollen dann auch viele Postleistungen, die bei der Deutschen Post bislang steuerbegünstigt waren, voll der Umsatzsteuer unterliegen. Als einziger Brief-Dienstleister muss die Post derzeit auf das Porto für Postsendungen keine Mehrwertsteuer erheben, weil der ehemalige Staatsmonopolist die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Briefdienstleistungen - den Universaldienst - sicherstellt. Konkurrenten wie die niederländische TNT waren dagegen Sturm gelaufen. Die Änderung war auch aufgrund von Vorgaben durch die Europäische Union notwendig geworden. Der Bundesverband Internationaler Express- und Kurierdienste (BIEK) begrüßte die Entscheidung des Bundesrates. "Die Neuregelung wird zu mehr Konkurrenz bei den Postdienstleistungen führen", hieß es in einer Stellungnahme. Verbraucher könnten nun mit günstigeren Tarifen rechnen.
wirtschaft
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wirtschaft-kompakt-gm-raus-aus-den-schulden-1.2870
Wirtschaft kompakt - GM - raus aus den Schulden
00/03/2010
Weniger Schulden, weniger Abhängigkeit: GM zahlt einen Teil seiner Verbindlichkeiten an den US-Staat zurück. Außerdem: Die OECD drängt Deutschland zu Steuererhöhungen.
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