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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz 2. Senat
Rheinland-Pfalz
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1
30.03.2010
1
Randnummer 1 Der Kläger begehrt die finanzielle Abgeltung von Urlaubsansprüchen. Randnummer 2 Der Kläger, Beamter im Dienst des beklagten Landes und seit dem 6. Juli 2007 ununterbrochen dienstunfähig erkrankt, trat mit Ablauf des 31. Juli 2008 wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand. Bereits mit Schreiben vom 10. Juni 2008 beantragte er, ihm die aus den Jahren 2007 und 2008 zustehenden Urlaubsansprüche – insgesamt 62 Tage – als Ersatz dafür zu vergüten, dass er den Urlaub krankheitsbedingt nicht antreten konnte. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Juni 2008 ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 9. Oktober 2008 zurück. Randnummer 3 In seiner Klage hat der Kläger geltend gemacht, Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 (ABl. L 299 vom 18. November 2003, S. 9) begründe gemäß der Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof auch für Beamte einen Anspruch auf die Abgeltung von Urlaub, der krankheitsbedingt vor der Zurruhesetzung nicht mehr genommen werden konnte. Dem müsse durch eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn Rechnung getragen werden. Die Höhe des Anspruchs belaufe sich in seinem Fall auf 9.980,17 €. Randnummer 4 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 5 das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 zu verpflichten, ihn für krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Erholungsurlaub der Jahre 2007 und 2008 in Höhe von insgesamt 62 Kalendertagen finanziell zu entschädigen. Randnummer 6 Der Beklagte hat beantragt, Randnummer 7 die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Er hat darauf verwiesen, das Alimentationsprinzip schließe einen finanziellen Ausgleich für nicht genommenen Urlaub aus. Randnummer 9 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. Juli 2007 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Urlaubsansprüche des Klägers seien mit dessen Pensionierung erloschen. Die Vorschrift des § 101 Landesbeamtengesetz – LBG – setze ein aktives Beamtenverhältnis voraus. Des Weiteren werde Urlaub nicht als Gegenleistung für erbrachte Arbeit gewährt, sondern diene dem Erhalt der Arbeitskraft. Dieser Zweck könne nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst nicht mehr erreicht werden. Darüber hinaus scheide ein Abgeltungsanspruch aufgrund des im Beamtenrecht geltenden Gesetzesvorbehalts aus. Die für Arbeitnehmer geltende Regelung des § 7 Abs. 4 BUrlG sei in Ermangelung einer Regelungslücke nicht anwendbar. Schließlich seien die Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG auf das Beamtenverhältnis wegen dessen Besonderheit nicht übertragbar. Randnummer 10 In seiner vom Senat zugelassenen Berufung führt der Kläger aus, die begehrte Entschädigung sei keine – gemäß § 2 Abs. 2 Beamtenbesoldungsgesetz (BBesG) unzulässige – Erhöhung der Besoldung, sondern lediglich die Geltendmachung der im Urlaubsanspruch beinhalteten vermögenswerten Leistung. Die Annahme eines strukturellen Unterschiedes zwischen dem Beamten- und dem Arbeitnehmerverhältnis verstoße gegen Art. 48 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft. Auch der Europäische Gerichtshof gehe von einem einheitlichen Beschäftigungsbegriff aus. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich neben einer unmittelbaren Anwendung von Art. 7 Abs. 2 RL 2003/88/EG sowie einer europarechtskonformen Auslegung des nationalen Beamtenrechts aus ungerechtfertigter Bereicherung, dem Grundsatz von Treu und Glauben sowie als Schadensersatz für das Unterlassen der Umsetzung der Arbeitszeitrichtlinie in Landesrecht. Randnummer 11 Der Kläger beantragt, Randnummer 12 den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 zu verpflichten, den Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Oktober 2008 für krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenen Urlaub der Jahre 2007 und 2008 in Höhe von insgesamt 62 Kalendertagen finanziell zu entschädigen. Randnummer 13 Der Beklagte beantragt, Randnummer 14 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verwaltungsvorgänge (1 Heft) verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 21. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht 1. Kammer
Schleswig-Holstein
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22.10.2018
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Randnummer 1 Die Klägerin, Inhaberin eines auf Pferdezucht spezialisierten landwirtschaftlichen Betriebs, begehrt im Rahmen der Agrarförderung die Zuweisung von Zahlungsansprüchen für das Anspruchsjahr 2015 und die nachfolgenden Jahre gemäß der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013. Randnummer 2 Bereits im Jahr 2005 waren der Klägerin Zahlungsansprüche zugeteilt worden. In den Jahren 2005 bis 2012 und im Jahr 2014 erhielt die Klägerin infolgedessen Direktzahlungen. Im Jahr 2013 hatte die Klägerin keinen Anspruch auf eine Direktzahlung. Der Beklagte betrachtete diesen Antrag vom 10. Juni 2013 als verfristet und beschied diesen daher mit Bescheid vom 18. Dezember 2013 ablehnend. Mit Ablauf des Jahres 2014 wurden die der Klägerin zugewiesenen Zahlungsansprüche aufgrund einer Gesetzesänderung eingezogen. Randnummer 3 Am 8. Mai 2015 beantragte die Klägerin infolgedessen die Zuweisung von Zahlungsansprüchen für das Jahr 2015 und die Folgejahre für eine Fläche von 11,5709 ha. In dieser Fläche war auch ein der Klägerin von der Landsitz xxx GbR per Pachtvertrag vom 6. April 2015 überlassenes Flurstück enthalten. Wegen der Einzelheiten des Pachtvertrags wird auf Blatt 9 der Beiakte A verwiesen. Randnummer 4 Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Dezember 2015 ab. Zur Begründung führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass die Klägerin nicht die Voraussetzung für die Zuteilung von Zahlungsansprüchen erfülle. Hierfür sei es erforderlich, dass die Klägerin im Betriebsjahr 2013 zum Erhalt von Zahlungen berechtigt gewesen wäre. Dies sei vorliegend nicht der Fall, da die Klägerin den Auszahlungsantrag für das Betriebsjahr 2013 verspätet gestellt habe. Auch könne sich ein Anspruch auf Zuteilung nicht aus dem vorgelegten Pachtvertrag mit der Landsitz xxx GbR ergeben, da dieser keine Überlassungsvereinbarung bezüglich etwaiger Zahlungsansprüche enthalte. Zugleich benannte der Beklagte eine beihilfefähige Fläche in Höhe von 11,38 ha. Randnummer 5 Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 14. Januar 2016 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie unter anderem vor, dass sie im Jahr 2013 aktive Betriebsinhaberin gewesen sei und sie grundsätzlich zum Empfang von Direktzahlungen berechtigt gewesen sei. Hinzu komme, dass die Antragsvoraussetzungen in allen Jahren vorgelegen hätten und nur der verspätete Posteingang einer Bewilligung im Jahr 2013 entgegengestanden habe. Zudem sei es unverhältnismäßig, dass allein aufgrund eines einmal verspäteten Antragseingangs, Leistungen nun dauerhaft verwehrt würden. Diese Unverhältnismäßigkeit ergebe sich auch daraus, dass das Antragssystem des Beklagten nicht mit dem von der Klägerin verwendeten Computersystem (MacOS) kompatibel sei, sodass die Klägerin entweder andere Computer oder Antragsmöglichkeiten nutzen müsse. Auch habe ihr ein Sachbearbeiter des Beklagten im Jahr 2013 mitgeteilt, dass es infolge der verspäteten Antragstellung nur einmal zu einer Nichtzahlung kommen würde. Randnummer 6 Mit Bescheid vom 26. April 2016 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung wiederholte der Beklagte zunächst sein Vorbringen aus dem Ausgangsbescheid. Ergänzend führte er aus, dass die Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 voraussetze, dass der Betriebsinhaber vor jedweder Kürzung oder jedwedem Ausschluss nach Titel II Kapitel 4 der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 infolge eines Beihilfeantrags auf Direktzahlungen im Jahr 2013 gemäß der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 zum Empfang von Zahlungen berechtigt gewesen sein müsste, damit Zahlungsansprüche zugewiesen werden können. Hierbei beziehe sich die Voraussetzung, dass ein Anspruch vor jedweder Kürzung oder jedwedem Ausschluss bestanden habe müsste, nicht auf einen Ausschluss wegen verspäteter Antragstellung, sondern auf Kürzungen und Ausschlüsse, die aufgrund der Nichteinhaltung der Beihilfekriterien erfolgen würden. Zudem sei die Klägerin bereits Inhaberin von Zahlungsansprüchen gewesen, sodass die Ausnahmeregelung des Art. 24 Abs. 1 Unterabsatz 2 lit. c der Verordnung (EU) 1307/2013 für Betriebsinhaber, die nie Zahlungsansprüche besessen haben, aber am 15. Mai 2013 landwirtschaftlich tätig gewesen sind, keine Anwendung finden könne. Randnummer 7 Hiergegen hat die Klägerin am 27. Mai 2016 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, dass sie die Voraussetzungen für die Zuteilung von Zahlungsansprüchen erfülle. Die Klägerin habe die Betriebsprämie für das Jahr 2013 nur aufgrund einer Kürzung oder Sanktion nicht erhalten, da der formale Fehler einer verspäteten Antragseinreichung nicht anders bewertet werden könne, als wenn jemand aufgrund des Verstoßes gegen Bewirtschaftungsgrundsätze keine Betriebsprämie ausgezahlt bekomme. Die Klägerin führt weiter aus, dass sie durchgängig aktive Betriebsinhaberin gewesen sei und es für die Zuteilung von Zahlungsansprüchen für das Jahr 2015 und die nachfolgenden Jahre allein auf die mögliche Berechtigung des Erhalts der Betriebsprämie im Jahr 2013 ankomme. Der Klägerin sei sonst für immer die Möglichkeit genommen eigene Zahlungsansprüche für ihre Flächen zu erhalten. Hierfür spreche auch das Merkblatt der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen über die Zuweisung von Zahlungsansprüchen im Jahr 2015. In diesem Merkblatt werde ausgeführt, dass unter Kürzung und Ausschluss auch die Ablehnung wegen fehlender Antragsvoraussetzungen, unter anderem bei verspäteter Antragstellung, zu verstehen sei. Randnummer 8 Die Klägerin beantragt, Randnummer 9 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Dezember 2015 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 26. April 2016 zu verpflichten, der Klägerin die am 8. Mai 2015 beantragten 11,38 Zahlungsansprüche zuzuweisen. Randnummer 10 Der Beklagte beantragt, Randnummer 11 die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und wiederholt und vertieft zur Begründung sein Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Der Beklagte trägt ergänzend vor, dass die verspätete Antragstellung nicht zu einer Kürzung oder einem Ausschluss geführt habe, sondern zu einer Unzulässigkeit des Auszahlungsantrags im Jahr 2013. Der Begriff der Unzulässigkeit sei eng auszulegen und der unzulässige Antrag daher so zu behandeln, als sei er nicht gestellt worden. Anderenfalls könnten immer noch Anträge für das Jahr 2013 gestellt werden, um Ansprüche für das Jahr 2015 und die Folgejahre zu generieren. Randnummer 13 Nach Anhörung der Beteiligten hat die Kammer das Verfahren mit Beschluss vom 11. September 2018 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen. Randnummer 14 Das Gericht hat am 19. Oktober 2018 mündlich verhandelt. Wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen. Der Inhalt dieser Unterlagen ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Der Streitwert wird auf 7.514,80 € festgesetzt.
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Hessisches Finanzgericht 3. Senat
Hessen
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28.01.2009
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Randnummer 1 Zwischen den Beteiligten besteht vorrangig Streit über die Frage, ob ein Bescheid über die Festsetzung von Hinterziehungszinsen zur Vermögensteuer wirksam bekannt gegeben worden ist, und hilfsweise über die Frage, ob im Rahmen der Zusammenveranlagung zur Vermögensteuer die Festsetzung von Hinterziehungszinsen gegenüber beiden Ehegatten erfolgen muss. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde: Randnummer 2 Der Kläger hatte im Jahre 1994 gegenüber dem Beklagten (dem Finanzamt) wegen Hinterziehung von Einkommensteuer und Vermögensteuer für die Jahre 1988 bis 1993 eine Selbstanzeige erstattet. Im Rahmen der Veranlagung zur Vermögensteuer hatte das Finanzamt sowohl gegenüber dem Kläger als auch gegenüber seiner damaligen Ehefrau entsprechende Steuerfestsetzungsbescheide erlassen. Dazu hatte es im Adressfeld der mittels EDV erstellten Bescheidausfertigung den Namen des jeweils nicht betroffenen Ehegatten geschwärzt und stattdessen mit Schreibmaschine folgenden Zusatz eingefügt: „Für Herrn A. B. und Frau C. E. gesch. B. “. Randnummer 3 Mit Schreiben vom ...08.1997 teilte das Finanzamt … dem beklagten Finanzamt mit, das gegen den Kläger eingeleitete Steuerstrafverfahren sei inzwischen eingestellt worden, nachdem durch die Zahlung der hinterzogenen Steuern die strafbefreiende Wirksamkeit der Selbstanzeige herbeigeführt worden sei. Dem Schreiben fügte es eine Anlage bei, in der die für die einzelnen Jahre hinterzogenen Beträge aufgelistet sind, so betreffend die Vermögensteuer für das Jahr 1988 der Betrag von … DM. Auf dieser Grundlage erließ das beklagte Finanzamt unter dem Datum vom ...10.1997 einen Zinsbescheid für hinterzogene Steuern über einen Betrag von … DM. Dabei gab es als Adressaten des Bescheids ausschließlich den Kläger an. Randnummer 4 Im Namen des Klägers legte dessen damaliger Steuerberater gegen den Zinsbescheid Einspruch ein (Schreiben vom ...11.1997). Dabei vertrat er zunächst die Auffassung, die Festsetzung von Hinterziehungszinsen sei nicht gerechtfertigt, weil das gegen den Kläger eingeleitete Steuerstrafverfahren eingestellt und damit rechtskräftig festgestellt sei, dass eine Steuerhinterziehung nicht vorliege. Später machte er geltend, es sei verfassungsrechtlich zweifelhaft, ob nach dem Wegfall der Vermögenssteuerpflicht nachträglich noch Bescheide über die Festsetzung von Vermögensteuer sowie von Hinterziehungszinsen zur Vermögensteuer für Zeiträume vor dem 01.01.1997 erlassen werden dürften. Im Hinblick auf die Diskussion, die damals zu der Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum geführt wurde, ordnete das Finanzamt das Ruhen des Einspruchsverfahrens an. Randnummer 5 Im Laufe des weiteren Verfahrens teilte der jetzige Prozessbevollmächtigte dem Finanzamt mit, er habe von dem früheren Steuerberater des Klägers, der inzwischen verstorben sei, das Mandat übernommen (Schreiben vom ...12.2003). Zur Begründung des Einspruchs führte er an, der Kläger habe in Bezug auf die Verkürzung von Vermögensteuer nicht vorsätzlich gehandelt, weil er über eine entsprechende Erklärungspflicht keine Kenntnis gehabt habe. Verfassungsrechtliche Einwendungen gegen die Festsetzung der Hinterziehungszinsen machte er nicht mehr geltend. Nachdem das Finanzamt - u.a. mit dem Hinweis auf den Beruf des Klägers ( … ) - mehrfach das Vorliegen eines Hinterziehungsvorsatzes dargelegt hatte, trug der Prozessbevollmächtigte Folgendes vor: Der Zinsbescheid sei nicht rechtswirksam bekannt gegeben. Der dem Zinsbescheid zu Grunde liegende Vermögensteuerbescheid richte sich gegen den Kläger und seine frühere Ehefrau. Dementsprechend hätte der Zinsbescheid nicht nur gegenüber dem Kläger ergehen dürfen, sondern vielmehr auch gegen die frühere Ehefrau des Klägers gerichtet sein müssen. Randnummer 6 Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus: Der Kläger habe die Merkmale einer Steuerhinterziehung sowohl in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Das Vorliegen eines Hinterziehungsvorsatzes ergebe sich für den Kläger aus seiner beruflichen Stellung sowie aus seinen Vermögensverhältnissen. Der Zinsbescheid sei - entgegen den Einwendungen des Klägers - ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Der Kläger habe in Anbetracht der Tatsache, dass er neben seiner früheren Ehefrau in Bezug auf die festgesetzten Hinterziehungszinsen Gesamtschuldner sei, auch alleine in Anspruch genommen werden dürfen (Einspruchsentscheidung vom ...11.2004). Randnummer 7 Gegen den Zinsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung richtet sich die vorliegende Klage. Zu deren Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte im Wesentlichen folgendes vor: (1) Der Zinsbescheid sei nicht wirksam geworden. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe. Der Kläger habe seinem damaligen Steuerberater eine Zustellungsvollmacht erteilt. Das Finanzamt habe deshalb den Zinsbescheid auch dem damaligen Steuerberater bekannt geben müssen. Tatsächlich sei der Bescheid dem Kläger persönlich übersandt worden. (2) Der Zinsbescheid sei auch inhaltlich fehlerhaft. Denn es fehle - wie bereits im Einspruchsverfahren dargelegt - der Hinweis, wonach sich der Bescheid auch gegen die frühere Ehefrau des Klägers richte. Der Kläger habe infolgedessen nicht die Möglichkeit, die Hälfte der festgesetzten Hinterziehungszinsen von seiner früheren Frau einzufordern. Eine solche Rückforderung sei auch gerechtfertigt, weil die frühere Ehefrau einen Nutzen aus der Vermögensteuerhinterziehung ihres Ehemannes gezogen habe. Sie habe nämlich im Rahmen des Scheidungsverfahrens „einen erheblichen Betrag für den Wertzuwachs des Aktienbestandes erhalten“. Randnummer 8 Der Kläger beantragt, den Bescheid über Hinterziehungszinsen zur Vermögensteuer 1988 vom ...10.1997 sowie die Einspruchsentscheidung vom ...11.2004 aufzuheben. Randnummer 9 Das Finanzamt beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Zur Begründung trägt es im Wesentlichen Folgendes vor: (1) Es sei zwar zutreffend, dass der Kläger seinem früheren Steuerberater eine Zustellungsvollmacht erteilt habe. Dieser Umstand sei hier jedoch nicht von entscheidender Bedeutung. Maßgebend sei vielmehr die Tatsache, dass der frühere Steuerberater des Klägers fristgerecht Einspruch gegen den strittigen Zinsbescheid erhoben habe. (2) Weiter sei es zutreffend, dass sowohl der Kläger als auch seine frühere Ehefrau in Bezug auf die festgesetzten Hinterziehungszinsen Gesamtschuldner seien. In einem solchen Fall ermögliche die Vorschrift des § 155 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) den Erlass zusammengefasster Bescheide, schreibe dies jedoch nicht vor. Es könnten auch Einzelbescheide ergehen. Die Frage, ob aufgrund des Zinsbescheides ein interner Ausgleich zwischen den früheren Ehegatten als Gesamtschuldner möglich sei, habe für das Steuerrecht keine Bedeutung. Zwar sei das Finanzamt verpflichtet, gegenüber Gesamtschuldnern seine Ansprüche geltend zu machen. Es sei aber nicht gehalten, seine Ansprüche gleichzeitig gegenüber allen Gesamtschuldnern geltend zu machen. Randnummer 11 Die den Streitfall betreffenden Akten des Finanzamts waren Gegenstand des Verfahrens.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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VG Darmstadt 5. Kammer
Hessen
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13.09.2016
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Der Beteiligten streiten über einen Kostenerstattungsanspruch in Bezug auf private Zuzahlungen für die Kinderbetreuung durch eine Tagespflegemutter. Der Kläger wurde am 07.01.2012 geboren. Seine Eltern und zugleich Personensorgeberechtigten sind die Eheleute A. und E.. Die Mutter arbeitet 40 Stunden und der Vater 60 Stunden pro Woche. Sie beziehen ein Familienbruttoeinkommen von mehr als 60.000 EUR pro Jahr. Die Eltern des Klägers stellten am 26.01.2012 bei der Gemeinde A-Stadt einen Antrag (sog. Voranmeldung) auf Gewährung eines sog. U3-Platzes "ab Juli od. früher" für die Ganztagsbetreuung des Klägers in einer Krippe der Gemeinde A-Stadt. Mit Schreiben vom 12.03.2013 teilte die Gemeinde R, mit, dass die U3-Plätze ab dem 19.08.2013 belegt und die Zusagen für die vergebenen Plätze bereits versandt seien. Der Kläger werde den nächsten freien Platz erhalten. Am 08.01.2013 wandten sich die Eltern des Klägers erstmalig telefonisch an die Tageseltern Tageskinder Vermittlung (im Folgenden: TTV). Die TTV hat aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit dem Beklagten die Aufgabe, geeignete Tagespflegepersonen an erziehungsberechtigte Personen gem. § 23 Abs. 1 SGB VIII zu vermitteln. Die Eltern bekundeten ihr Interesse an einer Betreuung ihres Sohnes durch eine Tagesmutter. Die TTV übermittelte an die Eltern die Kontaktdaten der Tagespflegemutter Frau D. in A-Stadt, der einzigen zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Tagespflegemutter. Den Eltern wurde mitgeteilt, dass eine weitere Tagespflegemutter kurz vor ihrer Zulassung stehe. Dabei handelte es sich um die Tagespflegemutter P. (geb. S.). Die TTV gab ihre Kontaktdaten zunächst nicht an die Eltern des Klägers weiter, da die Frau Z. noch keine Pflegeerlaubnis besaß. Die Eltern des Klägers führten kurz nach dem Telefonat mit der TTV ein Gespräch mit der Tagespflegemutter D. und erörterten eine mögliche Betreuung des Klägers. Die Eltern meldeten sich anschließend weder bei der Zeugin D. noch bei der TTV. Am 11.04.2013 teilte die Zeugin D. dem TTV mit, dass sie den Kläger nicht betreue und die Eltern sich nicht mehr bei ihr gemeldet hätten. Etwa eine Woche nach dem Treffen mit der Zeugin D. erfuhren die Eltern des Klägers aus ihrer Nachbarschaft von der Tagespflegemutter Z. und wurden aufgrund von dort verteilten Flyern auf deren Betreuungsangebot aufmerksam. Daraufhin nahmen sie Kontakt mit der Tagespflegemutter Z. auf und führten auch mit dieser ein Gespräch über eine mögliche Betreuung des Klägers. Die Eltern des Klägers schlossen mit der Tagespflegemutter Z. am 21.04.2013 eine Betreuungsvereinbarung über die Betreuung des Klägers in der Kindertagespflege ab dem 06.05.2013 ab. Zu diesem Zeitpunkt besaßen die Tagespflegemutter Z. eine Pflegerlaubnis für die Kindertagespflege gem. § 43 SGB VIII. Der Kläger wurde von der Tagespflegemutter Z. an vier Tagen pro Woche von Mai 2014 bis April 2014 im Umfang von 137,6 Stunden und ab Mai 2014 bis zum 10.11.2014 im Umfang von 163,6 Stunden im Monat betreut. Die Eltern des Klägers wandten sich mit Schreiben vom 30.07.2013 an den Beklagten und teilten mit, dass die Gemeinde keinen U3-Platz zur Verfügung stellen könnte. Aufgrund der dadurch notwendigen Betreuung durch eine Tagesmutter entstünden ihnen Mehrkosten in Höhe von 200,00 EUR. Sie baten den Beklagten, bis zum 09.08.2013 zu bestätigen, dass dieser dem Grunde nach für die Erstattung der Mehraufwendungen aufkommen werde. Der Beklagte betreibt keine eigenen Tagespflegeeinrichtungen und hat keinen Einfluss auf die Vergabe von Betreuungsplätzen in den Tagespflegeeinrichtungen anderer Träger. Der Beklagte teilte daraufhin am 08.08.2013 mit, dass er keinen Betreuungsplatz in einer Kindertagesstätte zur Verfügung stellen könnte. Es liege in der Verantwortung der Gemeinde, in ausreichendem Umfang Plätze in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege zur Verfügung zu stellen. Beide Formen der Betreuung stünden gleichberechtigt nebeneinander. Er verwies die Eltern auf die Möglichkeit der Kostenübernahme des von den Eltern zu entrichtenden Kostenbeitrags gem. § 90 Abs. 3 SGB VIII durch das Jugendamt, wenn der Kostenbeitrag die Eltern unzumutbar belaste und übersandte diesen ein entsprechendes Antragsformular. Mit Schreiben vom 22.08.2013 forderte der Kläger vom Beklagten, seine Kostentragungspflicht für die aufgrund der Nichtgewährung eines Kindertagesstättenplatzes entstandenen Schadens dem Grunde sowie der Höhe nach anzuerkennen. Bei dieser Gelegenheit legte der Kläger die Betreuungsvereinbarung mit der Tagespflegemutter Z. vor. Aus dieser ergab sich, dass die Eltern des Klägers zuzüglich zu dem Betrag, den der Beklagte der Tagespflegemutter satzungsgemäß für die Kinderbetreuung gewährt, eine monatliche Pauschale in Höhe von 137,60 EUR zu tragen haben. Der Kläger wurde von Montag bis Donnerstag jeweils acht Stunden pro Tag betreut. Mit Schreiben vom 28.08.2013 teilte der Beklagte dem Kläger ergänzend zu seinem Schreiben vom 08.08.2013 mit, dass es möglich sei, beim Beklagten die Übernahme der Kosten für die Inanspruchnahme einer Tagespflegeperson zu beantragen. Eine Antragstellung wurde empfohlen. Am 10.09.2013 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Förderung in der Kindertagespflege im monatlichen Umfang von 137,6 Stunden bei der Tagesmutter Frau Z. gem. § 23 SGB VIII i. V. m. § 3 der bis zum 31.12.2015 geltenden Satzung des Kreisausschusses des Beklagten vom 08.03.2010, zuletzt geändert durch Änderungssatzung vom 21.02.2011, über die Teilnahme an der Kindertagespflege, die Erhebung von Kostenbeiträgen und die Gewährung einer laufenden Geldleistung im Landkreis (i. F. Tagespflegesatzung; Bl. 26 - 34 der Behördenakte). Der Kläger begehrte die Förderung in der Kindertagespflege ab dem 06.05.2013. Mit Bescheid vom 21.10.2013 erkannte der Beklagte eine monatliche Betreuungszeit von 138,67 Stunden an. Die Bewilligung wurde ausschließlich für die von Frau P. geleistete Tagespflege ab dem 01.08.2014 bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes gewährt und bis zum 31.12.2014 befristet. Nach dem 31.12.2014 sollte dem Kläger ein Kindergartenplatz zur Verfügung gestellt werden. Der Beklagte erklärte im Bescheid, künftig Geldleistungen für Sach- und Förderleistungen gem. § 3 der Tagespflegesatzung in Höhe von 420,00 EUR an die Tagespflegemutter Z. auszuzahlen. Zugleich setzte der Beklagte aufgrund des jährlichen Familienbruttoeinkommens der Personensorgeberechtigten von mehr als 60.000,00 EUR einen pauschalierten monatlichen Kostenbeitrag in Höhe von 420,00 EUR fest. Mit einem weiteren Bescheid vom 21.10.2013 wurde der Tagespflegemutter eine laufende Geldleistung in Höhe von monatlich 420,00 EUR für die Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.12.2014 gem. § 23 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGB VIII i. V. m. § 3 der Tagespflegesatzung i. V. m. Anlage 1 gewährt. Gegen den Bescheid vom 21.10.2013, mit dem der Beklagte eine monatliche Betreuungszeit von 138,67 Stunden bewilligt hatte, legte der Kläger am 19.11.2013 durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde durch den Widerspruchsbescheid vom 22.01.2013, zugegangen am 28.01.2014, vom Beklagten zurückgewiesen. Die Entscheidung beruhe auf der Tagespflegesatzung. Zusatzvereinbarungen mit der Tagesmutter, die über die in der Tagespflegesatzung festgelegten Leistungen hinausgingen, könnten nicht berücksichtigt werden. Anspruchsinhaber für die in § 23 Abs. 2 SGB VIII geregelte laufende Geldleistung sei nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut die Pflegeperson und nicht die Personensorgeberechtigten. Der Kläger könne daher keine Ansprüche geltend machen, die sich auf die Höhe der Geldleistungen nach § 23 Abs. 2 SGB VIII bezögen. Daraufhin hat der Kläger am 28.02.2014 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben. Ursprünglich hat der Kläger die Höhe des Erstattungsanspruchs mit der Differenz zwischen den Kosten der Betreuung durch die beauftragte Tagespflegemutter und dem finanziellen Aufwand bei einer Betreuung in der Kindertagesstätte "T." beziffert. So forderte der Kläger mit Schriftsatz vom 06.08.2014 von dem Beklagten ursprünglich die Zahlung eines Betrages in Höhe von 3.836,08 EUR sowie eine laufende monatliche Geldleistung in Höhe von 269,70 EUR. Mit dem zuletzt gestellten Antrag vom 28.06.2016 macht der Kläger nur noch die Differenz zwischen den Kosten der Betreuung bei einer Tagespflegemutter ohne private Zuzahlung und den vorliegend tatsächlich aufgewandten Betreuungskosten (ohne Verpflegung) bei der Tagesmutter Z., die einen Mehrbetrag von 1,00 EUR pro Stunde verlangte, geltend. Mit Schriftsatz vom 28.06.2016 passte der Kläger die Klage dem veränderten Rechtsschutzziel an, indem er nur noch die Erstattung eines Betrags in Höhe von 2.746,60 EUR forderte. Zum Nachweis der angefallenen Betreuungskosten legte der Kläger die Betreuungsvereinbarung mit der Tagespflegemutter Z., Rechnungen über Betreuungsbeiträge, eine Bestätigung über eine Zahlung für die Betreuung im Monat November 2013 sowie drei Anlagen zu den Rechnungen für die Betreuung in den Monaten Mai bis Juli 2014 vor, die von der Tagespflegemutter ausgestellt waren. Für die Betreuung des Klägers im Umfang von 137,6 Stunden in den Monaten Juli 2013 bis April 2014 seien monatliche Mehrkosten in Höhe von 137,60 EUR entstanden. Zum Nachweis legte der Kläger Rechnungen für die Monate Juli 2013 bis Oktober 2013 und Dezember bis April 2014 vor. Diese weisen einen Gesamtbetrag in Höhe von 626,40 EUR aus, der sich aus folgendermaßen zusammensetzt: - 420,00 EUR Betreuungsgeld nach dem Betreuungssatz des Beklagten, - 137,60 EUR als Zuzahlung und - 68,80 EUR Essensgeld. Als Nachweis für die Zahlung eines Zuzahlungsbetrages in Höhe von 137,60 EUR für die Betreuung im November 2013 legte er eine Bescheinigung der Tagespflegemutter Z. vor. Für die Betreuung des Klägers im Umfang von 163,4 Stunden in den Monaten Mai 2014 bis Oktober 2014 seien monatliche Mehrkosten in Höhe von 228,40 EUR entstanden. Die vorgelegten Rechnungen für die Betreuung im Zeitraum von Mai 2014 bis Juli 2014 weisen lediglich die Gesamtbeträge des monatlichen Betreuungsgeldes (338,40 EUR, 290,40 EUR bzw. 314,40 EUR) aus. In den drei Anlagen zu den Rechnungen für die Betreuung in diesem Zeitraum wird ein monatlicher Zuzahlungsbetrag in Höhe von 163,40 EUR sowie ein "Aufstockungsbetrag zur Zahlung vom Landkreis 420,00 Restbetrag auf 485,00" in Höhe von 65,00 EUR ausgewiesen. Für den Zeitraum vom August 2014 bis Oktober 2014 legte der Kläger drei Rechnungen vor. Diese weisen einen Gesamtbetrag in Höhe von 292,90 EUR aus, der sich folgendermaßen zusammensetzt: - 65,00 EUR "Betreuungsgeld Landkreis (420,00) Restbetrag auf 485,00", - 163,40 EUR als Zuzahlung und - 64,50 EUR Essensgeld. Die Betreuungsvereinbarung zwischen den Eltern des Klägers und der Tagespflegemutter Z. wurde mit Wirkung zum 11.11.2014 von den Parteien aufgehoben. Seit diesem Zeitpunkt besucht der Kläger eine Kindertagesstätte. Mit zwei Bescheiden vom 20.11.2014 stellte der Beklagte die Förderung des Klägers in der Kindertagespflege sowie die Gewährung der laufenden Geldleistung an die Tagespflegemutter zum 31.10.2014 ein und hob die betreffenden Bewilligungsbescheide mit Wirkung zum 01.11.2014 auf. Der Kläger stützt sein auf Erstattung der Zuzahlungen an die Tagespflegeperson gerichtetes Klagebegehren auf einen Aufwendungsersatzanspruch gem. § 36 a Abs. 3 SGB VIII analog. Der Beklagte habe weder einen Betreuungsplatz in einer Tagespflegeeinrichtung noch in der Kindertagespflege nachgewiesen, der die gesetzlichen Anforderungen nach § 24 Abs. 2 SGB VIII erfüllt hätte. Zum Zeitpunkt des Treffens der Eltern des Klägers mit der Zeugin D. habe kein zuzahlungsfreier Betreuungsplatz zur Verfügung gestanden. Diese habe die Betreuung des Klägers nur gegen eine private Zuzahlung übernehmen wollen. Dies ergebe sich aus dem handschriftlichen Eintrag über die Höhe des Stundelohns in dem Entwurf des Betreuungsvertrages. Ein weiteres Zuwarten sei für die in Vollzeit beschäftigten Eltern des Klägers aufgrund des bestehenden Betreuungsbedarfs nicht mehr zumutbar gewesen. Sie seien aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit auf eine frühzeitige Planungssicherheit angewiesen gewesen. Daher sei es in zeitlicher Hinsicht geboten gewesen, den Kläger im Alter von 15 Monaten in die Obhut einer selbst beschafften Tagespflegeperson zu geben, da keine anderweitige Betreuungsmöglichkeit bestand. Die Eltern des Klägers hätten keine Mitwirkungspflichten verletzt und sich insbesondere nach dem Gespräch mit der Zeugin D. nicht erneut an die TTV wenden müssen. Die TTV habe mitgeteilt, dass außer der Tagesmutter D. keine weitere Tagesmutter zur Verfügung stünden und erst in den nächsten Tagen bis Wochen eine neue Tagespflegemutter zugelassen würde. Bei dieser Frau handelte es sich um die später beauftragte Tagespflegemutter Z.. Hätten die Eltern des Klägers vor Abschluss der Zusatzvereinbarung mit Frau Z. erneut bei der TTV nachgefragt, so hätten diese nur erfahren, dass Frau Z. als Tagespflegemutter zugelassen worden sei. Der Beklagte sei verpflichtet, angefallene Mehrkosten für die Kinderbetreuung im Zeitraum von Juli 2013 bis Oktober 2014 in Höhe von 2.746,40 EUR zu erstatten. Es sei unerheblich, dass der Beklagte keinen Einfluss auf die Gestaltung einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Personensorgeberechtigten und der Tagespflegeperson habe. Der Beklagte habe den Abschluss der Vereinbarung dadurch veranlasst, indem er es pflichtwidrig unterlassen habe, den gesetzlichen Betreuungsanspruch des Klägers zu erfüllen. Daher sei den Eltern des Klägers lediglich die Möglichkeit geblieben, den Kläger gegen Zahlung eines vereinbarten Zusatzentgelts bei der Tagespflegemutter Z. in Betreuung zu geben. Andernfalls hätte die Gefahr bestanden, dass der Kläger keinen Betreuungsplatz mehr erhält. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Beklagte eine Kostenerstattung verweigere. Aufgrund der Selbstbeschaffung seitens der Eltern des Klägers sei die finanzielle Belastung geringer als bei einer Beauftragung der Zeugin D.. Ab dem Monat Mai 2014 sei der Umfang der Betreuung ausgeweitet worden. Dies sei nicht durch den Beklagten zu genehmigen gewesen. Der Beklagte wäre vorliegend allenfalls darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass die Betreuung des Klägers erhöht wird, damit die Eltern des Klägers einem höheren Arbeitspensum nachkommen können. Diese Erhöhung des Betreuungsumfanges für den Kläger hätte der Beklagte jedenfalls nicht beanstandet. Die Erhöhung des Betreuungsumfangs sei notwendig und daher förderungsfähig gewesen. Der Kläger beantragt, den Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2014, zugestellt am 28.01.2024, abzuändern und an den Kläger 2.746,40 EUR für Mehraufwendungen an die Tagespflegeperson des Klägers zu erstatten. Die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte widerspricht der Umstellung des Klageantrags und hält diese für eine unzulässige Klageänderung. Soweit der Kläger vom Beklagten nunmehr nur noch die Erstattung der mit der Tagespflegemutter vereinbarten Zusatzzahlungen fordert, könne dieser Anspruch nur auf eine entsprechende Anwendung des § 36 a Abs. 3 SGB VIII gestützt werden. Dies sei keine bloße Reduzierung des Leistungsbegehrens, sondern stelle sich als Aliud zum ursprünglichen Klagebegehren dar. Er trägt vor, dass der angegriffene Bescheid rechtmäßig sei und der geltend gemachte Anspruch schon dem Grunde nach nicht bestehe. Er bezieht sich auf die Begründung des angegriffenen Bescheids sowie des Widerspruchbescheids. Es liege kein sog. Systemversagen vor und damit fehle es an einer Voraussetzung für den Anspruch nach § 36 a Abs. 3 SGB VIII in entsprechender Anwendung. Der Betreuungsanspruch nach § 24 Abs. 2 SGB VIII sei jedenfalls durch die Vermittlung der Zeugin D. erfüllt worden. Diese hätte zum Zeitpunkt des Beginns der Tagespflege am 06.05.2013 die Betreuung des Klägers ohne einen privaten Zuzahlungsbeitrag übernommen. Die Eltern des Klägers hätten bei der Kontaktaufnahme mit der Tagespflegeperson das ihnen übergebene Vertragsformular nicht hinterfragt. Die Eltern des Klägers hätten die Zeugin D. als Tagespflegemutter abgelehnt, weil sie aufgrund ihrer Herkunft und Religion kein Interesse an der Betreuung ihres Kindes durch diese hatten. Sie hätten den verlangten Beitragssatz aus diesem Grund nicht hinterfragt und sich nicht nach den Kosten einer Betreuung erkundigt, die bei einer allein öffentlich geförderten Betreuung angefallen wären. Daher käme es auch nicht darauf an, ob die Zeugin die Betreuung tatsächlich zuzahlungsfrei übernommen hätte. Die Erfüllung des Betreuungsanspruchs des Klägers aus § 24 Abs. 2 SGB VIII scheitere auch nicht deshalb, weil die Tagespflegeperson und die Personenberechtigten eine private Zuzahlungsvereinbarung über die Betreuungskosten abgeschlossen hätten. Das Gesetz sehe keine generelle Kostenfreiheit für die Kinderbetreuung vor. Die Praxis des Beklagten, der auch bei selbst gefundenen Tagespflegepersonen die gesetzlichen Leistungen gewährt, sichere den Zugang zu einer Kinderbetreuung. Ein Ausgleich etwaiger finanzieller Härten erfolge über § 90 Abs. 3 und 4 SGB VIII. Zusätzlich vereinbarte Betreuungsentgelte unterlägen diesem System allerdings nicht. Hierbei sei aber zu berücksichtigen, dass sich die Eltern des Klägers bewusst für die von ihnen nachgewiesene Tagespflegeperson und eine private Zuzahlung entschieden hätten, weil sie die später beauftragte Tagespflegemutter für besonders geeignet hielten. Es sei dem Beklagten nicht vorzuwerfen, dass er es der Zeugin D. nicht untersagt hat, eine private Zuzahlung von den Eltern der betreuten Kinder zu verlangen. Er dürfe die Gewährung von Leistungen an Tagespflegepersonen nicht davon abhängig machen, dass diese keine privaten Zuzahlungen von den Personensorgeberechtigten des betreuten Kindes erheben. Dies stelle einen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit und Privatautonomie der Tagespflegeperson ein. Im Unterschied zur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen fehle in Hessen eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für ein Zuzahlungsverbot. Selbst wenn man annähme, dass der Betreuungsanspruch des Klägers nicht erfüllt sei, sei dies dem Beklagten jedenfalls nicht zuzurechnen. Die Eltern des Klägers hätten bei der Erfüllung des Betreuungsanspruchs durch den Jugendhilfeträger ihre Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 ff. SGB I verletzt und durch ihr Verhalten die Entstehung der zusätzlichen Aufwendungen letztlich selbst verursacht. Dem Kläger sei die fehlende Mitwirkung seiner gesetzlichen Vertreter zuzurechnen. Soweit die Eltern, aus welchen Gründen auch immer, die von der TTV angebotene Tagespflegeperson für ungeeignet zur Betreuung des Klägers hielten, hätten sie sich rechtzeitig erneut an den Beklagten wenden müssen, um ihm die Möglichkeit einzuräumen, den Förderbedarf auf andere Weise zu decken. Zwischen dem Nachweis der Zeugin D. am 08.01.2014 durch die TTV bzw. der ersten Kontaktaufnahme mit der Tagespflegemutter Z. und dem Abschluss des Betreuungsvertrages am 21.04.2013 seien vier Monate vergangen. Die Eltern des Klägers hätten während dieser Vorlaufzeit hinreichend Gelegenheit gehabt, um sich erneut an die TTV zu wenden und auf die mangelnde Eignung der Tagespflegeperson hinweisen können. Sie hätten zudem gegenüber der Zeugin D. darauf hinweisen müssen, dass eine Förderung ausschließlich über das Jugendamt erfolgen soll. Aufgrund des zeitlichen Ablaufs könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Selbstbeschaffung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hätte. Soweit es zu einer Zeitnot gekommen sei, hätte dies der Beklagte nicht zu verantworten. Bei einem Betreuungsumfang von 138,67 Stunden pro Monat hätte die Zeugin einen Gesamtbetrag in Höhe von 620,00 EUR als öffentliche Förderung erhalten. Dieser setze sich zusammen aus einer Förderung durch den Beklagten nach der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Kindertagespflegesatzung in Höhe von monatlich 420,00 EUR und einer Landesförderung nach § 32 a Abs. 2 Nr. 1b HKJGB in einer Höhe von monatlich 200,00 EUR. Beim gleichen Betreuungsumfang und einem Stundensatz von 5,00 EUR ergebe sich ein monatlicher Betrag in Höhe von 693,35 EUR. Hiervon seien die Verpflegungskosten abzuziehen, da den Eltern des Klägers insoweit eine häusliche Ersparnis entstehe. Setze man für die Verpflegungskosten den gleichen Betrag wie in dem Vertrag mit der Tagespflegemutter Z. in Höhe von 68,80 EUR an, errechne sich eine Gesamtvergütung von 624,45 EUR. Dieser Betrag sei nur unwesentlich höher als der Gesamtbetrag der öffentlichen Forderung in Höhe von 620,00 EUR. Überdies hätten die Eltern des Klägers den Stundensatz durch Nachverhandeln reduzieren können. Läge man den oberen Mittelwert in Höhe von 4,75 EUR an, ergebe sich eine monatliche Gesamtvergütung in Höhe von 658,68 EUR (4,75 EUR x 138,67 Stunden). Abzüglich der Verpflegungskosten verbleibe ein Betrag in Höhe von 589,88 EUR. Dieser sei ebenfalls niedriger als der Gesamtbetrag der öffentlichen Forderung in Höhe von 620,00 EUR. Es sei unerheblich, dass die Zeugin D. die Landesförderung nach § 32 a HKJGB als Zusatzentgelt angesehen habe. Das im Vertragsentwurf der Zeugin genannte Entgelt in Höhe von 5,00 EUR pro Stunde sei - im Gegensatz zu den vertraglichen Regelungen in der Betreuungsvereinbarung zwischen der Tagespflegemutter Z. und den Eltern des Klägers - nicht in einzelne Vergütungsbestandteile aufgeschlüsselt gewesen und enthalte auch keinen Hinweis auf von den Eltern zu erbringende Zuzahlungen. Für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum vom Juli 2013 bis Oktober 2014 könne allenfalls eine monatliche Zuzahlung in Höhe von 137,60 EUR zu Grunde gelegt werden. Dies bedeute einen Gesamtzuzahlungsbetrag in Höhe von 2.201,60 EUR (16 x 137,60 Euro). Soweit der Kläger für die Monate Mai 2014 bis Oktober 2014 pro Monat zusätzliche Beiträge in Höhe von 65,00 EUR und damit monatliche Gesamtbeträge in Höhe von 163,40 EUR geltend macht, habe er insoweit keine Nachweise für die Zahlung vorgelegt und die Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht schlüssig dargelegt. Der Grund für die Erhöhung des Zuzahlungsbetrages ab Mai 2014 bis Oktober 2014 sei nicht nachvollziehbar. Es müsse eine Vertragsänderung im Rechtsverhältnis zur Tagespflegeperson vorliegen. Der Beklagte habe hiervon keine Kenntnis. Es liege auch keine wirksame Erhöhung der Betreuungszeiten in diesem Zeitraum vor. Der Kläger habe es pflichtwidrig unterlassen, den Beklagten über den erhöhten Betreuungsbedarf in Kenntnis zu setzen. Bei der Feststellung eines individuellen Bedarfs an Betreuungszeiten seien die Voraussetzungen vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe jeweils vorab zu prüfen. Eine willkürliche Erhöhung der Betreuungszeit durch die Eltern des Klägers ohne Beteiligung des Beklagten könne im Rahmen der Selbstbeschaffung nicht zu einer Erhöhung des Aufwendungsersatzes führen. Es sei auch keine geänderte Betreuungsvereinbarung durch den Kläger vorgelegt worden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter gem. § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO erklärt. Der Beklagte hat mit Telefax vom 04.04.2016 sein Einverständnis mit der Entscheidung durch den Berichterstatter wegen einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerrufen und eine Entscheidung des Rechtsstreits durch die Kammer beantragt. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt. Das Gericht hat die Behördenakte (1 Heft) des Beklagten (Az. KiTa-05874) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Es hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin D.. 'Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.06.2016 (Bl. 366 d. A.) verwiesen.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 2.201,60 EUR als Aufwendungsersatz für die Mehrkosten der Kinderbetreuung im Zeitraum vom Juli 2013 bis Oktober 2014 zu zahlen. Der Bescheid vom 21.10.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2014 wird insoweit aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens haben der Kläger zu 2/3 und der Beklagte zu 1/3 zu tragen. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei. Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Berufung wird zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat
Berlin
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23.11.2016
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Randnummer 1 Nach teilweiser Rücknahme der Berufung begehrt die Klägerin nunmehr noch die Zuerkennung eines Grades der Behinderung von 50 ab April 2015. Dem liegt Folgendes zugrunde: Randnummer 2 Mit Bescheid vom 21. Juni 2004 hatte der Beklagte bei der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt und dem die Funktionsbeeinträchtigung Diabetes mellitus zugrunde gelegt. Der insoweit erhobene Widerspruch blieb ebenso erfolglos, wie nachfolgende Neufeststellungsbegehren. Am 14. Oktober 2010 beantragte die Klägerin erneut die Neufeststellung. Sie bedürfe viermal täglich der Insulininjektionen und führe darüber seit 2004 Buch. Mit Bescheid vom 20. Januar 2011 lehnte der Beklagte die Neufeststellung ab und führte zur Begründung aus, zwar erfolge viermal täglich eine Blutzuckerbestimmung, jedoch nur dreimal täglich eine Anpassung der Insulindosis. Die Kriterien für einen höheren GdB als 40 seien damit nicht erfüllt. Auf den Widerspruch der Klägerin, den diese damit begründete, dass sie mindestens viermal täglich Insulin spritze, oft sogar ein fünftes mal, hielt der Beklagte an seiner Einschätzung fest und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2011 zurück. Randnummer 3 Mit der am 11. April 2011 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und vorgebracht, der von ihr betriebene Aufwand für Therapie und Disziplin in ihrer allgemeinen Lebensweise bedeute einen erheblichen Einschnitt in ihre Lebensführung. Darüber hinaus habe sie chronische Harnwegsinfekte und starke Mobilitätseinbußen, so dass sie aufgrund eigener Entscheidung davon absehe, weiterhin Auto zu fahren. Auch habe sie von der früheren Angewohnheit Abstand genommen, viel ins Ausland zu reisen und könne nunmehr nur noch in ein Hotel in Tunesien fahren, wo speziell auf die von ihr benötigte Ernährung geachtet würde und im Notfall eine Versorgung gewährleistet sei. Auch beruflich sei sie psychisch beeinträchtigt. Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt und darüber hinaus den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Neurologie Dr. L mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten ist der Sachverständige zu der Einschätzung gelangt, die Klägerin leide auf seinem Fachgebiet unter keinerlei Funktionsbeeinträchtigungen. Außerhalb seines Fachgebietes sei festzustellen, dass die Klägerin an Diabetes mellitus Typ I leide, einem arteriellen Bluthochdruckleiden, das medikamentös eingestellt sei, einem metabolischen Syndrom sowie schließlich unter rezidivierenden Harnwegsinfekten. Zu vergeben sei insoweit lediglich ein GdB von 40 für den Diabetes. Randnummer 4 Mit Urteil vom 9. April 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ist insoweit zur Begründung im Wesentlichen den Ausführungen des Sachverständigen gefolgt. Mit der am 27. Mai 2014 eingelegten Berufung hat die Klägerin ihr Begehren ursprünglich weiter verfolgt und hierzu ausgeführt, sie sei durch erhebliche Einschnitte gravierend in der Lebensführung beeinträchtigt. Diese seien auf die Erkrankung an Diabetes mellitus zurückzuführen. Insoweit wiederholt sie das Vorbringen zum Führen eines Kraftfahrzeuges und zu den Auslandsreisen und bringt ergänzend vor, sie könne ihre Tätigkeit als Zugbegleiterin nicht mehr im Nachtschichtdienst versehen und erleide dadurch einen Einkommensverlust. Randnummer 5 Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Facharztes für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. M, der die Klägerin am 28. April 2015 untersucht hat und zu der Einschätzung gelangt ist, die Klägerin leide unter einem Diabetes mellitus Typ I mit fortgesetzter intensivierter Insulintherapie und befriedigender bis guter Stoffwechselkontrolle, arterieller Hypertonie, pharmakologisch gut kontrolliert, Hypercholesterinämie, pharmakologisch ordentlich kontrolliert, langjähriger Adipositas Grad II, weiterhin inkomplettem metabolischem Syndrom, leichtgradigem Lumbalsyndrom ohne Defizite sowie rezidivierenden Harnwegsinfekten. Insgesamt komme weder dem Bluthochdruck noch dem Übergewicht noch der Fettstoffwechselstörung oder dem Lumbalsyndrom eine Bedeutung als alltagsrelevante Behinderung zu, insoweit sei allenfalls ein GdB von 10 gerechtfertigt. Einzig der fortbestehende und gut kontrollierte Diabetes mellitus Typ I sei GdB-relevant und mit einem GdB von 40 angemessen bewertet. Randnummer 6 Während des Begutachtungsverfahrens hat die Klägerin sich auf eine Verschlimmerung ihrer Knieprobleme berufen und insoweit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Ferner hat die Klägerin die Berufung zurückgenommen, soweit sie die Zeit bis April 2015 betrifft. Im Übrigen ist sie der Bewertung der Diabetes-Erkrankung mit einem GdB von 40 entgegengetreten und hat ausgeführt, ein relevanter erheblicher Einschnitt in der Lebensführung liege bei einer Verkürzung der Arbeitszeit vor. Dem müsse dann aber der Verzicht auf Nachtschicht gleichgestellt werden. Mit ergänzender Stellungnahme vom 19. November 2015 hat der Sachverständige Dr. M ausgeführt, aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass die Problematik beider Kniegelenke durch eine Behandlung einer nachhaltigen Besserung hätte zugeführt werden können. Im April 2015 habe er keine relevanten Funktionsdefizite in der Beweglichkeit der großen Gelenke feststellen können. Hinsichtlich der Diabeteserkrankung sei festzuhalten, dass eine konkrete Anpassung der Insulindosen nur sehr selten erfolgt sei und erfolgen müsse. Es habe sich kein Hinweis darauf ergeben, dass Durchschlafstörungen der Klägerin diabetesbedingt seien. Nächtliche Blutzuckerentgleisungen habe die Klägerin ausdrücklich nicht benannt. Es sei bei ihm der Eindruck entstanden, dass die Klägerin den Verzicht auf Nachtschichten nicht als eine Belastung in ihrer Lebensführung, sondern vielmehr als deutliche Entlastung begriffen habe. Insgesamt verbleibe er bei seiner Bewertung des Diabetes mit einem GdB von 40. Randnummer 7 Die Klägerin beantragt, Randnummer 8 das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. April 2014 zu ändern und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 20. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2011 zu verpflichten, bei ihr mit Wirkung ab April 2015 einen Grad der Behinderung von 50 festzustellen. Randnummer 9 Der Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 11 Am 6. Oktober 2016 wurde bei der Klägerin im rechten Knie eine Totalendoprothese implantiert. Randnummer 12 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Inhalt der Streitakte sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen. Er ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 9. April 2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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SG Berlin 166. Kammer
Berlin
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05.06.2020
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten – wie auch in zahlreichen weiteren Verfahren – über die Erstattung der von der Klägerin geleisteter Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Streitig ist, ob die Beklagte befugt war, gegenüber der Klägerin von ihr an deren Versicherten erbrachte Leistungen abzurechnen. Randnummer 2 Die Klägerin ist eine Innungskrankenkasse mit Sitz in Saarbrücken. Sie entstand am 1. Juli 2009 aus der Fusion der IKK Südwest-Direkt und der IKK Südwest-Plus. Randnummer 3 Die Beklagte, mit Sitz in Berlin, ist Trägerin der M.-Klinik N., einem Fachkrankenhaus für Psychiatrie und Psychotherapie. Für diese Klinik wurde im Jahr 1971 zwischen dem damaligen „S.-Krankenhaus für Nerven- und Gemütsleiden“ und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. sowie dem Verband der Arbeiterersatzkassen e.V. auf der Grundlage von § 371 Reichsversicherungsordnung (RVO) ein Vertrag geschlossen, wonach das Krankenhaus den aufgrund dieses Vertrages mit einem Kostenverpflichtungsschein eingewiesenen Mitgliedern und deren familienhilfeberechtigten Angehörigen einer diesen Vertrag anerkennenden Krankenkasse nach den Erfordernissen des vorliegenden Krankheitsfalles, unter Nachweis der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, Pflege und Behandlung in der allgemeinen Pflegeklasse gewährt. Der Vertrag regelte überdies die Höhe der Vergütung und die Abrechnung der Leistungen. Er trat am 1. Juli 1971 in Kraft und konnte vierteljährlich zum Schluss eines Kalenderjahres schriftlich gekündigt werden. Mit Schreiben vom 21. Oktober 1971 teilte der Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. dem Krankenhaus mit, welche Ersatzkassen den Vertrag als für sich verbindlich anerkannt haben. Randnummer 4 Die Klägerin, als Innungskrankenkasse bzw. eine ihrer Rechtsvorgängerinnen gehörten nicht dazu und haben den Vertrag auch in der Folgezeit nicht als für sich verbindlich anerkannt. Randnummer 5 Im Jahr 1993 übernahm die Beklagte das Krankenhaus und nannte es in F.Klinik um. Randnummer 6 Mit Datum vom 11. Dezember 1996 stellte das Regierungspräsidium Freiburg für die F.-Klinik eine „Statusbestätigung für das Krankenhaus“ aus, in der es wörtlich heißt: Randnummer 7 „Die F. Klinik (früher S.Krankenhaus) ist ein Vertragskrankenhaus nach § 108 Nr. 3 SGB V i.V.m. § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Die F. Klinik ist somit ein Krankenhaus im Sinne des § 107 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 2 Nr. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Randnummer 8 Die Vertragsparteien führen jährlich mit der F. Klinik unter Beachtung der Vorschriften des SGB V mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des KHG und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV). In den Verhandlungen wird berücksichtigt, daß die Einrichtung ein nicht gefördertes Krankenhaus ist (§§ 8 und 17 BPflV). Randnummer 9 Die F. Klinik gehört zur Krankenhaus-Gruppe 19 unter der die Fachkrankenhäuser für Psychiatrie und/oder Neurologie geführt werden. Randnummer 10 Seit Bestehen der Klinik werden die Krankenhauspflegesätze vom Regierungspräsidium Freiburg (Genehmigungsbehörde) nach § 18 Abs. 5 Satz 1 KHG i.V.m. § 20 Abs. 1 BPflV genehmigt.“ Randnummer 11 Auf den Internetseiten der Beklagten heißt es unter anderem (https://www.........../,) aufgerufen am 18. Mai 2019): Randnummer 12 „Die Klinik besitzt einen Versorgungsvertrag nach § 108/109 SGB V. Es bestehen Verträge mit allen Ersatz-, Post-, Bahn-, Polizei- und Privatkassen. Von allen anderen als den oben genannten Krankenkassen wird vorab eine verbindliche Kostenzusage benötigt.“ Randnummer 13 Das Krankenhaus der Klägerin war und ist nicht im Verzeichnis der zugelassenen Krankenhäuser (nach § 108 Nr. 2 SGB V) des Landes Baden-Württemberg, auch nicht als Vertragskrankenhaus, verzeichnet (https://sozialministerium.baden-wuerttemberg.de/de/gesundheit-pflege/krankenhaeuser/krankenhausplanung/). Randnummer 14 Die Beklagte behandelte den bei der Klägerin versicherten Herrn S. G. stationär in der Zeit vom 27. November 2013 bis 20. Dezember 2013. Es handelte sich hierbei nicht um eine Notfallbehandlung. Die vollstationäre Behandlung war über den gesamten Zeitraum medizinisch erforderlich, was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist. Randnummer 15 Die Beklagte übermittelte der Klägerin zu Abrechnungszwecken über den elektronischen Datenaustausch (DTA) die erforderlichen Daten und stellte ihr für die stationäre Behandlung einen – der Sache und der Höhe nach ebenfalls unstreitigen – Betrag in Höhe von 4202,05 € in Rechnung, den die Klägerin, unter Abzug der geleisteten Zuzahlungen, in Höhe von 3962,05 € beglich. Randnummer 16 Im Jahr 2017 kam die Klägerin nach interner Prüfung zu dem Ergebnis, dass zwischen ihr und der Beklagten keine Vertragsbeziehungen vorliegen würden, die eine Abrechnung medizinischer Leistungen seitens der Beklagten tragen würden. Sie erkundigte sich hierbei (über die IKK classic) beim VdEK nach dem Vorliegen von Vergütungsverträgen der Klinik (sowie einer weiteren Klinik der Klägerin). Randnummer 17 Den von der Klägerin außergerichtlich geltend gemachten Erstattungsanspruch lehnte die Beklagte ab. Randnummer 18 Die Klägerin hat am 30. Oktober 2017 Klage erhoben, mit der sie ihr Erstattungsbegehren weiterverfolgt. Sie ist der Ansicht, der Beklagten habe für den streitigen Behandlungsfall kein Vergütungsanspruch zugestanden, weshalb sie die bereits gezahlte Vergütung zu erstatten habe. Für die Klinik der Beklagten bestehe kein für die Klägerin geltender Versorgungsvertrag. Der im Jahr 1971 auf der Grundlage von § 371 Abs. 2 RVO geschlossene Vertrag gelte nach § 109 Abs. 3 S. 3 SGB V nur in dem seinerzeit geltenden Umfang fort und binde die Klägerin ebenso wenig wie die vom Regierungspräsidium Freiburg 1996 ausgestellte Bescheinigung, die keine konstitutive Wirkung entfalte, sondern nur den nach Maßgabe des § 109 Abs. 3 Satz 3 SGB V gewährleisteten Bestandsschutz und dessen Fortgeltung nach dem 1993 erfolgten Trägerwechsel nebst Umbenennung feststelle. Dieser könne nicht weitergehen, als der Status quo der seinerzeit geschlossenen Verträge. Der Erstattungsanspruch sei nicht entsprechend § 814 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgeschlossen gewesen. Die Klägerin habe keine positive Kenntnis von ihrer fehlenden Leistungspflicht gehabt. Da der Klinik ein eigenes Institutskennzeichen erteilt worden sei und sie den gesamten Datenaustausch per DTA-Verfahren vorgenommen habe, habe für sie, die Klägerin, auch keine Möglichkeit bestanden, manuell in den Vortrag einzugreifen. Im Rahmen der automatisierten maschinellen Zahlungsanweisung erfolge anhand der DTA-Einspielungen lediglich eine automatisierte Plausibilitätsprüfung in Bezug auf die inhaltliche Richtigkeit der Rechnung. Erkenne das System keine Auffälligkeiten, bestehe für sie keine Möglichkeit, aktiv in den Prozess einzugreifen bzw. die Zahlung zu stoppen. Ihr sei daher erst nach erfolgter Abrechnung und Zahlung des Betrages an die Beklagte aufgefallen, dass für die Klinik kein Versorgungsvertrag bestehe. Auf Vertrauensschutz oder ein treuwidriges Verhalten der Klägerin könne sich die Beklagte schon deshalb nicht berufen, weil sie ausweislich ihrer eigenen Internetseite selbst davon ausgehe, dass ihr Zulassungsstatus nur gegenüber den Ersatzkassen gelte und sie von allen anderen gesetzlichen Krankenkassen vorab eine verbindliche Kostenzusage benötige. Zudem habe ihr die Beklagte durch die eigenmächtige Aufnahme der Versicherten und die Abrechnung im DTA-Verfahren eine eigene Willensentscheidung unmöglich gemacht, anstatt – wie auf ihrer eigenen Internetseite dargestellt – vorab eine Kostenzusage einzuholen. Insofern habe sich die Beklagte selbst treuwidrig verhalten. Randnummer 19 Die Klägerin beantragt, Randnummer 20 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 3962,05 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 21 Die Beklagte beantragt, Randnummer 22 die Klage abzuweisen. Randnummer 23 Sie ist der Ansicht, der Klägerin stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zu. Der Versorgungsvertrag der Beklagten ergebe sich vorliegend aus § 8 Abs. 1 Satz 4 Nr. 3 KHEntgG in Verbindung mit dem Statusfeststellungsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg, zu dessen Erlass dieses nach dem Landeskrankenhausgesetz Baden-Württemberg berechtigt gewesen sei. Einzelne Versorgungsverträge mit einzelnen Krankenkassen kenne das Gesetz seit Inkrafttreten des SGB V nicht mehr. Dem Erklärungswert des Feststellungsbescheides sei zu entnehmen, dass das Regierungspräsidium Freiburg eine Gleichstellung der Beklagten mit Vertragskrankenhäusern beabsichtigt habe. Sämtliche Daten seien der Klägerin über den erfolgten Datenträgeraustausch bekannt gewesen. Sofern sie nunmehr behauptet, sie habe erst im Nachhinein festgestellt, dass kein Versorgungsvertrag bestanden habe, handele es sich um eine reine Schutzbehauptung. Es hätten Gespräche zwischen der Klägerin und der Beklagten darüber stattgefunden, dass auf individuelle Kostenübernahmeerklärungen verzichtet werden könnten. Selbst wenn ein Versorgungsvertrag nicht vorgelegen hätte, seien die Umstände, die die Klägerin nunmehr erst im Nachhinein festgestellt haben wolle, ihr seit Jahren und Jahrzehnten bekannt gewesen, da sie selbst die seitens der Beklagten berechneten Entgelte über einen Zeitraum von 20 Jahren anstandslos beglichen habe. Ein etwaiger Erstattungsanspruch sei daher jedenfalls entsprechend § 814 BGB ausgeschlossen. Das Verhalten der Klägerin sei darüber hinaus auch treuwidrig. Die Beklagte verweist dabei auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juli 2019 – L 11 KR 4475/18. Die Beklagte sei davon ausgegangen, aufgrund der der Klägerin seitens des Regierungspräsidiums Freiburg erteilten Statusbestätigung zur Behandlung der Versicherten der Klägerin berechtigt zu sein. Die Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Klägerin ihren Zulassungsstatus verheimlicht oder der Klägerin dazu irgendwelche fehlerhaften Angaben gemacht. Das Gegenteil sei der Fall: Bereits aus dem Homepageauftritt der Beklagten, der der Klägerin positiv bekannt war, sei unmittelbar ersichtlich gewesen, dass die Beklagte mit der Klägerin keinen Versorgungsvertrag geschlossen habe. Das Krankenhaus der Beklagten findet sich auch nicht im Krankenhausplan Baden-Württemberg wieder, der öffentlich einsehbar und der Klägerin selbstverständlich bekannt gewesen sei. Die Klägerin habe ihren Versicherten und der Beklagten gegenüber explizit mitgeteilt, die Beklagte sei zur Behandlung der Versicherten berechtigt und einer gesonderten Genehmigung bedürfe es nicht. Die Klägerin habe regelhaft im Rahmen des Datenträgeraustausches der Beklagten gegenüber Kostenübernahmeerklärungen erklärt und Rechnungen der Beklagten vorbehaltlos beglichen. An ihrem Verhalten müsse sich die Klägerin festhalten lassen. Sie habe über viele Jahre einen Vertrauenstatbestand gesetzt, auf den die Beklagte sich berufen könne und zu Recht berufe. Die Rückforderung des streitgegenständlichen Betrages durch die Klägerin sei treuwidrig. Randnummer 24 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen, sowie auf die Gerichtsakte in dem Verfahren S 81 KR 880/19 WA und der Sitzungsniederschrift über die dortige mündliche Verhandlung am 16. September 2019. Randnummer 25 Die Beteiligten haben das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3962,05 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2017 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 31. Senat
Berlin
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22.03.2012
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, Jahresendprämien und die im Bergbau gezahlte zusätzliche Belohnung (Bergmannsprämie, Bergmannsgeld, Bergbautreuegeld) für die Jahre 1971 bis 1973 und von 1975 bis 1989 als zusätzlichen Verdienst festzustellen. Randnummer 2 Der 1938 geborene Kläger, der berechtigt ist, den Grad eines Diplom-Ingenieurs zu führen, war in der ehemaligen DDR im streitigen Zeitraum als Ingenieur in leitender Funktion bei der Brikettfabrik Lauchhammer Ost bzw. der Brikettfabrik L  tätig. Mit Feststellungsbescheid vom 23. November 1999 stellte die Beklagte die im Zeitraum vom 15. Juli 1958 bis 30. Juni 1990 erzielten Entgelte des Klägers als im Rahmen der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz erzielte Entgelte fest. Randnummer 3 Im Mai 2007 beantragte der Kläger die Überprüfung dieses Feststellungsbescheides nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), da die in der Zeit von 1958 bis 1990 gezahlte zusätzliche Belohnung sowie die Jahresendprämie bislang nicht berücksichtigt worden seien. Eine Anfrage bei der R  GmbH ergab, dass Nachweise gezahlter Prämien im Archiv nicht aufzufinden seien. Beigefügt war eine Auflistung der im genannten Zeitraum erzielten Bruttoarbeitsentgelte. Danach war der Kläger seit 1971 als Produktionsingenieur, Leiter Brikettfabrik, Leiter Brikettfabrik/Produktion, Hauptingenieur-Betriebsleiter, Betriebsleiter sowie sodann als Hauptingenieur Brikettfabrik tätig. Auf weitere Rückfrage teilte die Firma R mit Schreiben vom 25. Februar 2008 mit, dass sich im Archivgut grundsätzlich keinerlei Unterlagen hinsichtlich der Auszahlung von Jahresendprämien befänden. Diese Prämien seien weder in den Lohnunterlagen dokumentiert noch im SV-Ausweis vermerkt worden. Bei Prämienzahlungen habe der Empfänger den Empfang des Geldes in einer Liste bzw. mit der Übergabe der entsprechenden Lohnmarke quittiert. Die Jahresendprämien seien in der Regel bar gezahlt worden. Für derartige Prämiennachweise habe es nach dem Jahre 1989 keine Aufbewahrungspflicht gegeben. Gleiches gelte für die im Bergbau ausgezahlte zusätzliche Belohnung. Im Archivgut befänden sich grundsätzlich keine Unterlagen über die Auszahlung der zusätzlichen Belohnung. Der Empfänger habe den Empfang des Geldes ebenfalls in einer Liste bzw. mit der Übergabe der entsprechenden Lohnmarke quittiert. Auch für diese Listen habe es nach dem Jahr 1989 keine speziellen Aufbewahrungsfristen gegeben. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 05. März 2008 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Jahresendprämie, zusätzlichen Belohnung und Bergmannsprämien als weitere Entgelte ab, da keine Nachweise erbracht worden seien. Randnummer 5 Ein am 15. April 2008 bei ihr eingegangenes Schreiben des Klägers wertete die Beklagte als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X. Der Kläger führte hier aus, dass seinem Parteimitgliedsbuch die gezahlten Mitgliedsbeiträge entnommen werden könnten. Diese seien einkommensabhängig gewesen, so dass hieraus die gezahlten Entgelte einschließlich der Jahresendprämie und des Bergmannstreuegeldes entnommen werden können. Beigefügt waren eine von ihm gefertigte Aufstellung über die seit 1971 bezogenen Jahresendprämien und Bergmannsgelder, Richtlinien für die Beitragskassierung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), gültig ab 01. August 1971, gültig ab 01. Juli 1976 und gültig ab 01. Juli 1986, sowie das Mitgliedsbuch des Klägers mit der Höhe der im Einzelnen entrichteten Parteimitgliedsbeiträge. In diesem sind neben den sonstigen monatlichen Beitragszahlungen für  eine „Treueprämie“ und für eine „JEP“ 1974 und für ein „Bergm. Geld“ für 1982 gesonderte Mitgliedsbeiträge ausgewiesen.  Mit Bescheid vom 23. April 2008 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 05. März 2008 ab, da Nachweise über die geltend gemachten weiteren Entgelte nicht hätten erbracht werden können. Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er ausführte, dass der Eintrag in das Parteimitgliedsbuch eine eindeutige Dokumentation darstelle und die Jahresendprämie in der eingetragenen Höhe ausgezahlt worden sei. Beigezogen wurde eine Zeugenerklärung des Herrn B M, eingegangen bei der Beklagten am 27. Juni 2008, einem ehemaligen Kollegen des Klägers, der ausführte, dass Jahresendprämien und das Bergmannstreuegeld nur noch, soweit vorhanden, durch Eintragungen im Parteidokument nachgewiesen werden könnten. Randnummer 6 Mit Feststellungs-Bescheid vom 30. September 2008 hob die Beklagte ihren Bescheid „vom 15. April 2008“ (gemeint offensichtlich: Bescheid vom 23. April 2008, das Datum des 15. April 2008 ist der Betreffzeile entnommen) auf. Den Bescheid vom 05. März 2008 hob sie auf, soweit er diesem nunmehr erlassenen Bescheid entgegenstehe. Festgestellt wurden in diesem Bescheid für das Jahr 1974 ein erzieltes Arbeitsentgelt von 18.830,20 M (im Gegensatz zu 16.621,87 M im aufgehobenen Bescheid) und für 1982 21.985,98 M (im Gegensatz zu 20.352,65 M im aufgehobenen Bescheid). Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2008 wies die Beklagte den Widerspruch, soweit ihm nicht durch Bescheid vom 30. September 2008 abgeholfen worden sei, zurück. Denn die Überprüfung der im Parteibuch eingetragenen Prämienzahlungen habe ergeben, dass danach höhere Arbeitsentgelte lediglich für die Jahre 1974 und 1982 jeweils zu fünf Sechsteln anzuerkennen seien. Denn nur für diese Jahre enthalte das Parteibuch Eintragungen über Beitragszahlungen aufgrund von Prämien. Für weitere Jahre seien keine Prämienzahlungen anzuerkennen. Randnummer 7 Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Cottbus im Erörterungstermin vom 06. Juli 2009 die vom Kläger genannten Zeugen F B und B M gehört, diesbezüglich wird auf das Ergebnis der Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Der Zeuge B war von ca. 1968 bis 1974 der für den Kläger zuständige Parteisekretär, der die Eintragungen in das Parteibuch des Klägers vorgenommen hatte. Dieser gab an, den prozentualen Parteibeitrag aus Listen errechnet gehabt zu haben, die man aus dem Lohnbüro bekommen habe. Üblich sei es gewesen, dass man die einzelnen Beträge zusammengefasst habe, so dass nur die Gesamtsumme im Parteibuch gestanden habe. Randnummer 8 Mit Gerichtsbescheid vom 18. November 2009 hat das Sozialgericht Cottbus den Bescheid der Beklagten vom 23. April 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2008 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Abänderung der Bescheide vom 05. März 2008 und 30. September 2008 neu zu bescheiden und hierbei die Jahresendprämien für den Zeitraum 1971 bis 1989 und die Bergmannsprämien für die Jahre 1971 bis 1973, 1975 bis 1981 und 1983 bis 1989 zu berücksichtigen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass der vom Kläger angetretene kombinierte Urkunds- und Zeugenbeweis ausreichend für die Glaubhaftmachung der Zusatzprämien sei. Randnummer 9 Gegen diesen ihr am 27. November 2009 zugegangenen Gerichtsbescheid richtet sich die am 02. Dezember 2009 eingegangene Berufung der Beklagten. Die Beklagte verweist auf eine nicht näher bezeichnete und nicht veröffentlichte Entscheidung des Sächsischen LSG zur DDR-Eisenbahnerverordnung. Ferner trägt sie vor, dass die Höhe der zusätzlichen Belohnung im Bergbau leistungsabhängig gewesen sei. Insgesamt hätten keine geeigneten Beweismittel für die Prämienzahlung vorgelegen. Randnummer 10 Die Beklagte beantragt, Randnummer 11 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18. November 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Der Kläger beantragt, Randnummer 13 die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass die Beklagte zur Anerkennung der im Verwaltungsverfahren mitgeteilten Jahresendprämien und Bergmannsgelder verurteilt wird. Randnummer 14 Der Kläger trägt vor, dass das Sozialgericht erstinstanzlich zu Recht die Zahlung der Zusatzprämien als glaubhaft gemacht angesehen habe. Randnummer 15 Auf Nachfrage des Gerichtes, ob die nach den Richtlinien zur Beitragskassierung zu fertigenden Quittungslisten für die Kreisleitung noch vorhanden seien, teilte der Kläger mit, dass derartige Unterlagen oder Quittungslisten nach seinen Erkundungen nicht mehr vorhanden seien. Randnummer 16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie den der Verwaltungsakte der Beklagten.
Auf die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 18. November 2009 wird dieser teilweise abgeändert; im Übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Gerichtsbescheides wie folgt gefasst wird: Der Bescheid der Beklagte vom 05. März 2008 und der Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2008 werden aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung ihres Bescheides vom 23. November 1999 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 30. September 2008 verpflichtet, als zusätzlichen Verdienst folgende Beiträge zu 5/6 zu berücksichtigen: 1971 = 891,46 Mark 1972 = 1 396,71 Mark 1973 = 584,80 Mark 1975 = 2 790,00 Mark 1976 = 2 168,27 Mark 1977 = 1 530,00 Mark 1978 = 1 630,00 Mark 1979 = 3 180,82 Mark 1980 = 2 322,11 Mark 1981 = 1 830,00 Mark 1982 = 1 490,00 Mark 1983 = 3 324,10 Mark 1984 = 2 680,08 Mark 1985 = 3 290,74 Mark 1986 = 2 321,06 Mark 1987 = 3 162,68 Mark 1988 = 3 610,00 Mark 1989 = 2 806,24 Mark Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 16. Kammer
Hessen
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27.05.2013
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages, den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber, die Erteilung eines Zeugnisses sowie über Vergütungsansprüche. Randnummer 2 Die klagende Partei war bei der M, einem Hersteller von Druckmaschinen für den industriellen Bereich, in deren Betrieb in O beschäftigt. Dort war ein Betriebsrat gebildet. Randnummer 3 Mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 25. November 2011 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet und der Beklagte zu 1 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 1. Februar 2012 wurde über das Vermögen der M das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte zu 2 hat den Betrieb am 1.2.2012 erworben. Randnummer 4 Am 23. Januar 2012 vereinbarten die Insolvenzschuldnerin mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters und der Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste. Aus dessen Präambel ergibt sich, dass bis zum Abschluss dieser Betriebsvereinbarung kein Kaufangebot vorlag, das die uneingeschränkte Übernahme des Betriebs in O vorsah und eine uneingeschränkte Übernahme des Betriebs im eröffneten Insolvenzverfahren aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist. Ferner hätten die vorhandenen Kaufinteressenten die Übernahme des Betriebs von der Durchführung einer tiefgreifenden Restrukturierung abhängig gemacht. In § 2 der Betriebsvereinbarung heißt es, dass im Zuge dieser betrieblichen Restrukturierung ein erheblicher Teil der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeiten ersatzlos wegfällt. Gemäß § 3 Abs. 1 Interessenausgleich ist beabsichtigt, den vom Wegfall ihrer Beschäftigungsmöglichkeit betroffenen Beschäftigten betriebsbedingt zum nächst möglichen Termin zu kündigen. Diesen Beschäftigten werde angeboten, ab 1. Februar 2012 auf der Grundlage der BV Auffangstrukturen vom 23. Januar 2012 in eine Transfergesellschaft überzutreten. Nach § 3 Abs. 2 Interessenausgleich wurde eine Sozialauswahl entsprechend den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes nach Altersgruppen durchgeführt. Der Interessenausgleich enthält sodann eine Namensliste, die 957 zu kündigende Mitarbeiter  –darunter die klagende Partei- aufführt. Randnummer 5 Am 23. Januar 2012 fand eine außerordentliche Betriebsversammlung statt, wobei streitig ist, wer daran teilgenommen hat und was im Einzelnen besprochen wurde. Am Nachmittag des 24. Januar 2012 wurden unter den Beschäftigten Vordrucke eines „dreiseitigen Vertrages“ verteilt und diesen eine Frist zur Unterzeichnung bis 30. Januar 2012, 10:00 Uhr, gesetzt. Randnummer 6 Dort ist u.a. Folgendes geregelt: Randnummer 7 § 1 Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit M Randnummer 8 (1) Das Arbeitsverhältnis zwischen M und dem Arbeitnehmer wird auf Veranlassung von M aus betrieblichen Gründen zum Ablauf  31. Januar 2012, 24 Uhr einvernehmlich beendet. Randnummer 9 § 2 Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der P Randnummer 10 1 Laufzeit des befristeten Arbeitsverhältnisses Randnummer 11 (1) Der Arbeitnehmer wird ab dem 1. Februar 2012, 0:00 Uhr bis zum Ablauf des 31. Juli 2012 in die bei der P gem. § 216b SGB II gebildete „betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit“ eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet automatisch mit Ablauf der Befristung, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf. (…) Randnummer 12 Die klagende Partei unterzeichnete den dreiseitigen Vertrag innerhalb der ihr gesetzten Frist. Randnummer 13 Im Anschluss an die Aushändigung des „dreiseitigen Vertrags" fand am 24. Januar 2012 um 18:00 Uhr eine Informationsveranstaltung der P statt, wobei wiederum streitig ist, wer, was im Einzelnen gesagt hat. Randnummer 14 Mit Schreiben vom 16. April 2012 erklärte der Prozessbevollmächtigte der klagenden Partei gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1 (Insolvenzverwalter)  gemäß § 123 BGB die Anfechtung der Willenserklärung der klagenden Partei, die zum Abschluss des Aufhebungsvertrages geführt hat. Eine entsprechende Erklärung gab er auch gegenüber der P ab, wobei er dieser gegenüber noch Folgendes erklärte: „Ich will an dieser Stelle der guten Ordnung halber darauf hinweisen, dass die gegenüber der Insolvenzschuldnerin erklärte Anfechtung des Aufhebungsvertrages den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses zu ihrem Unternehmen nicht beeinflusst, dieses wird vielmehr nach den dort vereinbarten Vertragsbedingungen fortgeführt, mein Mandant wird den Vertrag mit ihnen vollumfänglich erfüllen.“ Randnummer 15 Die klagende Partei hat behauptet, auf der außerordentlichen Betriebsversammlung vom 23. Januar 2012 hätten der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1, die Betriebsratsvorsitzende R und die 1. Bevollmächtigte der I O, W, über die aktuelle Situation berichtet und darauf hingewiesen, dass der Beklagte zu 1 mit Investoren im Gespräch sei, allerdings noch nichts entschieden sei. Die Betriebsratsvorsitzende und die erste Bevollmächtigte der I hätten mitgeteilt, dass mehr als die Hälfte der Beschäftigten nicht weiterbeschäftigt werden könnten, sondern in eine sogenannte Transfergesellschaft (P) überführt werden müssten. Die Auswahl derjenigen Personen, die fortbeschäftigt würden, würde unter sehr strengen sozialen Kriterien korrekt nach Recht und Gesetz erfolgen. Für diejenigen, die nicht weiterbeschäftigt werden könnten, gäbe es keine Alternative zum Übertritt in die P. Dieser sei auch deswegen sinnvoll, weil dadurch die Arbeitslosigkeit um sechs Monate verlängert würde und dies im Hinblick auf die Tatsache, dass 80 % des Nettolohns gezahlt würden, auch finanziell äußerst vorteilhaft sei. Die mehrmalige Nachfrage aus den Reihen der Belegschaft, ob ein Rechtsanspruch auf Weiterbeschäftigung bestehe, sei verneint worden. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1 habe diesen Ausführungen nicht widersprochen. Unmittelbar nach Aushändigung des Vordrucks des dreiseitigen Vertrags habe am 24. Januar 2012 um 18:00 Uhr eine Informationsveranstaltung der P stattgefunden. Die Geschäftsführerin der P, S, und der Rechtsanwalt des Betriebsrats, H, hätten den Anwesenden mitgeteilt, dass es keinen Investor und auch keinen Interessenten für die Übernahme des O Werkes gebe. Der Aufhebungsvertrag müsse sofort unterschrieben werden, ansonsten würden alle Arbeitnehmer sofort arbeitslos und stünden ohne finanzielle Mittel dar, da man sein Geld gegen den Insolvenzverwalter einklagen müsse. Durch den Eintritt in die P gewönne man im übrigen sechs Monate zusätzliche Arbeitslosigkeit, der Aufenthalt in der P verlängere den maximalen Bezugszeitraum entsprechend um ein halbes Jahr. Einen Rechtsanspruch auf ein Verbleiben in dem insolventen Unternehmen gebe es nicht. Auf Nachfrage, nach welchen Kriterien denn die Auswahl derjenigen stattgefunden hätte, die gehen müssten, habe Rechtsanwalt H mitgeteilt, dass diejenigen, die hier sitzen die Noten 4, 5 und 6 haben. Der anwesende Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1 habe diesen Ausführungen nicht widersprochen. Im Anschluss hieran habe die klagende Partei einen Profiling-Termin bei der P wahrgenommen, in dem ihr nochmals nahe gelegt worden sei, den Aufhebungsvertrag sofort zu unterzeichnen, ansonsten drohe die unmittelbare Arbeitslosigkeit mit allen negativen Folgen. Randnummer 16 Der Beklagte zu 1 hat behauptet, nach Unterzeichnung des Interessenausgleichs mit Namensliste und des Sozialplans hätten die Betriebsparteien unverzüglich die betroffenen Arbeitnehmer informiert. Auf dieser außerordentlichen Betriebsversammlung hätten jedoch weder die Betriebsratsvorsitzende noch der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1, sondern der Beklagte zu 1 persönlich gesprochen. Vielmehr habe der Betriebsrat mehrere Informationsveranstaltungen abgehalten, in denen detailliert über die Hintergründe des Interessenausgleichs, die Auswirkungen für die Arbeitsplätze, die bevorstehende Kündigung und das Angebot auf Abschluss des Vertrages mit der P informiert worden sei. So sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass unabhängig von der Suche nach einem Investor in jedem Fall die Betriebsänderung gemäß dem abgeschlossenen Interessenausgleich durchgeführt würde, die Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrages zwingend zum Verlust des Arbeitsplatzes bei der Schuldnerin führe, der Beklagte zu 1 das Recht habe, Mitarbeiter, deren Arbeitsplätze entfallen sind, von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freizustellen, für den Fall der Freistellung zunächst die Arbeitsagentur zur Zahlung von Arbeitslosengeld verpflichtet sei, die freigestellten Mitarbeiter zwar Lohnansprüche bis zum Auslauf der Kündigungsfrist hätten, diese aber gegebenenfalls erst verzögert und unter dem Vorbehalt der InsO erfüllt würden. Der Beklagte zu 1 habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass es keinen Interessenten für den Betrieb gebe. Randnummer 17 Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Randnummer 18 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei mit der Insolvenzschuldnerin sei durch den dreiseitigen Vertrag zum 31. Januar 2012 beendet worden. Dieser sei nicht wegen der unterbliebenen Einräumung einer Überlegungsfrist unwirksam und auch nicht wegen Umgehung des § 613a BGB nichtig. Der dreiseitige Vertrag sei auf ein endgültiges Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis gerichtet gewesen. Die klagende Partei habe keine feste Zusage oder eine begründete Aussicht gehabt, von der Beklagten zu 2 übernommen zu werden. Eine wirksame Anfechtung gemäß §§ 142, 123 BGB liege nicht vor. Die klagende Partei habe einen Anfechtungsgrund nicht widerspruchsfrei und substantiiert dargelegt. Sei aufgrund des dreiseitigen Vertrages das Arbeitsverhältnis der klagenden Partei zur Insolvenzschuldnerin beendet und ein neues Beschäftigungsverhältnis zur P begründet worden, scheide ein Betriebsübergang auf die Beklagte zu 2 aus. Auch der Zeugnisanspruch sei unbegründet, da der Beklagte zu 1 nicht in die Arbeitgeberstellung eingetreten sei. Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei er nämlich nur vorläufiger Insolvenzverwalter gewesen, ohne dass der Insolvenzschuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot nach § 22 Abs. 1 InsO auferlegt war. Aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Insolvenzschuldnerin zum 31. Januar 2012 stünden der klagenden Partei Vergütungsansprüche für den Anschlusszeitraum gegen die Beklagten nicht zu. Wegen der Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen. Randnummer 19 Gegen dieses Urteil hat die klagende Partei Berufung eingelegt. Wegen des Zeitpunkts der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils, der Einlegung der Berufung und des Eingangs der Berufungsbegründung wird auf die Feststellungen im Sitzungsprotokoll der Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Bezug genommen. Randnummer 20 Die klagende Partei rügt, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts habe sowohl eine Täuschungshandlung, als auch eine unzulässige Druckausübung zum Abschluss des Aufhebungsvertrages vorgelegen. Der entsprechende Vortrag der Klägerseite sei nicht hinreichend gewürdigt worden. Die der Klägerseite eingeräumte Überlegungsfrist sei derart kurz bemessen gewesen, dass die Einholung von Rechtsrat unmöglich war. Wenn das Arbeitsgericht ausführe, der Kläger habe einfach nur „nein“ sagen müssen, verkenne es die Situation, in der sich die Klägerseite befand. Das Arbeitsgericht habe eine Gesamtwürdigung der Ereignisse einschließlich der Vorgeschichte vornehmen müssen. Die klagende Partei habe den dreiseitigen Vertrag am Nachmittag des 24. Januar 2012 erhalten. Die Frist zur Unterzeichnung sei für den 30. Januar 2012, 10:00 Uhr terminiert gewesen. Unmittelbar im Anschluss an die Aushändigung des Aufhebungsvertrages habe die klagende Partei sich zu einer Informationsveranstaltung der P, die um 18:00 Uhr stattfand, begeben. Dabei hätten deren Geschäftsführerin sowie der Rechtsanwalt des Betriebsrats die oben im streitigen Klägervortrag wiedergegebenen Äußerungen gemacht. Im Rahmen des P-Termins hätten der Kläger und seine Kollegen mehrfach nachgefragt, ob es möglich sei dass der Betrieb der Insolvenzschuldnerin noch gerettet werden könne, ob es entsprechende Verhandlungen gebe und ob mit der Rettung ihrer Arbeitsplätze noch zu rechnen sei. Dies sei jeweils vehement mit der Aussage verneint worden, die Alternative zu dem Aufhebungsvertrag sei die unmittelbare Arbeitslosigkeit, ein Interessent sei nicht vorhanden, es gebe keinerlei Verhandlungen. In vergleichbarer Weise seien Rückfragen im Profiling-Termin beschieden worden. Mit diesen Informationen sei die Klägerseite nach hause geschickt worden. Eine Rechtsberatung habe sie nicht mehr einholen können, da sie kurzfristig am Donnerstag (26.1.12) und Freitag (27.1.12) keinen Termin bei einem Rechtsanwalt mehr hätte bekommen können. Es liege auch eine Umgehung des § 613a BGB vor. Die Klägerseite sei nicht darüber informiert gewesen, dass der Betrieb im Falle einer Belegschaftsreduzierung um 50 % fortgeführt werden würde, bzw. dann ein Investor vorhanden sei. Die Äußerungen des Rechtsanwalts des Betriebsrats seien dem Beklagten zu 1 zuzurechnen. Damit stehe fest, dass die Auswahlkriterien für eine ordnungsgemäße Sozialauswahl nicht eingehalten worden seien und die Aufhebungsverträge zum Zwecke der Umgehung einer ordnungsgemäßen Sozialauswahl geschlossen wurden. Es seien auch nicht alle Arbeitnehmer gekündigt worden, die keinen Aufhebungsvertrag unterzeichnet haben. Vielmehr seien diejenigen Arbeitnehmer, die den Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet haben, ohne weiteres von der Beklagten zu 2 übernommen worden. Die Anfechtung gemäß § 123 Abs. 1 BGB sei begründet. Der Beklagte zu 1 habe im Zusammenspiel mit der P, den jeweiligen Rechtsanwälten und dem Betriebsrat die Klägerseite arglistig getäuscht und zum Abschluss des Aufhebungsvertrages bewogen. Der klagenden Partei sei zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des dreiseitigen Vertrags nicht bekannt gewesen, dass und in welchem genauen Umfang Personalreduzierungen stattfinden würden. Vielmehr sei nur pauschal gesagt worden, wenn nicht unterzeichnet werde, drohe die unmittelbare Arbeitslosigkeit, verbunden mit der Verpflichtung, das Gehalt einzuklagen. Sie sei nicht darüber informiert worden, dass ein konkreter Interessent zur Übernahme der Insolvenzschuldnerin vorhanden war und die Verhandlungen bereits liefen oder abgeschlossen waren, obgleich die Klägerseite nachgefragt habe, ob es Interessenten und  eine Möglichkeit des Erhalts der Arbeitsplätze gebe. Der Beklagte zu 1 habe auf der Betriebsversammlung vom 23.1.2012 persönlich das Führen konkreter Verhandlungen verneint. Damit seien nicht nur Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt worden, sondern es liege eine Täuschungshandlung vor. Die dem Betriebsübergang vorausgehenden Verhandlungen seien schon längere Zeit, mindestens in den letzten beiden Wochen vor dem 1. Februar 2012, gelaufen. Entgegen der Darstellung des Arbeitsgerichts habe die Klägerseite auch nicht widersprüchlich vorgetragen. Die Täuschungshandlung sei auch kausal für die Willenserklärung der Erklärenden gewesen. Die Klägerseite habe vor der Unterzeichnung und Abgabe des Vertrags bei ihrem Arbeitgeber nachgefragt, ob ein Betriebsübergang stattfinden werde, was verneint worden sei. Auch eine Teilanfechtung sei im vorliegenden Fall zulässig. Im Rahmen eines normalen Kündigungsschutzverfahrens sei es zulässig, die Kündigung eines Arbeitgebers mit der Kündigungsschutzklage anzugreifen und im Laufe des Verfahrens ein weiteres Arbeitsverhältnis zu begründen. Nicht anders verhalte sich der vorliegende Fall. Gegebenenfalls bestehe, bzw. bestand für die Dauer von sechs Monaten ein Arbeitsverhältnis zu zwei Arbeitgebern, was rein abrechnungstechnisch zu lösen ist. Der vorliegende Fall sei rechtlich auch nicht deshalb anders zu bewerten, weil es sich bei dem zweiten Arbeitgeber um eine Beschäftigungsgesellschaft handelt. Der dreiseitige Vertrag lasse sich unproblematisch in mehrere Teile gliedern. Das Arbeitsverhältnis zum Beklagten zu 1 wurde aufgehoben, gleichzeitig ein befristetes Arbeitsverhältnis mit der P begründet. Werde die Aufhebung angefochten, bestünden nebeneinander zwei Arbeitsverhältnisse. Der Kläger müsse sich in diesem Fall die bei der P erzielten Einkünfte anrechnen lassen. Da der Aufhebungsvertrag wirksam angefochten worden sei, sei das Arbeitsverhältnis auf die Beklagte zu 2 übergegangen. Infolge des Betriebsübergangs stünden der Klägerseite die geltend gemachten Vergütungsansprüche zu. Randnummer 21 Die klagende Partei beantragt, Randnummer 22 das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 16. August 2012 -2 Ca 120/12- abzuändern und Randnummer 23 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers zum Beklagten zu 1 durch den Aufhebungsvertrag vom 30.1.2012 nicht zum 31.1.2012 beendet worden ist; Randnummer 24 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers seit dem 1.2.2012 vom Beklagten zu 1 auf die Beklagte zu 2 übergegangen ist; Randnummer 25 3. den Beklagten zu 1 zu verurteilen, dem Kläger ein wohlwollendes Endzeugnis über die Beschäftigungszeit bei der Insolvenzschuldnerin zu erteilen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt; Randnummer 26 4. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an den Kläger 6751,38 € brutto abzüglich gezahlter 3757,60 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit dem 1. März 2012 und 1. April 2012 zu zahlen; Randnummer 27 5. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2 dem Beklagten zu 1 zu verurteilen, an den Kläger 6751,38 € brutto abzüglich gezahlter 3757,60 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit dem 1. März 2012 und 1. April 2012 zu zahlen; Randnummer 28 6. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an den Kläger 6751,38 € brutto abzüglich gezahlter 3200 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit 1. Mai und 1. Juni 2012 zu zahlen; Randnummer 29 7. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2 die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an den Kläger 6751,38 € brutto abzüglich gezahlter 3200 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit 1. Mai und 1. Juni 2012 zu zahlen; Randnummer 30 8. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an den Kläger  3375,69 € brutto abzüglich gezahlter 1878,80  € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus  3375,69 € brutto seit 1. Juli 2012 zu zahlen; Randnummer 31 9. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2 die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an den Kläger 3375,69 € brutto abzüglich gezahlter 1878,80  € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus  3375,69 € brutto seit 1. Juli 2012 zu zahlen; Randnummer 32 10. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an den Kläger 3375,69 € brutto abzüglich gezahlter 1878,80  € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 3375,69 € brutto seit 1. August 2012 zu zahlen; Randnummer 33 11. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2 die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an den Kläger 3375,69 € brutto abzüglich gezahlter 1878,80  € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus 3375,69 € brutto seit 1. August 2012 zu zahlen; Randnummer 34 12. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an den Kläger 6751,38 € brutto abzüglich gezahlter 3261,90  € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit 1.9. und 1.10.2012 zu zahlen; Randnummer 35 13.  hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2 den Beklagten zu 1 zu verurteilen, an den Kläger 6751,38 € brutto abzüglich gezahlter 3261,90  € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit 1.9. und 1.10.2012 zu zahlen; Randnummer 36 14. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an den Kläger 6751,38 € brutto abzüglich gezahlter 3310,95 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 €  brutto seit 1.11. und 1.12.2012 zu zahlen; Randnummer 37 15.  hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2 den Beklagten zu 1 zu verurteilen, an den Kläger 6751,38 € brutto abzüglich gezahlter 3310,95 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 €  brutto seit 1.11. und 1.12.2012 zu zahlen; Randnummer 38 16. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an den Kläger 3375,69 € brutto abzüglich gezahlter 1680 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit 1.1.2013 zu zahlen; Randnummer 39 17.  hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2 den Beklagten zu 1 zu verurteilen, an den Kläger 3375,69 € brutto abzüglich gezahlter 1680 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit 1.1.2013 zu zahlen; Randnummer 40 18. die Beklagte zu 2 zu verurteilen, an den Kläger 10127,07 € brutto abzüglich gezahlter 5040  € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit 1.2., 1.3. und 1.4.2013 zu zahlen; Randnummer 41 19.  hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2 den Beklagten zu 1 zu verurteilen, an den Kläger 10127,07 € brutto abzüglich gezahlter 5040  € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz aus je 3375,69 € brutto seit 1.2., 1.3. und 1.4.2013 zu zahlen. Randnummer 42 Die Beklagten beantragen, Randnummer 43 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 44 Sie verteidigen die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Auf der Betriebsversammlung sei der Interessenausgleich mit Namensliste vorgestellt worden. Der klagenden Partei sei bewusst gewesen, dass sie als zu kündigende Person auf der Namensliste aufgeführt war. Der Vortrag der Klägerseite sei unsubstantiiert. Es sei nicht erkennbar, wann die jeweiligen Kläger wem gegenüber was genau gefragt haben wollen und was der jeweilige Gesprächspartner geantwortet habe und aus welchem Grund die Antwort auf die Frage nach einem Rechtsbegriff ("Betriebsübergang") dem Beklagten zuzurechnen sein soll. Dass Verhandlungen mit Interessenten über den Kauf des Betriebs geführt wurden, ergebe sich bereits aus dem Interessenausgleich. Zu keinem Zeitpunkt sei geäußert worden, dass es keinen Interessenten gebe. Tatsächlich habe sich jedoch so verhalten, dass zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Interessenausgleichs am 23.1.2012 kein konsensfähiges Kaufangebot vorlag, das den Erwerb und die alleinige Fortführung des Betriebs am Standort O beinhaltete. Lediglich 35 Mitarbeiter hätten den dreiseitigen Vertrag nicht unterschrieben und sodann die Kündigung erhalten. Randnummer 45 Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 16.08.2012 – 2 Ca 120/12 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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AG Charlottenburg
Berlin
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05.08.2014
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Verpflichtung zur Nutzungsunterlassung und zur Rückgängigmachung von Eingriffen in das Gemeinschaftseigentum. Randnummer 2 Der Kläger ist Eigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 8, die Beklagten Eigentümer der Sondereigentumseinheit Nr. 31 der Wohnanlage ... Berlin. Die Einheit Nr. 31 liegt im vierten Obergeschoss direkt unter dem Bodenraum. Der Gemeinschaft liegt die Teilungserklärung des Notars ... vom 21.10.1980 (UR-Nr.1000/1980) nebst Änderungen durch weitere Urkunden zugrunde, wegen deren genauen Inhalts auf Blatt 11 bis 20 d. A. verwiesen wird. In der Urkunde vom 21.10.1980 heißt es insoweit auszugsweise: Randnummer 3 „Das gesamte Dachgeschoss mit Ausnahme des Bodenraumes Nr. 38 wird Sondernutzungsrecht derjenigen Wohnungseigentümer, deren Wohnungen direkt unter den entsprechenden mit den Nr. 31, 33-35 bezeichneten Bodenräumen liegen [...]“ Randnummer 4 Die Beklagten nutzen den zu Wohnraum umgebauten Bodenraum oberhalb ihrer Einheit Nr. 31 zu Wohnzwecken. Beim Umbau wurde das Dach bzw. die Dachhaut geöffnet und unter anderem Gauben und Dachflächenfenster sowie eine Terrasse eingebaut. Zudem wurden zusätzliche Bäder und Gäste-WC`s installiert, Fußbodenplatten im gesamten Bodenraum verlegt und mit Teppichbodenbelägen versehen. Zwischen der Einheit Nr. 31 und dem Bodenraum wurde ferner ein Deckendurchbruch vorgenommen und eine gewendelte Treppe errichtet. Randnummer 5 Der Kläger behauptet, er habe erst am 19. Dezember 2011 positive Kenntnis von der Nutzung der Sondernutzungsfläche der Beklagten als Wohnraum erlangt und erst dann von den Umbaumaßnahmen erfahren. Er bestreitet mit Nichtwissen, dass das Dachgeschoss der Beklagten bereits 1983/84 von deren Rechtsvorgänger ... ausgebaut worden sei, und nicht erst im Jahr 2010. Randnummer 6 Der Kläger beantragt, Randnummer 7 1. die Beklagten zu verurteilen, die Nutzung des in der Anlage zum Urteil beigefügten Grundrisszeichnung gelb dargestellten Bodenraumes Nummer 31 im Haus ... Berlin mit einer Größe von 111,54 m², gelegen über der mit der Nummer 31 bezeichneten Wohnung im vierten Obergeschoss, Vorderhaus rechts von der Straße aus gesehen, als Wohnraum zu unterlassen, Randnummer 8 2. die Beklagten zu verurteilen, folgende Eingriffe in das Gemeinschaftseigentum des Hauses ... Berlin rückgängig zu machen: Randnummer 9 a) die fachgerechte Schließung des in den beigefügten Grundrisszeichnungen (4. OG + DG Bodenräume) markierten Treppenauges der gewendelten Treppe in der Decke des 1, rechts von der Straße aus gesehen, Randnummer 10 b) die fachgerechte Schließung der Dachhaut, Entfernung aller in der beigefügten Grundrisszeichnung markierten Gauben auf der rechten Seite der Wohnung von der Straße aus gesehen; Entfernung der in der beigefügten Grundrisszeichnung eingezeichneten vier „VELUX“-Dachflächenfenster auf der hinteren Dachseite der Wohnung von der Straße aus gesehen, Randnummer 11 c) den Rückbau der Heizungs- und Warmwasserversorgung im Bodenraum Nr. 31. Randnummer 12 Die Beklagten, die sich auf Verwirkung berufen, beantragen, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Beklagten behaupten, die Wohnung im Jahr 2010 mit bereits zu Wohnzwecken ausgebautem Dachgeschoss erworben zu haben. Der Rechtsvorgänger der Beklagten ... ... habe das Dachgeschoss 1983/84 zu Wohnraum umgebaut. Die umfangreichen Ausbauarbeiten auch von anderen Dachgeschosseinheiten der Wohnanlage durch die jeweiligen Sondernutzungsberechtigten seien in der Wohnungseigentümergemeinschaft von Beginn an bekannt und Gegenstand zahlreicher Eigentümerversammlungen gewesen, in welchen eine Änderung der Teilungserklärung dahingehend diskutiert worden sei, die jeweiligen Dachgeschossflächen den tatsächlichen Wohngegebenheiten anzupassen. Der Kläger habe seit 2001 Kenntnis von der Nutzung der Bodenräume als Wohnraum. Zudem habe der Kläger im Jahr 2004 die damals noch im Eigentum des ... stehende Wohnung inklusive Dachgeschoss besichtigt, um diese selbst zu erwerben. Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2014 Bezug genommen.
1. Die Beklagten werden verurteilt, die Nutzung des in der Anlage zum Urteil Grundrisszeichnung gelb dargestellten Bodenraumes Nummer 31 im Haus ... Berlin mit einer Größe von 111,54 m², gelegen über der mit der Nummer 31 bezeichneten Wohnung im vierten Obergeschoss, Vorderhaus rechts von der Straße aus gesehen, als Wohnraum zu unterlassen. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben. 4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000 EUR vorläufig vollstreckbar.
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Baden-Württemberg
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1 Der … Kläger … 2 In der Zeit von 1987 bis zum 31.12.2005 war er Verwaltungsleiter des Städtischen Spitals. Seit dem 01.01.2006 ist er Betriebsleiter des zwischenzeitlich als Eigenbetrieb der Stadt geführten Altenheims „... ...“. 3 Mit Disziplinarverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt ... vom 29.01.2010 wurde der Kläger aus dem Beamtenverhältnis entfernt (Ziff.1). Des Weiteren wurde bestimmt, dass der Kläger bis zum unanfechtbaren Abschluss dieses Disziplinarverfahrens des Dienstes enthoben bleibt und seine monatlichen Bezüge in der bisherigen Höhe einbehalten werden (Ziff. 2). Als Ergebnis der Ermittlungen wurde in der Verfügung festgestellt: 4 „1) Sie haben gegen die Anzeigepflicht von Spenden und Zuwendungen verstoßen, Geldzuwendungen an das Spital nicht ordnungsgemäß verbucht (Trinkgelder, Telefongebühren, Spenden) und sog. „schwarze Kassen“ geführt. 5 2) Sie haben teilweise unter Einsatz von städt. Anlagen und Einrichtungen Privatangele-genheiten während der Arbeitszeit erledigt und sich so missbräuchlich einen Vorteil verschafft zum Nachteil Ihres Dienstherrn. 6 3) Sie haben städt. Mitarbeiter und städt. Geräte und Anlagen für Ihre privaten Zwecke eingesetzt. 7 4) Sie haben eine nicht genehmigte Nebentätigkeit ausgeübt. 8 5) Sie haben als Amtsträger Geschenke und Bargeldzuwendungen zu Ihrem Vorteil angenommen. 9 6) Sie haben als Leiter einer unter das Heimgesetz fallenden Einrichtung Zuwendungen entgegengenommen und damit gegen § 14 Abs.5 Heimgesetz verstoßen. 10 7) Sie haben sich strafbar gemacht wegen besonders schwerer Untreue in 17 Fällen, davon in 5 Fällen in Tateinheit mit Vorteilsannahme sowie Urkundenfälschung und wurden dafür mit Strafbefehl vom 02. März 2009 zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr mit einer 3-jährigen Bewährungszeit verurteilt.“ 11 Hiergegen hat der Kläger am 08.02.2010 Klage erhoben und mit Schriftsatz vom 23.03.2010 umfänglich begründet. Er macht u.a. geltend, die Disziplinarverfügung entspreche nicht dem Substantiierungsgebot. 12 Der Kläger beantragt, 13 die Disziplinarverfügung vom 29.01.2010 aufzuheben. 14 Die Beklagte beantragt, 15 die Klage abzuweisen. 16 Der Kammer liegen die Akten der Beklagten (zwei Leitz-Ordner) vor. Auf diese und die gewechselten Schriftsätze wird ergänzend wegen des weiteren Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten verwiesen.
Die Disziplinarverfügung der Beklagten vom 29. Januar 2010 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.
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VG Frankfurt 1. Kammer
Hessen
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27.09.2000
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Randnummer 1 Die Kläger sind aserbaidschanische Staatsangehörige. Sie stammen aus Kirowabad. Sie verließen ihre Heimat am 26.07.1999. Am 03.09.1999 stellten sie einen Asylantrag. Randnummer 2 Bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt trugen sie folgendes vor: Randnummer 3 Der Vater des Klägers zu 1) sei armenischer Volkszugehörigkeit gewesen, während seine Mutter aserbaidschanischer Volkszugehörigkeit gewesen sei. Die Eltern der Klägerin zu 2) seien beide armenischer Volkszugehörigkeit gewesen. Der Kläger zu 1) habe mit seinen Eltern in dem Dorf Murud gelebt. Die Eltern seien im Rahmen der Auseinandersetzungen im Jahre 1989 umgebracht worden. Die Klägerin zu 2) sei in Kirowabad aufgewachsen. Ihre Mutter sei im Rahmen der Auseinandersetzungen zwischen Aserbaidschanern und Armeniern 1989 von einem Auto überfahren und getötet worden. Der Kläger zu 1) sei nach dem Tod der Eltern zu seinem Onkel, dem Bruder seiner Mutter, nach Kirowabad gegangen und habe dort in dessen Geschäft, einem Lebensmittelladen, geholfen. Er habe sich dabei 7000 $ verdient. Im Jahre 1992 hätten die Kläger zu 1) und 2) geheiratet. Aus der Ehe sei die Klägerin zu 3) hervorgegangen. Sie sei in Murud geboren worden, wo der Onkel des Klägers zu 1) einen Arzt gekannt habe. Sie hätten sich zur Ausreise entschlossen, nachdem auch die aserbaidschanischen Nachbarn in Kirowabad damit begonnen hätten, sie wegen ihrer Volkszugehörigkeit zu belästigen. Während gem. der Niederschrift der Kläger zu 1) erklärte, einmal geschlagen worden zu sein, erklärte die Klägerin zu 2), dass beide mehrfach geschlagen worden seien. Die aserbaidschanischen Nachbarn hätten gedroht, die Kläger umzubringen, weil sie armenische Volkszugehörige seien. In diesem Zusammenhang sei auch der Onkel in Gefahr geraten. Er habe sie deshalb gebeten, das Land zu verlassen und habe ihnen dabei auch geholfen. Sie seien am 26.06.1999 mit einem LKW nach Moskau gefahren. Dort hätte ein Bekannter des Onkels die Reiseunterlagen bereits besorgt, nämlich die Flugtickets und falsche Pässe. Die richtigen Pässe hätten sie abgeben müssen. Am 31.08.1999 seien sie dann von Moskau nach Frankfurt geflogen. Nach der Zollabfertigung habe man ihnen alle Dokumente wieder abgenommen. Sie hätten sich um nichts gekümmert und wüssten deshalb auch nicht mehr, mit welcher Fluggesellschaft sie geflogen seien. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 10.12.1999, zugestellt am 23.12.1999 lehnte die Beklagte den Asylantrag ab und traf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und Abschiebungshindernisse nach § 53 des Ausländergesetzes nicht vorliegen. Sie forderte die Kläger auf, die Bundesrepublik zu verlassen und drohte ihnen die Abschiebung in ihr Heimatland an. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, es sei nicht festzustellen, dass die Kläger auf dem Luftweg in die Bundesrepublik gelangt seien. Insoweit trügen sie die volle Beweislast. Sie hätten im übrigen auch nicht glaubhaft machen können, zum Zeitpunkt ihrer Ausreise asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt gewesen zu sein. Denn ihr Vorbringen sei widersprüchlich. So hätte der Kläger zu 1) die Adresse seiner Eltern in Murud angegeben und begründet, dass sich dort seine Geburtsurkunde befinde, obwohl er zugleich behauptet habe, die Eltern seien im Jahre 1989 umgekommen. Die vom Kläger zu 1) in Fotokopie vorgelegte Geburtsurkunde lasse erkennen, dass die Angaben hinsichtlich der Volkszugehörigkeit der Mutter manipuliert worden seien. Da das behauptete Verfolgungsschicksal aber darauf begründet werde, dass die Mutter des Klägers zu 1) und sein Onkel aserbaidschanische Volkszugehörige gewesen seien, sei wegen dieser Manipulation die Glaubwürdigkeit der Antragsteller wesentlich erschüttert. Auch die Klägerin zu 2) habe sich in Widersprüche verwickelt, in dem sie zum einen ausgesagt habe, dass ihr Ehemann bei dem Onkel gearbeitet und dabei 7000 $ erarbeitet habe, andererseits aber behauptet habe, die Familie habe sich in Kirowabad aus Furcht vor übergriffen verstecken müssen. Randnummer 5 Am 04.01.2000 haben die Kläger Klage erhoben. Randnummer 6 Sie tragen vor, dass sie tatsächlich mit dem Flugzeug von Moskau nach Frankfurt gekommen seien. Weil die Beschaffung der Reisedokumente von Bekannten des Onkels organisiert worden sei und sie auch nicht gewusst hätten, dass es darauf später einmal ankommen könne, hätten sie den näheren Umständen der Reise wie etwa der Fluggesellschaft keine Aufmerksamkeit geschenkt. Sie seien auch viel zu aufgeregt gewesen, um auf derartige Dinge zu achten. In der mündlichen Verhandlung konnte sich der Kläger zu 1) allerdings daran erinnern, dass die Flugbegleiterinnen bourdauxrote Kostüme getragen hätten und dass der Pilot in russischer Sprache vor dem Start dazu aufgefordert hätte, sich anzuschnallen sowie während des Fluges eine Information über die Flughöhe gegeben habe. Die Stewardessen hätten allerdings mit ihnen nicht auf russisch gesprochen, sondern in einer anderen Sprache. Die Kläger geben übereinstimmend an, dass sie um die Mittagszeit in Frankfurt gelandet seien. Sie könnten sich nicht mehr daran erinnern, ob die Beschriftung in dem Flugzeug kyrillisch oder lateinisch gewesen sei. Allerdings seien sie in ihrem Leben bisher nie mit lateinischen Buchstaben konfrontiert gewesen, so dass ihnen dies wohl aufgefallen wäre. Randnummer 7 Die Kläger tragen weiterhin vor, dass sie sich nicht in Widersprüche verstrickt hätten. Die Kopie der Geburtsurkunde des Klägers zu 1) weise keine Fälschungsmerkmale auf. Es sei auch unzutreffend, dass das Verfolgungsschicksal auf der aserbaidschanischen Volkszugehörigkeit der Mutter des Klägers zu 1) aufgebaut werde. Entscheidend sei vielmehr die armenische Volkszugehörigkeit der Kläger. In Kirowabad sei es zunächst unbekannt gewesen, dass der Kläger zu 1) armenischer Volkszugehörigkeit war. Deshalb sei er auch unbehelligt geblieben. Erst nach der Heirat sei die wahre Volkszugehörigkeit der Familie in der Nachbarschaft bekannt geworden. Seitdem habe es Bedrohungen und übergriffe gegeben. Weil es für eine armenische Volkszugehörige nicht möglich sei, zur Entbindung in ein aserbaidschanisches Krankenhaus zu gehen, sei die Klägerin zu 2) nach Murud gegangen, wo sie im Hause eines Bekannten für zwei Tage untergekommen sei. Dort habe bei der Geburt eine aserbaidschanische Ärztin Hilfe geleistet. Das Elternhaus des Klägers zu 1) in Murud sei im Zuge der Auseinandersetzungen 1989 wie das übrige Dorf einem Bombenangriff zum Opfer gefallen und seitdem nicht mehr bewohnbar. Es stünden nur noch Trümmer, deshalb habe der Kläger zu 1) dieses Haus als Adresse des Elternhauses angegeben. Dort habe sich auch das Original seiner Geburtsurkunde zuletzt befunden. Aus der Existenz der Adresse des Elternhauses könne nichts darüber abgeleitet werden, dass die Eltern noch leben oder nicht. Deshalb liege insoweit auch kein Widerspruch vor. Randnummer 8 Die Kläger beantragen, den Bescheid der Beklagten vom 10.12.1999 (Az: 2499236-425) aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz vorliegen; hilfsweise, unter Aufhebung der entgegenstehenden Regelung des angefochtenen Bescheides die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass der Abschiebung der Kläger Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG entgegenstehen. Randnummer 9 Die Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Die Beklagte beruft sich auf die Gründe des angefochtenen Bescheides. Randnummer 12 Mit Beschluss vom 31.08.2000 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Randnummer 13 Das Gericht hat eine Gerichtsakte, einen Hefter Behördenakten und ein Konvolut von Auskünften und Nachrichten über die Lage im Heimatland der Kläger zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Auf die den Parteien insoweit vorab zugegangene Dokumentenliste (Bl. 52 ff. der Akten) wird Bezug genommen. Randnummer 14 Das Gericht hat das Original der Geburtsurkunde der Klägerin zu 2) und die von dem Kläger zu 1) vorgelegte Fotokopie seiner Geburtsurkunde beigezogen, die sich beide in der Ausländerakte bei der Stadt Hanau befunden haben. Das Gericht hat weiterhin eine Auskunft der Flughafen Frankfurt/Main AG eingeholt, aus der sich ergibt, dass am 31. August 1999 insgesamt sechs Flugzeuge aus Moskau in Frankfurt angekommen sind. Darunter befinden sich ein Flug der Aeroflot und ein Flug der russischen Fluggesellschaft Transairo-Airlines. Erstere (SU 0255) landete um 12.39 Uhr, letztere (UN 0307) um 13.57 Uhr. Bei den übrigen Flügen, die in den Morgenstunden bzw. in den späteren Nachmittagstunden liegen, handelt es sich um Flüge der Deutschen Lufthansa.
Der Bescheid der Beklagten vom 10.12.1999 (Az: 2499236-425) wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, die Kläger als Asylberechtigte anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn die Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 22. Senat
Berlin
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25.10.2012
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten, die den Beigeladenen zu 1 und 2 Altersrente gewährt, Auszahlung eines ihr von der Beigeladenen zu 1 abgetretenen Teils dieser Rente von 1.188 Euro für die Zeit von Dezember 2008 bis Juli 2010 und eines ihr vom Beigeladenen zu 2 abgetretenen Teils dieser Rente von 187,20 Euro für die Zeit von Juli 2009 bis Dezember 2010. Randnummer 2 Die im März 1943 geborene Beigeladene zu 1, die mit dem Beigeladenen zu 2 verheiratet ist, bezieht von der Beklagten seit 01. April 2003 Altersrente für schwerbehinderte Menschen (Bescheid vom 06. März 2003). Der monatliche Zahlbetrag betrug für Dezember 2008 1.072,70 Euro und veränderte sich zu Januar 2009 auf 1.068,54 Euro und zu Juli 2009 auf 1.105,78 Euro. In letztgenannter Höhe belief er sich auch noch für Juli 2010. Randnummer 3 Der im Juli 1940 geborene Beigeladene zu 2) erhält von der Beklagten seit 01. August 2000 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (Bescheid vom 13. Juni 2000). Der monatliche Zahlbetrag betrug für Juli 2009 1.005,86 Euro. In dieser Höhe belief er sich auch noch für Dezember 2010. Randnummer 4 Die Klägerin, ein Kreditinstitut, und die Beigeladenen zu 1) und 2) schlossen am 22. November 2007 einen Darlehensvertrag. Die Beigeladenen zu 1) und 2) verpflichteten sich, das Darlehen nebst Zinsen und Kosten im Gesamtbetrag von 28.193,14 Euro als Gesamtschuldner mit monatlichen Raten von 391 Euro zurückzuzahlen. Zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Klägerin gegen die Beigeladenen zu 1) und 2) traten die Beigeladenen zu 1) und 2) mit sofortiger Wirkung ihre gegenwärtigen und künftigen Ansprüche auf gesetzliche Renten, beschränkt auf den jeweils pfändbaren Teil und begrenzt auf insgesamt 28.193,14 Euro, an die Klägerin ab. Die Klägerin verpflichtete sich, die Abtretung vorläufig nicht offen zu legen, solange u. a. nicht ein gerichtliches Insolvenzverfahren über das Vermögen beantragt worden ist. Randnummer 5 Die Beigeladenen zu 1) und 2) hatten bereits am 05. Januar 2000 den der Pfändung unterworfenen Teil aller gegenwärtigen und künftigen Ansprüche auf Sozialleistungen (insbesondere Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung) an die A GmbH und am 23. Oktober 2006 den pfändbaren Teil der gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche auf laufende Geldleistungen gegen den jeweiligen Leistungsträger, insbesondere Ansprüche auf Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung, an die S AG abgetreten. Randnummer 6 Mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 18. Juli 2008 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beigeladenen zu 1), wohnhaft in B, und mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam vom 02. Dezember 2008 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beigeladenen zu 2), wohnhaft in B, eröffnet worden. Zum Treuhänder wurde jeweils der Beigeladene zu 3 bestellt. Randnummer 7 Am 13. Oktober 2008 zeigte die Klägerin der Beklagten unter Vorlage der Abtretungserklärung die Abtretung der Altersrente der Beigeladenen zu 1) mit der Aufforderung zur Zahlung an. Ergänzend wies sie im November 2008 darauf hin, dass eine Unterhaltsverpflichtung nicht zu berücksichtigen sei, da die Beigeladene zu 1) dem Beigeladenen zu 2) weder Unterhalt zahle noch Unterhalt schulde. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab, da sie nicht berechtigt sei, unterhaltsberechtigte Personen mit eigenen Einkünften entsprechend der Regelung des § 850 c Abs. 4 Zivilprozessordnung (ZPO) unberücksichtigt zu lassen. Randnummer 8 Am 27. April 2009 zeigte die Klägerin der Beklagten unter Vorlage der Abtretungserklärung die Abtretung des pfändbaren Betrages der Altersrente des Beigeladenen zu 2) mit der Aufforderung zur Zahlung an. Sie wies darauf hin, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) getrennt lebten, so dass davon auszugehen sei, dass sie sich gegenseitig keinen Unterhalt leisteten. Damit errechne sich der pfändungsfreie Betrag der Rente ohne Berücksichtigung von Unterhaltspflichten. Die Beklagte lehnte eine Zahlung ab, da sich unter Berücksichtigung einer Unterhaltsverpflichtung für eine Person kein abtretbarer Betrag ergebe. Randnummer 9 Die Klägerin hat gegen die Beklagte am 29. April 2009 beim Sozialgericht Berlin, das den Rechtsstreit an das Sozialgericht Potsdam verwiesen hat, Klage erhoben. Randnummer 10 Sie hat begehrt, den pfändbaren Betrag der in der Zeit vom 01. Dezember 2008 bis 31. Juli 2010 entstandenen (und noch entstehenden) Ansprüche auf Altersrente der Beigeladenen zu 1) von 1.188 Euro und den pfändbaren Betrag der in der Zeit vom 01. Juli 2009 bis 31. Dezember 2010 entstandenen Ansprüche auf Altersrente des Beigeladenen zu 2) von 187,20 Euro an sie zu zahlen. Da diese Beigeladenen den Kredit nicht bedient hätten, habe die Klägerin das Darlehen gekündigt. Sie sei nach § 313 Abs. 3 Insolvenzordnung (InsO) berechtigt, die abgetretenen Forderungen selbst einzuziehen. Die unpfändbaren Beträge der Altersrenten erhöhten sich nicht gemäß § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO über den nach § 850 c Abs. 1 Satz 1 ZPO unpfändbaren Betrag hinaus, da sich die Beigeladenen zu 1) und 2) einander tatsächlich keinen Unterhalt gewährten. Sie wohnten getrennt. Sie seien einander auch nicht zu Unterhalt verpflichtet. Selbst wenn einer der Beigeladenen zu 1) und 2) dem anderen gemäß § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO aufgrund einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung Unterhalt gewähre, entspreche es nach § 850 c Abs. 4 ZPO billigem Ermessen, dass der andere bei der Berechnung des unpfändbaren Teils der Altersrente unberücksichtigt bleibe. Die Abtretung sei gemäß § 114 Abs. 1 InsO nur wirksam, soweit sie sich auf die Bezüge für die Zeit vor Ablauf von zwei Jahren nach dem Ende des zur Zeit der Öffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Kalendermonats beziehe. Die Auffassung der Beklagten, sie müsse bei der Anwendung der zu § 850 c ZPO erlassenen Tabelle Ehegatten ohne nähere Prüfung als unterhaltsberechtigte Personen berücksichtigen, sei nicht richtig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der Rentenversicherungsträger nur dann nicht verpflichtet, die Frage einer Unterhaltsberechtigung aufzuklären, wenn hierfür keine entsprechenden Anhaltspunkte vorlägen. Die Klägerin habe die Beklagte jedoch darauf hingewiesen, dass die Beigeladenen zu 1) und 2) einander nicht zum Unterhalt verpflichtet seien und auch keinen Unterhalt gewährten. Randnummer 11 Mit Urteil vom 10. März 2011 hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, den jeweils pfändbaren Betrag der in der Zeit vom 01. Juni 2009 bis 31. Dezember 2010 entstandenen Ansprüche auf Altersrente des Beigeladenen zu 2) an die Klägerin auszuzahlen, wobei bei der Feststellung des unpfändbaren Betrages die Beigeladene zu 1) außer Betracht bleibt, sowie den jeweils pfändbaren Betrag der in der Zeit vom 01. Dezember 2008 bis 31. Juli 2010 entstandenen Ansprüche auf Altersrente der Beigeladenen zu 1) an die Klägerin auszuzahlen, wobei bei der Feststellung des unpfändbaren Betrages der Beigeladene zu 2) außer Betracht bleibt: Entgegen der Auffassung der Beklagten obliege es dem jeweiligen Sozialleistungsträger als Schuldner des Geldleistungsanspruchs in der über § 53 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) gebotenen analogen Anwendung des § 850 c Abs. 1 bis 3 ZPO, der unmittelbar die Pfändbarkeit der Arbeitseinkommen regele, in Ausfüllung der zulässigen Blankett-Abtretung des Sozialleistungsanspruchs, den jeweils pfändbaren Betrag zu ermitteln. Die Beklagte übernehme insoweit kraft öffentlichen Rechts die in § 850 c Abs. 4 ZPO geregelte hoheitliche Position des Vollstreckungsgerichts. Dabei hätte sie die Klägerin nicht ohne eigene Prüfung an das Sozialgericht verweisen dürfen, sondern selbst über die Höhe der Abtretung entscheiden müssen. Da nunmehr über die Höhe der Abtretung gestritten werde und die Beklagte sich geweigert habe, über die Abtretung zu entscheiden, habe das Gericht gemäß § 850 c Abs. 4 ZPO nach billigem Ermessen zu bestimmen, ob unterhaltsberechtigte Personen mit eigenem Einkommen bei der Berechnung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens ganz oder teilweise unberücksichtigt blieben. Allein die Kenntnis, dass sich die Beigeladenen zu 1) und 2) untereinander keinen Unterhalt gewährten und voneinander getrennt lebten, habe zur Verpflichtung der Beklagten geführt, über die konkrete Höhe der Abtretung zu entscheiden und festzustellen, dass sie im Rahmen der Berechnung des unpfändbaren Teils des Altersruhegeldanspruchs (jeweils) unberücksichtigt blieben. Randnummer 12 Gegen das ihr am 19. April 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 17. Mai 2011 eingelegte Berufung der Beklagten. Randnummer 13 Sie hält das Urteil für fehlerhaft. Während ein Sozialleistungsträger bei der Ausführung einer Abtretung die Prüfung gemäß § 53 Abs. 3 SGB I, § 850 c Abs. 1 bis 3 ZPO analog vorzunehmen habe, gehöre die ebenfalls in analoger Anwendung des § 850 c Abs. 4 ZPO mögliche Korrektur im Einzelfall in die originäre Zuständigkeit der Gerichte, wobei die Sozialgerichte an die Stelle der Vollstreckungsgerichte träten. In analoger Anwendung des § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO habe die Beklagte eine Unterhaltsverpflichtung der Beigeladenen zu 1) und 2) annehmen dürfen, denn sie seien verheiratet. Die Behauptung, dass sie einander keinen Unterhalt zahlten, habe hinsichtlich der Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandsmerkmals des § 850 c Abs. 1 Satz 2 ZPO keine Rechtsfolgen auslösen können. Randnummer 14 Die Beklagte beantragt, Randnummer 15 das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 16 Die Klägerin beantragt, Randnummer 17 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 18 Sie ist der Ansicht, gemäß der Rechtsprechung des BSG habe die Beklagte die Klägerin wegen der ihr bekannten Anhaltspunkte nicht ohne eigene Prüfung an das Sozialgericht verweisen dürfen, sondern habe selbst über die Höhe der Abtretung entscheiden müssen. Ohne Berücksichtigung des Ehegatten als unterhaltsberechtigte Person stehe ein monatlich pfändbarer Betrag der Altersrente der Beigeladenen zu 1) von 59,40 Euro, mithin insgesamt 1.181 Euro, und der Altersrente des Beigeladenen zu 2) von 10,40 Euro, mithin insgesamt 187,20 Euro, zu. Die Beklagte könne sich wegen eigener Pflichtverletzungen daher nicht darauf berufen, mit befreiender Wirkung an die Beigeladenen zu 1) und 2) gezahlt zu haben. Es sei ausnahmsweise eine schuldbefreiende Zahlung durch die Beklagte an die nicht berechtigte Klägerin gegeben, da die Beklagte kraft des öffentlichen Rechts in der hoheitlichen Position des Vollstreckungsgerichtes sei. Randnummer 19 Die Beigeladene zu 1), die keinen Antrag stellt, hat angegeben, seit dem 28. Dezember 2007 von dem Beigeladenen zu 2) getrennt zu leben. Sie habe im Zeitraum von Dezember 2008 bis Dezember 2010 ihm keinen Unterhalt gezahlt und von ihm auch nichts erhalten. In diesem Zeitraum habe sie neben der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine VBL-Rente von 74,99 Euro, ab Juli 2009 von 75,74 Euro und ab Juli 2010 von 76,50 Euro erhalten. Zurzeit zahle sie monatlich 112,78 Euro (pfändbarer Teil ihrer Rente) an den Insolvenzverwalter. Randnummer 20 Der Beigeladene zu 2), der keinen Antrag stellt, hat mitgeteilt, im Zeitraum von Dezember 2008 bis Dezember 2010 von der von ihm getrennt lebenden Beigeladenen zu 1) keinen Unterhalt bezogen und auch keinen gezahlt zu haben. In diesem Zeitraum habe er Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Randnummer 21 Der Beigeladene zu 3), der keinen Antrag stellt, weist darauf hin, dass der Abtretungsvertrag vom 22. November 2007 unwirksam sei, da die pfändbaren Beträge bereits an die A AG und die SB abgetreten worden seien, wie den beigefügten Verträgen vom 05. Januar 2000 und vom 23. Oktober 2006 zu entnehmen sei. Die diesen Abtretungen zugrunde liegenden Forderungen seien noch nicht getilgt, wie den beigefügten Auszügen aus den Insolvenztabellen zu entnehmen sei. Er hat die von den Beigeladenen zu 1) und 2) gemachten Angaben im Wesentlichen bestätigt. Die erhöhten Freibeträge stünden dem Schuldner zu, der gesetzliche Unterhaltspflichten zu erfüllen habe und sie auch tatsächlich erfülle. Werde die Rechtsfrage, ob die Beklagte die hoheitliche Position des Vollstreckungsgerichts im Sinne des § 850 c Abs. 4 ZPO einnehme, bejaht, müsse jedenfalls eine Prüfungspflicht der Beklagten dann bestehen, wenn sich aufdränge, dass Familienunterhalt wegen des Getrenntlebens nicht mehr geleistet worden sei. Randnummer 22 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ( und ), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 10. März 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.375,20 Euro festgesetzt.
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Baden-Württemberg
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1 Die Beklagte ist Mitglied der Klägerin und eignet in der Wohnanlage die Einheiten Nr. 13 und 90 (Parkplatz). Über das Vermögen der Beklagten wurde durch das Insolvenzgericht des AG Braunschweig am 6.5.2009 das Insolvenzverfahren eröffnet (AZ: 275 IN 197/09a). Mit Schreiben vom 23.7.2009 gab der Insolvenzverwalter das Teileigentum der Beklagten frei. Wegen des Inhalts der Erklärung wird auf AS 32 verwiesen. 2 Die Versammlung der Wohnungseigentümer beschloss am 17.10.2009 die Jahresabrechnung 2008/2009. Bereits am 27.9.2009 hatten die Wohnungseigentümer den Wirtschaftsplan 2009/2010 beschlossen. Danach ist für das Teileigentum Nr. 13 ein monatlicher Vorschuss von EUR 101,- und für den Parkplatz Nr. 90 ein solcher in Höhe von EUR 17,- zu entrichten. Gleichfalls auf der Versammlung vom 17.10.2009 beschlossen die Wohnungseigentümer eine Sonderumlage zur Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden in der Tiefgarage in Höhe von insgesamt EUR 130.000,-. Die auf die Beklagte entfallenden Anteile für die Teileigentumseinheit Nr. 13 betrugen EUR 393,50 und für die Nr. 90 EUR 67,-. Die vorgenannten Beschlüsse sind in Bestandskraft erwachsen. 3 Nachdem die Beklagte weder die Abrechnungssalden, die Sonderumlage und die Vorschüsse auf den Wirtschaftsplan für den Zeitraum von Juli 2009 bis einschließlich Februar 2010 nicht entrichtete, erhob die Klägerin Klage in nachstehenden Umfang: 4 Jahresabrechnung 2008/2009 Teileigentum Nr. 13 EUR 668,52 Parkplatz Nr. 90 EUR 146,15 Wirtschaftsplan 2009/2010 TE Nr. 13 7/09 - 2/10 á EUR 101,- EUR 808,-- P Nr. 90 7/09 - 2/10 á EUR 17,- EUR 136,-- Sonderumlage TE Nr. 13 EUR 393,50 P Nr. 90 EUR 67,-- Gesamt EUR 2.330,13 5 Die Klägerin behauptet, 6 die Beklagte sei zur Zahlung der geltend gemachten Beträge auf Grund der bestandskräftigen Beschlussfassungen verpflichtet. Dem stehe die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht entgegen, denn der Insolvenzverwalter habe das Teileigentum freigegeben und die geltend gemachten Beträge seien ausnahmslos nach der Freigabe fällig geworden. Die Beklagte sei daher einschließlich der angefallenen Verwalterkosten für die Beitreibung zu verurteilen. 7 Die Klägerin beantragt, 8 die Beklagte zur Zahlung von EUR 2.330,13 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. 9 Die Beklagte beantragt, 10 Klageabweisung. 11 Sie behauptet, 12 seit ihrer Insolvenz sei sie, pfandfrei lebend, nicht in der Lage die Hausgelder zu entrichten. Der Insolvenzverwalter habe die Mieten vereinnahmt und sei demzufolge verpflichtet, die Hausgelder zu bezahlen, dessen ungeachtet sei die geltend gemachte Forderung zur Tabelle angemeldet worden. Ihr sei bedeutet worden, sie müsse sich um den Verkauf der Wohnung nicht mehr kümmern, denn die Bank werde die Zwangsversteigerung einleiten. Erst im Verlauf des vorliegenden Verfahrens habe sie erfahren, dass diesbezüglich nichts geschehen sei. Die Mietzinsansprüche seien an die ... Bank abgetreten (Bl. 44), die wiederum die Gemeinschaft befriedigen müsse. 13 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten im Kostenpunkt durch Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 200,- abwenden, falls nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 4. Der Streitwert wird auf EUR 2.219,17 festgesetzt.
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Landessozialgericht Hamburg 4. Senat
Hamburg
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30.06.2023
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Juni 2021 bis zum 31. Juli 2021. Randnummer 2 Die 1980 geborene, im streitgegenständlichen Zeitraum erwerbsfähige Klägerin stand in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer im April 2003 geborenen, bei ihr lebenden Tochter im laufenden Bezug von Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 5. Oktober 2020 bewilligte der Beklagte Leistungen für die Zeit vom 1. Juni 2020 bis zum 31. Mai 2021. Randnummer 3 Der Beklagte informierte die Klägerin mit Schreiben vom 6. April 2021, dass Ende Mai die Leistungen nach dem SGB II ausliefen und wies darauf hin, dass für die Weitergewährung ein entsprechender Antrag zu stellen sei. Randnummer 4 Zum 1. Mai 2021 zog die Tochter der Klägerin aus der Wohnung der Klägerin aus. Randnummer 5 Mit Email vom 1. August 2021, gesendet über den Email-Account ihrer Schwester O., teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie seit Juni 2021 keine Leistungen mehr erhalte. Der Beklagte wies die Klägerin darauf hin, dass sie für die Zeit ab Juni 2021 keinen Weiterbewilligungsantrag gestellt habe und übersandte ihr die Antragsformulare (Schreiben vom 4.8.2021). Die Klägerin antwortete hierauf mit Email vom 8. August 2021, sie habe einen Antrag abgegeben. Sie habe diesen extra nicht per Post geschickt, sondern direkt in den Briefkasten des Beklagten eingeworfen und auf dem Briefumschlag ihre Kundennummer notiert. Am 10. August 2021 übermittelte die Klägerin dem Beklagten online (durch Hochladen der Dokumente auf der Internetseite des Beklagten) einen handschriftlich ausgefüllten Weiterbewilligungsantrag mit Schreiben ihrer Vermieterin und des Wasserversorgers als Anlagen. Am 12. August 2021 ging derselbe Antrag auch über den Briefkasten beim Beklagten ein. Randnummer 6 Daraufhin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 13. August 2021 Leistungen für den Zeitraum vom 1. August 2021 bis zum 31. Januar 2022. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein, mit dem sie Leistungen bereits ab dem 1. Juni 2021 geltend machte. Sie habe noch im Juni einen Antrag gestellt und diesen in den Briefkasten des Beklagten eingeworfen. Sie habe mehrmals telefonisch nach dem Bearbeitungsstand gefragt, woraufhin ihr die Auskunft erteilt worden sei, der Antrag befinde sich noch in Bearbeitung. Erst mit Schreiben vom 4. August 2021 sei ihr mitgeteilt worden, dass kein Antrag gestellt worden sei. Sie habe Schulden bei ihrer Vermieterin und bereits eine Kündigung erhalten. Randnummer 7 Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2021 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen für die Monate Juni und Juli 2021. Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 SGB II würden Leistungen nach dem SGB II auf Antrag erbracht, nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II seien Leistungen nicht für Zeiten vor der Antragstellung zu erbringen. Der Antrag wirke auf den Ersten des Monats zurück (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Vorliegend sei der Weiterbewilligungsantrag am 12. August 2021 bei dem Beklagten eingegangen. Ein früherer Zugangszeitpunkt könne nicht festgestellt werden. Hierfür obliege der Klägerin die Beweislast. Randnummer 8 Die Klägerin hat am 8. Dezember 2021 Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben. Sie hat vorgetragen, dass sie den entsprechenden Antrag bereits im Monat Juni bei der Beklagten eingereicht habe. Sie habe den Antrag zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester ausgefüllt und diesen sodann in den entsprechenden Briefkasten im Foyer des Beklagten eingeworfen. Im Übrigen sei die Akte des Beklagten unbrauchbar, da sie chaotisch und nicht geordnet sei. Eine zeitliche Zuordnung und Prüfung, wann was bei dem Beklagten tatsächlich eingereicht worden sei, sei nicht möglich. Die Klägerin hat im Wesentlichen gleichlautende eidesstattliche Versicherungen ihrer Mutter, Frau L., und ihrer Schwester, Frau O., eingereicht, in denen diese unter Hinweis auf die Belehrung über die Strafbarkeit einer falschen eidesstattlichen Versicherung angegeben haben, sie hätten der Klägerin geholfen, den Leistungsantrag auszufüllen und dann zu dritt das Gebäude des Beklagten im ... aufgesucht, wo sie zusammen den Antrag in den Briefkasten im Foyer eingeworfen hätten. Dies sei erstmalig im ersten Drittel des Monats Juni 2021 erfolgt. Nach der Mitteilung des Beklagten, dass der Antrag nicht eingegangen sei, sei dies auf gleichem Wege erneut erfolgt. Auch dann habe der Beklagte mitgeteilt, dass die Unterlagen nicht vorlägen. Erst beim dritten Mal seien die Unterlagen eingegangen. Sie seien jedes Mal beim Einwerfen der Unterlagen zugegen gewesen und könnten insoweit bestätigen, dass diese ordnungsgemäß ausgefüllt und auch ordnungsgemäß in den Briefkasten eingeworfen worden seien. Randnummer 9 Der Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, der Leistungsakte sei ein Antragseingang im Juni 2021 nicht zu entnehmen. Eingehende Anrufe und Vorsprachen in der Eingangszone würden regelmäßig im System hinterlegt. Dort seien jedoch keine Rücksprachen mit der Klägerin in dem entsprechenden Zeitraum vermerkt. Zudem werde darauf hingewiesen, dass der betreffende Briefkasten des Standortes B. im Rahmen der Corona-Maßnahmen aus dem Foyer entfernt worden sei. Seit Anfang März 2020 könnten Anträge vor Ort nur noch in einen der beiden Außenbriefkästen geworfen oder im Foyer an der Infothek abgegeben werden. Es sei daher davon auszugehen, dass sich der Vorgang nicht wie geschildert zugetragen habe. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat dazu vorgetragen, das Gericht möge die Zeugin vernehmen, dabei dürften die vom Beklagten aufgedeckten vermeintlichen Unklarheiten aufzuklären sein. Randnummer 10 Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. September 2022 abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juni 2021 bis zum 31. Juli 2021. Ein Antrag noch im Juni 2021 sei in der Akte des Beklagten nicht zu finden, im System des Beklagten seien keine Rücksprachen der Klägerin vermerkt. Die Klägerin habe einen Einwurf eines Weiterbewilligungsantrages in den Briefkasten des Foyers des Beklagten nicht glaubhaft nachweisen können, da im Juni 2021 kein Briefkasten im Foyer mehr angebracht gewesen sei, sondern nur vor dem Gebäude. Randnummer 11 Der Gerichtsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23. September 2022 zugestellt worden. Am 24. Oktober 2022, einem Montag, hat die Klägerin Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie trägt vor, das Sozialgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen, ohne die von ihr benannten Zeuginnen zu hören. Es treffe zu, dass die eidesstattlichen Versicherung ungenau von einem Einwurf in den Briefkasten im Foyer des Gebäudes des Beklagten gesprochen hätten. Dies beruhe jedoch auf einem Missverständnis zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, der die Erklärungen vorbereitet habe. Die Zeuginnen hätten bestätigen wollen, dass der Einwurf in den Briefkasten erfolgt sei, der außen am Foyer angebracht sei. Randnummer 12 Die Klägerin beantragt, Randnummer 13 den Gerichtsbescheid vom 22. September 2022 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 13. August 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8. November 2021 zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem SGB II auch für die Zeit vom 1. Juni 2021 bis zum 31. Juli 2021 zu gewähren. Randnummer 14 Der Beklagte beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Mit Beschluss vom 1. Februar 2023 hat der Senat den Rechtsstreit der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen. Randnummer 17 Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts hat der Senat die elektronische Leistungsakte des Beklagten beigezogen. In der mündlichen Verhandlung am 30. Juni 2023 hat der Senat die Klägerin informatorisch befragt und Frau O. und Frau L. als Zeuginnen vernommen. Für die Angaben und Aussagen der Klägerin und der Zeuginnen wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger wendet sich gegen die Ablehnung seines Asylantrags sowie gegen die verfügte Abschiebungsandrohung nebst Ausreisefristsetzung und das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot. 2 Der Kläger ist ein nach eigenen Angaben 1993 geborener afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit und sunnitischen Glaubens aus der Provinz Kabul. Er reiste Mitte 2013 aus Afghanistan aus und auf dem Landweg im Sommer 2015 in das Bundesgebiet ein. Am 23.12.2015 stellte er einen Asylantrag. Zu seinem Begehren wurde er am 18.11.2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) angehört. 3 Dabei gab er im Wesentlichen an, in Kabul im Haus seiner Familie zusammen mit seinen Eltern, zwei Schwestern und einem Bruder gelebt zu haben. Dieses Haus sei zur Finanzierung der Ausreise zur Pfandleihe übergeben worden. Er habe 12 Jahre die Schule mit Abschluss besucht und anschließend zwei Jahre eine Ausbildung im Bereich Management und Administration – ohne Abschluss – absolviert. Halbtags habe er in einem Kleidergeschäft seines Onkels mütterlicherseits gearbeitet und die Finanzen verwaltet. 4 2012 hätten die Onkel väterlicherseits ... und ... seine Familie besucht. Für ... Sohn hätten sie um die Hand seiner Tante mütterlicherseits angehalten. Seine Mutter habe gesagt, dass sie in dieser Angelegenheit nicht weiterhelfen könnte. Einige Monate später seien sie wiedergekommen und hätten zu seiner Mutter gesagt, dass sie den Kläger und seine Geschwister mit ihren eigenen Kindern verheiraten wollen würden, da diese sich von klein auf einander versprochen gewesen seien. Das sei die Kultur in seiner Herkunftsregion. Seine Mutter habe entgegnet, dass die Kinder selbst entscheiden sollten, wen sie heiraten würden, da sie und ihre Kinder diese Hochzeiten nicht gewollt hätten. Es seien Leute aus dem Dorf ohne jede Schulbildung. Er, der Kläger, und seine Geschwister seien jedoch gebildet. 5 Sein Vater habe vor langer Zeit im Krieg eine Kopfverletzung erlitten und sei wie seine Kinder kriegstraumatisiert. Er habe sehr unter dem Einfluss seiner Brüder gestanden, die ihm damals finanziell geholfen und ins Krankenhaus gebracht hätten. Er habe großen Respekt vor ihnen gehabt und habe nicht undankbar sein wollen. ... und ... hätten ihn angestiftet, den Kläger und seine Geschwister sowie die Mutter aufgrund ihrer Ablehnung zu schlagen, was dieser auch getan habe. Dabei habe er sogar den Arm seiner Mutter angebrochen und diese am Rücken verletzt. Selbst in Deutschland habe er sie einmal im Gesicht geschlagen, weshalb sie getrennt leben würden. 2013 sei er aus dem Freizeitpark zurückgekommen und habe Polizei vor dem Haus gesehen. Sein Vater habe wegen der Heiratsgeschichte ein Messer auf die Mutter des Klägers gerichtet, um ihr Angst einzujagen. Sein Onkel mütterlicherseits ... habe ihn, den Kläger, und seine Geschwister zwei Monate zu sich genommen. Seine Mutter habe sich bei der Polizei über die Gefahr, die von den Onkeln ... und ... ausgegangen sei, beschwert. Seine Schwester ... sei auf dem Schulweg von diesen Onkeln belästigt worden und habe deshalb die Schule gewechselt. Sein Vater sei zwei Monate nach seiner Verhaftung wieder freigekommen. ..., der Bruder von ... und ..., sei nett und habe herausgefunden, dass ... und ... dem Richter 1.000 Dollar gezahlt hätten, damit die Anklage fallen gelassen werde. ... habe dies der Mutter des Klägers vor der Freilassung erzählt und empfohlen, die Anzeige zurückzunehmen, damit es nach der Freilassung zu weniger Problemen beim Zusammenleben der beiden komme. Seine Mutter habe dann diese Anzeige zurückgenommen und sei wieder mit ihrem Mann zusammengezogen. 6 Es sei dann mit den Schlägen weitergegangen und es sei ihnen psychisch schlecht gegangen. Seine Schwester habe sich einmal in einen Brunnen stürzen und umbringen wollen. ... sei eines Tages zu ihnen gekommen und habe von zwei Optionen gesprochen. Entweder sie würden den Forderungen der Onkel nachkommen oder sie sollten das Land verlassen. Die beiden Onkel seien einflussreich und hätten Beziehungen zu Parlamentsmitgliedern. Er habe sie dann zwei Wochen bei sich aufgenommen. In dieser Zeit sei das Haus als Pfand hergegeben und die Ausreise in die Türkei vorbereitet worden. In der Türkei seien sie jedoch von einem Afghanen erkannt worden und seine beiden Onkel seien über ihren Aufenthalt informiert worden. 7 Auf Nachfrage zu eigenen Problemen in Afghanistan erklärte der Kläger, er sei öfter von seinem Vater geschlagen und von seinem Onkel bedroht worden. Er habe eine einige Jahre ältere Cousine heiraten sollen. Diese Ablehnung werde in Afghanistan als Ehrverletzung angesehen. 8 In Deutschland habe er seinen Vater einmal gesehen und er habe telefonischen Kontakt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan sei sein Leben in Gefahr, weil er seine Cousine nicht geheiratet habe. Er könne dort auch nicht problemlos eine andere heiraten. Seine Onkel hätten viele Beziehungen. 9 Auf die Frage, was geschehen wäre, wenn sie nicht ausgereist wären, antwortete der Kläger, er habe später von seiner Mutter erfahren, dass seine beiden Onkel mit mehreren Personen versucht hätten, ihr Haus mit Waffen zu überfallen. Das sei in der Zeit der Inhaftierung seines Vaters gewesen. Seine Mutter habe das nicht sofort erzählt, damit er sich auf die Schule konzentrieren könne. ... habe seiner Mutter telefonisch mitgeteilt, dass ... in die Türkei kommen wolle. Da hätten sie beschlossen, auch die Türkei zu verlassen. Er sei als Erster nach Deutschland vorausgegangen. 10 Mit Bescheid vom 17.11.2017 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihm die Abschiebung nach Afghanistan angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es liege kein Verfolgungsgrund vor. Vom Vater drohe nach dessen Flüchtlingsanerkennung keine Verfolgung. Eine Verfolgung durch seine beiden Onkel habe er nicht glaubhaft gemacht. Familienasyl oder internationaler Schutz für Familienangehörige nach § 26 AsylG komme nicht in Betracht, weil der Kläger bei Antragstellung volljährig gewesen sei. Bezüglich des Einreise- und Aufenthaltsverbots verfüge der Kläger im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. Da der Kläger volljährig sei, könnten seine Eltern keine schutzwürdigen Belange begründen. Auch seine in Deutschland lebenden Geschwister würden aufgrund ihres Verwandtschaftsgrades zu keiner Fristverkürzung führen. 11 Die Flüchtlingseigenschaft der Schwester des Klägers, ..., die im hiesigen Verfahren als Zeugin angehört wurde, wurde dieser von der Beklagten mit Bescheid vom 23.05.2016 zuerkannt. Als Begründung für ihren Asylantrag gab diese bei ihrer Anhörung am 02.05.2016 im Wesentlich an, ihre Onkel väterlicherseits hätten sie zwingen wollen, deren Söhne zu heiraten, was sie aber nicht gewollt hätten. Auch der Schwester ... wurde mit Bescheid vom 29.06.2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Sie gab bei ihrer Anhörung am 02.05.2016 im Wesentlichen an, sie und ihre Schwester seien nicht bereit gewesen, die Söhne ihres Onkels zu heiraten. Der Vater des Klägers gab in seiner Anhörung am 10.05.2016 unter anderem an, seine beiden Töchter hätten verheiratet werden sollen. Die Mutter des Klägers gab in ihrer Anhörung am 02.05.2016 ebenfalls unter anderem an, ihre Schwäger hätten ihre beiden Töchter für ihre Söhne haben wollen. Der Mutter des Klägers wurde mit Bescheid vom 08.06.2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Seinem im Jahr 1999 oder 2000 geborenen Bruder wurde nach § 26 AsylG mit Bescheid vom 08.06.2016 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. 12 Gegen den am 29.11.2017 zugestellten Bescheid vom 17.11.2017 hat der Kläger am 05.12.2017 Klage erhoben. Zu deren Begründung führt er aus, sein Vortrag sei glaubhaft. Seine Mutter, sein Bruder und sein Vater, die mit ihm gemeinsam ausgereist seien, hätten bereits rechtskräftig die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung eines Abschiebungsverbots vor. Er leide an psychischen Störungen. 13 Der Kläger beantragt, 14 den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17.11.2017 hinsichtlich der Ziffern 1 und 3 bis 6 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise, ihm den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen, weiter hilfsweise, festzustellen, dass ein nationales Abschiebungsverbot bezüglich Afghanistan vorliegt. 15 Die in der mündlichen Verhandlung nicht erschienene Beklagte hat schriftsätzlich den Antrag angekündigt, 16 die Klage abzuweisen. 17 Zur Begründung bezieht sie sich auf die angefochtene Entscheidung. 18 Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 23.10.2019 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. 19 Die auf den Gerichtsaktenseiten 141 f. aufgeführten Erkenntnismittel sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. 20 Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin .... Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 16.01.2020 verwiesen. Der Kläger ist in den Terminen zur mündlichen Verhandlung am 16.01.2020 und am 15.05.2020 ergänzend informatorisch angehört worden. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Protokolle zur mündlichen Verhandlung verwiesen. 21 Dem Gericht haben die Akten der Beklagten betreffend den Kläger, seine Geschwister ... (Az. ...-1-423) und ... (Az. ...-423) sowie seine Eltern (Az. ... und ...) vorgelegen. Auf diese wird ebenso wie auf die Gerichtsverfahrensakten wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung von Nr. 4 bis Nr. 6 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 17.11.2017 (Az. ...-423) verpflichtet, festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG bezüglich Afghanistan vorliegt. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Von den Kosten des – gerichtskostenfreien – Verfahrens tragen der Kläger 60 %, die Beklagte 40 %.
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Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein 1. Kammer
Schleswig-Holstein
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14.10.2014
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Randnummer 1 Die Parteien streiten im Berufungsverfahren nur noch über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung. Randnummer 2 Die 1966 geborene Klägerin ist seit dem 01.11.1994 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängern als Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte mit Schwerpunkt im Notariat auf Grundlage eines schriftlichen Anstellungsvertrags (Anlage K1, Blatt 8 der Akte) tätig. Die Beklagte beschäftigt in ihrer Rechtsanwalts- und Notarkanzlei einschließlich der Klägerin fünf Arbeitnehmer. Randnummer 3 Seit dem 16.07.2013 ist die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem mindestens ein Telefonat über den Zeitpunkt ihrer Rückkehr an ihren Arbeitsplatz geführt worden war, kündigte die Beklagte mit am 30.09.2013 der Klägerin zugegangenem Schreiben das Arbeitsverhältnis fristgemäß zum 30.04.2014. Zum 01.04.2014 stellte sie eine neue Arbeitskraft ein. Randnummer 4 Gegen die Kündigung hat die Klägerin fristgemäß Klage erhoben und deren Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen das Gebot der Wahrung eines Mindestmaßes an sozialer Rücksichtnahme geltend gemacht. Randnummer 5 Die Beklagte hat erstinstanzlich u. a. ausgeführt, einer ihrer Gesellschafter habe, nachdem er am 22.08.2013 eine weitere Erstbescheinigung eines Orthopäden erhalten habe, sich telefonisch bei der Klägerin erkundigt, mit welchen weiteren Ausfallzeiten er rechnen müsse. Darauf habe diese erklärt, hierzu keine Aussagen machen zu können. Randnummer 6 Wegen des weiteren Vortrags der Parteien in erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Randnummer 7 Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Randnummer 8 Die Kündigung sei nicht treuwidrig. Vielmehr hätten bei Zugang der Kündigung objektiv einleuchtende Gründe für deren Ausspruch vorgelegen. Die Klägerin sei bereits länger als zwei Monate arbeitsunfähig gewesen, die Beklagte habe nicht gewusst, wie lange die Arbeitsunfähigkeit noch andauern werde. Die von der Klägerin vorgelegten Erstbescheinigungen verschiedener Fachärzte hätten eher dafür gesprochen, dass es sich um eine medizinisch nicht ganz einfache Situation gehandelt habe. Die Klägerin habe auch insbesondere auf Fragen nach einer Prognose erklärt, dass sie nicht sagen könne, mit welchen weiteren Ausfallzeiten zu rechnen sei. Die Beklagte benötige, worauf die Klägerin selbst hingewiesen habe, eine qualifizierte Fachkraft für das Notariat. Mit der Klägerin sei eine ausgesprochen engagierte und gute Mitarbeiterin ausgefallen. Die Suche nach einem kurzfristigen Ersatz sei nicht erfolgreich gewesen. Dass die Beklagte dann die Chance ergriffen und eine andere R.- Fachangestellte mit Wirkung zum April 2014 eingestellt habe, habe dem betrieblichen Interesse an einer möglichst schnellen und zuverlässigen Lösung entsprochen, die durch den Ausfall der Klägerin im Notariat begründet worden sei. Damit sei gleichzeitig die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung der Klägerin entfallen. Randnummer 9 Gegen dieses ihr am 17.04.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 16.05.2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 17.07.2014 am 17.07.2014 begründet. Randnummer 10 Sie trägt vor: Randnummer 11 Die Kündigung verstoße gegen § 242 BGB und sei nichtig. Ihr durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dürfe nicht unberücksichtigt bleiben. Sie sei bei Zugang der Kündigung 47 Jahre alt und 19 Jahre im Unternehmen beschäftigt gewesen. An ihrer hervorragenden Qualifikation und fachlichen Kompetenz bestünden keine Zweifel. Sie habe in der Vergangenheit keine über das übliche Maß hinausgehenden Fehlzeiten aufgewiesen. Zu der längeren Arbeitsunfähigkeit sei es aufgrund einer unvorhersehbaren Komplikation bei einer im Juli 2013 durchgeführten Operation gekommen. Es fehle an einer negativen Gesundheitsprognose. Eine erhebliche Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen liege nicht vor. Die Beklagte habe befristet eine Krankheitsvertretung für sie einstellen können. Im Rahmen einer Interessenabwägung überwiege ihr Vertrauen auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses, was die Klägerin im Einzelnen weiter ausführt. Randnummer 12 Die Klägerin beantragt, Randnummer 13 das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.03.2014, Az. 3 Ca 2678/13, teilweise abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 27.09.2013 nicht aufgelöst worden ist. Randnummer 14 Die Beklagte beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Sie tritt den Ausführungen der Klägerin entgegen und weist insbesondere darauf hin, dass die vom Bundesarbeitsgericht zur Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung nach § 1 Abs. 2 KSchG aufgestellten Grundsätze keine Anwendung fänden. Zutreffend habe das Arbeitsgericht festgestellt, dass kein Verstoß gegen Treu und Glauben vorliege. Durch den krankheitsbedingten Ausfall der Klägerin sei der Arbeitsablauf in der Kanzlei ganz erheblich beeinträchtigt worden. Darüber hinaus habe die Ungewissheit bestanden, ob und wann die Klägerin wieder gesundgeschrieben werde. Randnummer 17 Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 25.03.2014 – 3 Ca 2678/13 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan 35/15 Heilbronn-Böckingen/Neckargartach/Frankenbach/Klingenberg, Saarlandstraße der Antragsgegnerin, der Grundlage für den Ausbau und die Verlängerung der Saarlandstraße ist. 2 Die B 39 verläuft von Ost nach West durch die Innenstadt der Antragsgegnerin. Unmittelbar nach der Überquerung des Neckars und des Kanalhafens auf der Peter-Bruckmann-Brücke erreicht sie den Saarlandkreisel, wo sie von der Neckartalstraße (L 1100) gekreuzt wird. Die B 39 durchquert von dort aus unter dem Namen Saarlandstraße auf einer Länge von ca. 1.300 m die Kreuzgrundsiedlung in Ost-West-Richtung und schwenkt an deren Westrand an der Einmündung der von Südosten kommenden Heidelberger Straße nunmehr unter dem Namen Saarbrückener Straße nach Nordwesten in Richtung des Ortsteils Frankenbach. Die mit der B 39 über die Heidelberger und die Neckartalstraße verbundene B 293 (Großgartacher Straße) durchquert ca. 1.200 m südlich der Saarlandstraße den Stadtteil Böckingen in Richtung Leingarten. 3 Der streitige Bebauungsplan 35/15 Heilbronn-Böckingen/Neckargartach/ Frankenbach/Klingenberg, Saarlandstraße (Bebauungsplan) ist die Rechtsgrundlage für den vierspurigen Ausbau der Saarlandstraße von der Einmündung der Römerstraße im Osten (unmittelbar westlich des Saarlandkreisels) bis zur Kreuzung mit der Saarbrückener-/Heidelberger Straße im Westen und für die anschließende Verlängerung der Saarlandstraße als Gemeindestraße gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 StrG bis zur Grenze mit der Gemeinde Leingarten. Die verlängerte Saarlandstraße soll - auf eigenständiger planungsrechtlicher Grundlage - auf dem Gebiet der Gemeinde Leingarten bis zur B 293 weitergeführt werden. 4 Der Bebauungsplan erstreckt sich auf die räumlich getrennten Teilgebiete A, B, C, D und E. Das Teilgebiet A umfasst die Fläche für die eigentliche Straßenbaumaßnahme und bezieht die angrenzenden Baugrundstücke mit ein, um dort Festsetzungen im Hinblick auf passive Lärmschutzmaßnahmen zu treffen (vgl. Textteil A, planungsrechtliche Festsetzungen, Nr. 5.2 - 5.6). Es beginnt im Osten ca. 50 m östlich der Einmündung der von Norden kommenden Römerstraße und reicht im Westen bis an die Grenze der Gemarkung der Antragsgegnerin zu der benachbarten Gemeinde Leingarten. Der Bebauungsplan sieht vor, dass die durch bebautes Gebiet verlaufende Saarlandstraße auf 6,50 m je Fahrtrichtung mit einer baulichen Mitteltrennung (Grünstreifen mit Bäumen) ausgebaut werden soll. An der Kreuzung mit der Saarbrückener Straße und der Heidelberger Straße ist eine elipsenförmige Ausweitung der baulichen Mitteltrennung vorgesehen, um so einen optisch und gestalterisch wirksamen Stadteingang zu schaffen. Die von Südosten kommende Heidelberger Straße soll östlich und die - im Vergleich zu ihrem bisherigen Verlauf nach Westen zu verschwenkende - Saarbrückener Straße westlich davon in die Saarlandstraße einmünden. In Höhe der Heidelberger Straße beginnt die durch unbebautes Gelände verlaufende Verlängerung der Saarlandstraße (Neubaustrecke). Der Bebauungsplan setzt fest, dass sie zunächst auf einer Länge von ca. 750 m in West-Ost-Richtung verläuft und sodann nach Süd-Westen verschwenkt wird, bis sie unmittelbar nordwestlich des Gewerbegebietes Böckingen-West die Grenze der Gemarkung zum Nachbarort Leingarten erreicht. 5 Im Bereich aller in die Bestandsstrecke der Saarlandstraße einmündenden Straßen (von Ost nach West: Römerstraße/Neckargartacher Straße, Im Kreuzgrund, Am Gesundbrunnen, Heidelberger Straße/Saarbrückener Straße) sind Verbreiterungen über 6,50 m hinaus (für Abbiegespuren) vorgesehen. Das Linksabbiegen wird jeweils durch eine Unterbrechung des Mittelstreifens ermöglicht. Zur Verbindung der Florian-Geyer-Straße mit der Straße Im Kreuzgrund (Parallelstraßen zur Saarlandstraße unmittelbar nördlich bzw. südlich im Plangebiet) sieht der Plan den Bau einer Brücke mit einem Radweg vor. Die Neubaustrecke soll ebenfalls von zwei Brücken überquert werden, um die Feldwege auf beiden Seiten miteinander zu verbinden. 6 Zum Schutz der an die Saarlandstraße angrenzenden Wohngebiete sowie des unmittelbar westlich der Römerstraße und nördlich der Saarlandstraße gelegene Klinikgebiets „Am Gesundbrunnen“ (Klinikum) vor dem Verkehrslärm sieht der Bebauungsplan vor, die Saarlandstraße abzusenken, und zwar so, dass sie in Höhe der Einmündung der zum Klinikgelände führenden Straße Am Gesundbrunnen 2 m unter dem aktuellen Niveau liegt, an der oben genannten Verbindungsbrücke mit einer Absenkung von 5 m ihre tiefste Lage erreicht, um dann bis zur Einmündung der Heidelberger Straße wieder bis zum bisherigen Niveau anzusteigen. Außerdem ist die Errichtung von Lärmschutzwänden, Lärmschutzwällen und Lärmschutzwall/-wandkombinationen beidseitig entlang der Saarlandstraße, im Einmündungsbereich der Heidelberger und der Saarbrückener Straße und auf der Nord- und der Südseite der Neubaustrecke - dort zum Schutz der Bebauung am Südrand des Stadtteils Frankenberg (Schleifweg) und des südwestlich der Heidelberger Straße gelegenen Stadtteils Schanz - vorgesehen. 7 Das Teilgebiet B umfasst einen Teilabschnitt der vom Ortsteil Frankenbach nach Leingarten führenden, die B 293 mit der Saarbrückener Straße verbindenden Leintalstraße (K 9561) und sieht deren weitgehenden Rückbau zum Feldweg vor. Die Teilgebiete C, D und E beziehen sich auf einzelne auf den Markungen Frankenbach, Böckingen und Klingenberg gelegene Grundstücke. Der Bebauungsplan setzt auf diesen Grundstücken jeweils im Einzelnen unterschiedlich geregelte Anpflanzungen als naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen fest. 8 Die Vorüberlegungen zur Aufstellung des streitigen Bebauungsplans reichen bis in die 1980er Jahre zurück. Ziel der Antragsgegnerin war und ist, im Rahmen einer Neuordnung des Verkehrs auf ihrem westlichen Stadtgebiet den Verkehr gebündelt aus und in die Innenstadt zu führen, mit der Neubaustrecke den neu geplanten Ortsteil „Schanz-West/Trappenhöhe“ zu erschließen und eine Verbindung zur B 293 herzustellen, was wiederum Voraussetzung für die ebenfalls geplante Süd-Ost-Umfahrung der Gemeinde Leingarten ist. Auf diese Weise soll die Verkehrsbelastung im Stadtteil Böckingen erheblich reduziert werden. Beabsichtigt ist auch, den Verkehr auf der Saarbrückener Straße (B 39) und damit auch in dem nördlich der geplanten Neubaustrecke gelegenen und von dieser Straße durchquerten Stadtteil Frankenbach zu verringern. Trotz der zu erwartenden Verkehrszunahme auf der Saarlandstraße soll mit den Lärmschutzbauten auch die bislang massive und teilweise über den Grenzwerten der 16. BImSchV liegende Verkehrslärmbelastung in der Kreuzgrundsiedlung deutlich verringert und, wo dies etwa wegen der Topographie nicht möglich ist, durch passive Lärmschutzmaßnahmen eine Verbesserung erreicht werden. 9 Den Beschluss zur Aufstellung des Bebauungsplans fasste der Gemeinderat am 20.07.2006. Im Verfahren zu seiner Aufstellung wurden mehrere Gutachten (insbesondere die Untersuchung alternativer Trassen vom 24.07.2009, die Untersuchung alternativer Gradiente vom 28.09.2007, die Schalltechnische Untersuchung zum Bebauungsplan vom 25.03.2011,- jeweils erstellt durch das Ingenieurbüro Mörgenthaler -, die Luftschadstoffgutachten zum Bebauungsplan des Ingenieurbüros Lohmeyer vom Januar und vom März 2011) eingeholt und der Entwurf des Bebauungsplans insgesamt drei Mal öffentlich ausgelegt (vom 31.05. - 30.06.2010, vom 16.05. - 16.06.2011 und vom 11.07. - 11.08.2011). Die dritte Auslegung erfolgte, weil bei der ins Internet eingestellten Bekanntmachung der zweiten öffentlichen Auslegung kein Hinweis enthalten war, bis wann und wo Einwendungen geltend gemacht werden können. Streitpunkt war insbesondere, ob nicht eine andere Trassenführung vorzuziehen sein könnte. Neben der beschlossenen sogenannten Diagonaltrasse waren noch die Hünderstraßenvariante und die Nordumfahrung in der Diskussion. 10 Die Hünderstraßenvariante sieht vor, die B 293 von der Gemarkungsgrenze mit der Gemeinde Leingarten bis zur Hünderstraße, die das Gewerbegebiet Böckingen-West von Norden nach Süden durchquert, auszubauen. Danach soll die Trasse in einer halbkreisförmigen Kurve mit einem Radius von 50 m in die Hünderstraße einmünden. Diese soll ebenfalls ausgebaut und über das Gewerbegebiet Böckingen-West hinaus noch ca. 700 m weiter nach Norden geführt werden, um dann nach Osten abzuknicken. Ihr weiterer Verlauf ist mit dem der Diagonaltrasse identisch. 11 Die Nordumfahrung sieht einen vollständigen Neubau ohne Einbeziehung der Bestandsstrecke der Saarlandstraße vor. Sie beginnt ebenso wie die Diagonaltrasse an der Gemarkungsgrenze mit der Gemeinde Leingarten und führt ebenfalls zunächst in Richtung Nordosten, knickt dann aber nicht nach Osten ab, sondern verläuft weiter in Richtung Nordosten durch landwirtschaftlich/ gärtnerisch genutztes Gelände zwischen der Kreuzgrundsiedlung und dem Stadtteil Frankenbach, quert die Saarbrückener Straße und beschreibt sodann eine am Südrand von Frankenbach vorbeiführende Kurve in südlicher Richtung, um östlich des Klinikums an den Saarlandkreisel angeschlossen zu werden. 12 Hinsichtlich der Diagonaltrasse wurde außerdem diskutiert, ob die Bestandsstrecke der Saarlandstraße zwischen dem Saarlandkreisel und der Kreuzung mit der Heidelberger/Saarbrückener Straße vollständig in einem Tunnel geführt oder - mit oder ohne Überdeckelung - wenigstens vollständig tiefergelegt werden könnte (Troglösung), um so einen besseren Schutz der Kreuzgrundsiedlung und des Klinikums vor Verkehrslärm und Luftschadstoffen zu erreichen. 13 Am 22.09.2011 beschloss der Gemeinderat den Bebauungsplan als Satzung. Gleichzeitig fasste er auch den Beschluss zur Änderung des Flächennutzungsplans im Parallelverfahren nach § 8 Abs. 3 BauGB, der bislang vorgesehen hatte, die B 39 geradlinig ohne Verschwenkung nach Südwesten zu verlängern. Diese Fortschreibung des Flächennutzungsplans für das Teilgebiet „Saarlandstraße“ (12. Fortschreibung des Flächennutzungsplans 2003) wurde vom Regierungspräsidium Stuttgart am 21.11.2011 genehmigt. Der Beschluss über die Aufstellung des Bebauungsplans, der Beschluss über die Änderung des Flächennutzungsplans und dessen Genehmigung durch das Regierungspräsidium Stuttgart wurden am 01.12.2011 im Amtsblatt der Antragsgegnerin öffentlich bekanntgemacht. 14 Am 26.11.2012 stellten die Antragsteller, die im Geltungsbereich des Bebauungsplans wohnen und/oder Eigentümer dort gelegener Grundstücke sind, den Antrag auf Einleitung des Normenkontrollverfahrens gegen den Bebauungsplan. Der Antragsschriftsatz mit der Begründung des Normenkontrollantrags wurde der Antragsgegnerin am 05.12.2012 zugestellt. 15 Zur Begründung machen die Antragsteller geltend, beim Satzungsbeschluss am 22.09.2011 hätten die Stadträte xxx und xxx mitgewirkt, obwohl sie wegen Befangenheit ausgeschlossen gewesen seien. Sie wohnten in der Großgartacher Straße bzw. der Straße Im Hasselter (einer Parallelstraße zur Großgartacher Straße). In beiden Straßen werde sich wegen der mit dem Ausbau der Saarlandstraße verbundenen Verkehrsverlagerung die Belastung durch Verkehrslärm und Luftschadstoffe deutlich verringern. Beide Stadträte seien als Mitglieder der Interessengemeinschaft „pro Saarlandstraße“ auch vehement und unsachlich öffentlich für den Bebauungsplan eingetreten, um so eine Verlagerung der Belastung insbesondere mit Luftschadstoffen auf die Bewohner entlang der Saarlandstraße und damit die Antragsteller zu erreichen. Der Bebauungsplan sei schon deshalb unabhängig von der Kausalität der Stimmabgabe nichtig. 16 Der Ausbau und die Verlängerung der Saarlandstraße entsprächen nicht mehr dem Stand der städtebaulichen Entwicklung. Der Verkehr werde nicht um die Stadt herum, sondern direkt in die Innenstadt hineingeführt, was gerade im Hinblick auf den hohen Lkw-Anteil zu einer massiven Verschlechterung der Schadstoffbelastung dort führen werde. Nach dem Konzept der Antragsgegnerin müsse die Saarlandstraße in der Zukunft auch über den Saarlandkreisel hinaus nach Osten über die Peter-Bruckmann-Brücke bis hin zur Füger-Brücke weiter ausgebaut werden. Damit sei eine nicht untersuchte beträchtliche Lärm- und Schadstoffbelastung für den in der Nähe der Peter-Bruckmann-Brücke neu geplanten Stadtteil Neckarvorstadt verbunden. Die Saarlandstraße solle vierspurig ausgebaut werden, obwohl ein dreispuriger Ausbau mit Wechselspur wie in Heidelberg genüge. Da ab dem Jahr 2020 ein Rückgang des Verkehrs zu erwarten sei, wäre auch ein zweispuriger Ausbau mit einem geringeren Flächenverbrauch und geringeren Eingriffen in die Natur ausreichend. 17 Zu Unrecht habe die Antragsgegnerin der Diagonaltrasse gegenüber der Nordumfahrung und der Hünderstraßenvariante den Vorzug gegeben. Jedenfalls aber hätte die innerorts verlaufende Ausbaustrecke der Saarlandstraße zum Schutz der Anwohner vor Verkehrslärm und Luftschadstoffen vollständig in einem Tunnel oder wenigstens in einer überdeckelten Troglage geführt werden müssen. 18 Das Gutachten Lohmeyer zur Luftschadstoffbelastung vom Januar 2011 komme zum Ergebnis, dass die Diagonaltrasse zu einer Überschreitung der Grenzwerte aller untersuchten Luftschadstoffe führen werde. Entlang der Saarlandstraße würde im Jahresmittel eine NO ² Belastung mit 41 µg/m³ Luft auftreten. Nach § 3 Abs. 2 39. BImSchV betrage der Grenzwert aber 40 µg/m³ Luft. Im Straßennahbereich seien sogar Konzentrationen von 46 µg/m³ Luft zu erwarten. Auch am Ort des Neubaus des Klinikums unterhalb der bereits bestehenden Klinikgebäude seien deutliche Grenzwertüberschreitungen im Hinblick auf das Jahresmittel zu erwarten. Auch der über den Tag gemittelte Immissionsgrenzwert für PM10 - Feinstaub - aus § 4 Abs. 2 39. BImSchV von 50 µg/m³ Luft bei 35 zulässigen Überschreitungen im Kalenderjahr werde nicht an allen Untersuchungspunkten eingehalten. Mit Konzentrationen von überwiegend unter 20 µg/m³ Luft werde der Immissionsgrenzwert von 25 µg/m³ für PM2,5 aus § 5 Abs. 2 39. BImSchV zwar angeblich eingehalten. Angesichts der Zunahme des Lkw-Verkehrs sei das jedoch nicht plausibel. Allein schon wegen dieser Überschreitungen der Immissionsgrenzwerte sei der Bebauungsplan insgesamt rechtswidrig, denn diesen komme im Rahmen der Abwägung erhebliche Bedeutung zu. Nach dem Gutachten Lohmeyer zur Luftschadstoffbelastung vom März 2011 seien die Grenzwerte für NO ² , PM10 und PM2,5 zwar alle eingehalten. Dieses sei jedoch ergebnisorientiert erstellt worden und damit wertlos. Die Erklärung, das Gutachten vom März 2011 sei nicht nach dem Modell PROKAS, sondern nach dem Modell MISKAM erarbeitet worden, das die Wirkung der Lärmschutzbauten in die Berechnung miteinbeziehe, sei nicht plausibel. Da der Wind hauptsächlich aus Süden und Südwesten komme, hätten die Lärmschutzbauten keinen Einfluss auf die Schadstoffkonzentration. Der Wind und die Schadstoffe glitten so an den Lärmschutzbauten vorbei. Zu einer die Schadstoffkonzentration mindernden Verwirbelung komme es allenfalls, wenn der Wind senkrecht zu den Lärmschutzbauten wehe. Ohnehin könnten Lärmschutzbauten wohl nur dann zur Reduktion der Schadstoffkonzentration beitragen, wenn sie - was in Versuchsstrecken getestet werde - in geeigneter Weise bepflanzt seien. 19 Sowohl das Gutachten Lohmeyer vom Januar 2011 als auch das für die Antragsgegnerin maßgebliche Gutachten vom März 2011 wiesen erhebliche Mängel auf. Beide Gutachten legten die von Dr. Brenner ermittelten Daten zur Verkehrsbelastung zu Grunde. Tatsächlich sei der Verkehr auf der Saarlandstraße aber mindestens um 3.500 Kfz/Tag höher anzusetzen, denn Dr. Brenner berücksichtige bei seinen Verkehrsprognosen eine zukünftige Entlastung der Saarlandstraße durch die geplante Nordumfahrung Frankenbach/Neckargartach/Industriegebiet Böllinger Höfe, die aber auf absehbare Zeit schon mangels Einleitung des Planfeststellungsverfahrens nicht zu realisieren sei. 20 In den Gutachten Lohmeyer vom Januar und März 2011 möge berücksichtigt worden sein, dass die geplante Ausbaustrecke der Saarlandstraße nunmehr Höhenunterschiede und Steigungen aufweise. Die Kombination aus Lichtzeichenanlage an einer Steigung mit den durch das Anfahren der Kraftfahrzeuge an der Ampel bewirkten besonders hohen Schadstoffbelastungen sei aber nicht in die Überlegungen eingegangen, obwohl gerade an der steilsten Stelle an der Einfahrt in die Straße Am Gesundbrunnen zukünftig eine Lichtzeichenanlage vorgesehen sei. 21 Auch seien nur Kraftfahrzeuge mit mehr als 3,5 t Gesamtgewicht als Lkw berücksichtigt worden. Die große Gruppe der Kleinlaster über 2,8 t Gesamtgewicht werde so nicht zu den Lkw gezählt, obwohl sie als Dieselfahrzeuge erheblich mehr NO ² emittierten und lauter seien als Pkw. 22 Alle diese Fehler seien auch in die Schalltechnische Untersuchung Mörgenthaler vom 25.03.2011 eingegangen, weshalb diese ebenfalls keine zutreffenden Ergebnisse liefere. 23 Die Gutachten Lohmeyer zur Luftschadstoffbelastung vom Januar 2011 und vom März 2011 hätten auch die Hintergrundbelastung der Luft mit Schadstoffen, die von der auch nach Auffassung des Gutachters stark befahrenen Neckartalstraße ausgehe, nicht richtig berücksichtigt. Die Werte der teilweise weit vom Bebauungsplangebiet entfernt liegenden Messstationen seien falsch ausgewertet worden. 24 Die Berechnung der PM2,5 Immissionen sei nicht plausibel und falsch. Wie sich aus den Gutachten Lohmeyer zur Luftschadstoffbelastung ergebe, führe eine Zunahme der Verkehrsbelastung um 65 % (28 700 Kfz/Tag gegenüber 17 100 Kfz/Tag) zu einer progressiv-proportionalen Zunahme der Feinstaubbelastung um 100 % (0,0105 mg/(m s) gegenüber 0,0057 mg/(m s)). Dazu passe nicht, dass an der L 1100 (Neckartalstraße) hinsichtlich der PM2,5 Belastung „geringe verkehrsbedingte Beiträge“ zu erwarten sein sollten, obwohl dort der Verkehr um 100 % zunehmen werde. Tatsächlich seien Belastungen über 30 µg/m³ Luft zu erwarten. Darauf, dass die Öffnungen der Lärmschutzwände an den Straßeneinfahrten (Saarbrückener Straße, Im Kreuzgrund) hinsichtlich der Feinstaubbelastung regelrecht eine Kaminwirkung entfalteten, gingen die Gutachten auch nicht ein. 25 Das Klinikum werde angesichts der zu erwartenden Verkehrszunahme nicht ausreichend vor Verkehrslärm geschützt. Lärmschutzbauwerke seien dort wegen des ansteigenden Geländes wirkungslos und auch nicht festgesetzt worden. An den Fronten der parallel zur Saarlandstraße stehenden Klinikneubauten mit den Patientenzimmern in den oberen Stockwerken seien hohen Schallimmissionen von 70 - 75 dB(A) zu erwarten. Passive Schallschutzmaßnahmen versprächen keinen Erfolg. Eine Klimaanlage sei in den Neubauten nicht vorgesehen. Wegen der Ausrichtung der Zimmer nach Süden könnten die Fenster, zumal wenn die Patienten Besuch hätten, auch nicht geschlossen bleiben. Die Zwangslüftung könne den Temperaturanstieg nicht begrenzen. Die eingebauten direkten Lüftungsschlitze seien unzureichend, besondere Lüftungsmaßnahmen (elektrische Be- und Entlüftung über Lüftungskanäle) nicht vorgesehen. Im Winter müssten die Fenster zum Stoßlüften sowieso mehrmals am Tag geöffnet werden. Die Antragsgegnerin habe in der Abwägung nicht berücksichtigt, dass bei der Klinik die Grenzwerte der DIN 18005 von 45 dB(A) tags und 35 dB(A) nachts anzuwenden seien, obwohl bereits bei einem Lärmpegel von 65 dB(A) eine erhebliche Erhöhung des Herzinfarktrisikos zu befürchten sei. 26 Die Feinstaubbelastung des Klinikums zumal durch PM2,5 könne nicht ausgefiltert werden. Schallschutzfenster seien wirkungslos, umso mehr als sie auch gar nicht geschlossen bleiben könnten. In der Erklärung nach § 10 Abs. 4 BauGB heiße es dazu lapidar, die Grenzwerte für die Feinstaubbelastung seien eingehalten. Im Gutachten Lohmeyer vom Januar 2011 sei aber eine Belastung mit PM10 in Höhe von 48 µg/m³ Luft berechnet worden. 27 Angesichts dieser mit der Diagonaltrasse verbundenen Probleme hätte sich die Antragsgegnerin im Rahmen der Abwägung richtigerweise für die Nordumfahrung entscheiden müssen. Weil die Trasse zwischen Frankenbach und der Kreuzgrundsiedlung von der Wohnbebauung und dem Klinikum weit entfernt verlaufe und erst im Bereich des Anschlusses Heidelberger/Saarbrückener Straße in die Nähe der Wohnbebauung komme, genügten für den Schallschutz billig zu erstellende Erdwälle. Die Belastung durch Luftschadstoffe würde durch die Flächen der Gärtnerei Kölle, die zwischen der Trasse und der Kreuzgrundsiedlung lägen, weiter reduziert. Ein zweispuriger Ausbau der Trasse mit Einbuchtungen an den Abzweigungen würde genügen. Steigungen im Streckenverlauf noch dazu mit Lichtzeichenanlagen könnten weitgehend vermieden werden. Auch die Antragsgegnerin räume ein, dass die Umweltauswirkungen der Nordumfahrung günstiger seien. Die von ihr gleichwohl vorgebrachten Gegenargumente griffen nicht durch. Eine ordnungsgemäße Abwägung nehme die Antragsgegnerin nicht vor. Die Behauptung, 6 bis 7 ha landwirtschaftlich/gärtnerisch genutzte Fläche gingen verloren, sei in dieser Größenordnung nicht nachvollziehbar. Erst recht unzutreffend sei, dass bei der Nordumfahrung 9 ha Fläche mehr verbraucht würden. Mit der Nordumfahrung könne die Saarlandstraße weitgehend zurückgebaut werden. Dieser Flächengewinn müsse in Abzug gebracht werden. Der tatsächliche Mehrverbrauch bewege sich dann mit ca. 4 bis 5 ha in einer akzeptablen Größenordnung. Auch die Behauptung, für den geplanten Grünzug Kreuzgrund, der den Bewohnern des Kreuzgrunds und den Patienten der Klinik als Naherholungsgebiet dienen solle, gingen 2,2 ha verloren, sei nicht plausibel. Für den Grünzug gebe es keine Planung, die Flächen seien zur Naherholung zu weit entfernt. Im Gegenteil könne die durch den Rückbau der Saarlandstraße freiwerdende Fläche für die Naherholung auch und gerade der Patienten des Klinikums genutzt werden. Für den Verlust an gärtnerisch genutzten Flächen könnten der Gärtnerei Kölle - wie schon beim Bau der Neckartalstraße - Ersatzflächen zur Verfügung gestellt werden. Mehrkosten entstünden dadurch wegen der Einsparungen beim Lärmschutz nicht. Auch sei nicht plausibel, welche naturschutzrechtlich geschützten Arten durch die Nordumfahrung betroffen werden sollten, so dass Schutzmaßnahmen erforderlich würden. Die Feldlerche niste nicht auf den für die Nordumfahrung benötigten, bislang durch eine Obstbaumpflanzung gärtnerisch genutzten Flächen, sondern sei eher auf Flächen unmittelbar südlich der Kreuzgrundsiedlung anzutreffen. Dass die Nordumfahrung zu einer Verkehrszunahme um das 3,5-fache in der Straße Im Kreuzgrund führe, sei eine unbelegte Behauptung; abgesehen davon wäre eine solche Mehrbelastung auch hinzunehmen, da davon nur relativ wenig Haushalte betroffen wären. Von der behaupteten Verkehrszunahme in der Straße Am Gesundbrunnen um das 1,5-fache wäre die Wohnbebauung kaum betroffen. Auch sonst führe die Nordumfahrung nicht zu unüberwindlichen Problemen bei der Erschließung der Kreuzgrundsiedlung. Würde ein schmaler Streifen der Saarlandstraße nicht zurückgebaut, so könne der Sperlingweg weiter als Einfahrt in den südlichen Teil der Kreuzgrundsiedlung genutzt werden. Wie bisher wäre er nur für den Anliegerverkehr freigegeben. Der nördliche Teil der Kreuzgrundsiedlung könnte zur verkehrsmäßigen Erschließung über eine Stichstraße an die Nordumfahrung angebunden werden. Die Nordumfahrung habe noch weitere Vorteile, die die Antragsgegnerin überhaupt nicht in ihre Erwägungen einbezogen habe. Der geplante Stadtteil Neckarbogen/Neckarvorstadt sei auf Fallwinde zur Frischluftzufuhr angewiesen, weshalb die Antragsgegnerin die Grünzone südlich des Eulenwegs bzw. zwischen Kreuzgrund und Jahnheide von Bebauung freigehalten habe. Dieser Effekt werde durch den Rückbau der Saarlandstraße verstärkt. Werde die Diagonal-trasse verwirklicht, würden die Fallwinde umgekehrt den Feinstaub direkt ins neue Wohngebiet wehen und die Grenzwerte dort würden überschritten. 28 Auch die Hünderstraßenvariante sei, weil umweltverträglicher, gegenüber der Diagonaltrasse vorzuziehen. Da in großem Umfang auf Bestandsstrecken zurückgegriffen werde, sei der Flächenverbrauch am geringsten und die Kosten seien am niedrigsten. Das Naturschutzgebiet „Frankenbacher Schotter/Ingelfinger Sandgrube“ als Teil des FFH-Gebiets 6820-341 „Östlicher Kraichgau“ werde am wenigsten beeinträchtigt. Was die Auswirkungen der Diagonaltrasse auf dieses Naturschutzgebiet betreffe, gehe die Antragsgegnerin von falschen Voraussetzungen aus. Der Lebensraum der Wechselkröte betrage nicht nur wenige Hundert Meter, die Äcker um die Sandgrube seien für den Kammmolch kein unüberwindbares Hindernis, auf Kleingewässer sei er nicht beschränkt. Und auch Erdkröten seien im „Frankenbacher Schotter“ weiter nachweisbar. Die im Rahmen der Diagonaltrasse geplanten Amphibienlaichgewässer seien ohnehin fehlerhaft. Die Hünderstraßenvariante bewirke die gleiche Verkehrsentlastung in der Großgartacher Straße wie die Diagonaltrasse. Die Leintaltrasse könne auch bei der Hünderstraßenvariante zurückgebaut werden. Zur Erschließung des Neubaugebiets Schanz-West werde die Diagonaltrasse nicht benötigt. Denn angesichts des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs und des geplanten neuen Wohngebiets Neckarvorstadt sei mit dessen Realisierung nicht zu rechnen. 29 Durch eine Untertunnelung oder vollständige Einhausung der Saarlandstraße im Bereich der Kreuzgrundsiedlung könnten die angrenzende Wohnbebauung und das Klinikum optimal vor Verkehrslärm und der Luftverschmutzung geschützt werden. Da die im Tunnel bzw. überdeckelt geführte Trasse nicht an die Kreuzgrundsiedlung angebunden werden könne, entfielen die Straßeneinmündungen/-abzweigungen. Für die knotenfreie Saarlandstraße genüge ein zweispuriger Ausbau, allenfalls eine dritte Wechselspur sei noch erforderlich; die Staugefahr sei sehr gering. Bei dem nur zweispurigen Ausbau wären auch die von der Antragsgegnerin in den Vordergrund gestellten Kosten trotz der Untertunnelung/Überdeckelung allenfalls geringfügig höher als bei der jetzt vorgesehenen Teiltieferlegung. Ohnehin habe das Regierungspräsidium Stuttgart eine finanzielle Förderung der Untertunnelung/Überdeckelung wohl nur abgelehnt, weil die Antragsgegnerin nicht genügend auf die mit der geplanten Ausführung durch die Lärm- und Luftschadstoffbelastung verbundenen Gesundheitsgefahren hingewiesen habe. Um eine Förderung aus anderen Töpfen habe sich die Antragsgegnerin trotz der Gesundheitsgefahren erst gar nicht bemüht. Das Argument der Antragsgegnerin, schon die geplante Variante werde die Lärmbelastung für die meisten Anwohner entlang der Saarlandstraße deutlich verringern (um bis zu 11 dB(A)), greife nicht und könne den möglicherweise höheren Kosten für eine Untertunnelung nicht entgegengehalten werden. Bei 21 Wohnungen und vor allem beim Klinikum komme es weiterhin zu einer deutlichen Überschreitung der Lärmgrenzwerte und gerade beim besonders lärmempfindlichen Klinikum sei auch passiver Schallschutz kaum effektiv möglich. Voraussichtlich sei bei noch mehr Wohnungen mit Überschreitungen der Lärmgrenzwerte zu rechnen. Die schalltechnische Untersuchung Mörgenthaler komme zu dem Ergebnis, dass die höher liegenden Gebäude im Starenweg und im Eulenweg durch den zunehmenden Verkehrslärm nicht belastet würden, obwohl sie wegen des ansteigenden Geländes die Lärmschutzbauwerke überragten. Das sei nicht plausibel. Denn bei den höheren Gebäuden am Reiherweg gehe der Gutachter davon aus, sie könnten durch die Lärmschutzbauwerke nicht geschützt werden. Die Häuser im Starenweg und im Eulenweg würden auch durch die vom Klinikneubau hervorgerufenen Lärmreflexionen wesentlich stärker belastet als in der schalltechnischen Untersuchung Mörgenthaler angenommen, denn die Fronten der Klinikneubauten seien nicht so stark gegliedert, wie in der schalltechnischen Untersuchung angenommen, sondern stärker „geschlossen“. Dass die Öffnungen in den Lärmschutzbauten für die in die Saarlandstraße einmündenden Straßen nicht nur hinsichtlich der Luftschadstoffe, sondern auch für den Lärm eine regelrechte Kaminwirkung entfalteten, sei in der schalltechnischen Untersuchung ebenfalls nicht beachtet worden. In der Heidelberger Straße komme es so bei einigen Häusern zu Lärmbelastungen von 69 dB(A), ein Aufenthalt im Außenwohnbereich sei nicht mehr möglich. Die dem Staat aus Art. 2 Abs. 2 GG hinsichtlich der Gesundheit obliegende Schutzpflicht müsse sich in der Abwägung immer gegen Kostenargumente durchsetzen. Die Überdeckelung der Trasse mit Solarelementen (Solartunnel) habe die Antragsgegnerin ebenfalls nicht geprüft, sondern schon wegen der Mehrkosten (20 Mio EUR bei einem Reinvest von 7 Mio EUR innerhalb von 20 Jahren) abgelehnt, ohne zu ermitteln, ob die Kosten durch Fördermittel reduziert werden könnten. 30 Zur Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans führe auch, dass die Fällung von 168 gut erhaltenen großen Platanen im Zuge des Ausbaus der Saarlandstraße durch die geplante mittige Bepflanzung der Trasse mit kleinen Bäumen nicht ausgeglichen werden könne. Der Lebensraum der Feldlerche werde massiv eingeschränkt, weil die Heckenbepflanzung im größeren Umfang wegfalle. Grünbrücken seien entgegen der Forderung des NABU nicht vorgesehen worden. 31 Sie, die Antragsteller, seien mit ihren Rügen auch nicht gemäß § 215 Abs. 1 BauGB bzw. - hinsichtlich der Rüge der Mitwirkung befangener Gemeinderäte bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan - gemäß § 4 Abs. 4 GemO präkludiert, obwohl der das Normenkontrollverfahren einleitende Antragsschriftsatz der Antragsgegnerin erst am 05.12.2012 zugestellt worden sei. Die Antragsgegnerin habe bei der öffentlichen Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses nicht ordnungsgemäß über die Präklusion belehrt. Die pauschale Wiederholung des Gesetzestextes reiche nicht. So hätte gerade wegen der zusätzlichen Präklusionsmöglichkeit gemäß § 47 Abs. 2 a VwGO in der Belehrung darauf hingewiesen werden müssen, dass die Geltendmachung von Rügen im Rahmen der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB nicht ausreiche, die Rügen, soweit ihnen nicht entsprochen werde, vielmehr in den späteren Verfahrensstadien und insbesondere auch nach der öffentlichen Bekanntmachung des Bebauungsplanbeschlusses wiederholt werden müssten. 32 Der verfahrenseinleitende Antragsschriftsatz sei bereits am 26.11.2015 und damit vor Fristablauf bei Gericht eingegangen. Nach allgemeiner Auffassung sei es ausreichend, wenn die Rügen im gerichtlichen Normenkontrollverfahren erhoben würden und der Schriftsatz vom Gericht an die Gemeinde übersandt werde. Dass der Antragsschriftsatz erst nach Ablauf der Jahresfrist bei der Antragsgegnerin eingegangen sei, sei nach dem auch im öffentlichen Recht geltenden § 167 ZPO unerheblich, zumal die Zeitspanne für eine Übermittlung innerhalb der Jahresfrist ausreichend gewesen sei. § 167 ZPO sei grundsätzlich einschlägig, wenn eine Frist sowohl durch die gerichtliche als auch durch die außergerichtliche Vornahme der fristwahrenden Handlung gewahrt werden könne. Das Beschleunigungsinteresse der Antragsgegnerin und ihr Interesse, Gewissheit über die Rechtsgültigkeit des Bebauungsplans zu bekommen, denen § 215 Abs. 1 BauGB im Wesentlichen diene, würden durch die Verzögerung von wenigen Tagen zumal angesichts der jahrelangen Dauer des Bebauungsplanverfahrens nicht beeinträchtigt. Auf innerhalb der Jahresfrist erhobene Einwendungen hin hätte die Antragsgegnerin ihre fehlerhafte Planung auch nicht korrigiert. Denn alle jetzt erhobenen Einwendungen hätten die Antragsteller schon erfolglos im Planaufstellungsverfahren vorgetragen. Wenn sich die Antragsgegnerin auf die Frist aus § 215 Abs. 1 BauGB berufe, sei das Förmelei. Da die Mitwirkung befangener Gemeinderäte an der Beschlussfassung nicht aus der öffentlichen Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses zu ersehen sei, sondern dafür Einsicht in die Gemeinderatsprotokolle genommen werden müsse, habe auch die Frist für die Geltendmachung dieses Mangels frühestens eine angemessene Zeit nach der öffentlichen Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses zu laufen begonnen und sei schon deshalb eingehalten. Die Mitwirkung befangener Gemeinderäte bei der Beschlussfassung über den Bebauungsplan stelle einen Mangel i.S. des § 214 Abs. 1 Nr. 4 BauGB dar, der nicht nach § 215 Abs. 1 BauGB unbeachtlich werden könne. Fehler im Abwägungsergebnis könnten ebenfalls nicht nach § 215 Abs. 1 BauGB unbeachtlich werden. Ein solcher Fehler ergebe sich bereits aus der Mitwirkung befangener Gemeinderäte. Hätte die Antragsgegnerin die von den Antragstellern im Planaufstellungsverfahren vorgebrachten Einwendungen zutreffend gewürdigt, hätte sie den Bebauungsplan mit dem konkreten Ergebnis nicht beschließen können. Die Präklusionsregelung des § 215 Abs. 1 BauGB sei zumal in Verbindung mit § 47 Abs. 2 a VwGO vor dem Hintergrund des Art 19 Abs. 4 GG verfassungsrechtlich sehr problematisch. Denn um gerichtlichen Rechtsschutz erlangen zu können, genüge es nicht, dass der Bürger seine Einwendungen in der frühen Öffentlichkeitsbeteiligung vorbringe, er müsse sie vielmehr im Verfahren der öffentlichen Auslegung der Entwürfe der Bauleitpläne wiederholen und - wenn er damit kein Gehör finde - sie nach der Beschlussfassung über den Bauleitplan innerhalb der Jahresfrist aus § 215 Abs. 1 BauGB noch einmal gegenüber der Gemeinde vorbringen. 33 Die Antragsteller beantragen, 34 den Bebauungsplan der Stadt Heilbronn 35/15 Heilbronn-Böckin-gen/Neckargartach/Frankenbach/Klingenberg, Saarlandstraße vom 22. September 2011 für unwirksam zu erklären. 35 Die Antragsgegnerin beantragt, 36 die Anträge abzuweisen. 37 Sie erwidert: Die Anträge der Antragsteller zu 3, 15, 16, 19 und 20 seien nach § 47 Abs. 2 a VwGO unzulässig. Trotz der ordnungsgemäßen Hinweise auf die Präklusionsregelung in der ortsüblichen Bekanntmachung der öffentlichen Auslegung hätten sie keine Einwendungen geltend gemacht. Soweit die Antragsteller im Plangebiet wohnten, hätten sie nicht nachgewiesen, dass sie auch Eigentümer von Grundstücken dort seien. 38 Das streitige Straßenbauvorhaben solle den Ziel- und Quellverkehr gebündelt aus und in ihre Innenstadt führen. Außerdem werde es für die äußere Erschließung des künftigen Wohngebiets „Schanz-West/Trappenhöhe“ benötigt, das als regionaler Schwerpunkt des Wohnungsbaus weiter entwickelt werde. Das Straßenbauvorhaben bewirke, dass die Leintalstraße in Frankenbach (innerorts um ca. 11500 Kfz/Tag), die Saarbrückener Straße um 3.500 Kfz/Tag, die Großgartacher Straße in Böckingen um 6.150 Kfz täglich und der Stadtteil Neckargartach erheblich vom Durchgangsverkehr entlastet würden. Auch sei es Voraussetzung für die geplante Süd-Ost-Umfahrung der Nachbargemeinde Leingarten, in deren Zuge auch der Stadtteil Klingenberg (Theodor-Heuss-Straße) eine Entlastung vom Durchgangsverkehr um ca. 8.900 Kfz/Tag erfahre. Wegen der geplanten Lärmschutzbauten werde sich auch die Lärmbelastung der Anwohner der Saarlandstraße trotz der mit dem Ausbau verbundenen Verkehrszunahme deutlich verbessern. In den Erd- und Obergeschossen der Häuser entlang der Saarlandstraße und der Saarbrückener Straße nehme der Lärmpegel um teilweise bis zu 11 dB(A) ab, auch bei entfernter liegenden Gebäuden immer noch um bis zu 7 dB(A). Soweit der Verkehr an anderer Stelle neu entstehe oder zunehme, schaffe die Planung durch aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen Abhilfe. 39 Die Saarlandstraße müsse auch vierspurig ausgebaut werden. Maßgeblich dafür, welche Verkehrsbelastung eine Straße aufnehmen könne, seien u.a. die Anzahl und die Leistungsfähigkeit der Knotenpunkte. Ein planfreier Ausbau, d.h. eine Führung der Trassen auf verschiedenen Ebenen ohne Schnittpunkte, sei schon aus Kostengründen nicht möglich. Leistungsfähige Knotenpunkte müssten aber in jede Richtung jeweils zweispurig ausgebaut werden, weil nur so genügend Stauraum vor der Lichtzeichenanlage und ein ausreichender Verflechtungsbereich danach - der ohnehin ein Unfallschwerpunkt sei - zur Verfügung stehe. Angesichts der Zahl der Knoten blieben so nur wenige Abschnitte übrig, die zwei- oder dreispurig ausgebaut werden könnten. Vorteile wären damit nicht verbunden. Maßgebend für die von einer Straße ausgehenden Beeinträchtigungen sei nicht die Zahl der Fahrspuren, sondern die mit dem Verkehr verbundenen Störungen und die Zerschneidung der angrenzenden Lebensräume. 40 Die Grenzwerte der 39. BImSchV für die Luftschadstoffe NO ² , PM10 und PM2,5 würden eingehalten. Das Gutachten Lohmeyer vom Januar 2011 komme zwar zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2014, dem Jahr mit der höchsten Verkehrsbelastung an der Saarlandstraße, Überschreitungen der maßgeblichen Grenzwert zu erwarten seien. Es sei jedoch nach dem Verfahren PROKAS ohne Berücksichtigung der luftschadstoffmindernden Wirkung der Lärmschutzbauten erstellt worden. Demgegenüber sei das Gutachten Lohmeyer vom März 2011 nach dem dreidimensionalen mikroskaligen Strömungs- und Ausbreitungsmodell MISKAM erarbeitet worden, das auch die Wirkungen der Lärmschutzbauten unter Berücksichtigung der vorherrschenden Windrichtungen in seine Berechnungen miteinbeziehe. Wie sich daraus ergebe, würden die maßgeblichen Grenzwerte alle eingehalten. Denn die Lärmschutzbauwerke führten auch zu einer Reduktion der Schadstoffkonzentration in der Luft. 41 Die Luftschadstoffgutachten Lohmeyer vom Januar und vom März 2011 seien nicht auf der Grundlage einer zu geringen Verkehrsbelastung der Saarlandstraße erstellt worden. Eine entlastende Wirkung der noch nicht erstellten Nordumfahrung Frankenbach/Neckargartach sei nicht berücksichtigt worden. Im Gegenteil sei das Gutachten der Dr. Brenner Ingenieurgesellschaft zur Verkehrsbelastung, das Grundlage für die Luftschadstoffgutachten gewesen sei, sogar von einem Fahrverbot für Lkw auf der parallel verlaufenden Großgartacher Straße und einer entsprechenden Verkehrsverlagerung auf die Saarlandstraße ausgegangen. 42 Auch die Steigungen im Straßenverlauf hätten über das Berechnungsmodell MISKAM Eingang in die Ermittlung der Luftschadstoffbelastung gefunden. Für die bestehenden Straßen sei die Längsneigung aus dem digitalen Geländemodell berechnet und für die geplanten Straßen aus den Planunterlagen entnommen worden. 43 Die von dem Verkehr in der Neckartalstraße ausgehende Hintergrundbelastung mit Luftschadstoffen habe über die Ergebnisse der Messstationen des Landesmessnetzes für Baden-Württemberg ebenfalls Eingang in die Berechnungen gefunden. 44 Die Einhaltung der Grenzwerte der 39. BImSchV für die verkehrsrelevanten Luftschadstoffe sei aber ohnehin keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Planung einer Straße. Denn nach dem System der Luftreinhalteplanung gemäß §§ 47 ff. BImSchG bzw. § 27 39. BImSchV müssten Grenzwertüberschreitungen unabhängig von der Quelle der Immissionen vermieden werden. Das Gebot der planerischen Konfliktbewältigung sei nur verletzt, wenn bereits die durch das Vorhaben als solche hervorgerufene Belastung mit Luftschadstoffen zur Überschreitung der maßgeblichen Grenzwerte führe und deren Einhaltung durch Luftreinhaltepläne damit nicht mehr in einer mit der Funktion des Straßenbauvorhabens zu vereinbarenden Weise gesichert werden könne. Eine solche Konstellation sei hier nicht gegeben. 45 Ebenso wie die Luftschadstoffgutachten Lohmeyer berücksichtige auch die Schalltechnische Untersuchung Mörgenthaler vom 25.03.2011 Steigungen im Straßenverlauf, denn es basiere auch auf einem dreidimensionalen Geländemodell, das die Straßenhöhe einschließe und daraus Steigungen > 5° ermittle. Die größere Störwirkung von Lichtzeichenanlagen habe über die Vergabe von Zuschlägen Eingang in die Berechnung gefunden. 46 Auch Kleinlaster mit einem Gesamtgewicht zwischen 2,8 t und 3,5 t seien als sogenannte leichte Nutzfahrzeuge bei der Berechnung der Lärmimmissionen berücksichtigt worden, und zwar in der Gruppe der Pkw. Ohnehin seien die in der Schalltechnischen Untersuchung Mörgenthaler genannten Lärmimmissionen zu hoch. Denn nach der 16. BImSchV sei die Berechnung auf der Grundlage der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke zu erstellen. In der Schalltechnischen Untersuchung Mörgenthaler seien dagegen die höheren Werte für die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke an Werktagen in Ansatz gebracht worden. 47 In welchem Umfang das Klinikum mit dem Neubau passiven Lärmschutz benötige, sei in der Schalltechnischen Untersuchung ermittelt worden; die Umsetzung erfolge nach Maßgabe der 24. BImSchV. Es sei allgemein anerkannt, dass der erforderliche Schallschutz durch Fenster mit mechanischen Belüftungsmöglichkeiten sichergestellt werden könne. Solche Fenster würden im Neubau des Klinikums auch tatsächlich eingebaut. 48 Die Nordumfahrung sei gegenüber der Diagonaltrasse nicht die eindeutig bessere Alternative und deshalb zu Recht als Planungsmöglichkeit nicht weiter verfolgt worden. Sie führe im betroffenen Straßennetz in etwa zur gleichen Verkehrsentlastung wie die Diagonaltrasse. Trassentechnisch sei sie ebenso günstig wie diese. Anders als die Diagonaltrasse führe sie zu einer sehr starken Verkehrsentlastung in der Saarlandstraße, die sogar teilweise zurückgebaut werden könne. Im Gegenzug werde aber der Verkehr wegen der dann veränderten Zufahrtsmöglichkeiten im südlichen Teil der Kreuzgrundsiedlung um das 3,5-fache und in der Straße Am Gesundbrunnen um das 1,5-fache zunehmen. Die Verkehrszunahme im südlichen Abschnitt der Heidelberger Straße werde zu einem entsprechenden Anstieg der Lärm- und Schadstoffbelastung für die dortigen Anwohner führen. Die Nettoneuversiegelungsfläche bei der Nordumfahrung betrage aber 9 ha im Vergleich zu 5,8 ha bei der Diagonaltrasse. Sie beanspruche auch die größte bisher landwirtschaftlich/gärtnerisch genutzte Fläche und beeinträchtige die umweltbezogenen Schutzgüter Boden, Wasser, Pflanzen, Tiere, Biotope, Landschaften, Mensch, Klima, Kultur- und Sachgüter einschließlich der Wechselbeziehungen zwischen diesen am stärksten. Aus dem Umweltbericht zum Flächennutzungsplan ergebe sich, dass durch die Nordumfahrung 38 Brutpaare der Feldlerche und 12 Rebhuhnbrutpaare beeinträchtigt würden. Die Freiflächen nördlich des Klinikums dienten entsprechend ihrer Ausweisung im Regionalplan der Naherholung. Der mögliche Rückbau der Saarlandstraße könne den Verlust an landwirtschaftlichen Flächen nicht ausgleichen. Maßgeblich für die Entscheidung gegen die Nordumfahrung sei das Ergebnis des umweltbezogenen Variantenvergleichs nach Maßgabe aller Schutzgüter aus § 1 Abs. 6 Nr. 7 BauGB gewesen. 49 Die Hünderstraßenvariante sei zwar mit dem geringsten Flächenverbrauch verbunden. Die Trassenführung mit dem engen Kurvenradius bei der Einfahrt ins Gewerbegebiet, der engen Bestandsstrecke im Gewerbegebiet, den nicht durch Lichtzeichenanlagen koordinierbaren Straßeneinmündungen und den zahlreichen Grundstückszufahrten dort sei jedoch problematisch. Die Großgartacher Straße würde deshalb deutlich weniger vom Verkehr entlastet als bei den anderen Varianten. 50 Zu Recht habe sich die Antragsgegnerin wegen der Mehrkosten zwischen 41 bis 46,5 Mio EUR, für die eine Förderung nicht zu erhalten sei, auch gegen eine Untertunnelung der Saarlandstraße bzw. eine Überdeckelung entschieden. Bei diesen Lösungen handele es sich nicht um alternative Trassenführungen, sondern um Maßnahmen des aktiven Schallschutzes. Diese gingen dem passiven Schallschutz nach dem Maßstab des § 41 Abs. 2 BImSchG nicht vor, weil die Kosten außer Verhältnis zu dem angestrebten Schutzzweck stünden. Denn bereits aktuell würden die Lärmgrenzwerte der 16. BImSchV an der bestehenden Saarlandstraße, der Saarbrückener Straße, der Ostseite der Heidelberger Straße, am Reiherweg und an einigen Gebäuden des Klinikums überschritten. Die geplanten aktiven Schallschutzmaßnahmen in der Form der teilweisen Tieferlegung der Saarlandstraße und der Errichtung von Lärmschutzbauwerken bewirkten trotz der Verkehrszunahme eine erhebliche Verbesserung der Lärmbelastung. Soweit die Lärmgrenzwerte der 16. BImSchV an einzelnen Gebäuden in der Heidelberger Straße, der Florian-Geyer-Straße, Im Kreuzgrund, Birkenhof, Reiherweg, Am Gesundbrunnen sowie am Klinikum weiter überschritten würden, sei passiver Schallschutz vorgesehen. Die erhebliche Kostensteigerung durch eine Tunnellösung oder eine Einhausung, um auch für diese Gebäude eine Unterschreitung der Lärmgrenzwerte der 16. BImSchV zu erreichen, wäre nach § 41 Abs. 2 BImSchG unverhältnismäßig. Wegen der Mehrkosten sei auch die Solartunnelalternative als Maßnahme des aktiven Lärmschutzes zu Recht verworfen worden. 51 Der Fällung der 168 Platanen sei im Rahmen der Abwägung gemäß § 18 Abs. 1 BNatSchG i.V.m. §§ 1 Abs. 6 Nr. 7 a, 1 a Abs. 3 Satz 1 BauGB durch angemessene Ausgleichsmaßnahmen Rechnung getragen worden. Durch ein im Bebauungsplan festgesetztes Pflanzgebot sei sichergestellt, dass auf dem neuen Mittelstreifen und entlang der Neubaustrecke Bäume gepflanzt würden. Im Übrigen seien die Ausgleichsflächen und -maßnahmen durch Festsetzungen in den Bebauungsplan übernommen (Textteil A Nr. 3, 6 und 7) und durch Verträge mit dem Land Baden-Württemberg und der Gemeinde Leingarten gesichert worden. 52 Die Auswirkungen der Diagonaltrasse auf das Naturschutzgebiet „Frankenbacher Schotter/Ingelfinger Sandgrube“ seien im Rahmen der Trassenauswahl und der Entscheidung gegen die Hünderstraßenvariante richtig ermittelt worden. Die Auswirkungen der Diagonaltrasse auf die Wechselkröte, den Kammmolch und die Erdkröte seien richtig erkannt worden, wie der Umweltbericht zum Bebauungsplan zeige. 53 Dem Gericht liegen die Verwaltungsakten über die Aufstellung des Bebauungsplans und die Änderung des Flächennutzungsplans vor. Darauf sowie auf die Gerichtsakte nimmt der Senat ergänzend Bezug.
Die Anträge werden abgewiesen. Die Antragsteller zu 1 und 2, die Antragsteller zu 6 und 7, die Antragsteller zu 8 und 9, die Antragsteller zu 10 und 11, die Antragsteller zu 12 und 13, die Antragsteller zu 17 und 18, die Antragsteller zu 19 und 20, die Antragsteller zu 21 und 22 sowie die Antragsteller zu 23 und 24 - untereinander jeweils als Gesamtschuldner - und die Antragsteller zu 3, 4, 5, 14, 15, 16, 25, 26, 27, 28 und 29 tragen die Kosten des Verfahrens zu je einem Zwanzigstel. Die Revision wird nicht zugelassen.
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LG Itzehoe 4. Zivilkammer
Schleswig-Holstein
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12.07.2016
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Randnummer 1 Die Klägerin nimmt die P. eG nach Kündigung von Genussrechten an ihrer Rechtsvorgängerin in Anspruch auf Zahlung und Feststellung nebst vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Randnummer 2 Ausweislich des Zeichnungsscheins vom 07.05.2012 erwarb die Klägerin Genussrechte in Höhe von 30.000,00 € an der P. R. E. GmbH & Co. KG (Anlage K 1). Der Anlagebetrag der Klägerin wurde vereinbarungsgemäß geleistet. Randnummer 3 Die P. R. E. GmbH mit Sitz in I. war Rechtsnachfolgerin der P. W. - E. für eine lebenswerte Zukunft - GmbH und diese wiederum Rechtsnachfolgerin der o.g. P. R. E. GmbH & Co. KG, deren Vermögen sie, nach Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafterin (P. P.- und B. für r. E. mbH) im Mai 2012 im Wege der Anwachsung erwarb. Gegenstand dieser sog. P.-Unternehmensgruppe war insbesondere, Projekte im Bereich der Erneuerbaren Energien mit dem Schwerpunkt Windenergie und effiziente Nutzung nachwachsender Rohstoffe zu finanzieren. Randnummer 4 Seit April 2003 wurden zu diesem Zweck Genussscheine und ab 2004 Genussrechte als Kapitalanlage an interessierte Anleger ausgegeben. Die Genussrechte wurden von der P. KG und später der P. GmbH in Eigenregie vertrieben. Das gezeichnete Genussrechtskapital der insgesamt ca. 75.000 Anleger belief sich bis Anfang 2014 auf rund 1,4 Milliarden Euro. Randnummer 5 Gegen Ende des Jahres 2013 bzw. Anfang des Jahres 2014 geriet die P. GmbH zunehmend in finanzielle Bedrängnis, nachdem viele Anleger Kündigungen ausgesprochen hatten und in Folge die Rückzahlung ihrer Kapitalanlagen begehrten. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 wurden die Anleger auf die schwierige wirtschaftliche Lage des Unternehmens hingewiesen und ein Verzicht auf die Auszahlung der Zinsen zum Erhalt des Unternehmens beworben (Anlage K2). Randnummer 6 Mit Schreiben vom 14. Januar 2014 (Anlage K3) erklärte die Klägerin die Kündigung hinsichtlich der von ihr erworbenen Genussrechte gegenüber der P. R. E. GmbH & Co. KG zu Ende Februar 2014; erneut mit anwaltlichem Schreiben vom 17. Januar 2014, ergänzt um eine außerordentliche Kündigung und die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung hinsichtlich der erworbenen Genussrechte (Anlage K5). Eine Rückzahlung erhielt die Klägerin nicht. Randnummer 7 Mit Beschluss vom 01.05.2014 hat das Amtsgericht Itzehoe das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH eröffnet und Rechtsanwalt Dr. P., H., zum Insolvenzverwalter bestellt. Randnummer 8 Mit Anmeldung vom 15. September 2014 beantragte die Klägerin die Feststellung ihres Rückzahlungsanspruchs zur Insolvenztabelle der P. GmbH. Mit Schreiben vom 26. Januar 2015 erhielt die Klägerin einen Auszug aus der Insolvenztabelle, ausweislich dessen ihr Rückzahlungsanspruch in Höhe von 31.665,90 € festgestellt, ein Anspruch auf Erstattung von weiteren 2.591,23 € (vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten) durch den Insolvenzverwalter bestritten blieb. Randnummer 9 Der Insolvenzverwalter reichte bei dem Amtsgericht Itzehoe - Insolvenzgericht - einen Insolvenzplan ein, welcher in der Fassung vom 29. Juni 2015 von dem Insolvenzgericht zur Abstimmung zugelassen und im Rahmen des Erörterungs- und Abstimmungstermins am 2. Juli 2015 von den Gläubigern mit den erforderlichen Mehrheiten angenommen worden ist. Mit diesem entschieden sich die Gläubiger gegen eine Liquidation und für eine Fortführung des Unternehmens in der Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft. Randnummer 10 Das Insolvenzgericht hat den Genossenschafts-Insolvenzplan mit Beschluss vom 3. Juli 2015 bestätigt; dieser Bestätigungsbeschluss ist seit dem 20. Juli 2015 rechtskräftig. Die P. wurde formwechselnd von einer GmbH in eine eingetragene Genossenschaft umgewandelt mit Eintrag in das Handels- und Genossenschaftsregister bei dem Amtsgericht Pinneberg vom 24. Juli 2015. Das Insolvenzverfahren ist mit Beschluss des Amtsgerichts Itzehoe vom 29. Juli 2015 zum Ablauf des 31. Juli 2015 aufgehoben worden. Randnummer 11 Der Insolvenzverwalter informierte die Anleger - darunter auch die Klägerin - mit Schreiben vom 2. November 2015 dahingehend, dass die Befriedigung der Insolvenzforderungen sich nunmehr ausschließlich nach Maßgabe des Insolvenzplanes bestimmt und sich seine Aufgabe nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf die Überwachung der Planerfüllung beschränkt; ein (hinsichtlich der Anlagen unvollständiger) Abdruck des rechtskräftig bestätigten Insolvenzplans lag diesem Schreiben bei (Anlage K7). Randnummer 12 Nach dem Insolvenzplan erhält jeder Insolvenzgläubiger auf seine Forderung die allgemeine Insolvenzquote von 57,8 %. Der Insolvenzplan sieht dabei unterschiedliche Regelungen vor, auf welche Art und Weise den sieben verschiedenen Gläubigergruppen die allgemeine Insolvenzquote gewährt wird. Randnummer 13 Die Gläubiger der Gruppe 1 wurden Mitglieder von P. in der neuen Rechtsform einer eingetragenen Genossenschaft. Sie erhalten eine unternehmerische Beteiligung als Option für die teilweise Befriedigung ihrer Insolvenzforderung, nachdem sie der Umwandlung eines Anteils von 23,3 % ihrer jeweiligen Insolvenzforderung in Mitgliedschaftsrechte an P. (sog. „Wandlungsquote“) zugestimmt hatten. Randnummer 14 Die Gläubiger der Gruppen 1 und 2 erhalten zur Befriedigung eines Anteils von 34,5 % ihrer jeweiligen Insolvenzforderung die sog. „Anleihequote“, d.h. das Recht auf den Erwerb von Schuldverschreibungen einer besicherten Anleihe mit einer Laufzeit von 2016 - 2030 im Gesamtvolumen von € 500.000.000,00 Über die Laufzeit der Anleihe sollen die Gläubiger der Gruppen 1 und 2 einen Betrag von 34,5 % ihrer ursprünglichen Genussrechtsforderung erhalten. Randnummer 15 Die Gläubiger der Gruppen 3, 6 und 7 erhalten eine Auszahlung aus den im Insolvenzverfahren bereits erzielten Verwertungserlösen in Höhe von 34,5 % ihrer jeweiligen Insolvenzforderung (sog. „Barauszahlungsquote“). Bei diesen Gläubigern handelt es sich um bestimmte Genussrechtsinhaber, insbesondere solche mit Forderungen von bis zu € 1.000,00 sowie um Arbeitnehmer und sonstige Gläubiger von P., insbesondere Lieferanten, Dienstleister und institutionelle Gläubiger. Randnummer 16 Die Gläubiger der Gruppen 2, 3, 6 und 7 erhalten zur Befriedigung ihrer Insolvenzforderungen in Höhe von jeweils voraussichtlich 23,3 % die sog. „Abgeltungsquote“, d.h. einen Anspruch auf Auszahlung von weiteren Verwertungserlösen, die jedoch noch nicht realisiert wurden. Randnummer 17 In dem Insolvenzplan heißt es unter Teil 3 (Gestaltender Teil) C. (Gruppenbildung), ab S. 52 ff. des Insolvenzplanes u.a.: „1. Gruppe 1: Gläubiger mit Forderungen aus Genussrechten von mehr als 1.000,00 € und Anschrift in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, die erklärt haben, Anteilsinhaber der Schuldnerin werden zu wollen. Randnummer 18 Zu der Gruppe 1 gehören die Gläubiger, Randnummer 19 %(1.) bei denen der Gesamtbetrag ihrer jeweils bestehenden Forderungen (gezeichneter Betrag/Nennbetrag und Genussrechte (wie unten definiert) zuzüglich thesaurierter und/oder aufgelaufener Zinsen und Kosten und sonstiger Nebenforderungen) aus von jedem dieser Gläubiger zum Zeitpunkt des Erörterungs- und Abstimmungstermins im Sinne von § 235 Abs. 1 InsO (der „Erörterungs- und Abstimmungstermin“ ) gehaltenen Genussrechten, ungeachtet einer etwaigen Kündigung des Genussrechtsvertrags, eines Widerrufs oder der Nichtannahme der Zeichnung von Genussrechten, der Gesamtbetrag dieser Forderungen eines jeden Gläubigers nachfolgend „Genussrechtsforderung“ , welche die Schuldnerin seit...ausgegeben hat (nachfolgend „Genussrechte“), einen Betrag in Höhe von 1.000,00 € übersteigt; und %(1.) die in der Anlage Gruppe 1 genannt sind; und %(1.) deren jeweilige Genussrechtsforderung in Höhe von mehr als 1000 € ... rechtskräftig zur Insolvenztabelle festgestellt wurden. Randnummer 20 2. Gruppe 2: Gläubiger mit Forderungen aus Genussrechten von mehr als 1.000,00 €, die nicht erklärt haben, Anteilsinhaber der Schuldnerin werden zu wollen.“. Randnummer 21 Unter 7. heißt es: „Zur Gruppe 7 gehören sämtliche Insolvenzgläubiger der Schuldnerin mit ihren sonstigen nicht nachrangigen Forderungen, die keiner der Gruppen 1 bis 6 zugeordnet werden. Die Gruppe enthält als Gläubiger insbesondere Lieferanten, Stromkunden mit ihren Guthabenforderungen aus dem Zeitraum vor der Insolvenzantragstellung, Stromhändler, (Übertragungs-)Netzbetreiber, Sozialversicherungsträger und die Finanzämter. Mit umfasst sind daneben die sonstigen Gläubiger, die ihre Forderungen nach Maßgabe des § 191 InsO nur aufschiebend bedingt anmelden können und die nicht bereits in eine andere Gruppe fallen. Teil der Gruppe sind zudem die Gläubiger, die ihre nicht nachrangigen Forderungen bis zum Erörterungs- und Abstimmungstermin nicht angemeldet haben und keiner anderen Gruppe zugeordnet werden können.“ … Randnummer 22 Auf Seite 63 des Insolvenzplans heißt es u.a.: „Die Abgeltungskomponente entspricht somit voraussichtlich rund 23,3 % auf die quotenberechtigte Forderung (nachfolgend auch die „Abgeltungsquote“).“ Randnummer 23 Auf Seite 65 des Insolvenzplans heißt es u.a.: „Aus der Liquidation der S.-Vermögenswerte ergibt sich die quotal an die Abgeltungsgläubiger auszuzahlende Abgeltungskomponente. Die S.-Vermögenswerte werden nicht von der Schuldnerin, sondern unter der Kontrolle des Insolvenzverwalters als Planüberwacher zugunsten der Abgeltungsgläubiger liquidiert werden. Der Forderungseinzug bzw. die Realisierung erfolgt daher im Rahmen der Überwachung der Planerfüllung gemäß §§ 260 InsO ff., wobei die S.-Vermögenswerte von dem sonstigen, nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach § 258 Abs. 1 InsO nicht mehr dem Insolvenzbeschlag unterliegenden Vermögen der Schuldnerin separiert werden. Diese Separierung erfolgt zum Schutz der Abgeltungsgläubiger. Der Insolvenzverwalter hat die S.- Vermögenswerte aufschiebend bedingt auf die Rechtskraft des Beschlusses über die Bestätigung des Insolvenzplans gem. § 248 InsO an eine von ihm für Verwertungszwecke gehaltene Gesellschaft, die P. Abgeltungsgläubiger S. GmbH mit Sitz in H., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Hamburg unter HRB XXX (die „S.-Gesellschaft“), übertragen.“ Randnummer 24 Auf Seite 71 des Insolvenzplans heißt es unter Ziffer 5 u.a.: „Bestrittene oder nicht festgestellte Forderungen werden nur berücksichtigt und nach Maßgabe der Regelungen in diesem Insolvenzplan mit einer Quote bedient, wenn der betreffende Gläubiger entweder Randnummer 25 %(1) innerhalb einer Ausschlussfrist von vier Wochen nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans zur Klärung der Angelegenheit gegen den Bestreitenden eine Feststellungsklage anhängig gemacht hat bzw. aufnimmt und dem Insolvenzverwalter entsprechend § 189 InsO nachweist, dass und für welchen Betrag die Feststellungsklage erhoben bzw. das Verfahren in einem früher anhängigen Rechtsstreit aufgenommen ist, oder %(1) zur Behandlung der geltend gemachten Forderung eine einvernehmliche Regelung mit der Schuldnerin trifft. ... Randnummer 26 6. Verzicht Randnummer 27 Über die Planquoten hinaus erhalten die Insolvenzgläubiger der Schuldnerin keine Befriedigung. Die Insolvenzgläubiger verzichten insoweit mit Rechtskraft des Planbestätigungsbeschlusses gemäß § 248 InsO auf ihre über die Planquoten hinausgehenden Forderungen gegen die Schuldnerin, § 227 InsO.“ Randnummer 28 Auf die weiteren Einzelheiten des Insolvenzplans nebst Anlagen wird Bezug genommen (Anlage B1, K7). Randnummer 29 Die Klägerin meint, sie habe ein Anrecht auf die Barauszahlungsquote in Höhe von 34,5 % gegen die Beklagte. Denn zum Zeitpunkt ihrer Kündigung sei bereits ein aus dem Rückabwicklungsschuldverhältnis resultierender Rückzahlungsanspruch ihrerseits entstanden. Sie sei deshalb nicht in die Gläubigergruppe 1 einzuordnen, was zunächst durch die Beklagte behauptet worden sei, ebensowenig in die Gläubigergruppe 2. Vielmehr sei sie der Gruppe 7 zugehörig. Denn ihre Forderungen resultierten zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht (mehr) aus den Genussrechten, sondern aus dem durch die Kündigung bzw. den Widerruf bereits zuvor entstandenen Rückabwicklungsschuldverhältnis. Randnummer 30 Mithin seien die Genussrechte zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung durch die Klägerin nicht mehr „gehalten" worden i.S.d. Insolvenzplans. Diesem Wortlaut nach könnten den Gruppen 1 oder 2 nur Anleger zugehörig sein, die zum Zeitpunkt des Erörterungs- und Abstimmungstermins die Genussrechte noch ungekündigt gehalten hätten. Rückabwicklungsansprüche von Genussrechtsinhabern seien an dieser Stelle nicht mit in den Insolvenzplan aufgenommen worden. Randnummer 31 Eine dingliche Wirkung setze der Begriff des Haltens von Genussrechten nicht voraus; vielmehr stelle dieser Begriff auf „die Besitzlage" ab, „wie sich aus einem Vergleich zu § 7 StVG unschwer" ergäbe. Randnummer 32 Der Insolvenzplan benachteilige die Klägerin, insoweit auch Genussrechtsinhaber von der Gläubigergruppe 1 erfasst sein sollen, die den Genussrechtsvertrag zuvor gekündigt, einen Widerruf oder die Nichtannahme der Zeichnung von Genussrechten erklärt hätten. Denn für diese Insolvenzgläubiger gäbe es keine Möglichkeit, der Zuordnung zu dieser Gläubigergruppe zu entkommen. Diese „Klausel" sei in Anlehnung an die Auslegung von Willenserklärungen nach Treu und Glauben sowie im Hinblick auf die Vorschriften, welche für allgemeine Geschäftsbedingungen gelten zu überprüfen. Randnummer 33 Die Klägerin habe ihre Genussrechte ordentlich gekündigt durch das Schreiben vom 14. Januar 2014 sowie einen wirksamen Widerruf durch das Schreiben vom 17. Januar 2014 erklärt (Blatt 7 d. A.), denn die Widerrufsbelehrung der Beklagten sei fehlerhaft gewesen, mit der Folge dass der Lauf der Widerrufsfrist nicht begonnen hätte. Auch sei die Klägerin wegen arglistiger Täuschung durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten durch nachweislich unwahre Werbeaussagen zu einer Anfechtung ihrer auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung berechtigt gewesen. Randnummer 34 Ihr Feststellungsinteresse sei aufgrund der Weigerung der Beklagten, den Anspruch außergerichtlich anzuerkennen, sowie mangels Fälligkeit eines Leistungsanspruchs gegeben. Aus der Feststellung zur Insolvenztabelle ergäbe sich nicht, in welche Gläubigergruppe die Klägerin einzuordnen sei. Randnummer 35 Die Abgeltungskomponente entspräche voraussichtlich rund 24,4 % (Antrag zu 2.) auf die quotenberechtigte Forderung. Zu Unrecht verweigere die Beklagte eine Auszahlung. Da noch keine konkreten Verwertungserlöse vorlägen, könne die Klage insoweit noch nicht beziffert werden. Randnummer 36 Die Beklagte schulde darüber hinaus, aus Verzug den Ausgleich der gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 der Anlage 1 (Teil 3) zu § 2 Abs. 2 RVG auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV anzurechnenden, als solche im Festsetzungsverfahren aber nicht erstattungsfähigen vorgerichtlichen Geschäftsgebühr nach einem Streitwert von 30.000,00 € ; diese betrage hier unter Ansatz einer wegen des Umfangs und der Schwierigkeit der Sache als angemessen zu erachtenden 2,5 Geschäftsgebühr (einschließlich Post- und Telekommunikationsentgelt) 2.591,23 € gemäß Kostennote vom 18. März 2014 (Anlage K9). Diese Forderung könne nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens gegen die Beklagte „unbeschränkt“ geltend gemacht werden (gem. § 201 Abs. 1 InsO). Randnummer 37 Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 09.05.2016 ihre Klaganträge um mehrere Hilfsanträge ergänzt. Sie beantragt zuletzt, Randnummer 38 1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 10.924,74 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 39 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zur Auszahlung einer weiteren Abgeltungskomponente in Höhe von 7.726,48 € verpflichtet ist. Randnummer 40 3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.591,23 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 41 Hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht die Anträge zu 1) und 2) für unzulässig erachten sollte: Randnummer 42 Es wird festgestellt, dass die Klägerin in die Gläubigergruppe 7 im Sinne des Insolvenzplans im Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. R. E. eG einzuordnen ist. Randnummer 43 Die Beklagte beantragt, Randnummer 44 die Klage abzuweisen. Randnummer 45 Die Klage sei schon unzulässig, denn die Feststellung zu der Insolvenztabelle wirke wie ein rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen übrigen Insolvenzgläubigern; daneben schaffe § 201 Abs. 2 Satz 1 InsO zur Realisierung der Nachhaftung einen vollstreckbaren Titel. Insoweit sich die Klage auf den bereits festgestellten Teil der angemeldeten Insolvenzforderung bezieht, fehle der Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis. Gleiches gälte in Bezug auf den Antrag zu 2. der Klagschrift. Randnummer 46 Die klägerische Forderung würde entsprechend dem angenommenen Insolvenzplan befriedigt werden. Mit ihrer Forderung sei sie in die Gläubigergruppe 2 und nicht in die Gläubigergruppe 7 einzuordnen, anderes sei nie behauptet worden. Einen Anspruch auf Auszahlung der „Barauszahlungsquote“ habe die Klägerin daher nicht. Nicht einmal den Gläubigern der Gruppe 7 stünde kraft des Insolvenzplans ein Zahlungsanspruch gegenüber der Beklagten zu; dieser richte sich nach Maßgabe des Insolvenzplans vielmehr gegen die S.-Gesellschaft. Randnummer 47 Im Hinblick auf den Begriff der „gehaltenen“ Genussrechte gemäß der Definition im Insolvenzplan, kämen Kündigung und Widerruf keine dingliche Wirkung zu. Die Klägerin leite ihre Ansprüche jedoch aus einem schuldrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis ab. Der Wortlaut des Insolvenzplans sei insoweit klar und nicht auslegungsbedürftig. Randnummer 48 Etwaige Zahlungspflichten träfen ohnehin nicht die auf der Grundlage des Insolvenzplans entschuldete Beklagte, sondern vielmehr eine eigens hierfür gegründete S.-Gesellschaft. Randnummer 49 Die sog. „Abgeltungsquote“ betrage (nur) 23,3 % - entspr. Seite 63 des Insolvenzplans - und beinhalte einen Anspruch auf Auszahlung von weiteren Verwertungserlösen, welche derzeit jedoch noch nicht realisiert worden seien. Randnummer 50 Einen Auszahlungsanspruch der Klägerin hinsichtlich ihrer Insolvenzforderungen könne es nicht geben, weil die Klägerin an die Modalitäten des Insolvenzplans gebunden sei - entsprechend habe es keine vorprozessuale Weigerung gegeben, den geltend gemachten Auszahlungsanspruch anzuerkennen. Randnummer 51 Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten - welche als Insolvenzforderung bestritten worden seien und deren Zahlung bestritten wird - stünden der Klägerin auch mangels Verzug der Beklagten nicht zu, zumal Umstände, welche den maximalen Gebührenansatz rechtfertigen könnten, fehlten. Nach eigenem Vortrag habe die Klägerin die Genussrechtsvereinbarung persönlich bereits am 14.01.2014 gekündigt. Randnummer 52 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Das Urteil ist (wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 12. Kammer
Hessen
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22.01.2014
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Randnummer 1 Die Parteien streiten in der Berufung noch über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung. Randnummer 2 Die Beklagte betreibt im Bereich der Verkehrsgastronomie diverse Einrichtungen an Flughäfen, Autobahnraststätten und Bahnhöfen. Der am 30.10.1959 geborene, verheiratete und für zwei Kinder unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.09.1977 in der Einrichtung der Beklagten im A Hauptbahnhof beschäftigt, zunächst bis März 2009 als Koch, danach als Lagermitarbeiter. Er verdiente zuletzt € 2.100,00 brutto monatlich. Der Kläger ist als Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 100 anerkannt. Randnummer 3 Seine Arbeitsaufgaben im Lager umfassten die Warenannahme, die Kontrolle und Lagerung der Waren sowie die Verteilung der Warenartikel. Seit 2009 ist der Kläger aufgrund verschiedener gesundheitlicher Leiden in der Erbringung seiner Arbeitsleistung eingeschränkt. So soll er seitdem auf jeden Fall keine Lasten über 10 kg mehr heben, Zwangshaltungen und Überkopfarbeiten vermeiden. Seit dem 16.01.2012 war er durchgehend arbeitsunfähig erkrankt. Randnummer 4 Die Beklagte beantragte am 19.03.2012 beim Landeswohlfahrtsverband/Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung des Klägers aus krankheitsbedingten Gründen. Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens äußerte sich der behandelnde Arzt des Klägers, Dr. T. B, auf schriftliche Befragung vom 30.03.2012 (Bl. 24 d.A.) dahin, dass der Kläger die Arbeitsfähigkeit nur noch für eine Schreibtischtätigkeit, nicht aber für eine körperliche Tätigkeit wieder erreichen werde. Eine Beschäftigung auf seinem bisherigen Arbeitsplatz sei nicht mehr möglich. In dem von ihm am 25.03.2012 ausgefüllten Fragebogen (Bl. 26 d.A.) für den Landeswohlfahrtsverband führte der Kläger selbst aus, dass er am 22.03.2012 aus der Reha arbeitsunfähig entlassen worden sei und seine letzte Tätigkeit (Lagerarbeiter) nicht mehr ausüben könne. Mit Bescheid vom 08.08.2012 (Bl. 31-36 d.A.) erteilte das Integrationsamt beim Landeswohlfahrtsverband mit Bescheid vom 07.01.2011die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung. Am 09.08.2012 hörte die Beklagte den Betriebsrat schriftlich zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger an (Bl. 38-40 d.A.). Der Betriebsrat erklärte darauf am 10.08.2012 abschließend, dass er keine Stellungnahme abgeben werde. Darauf sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger mit Schreiben ohne Datum, das ihm am 24.08.2012 zuging, die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2013 aus (Bl. 6 d.A.). Der Kläger hat am 27.08.2012 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main Kündigungsschutzklage gegen diese Kündigung eingereicht. Randnummer 5 Der Kläger hat die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats bestritten und weiter behauptet, er könne nach wie vor sowohl seine frühere Tätigkeit als Koch als auch seine letzte als Lagermitarbeiter weiter verrichten. Von der Tätigkeit als Koch sei er nicht aus gesundheitlichen Gründen, sondern nur deshalb versetzt worden, weil er einmal Nasenbluten bekam und ein Gast sich über von ihm nicht bemerkte Blutspuren in der bestellten Speise beschwerte. Von der Tätigkeit als Lagermitarbeiter könne er noch den Wareneingang erledigen. Die Erbringung von Reinigungstätigkeiten habe er nicht geschuldet. Beim Tragen von schwereren Lasten könne ein Kollege helfen, ohne dass der Betriebsablauf gestört werde. Die Erklärung, dass er nicht mehr als Lagermitarbeiter arbeiten könne, habe er nur vor dem Hintergrund abgegeben, dass man ihm die Beantragung einer Erwerbsminderungsrente nahegelegt habe. Randnummer 6 Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die der Klage beigefügte Kündigung ohne Datum nicht aufgelöst worden ist. Randnummer 7 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Die Beklagte hat behauptet, dass der Kläger schon seit März 2009 aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen sei, seine frühere Tätigkeit als Koch auszuüben. Nunmehr sei er auch nicht mehr in der Lage, wesentliche Aufgaben seiner Tätigkeit als Lagermitarbeiter auszuführen. Teamleiter und Kollegen müssten seine Tätigkeiten übernehmen. Dazu gehöre auch das Heben und Tragen von Lasten. Seit 2011 verrichte er keine Putzarbeiten mehr, da er dazu körperlich nicht mehr in der Lage sei. Er benötige mehr Pausen und müsse dreimal die Woche die Arbeit wegen einer Dialyse-Behandlung eine halbe Stunde früher verlassen. Dass der Kläger seine Arbeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr erledigen könne, ergebe sich aus der ärztlichen Stellungnahme des Dr. T. B, den eigenen Angaben des Klägers und dem Umstand, dass er seit dem 16.01.2012 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei. Randnummer 9 Das Arbeitsgericht ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kündigung wirksam sei und hat mit Urteil vom 28.02.2013 (20 Ca 5882/12) die Klage insoweit abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass von einer negativen Prognose auszugehen sei, da dem Kläger aufgrund seiner diversen Leiden die Erbringung einer Arbeitsleistung bei der Beklagten dauerhaft unmöglich geworden ist. Das gelte in gleicher Weise für einen Einsatz auf seinem letzten Arbeitsplatz wie auch für eine Tätigkeit als Koch. Dieses Ergebnis folge aus der fachärztlichen Begutachtung durch Herrn Dr. T. B, nach der der Kläger für körperliche Tätigkeiten überhaupt nicht mehr eingesetzt werden könne. Für die weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 57 – 61 d. A). Randnummer 10 Der Kläger hat gegen das ihm am 05.04.2013 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil am 24.04.2013 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet. Randnummer 11 Der Kläger wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus dem ersten Rechtszug. Er ist weiter der Ansicht, dass es an einer negativen Prognose fehle; das Arbeitsgericht hätte der negativen Prognose nicht einfach den Bericht des Dr. B zugrunde legen dürfen, sondern den Gesundheitszustand weiter ermitteln müssen. Er behauptet, nach wie vor sowohl als Koch wie auch als Lagermitarbeiter arbeiten zu können. Auch hält er die Betriebsratsanhörung für fehlerhaft, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht darüber informiert habe, inwieweit ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt worden sei. Randnummer 12 Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt a. Main vom 28.02.2013, Az. 20 Ca 5882/12 abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die beigefügte Kündigung (ohne Datum) nicht aufgelöst worden ist. Randnummer 13 Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 14 Die Beklagte verteidigt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Sie behauptet weiterhin, der Kläger könne weder auf seinem bisherigen Arbeitsplatz noch als Koch weiter arbeiten. Randnummer 15 Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den vorgetragenen Inhalt der der vorbereitenden Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 28.02.2013 – 20 Ca 5882/12 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin ist eine Jagdgenossenschaft und begehrt die Erhöhung der Abschusszahl für Rehwild im Abschussplan. 2 Die Klägerin ist Verpächterin des Jagdbezirks ... ..., der 312 ha umfasst. Pächter ist der Beigeladene, der auch in dem Jagdbezirk wohnt. Waldeigentümer innerhalb des Jagdbezirks sind unter anderem die Eheleute ..., die dort Forstwirtschaft betreiben. Ihr Betrieb umfasst ca. 50 ha. Sie meldeten in den Jahren 2003 bis 2006 und 2008 jeweils Wildschäden bei der Gemeinde ... für die jeweils vorhergehende Jagdsaison an. In dem jagdgesetzlich vorgesehenen Vorverfahren wurde jeweils eine gütliche Einigung zwischen den Eheleuten ... und dem Beigeladenen erzielt; in den Jahren 2004 und 2008 zahlte der Beigeladene eine Entschädigung i.H.v. 300,-- EURO bzw. 200,-- EURO an die Eheleute .... In den übrigen Jahren zahlte er keine Entschädigung; jedoch wurde nach der Jagdsaison 2005/2006 vereinbart, die Abschusszahl für Rehwild im Abschussplan 2004-2006 (gültig bis Abschluss der Jagdsaison 2006/2007) von 72 auf 77 zu erhöhen. Diese erhöhte Zahl wurde vom Kreisjagdamt am 27.06.2006 als Änderung des Abschussplans bestätigt. 3 Im März 2007 beantragte die Klägerin beim Kreisjagdamt, den Abschuss für Rehwild im Abschussplan 2007-2009 auf 77 Stück festzusetzen, weil laut forstlichem Gutachten bei der Hauptholzart Tanne eine mittlere Verbissbelastung festgestellt worden sei, Ziel jedoch eine geringe Verbissbelastung sein müsse. Der bisherige Abschussumfang mit insgesamt 72 Stück Rehwild innerhalb der drei Jahre sei offensichtlich nicht ausreichend gewesen. Im Jahr 2006 sei zum dritten Mal in Folge Wildverbissschaden angemeldet worden. Die Erhöhung des Abschusses sei ohne Weiteres möglich; dass der Beigeladene die im Frühjahr 2006 vereinbarte Erhöhung nicht umgesetzt habe, sei auf grobe Fahrlässigkeit seinerseits zurückzuführen. Demgegenüber teilte der Beigeladene dem Kreisjagdamt mit, er sei mit einer Festsetzung des Abschusses auf 77 Stück Rehwild nicht einverstanden, weil diese Forderung nicht erfüllbar sei. Schon den 2006 vereinbarten Nachtrag habe er nicht erfüllen können, was ihm jetzt zum Vorwurf gemacht werde. 4 Im forstlichen Gutachten zum Rehwildabschussplan 2007-2009 vom 30.08.2006 wurde festgestellt, dass der Baumbestand innerhalb des Jagdbezirks zu 60 % aus Fichten, 22 % aus Tannen und 15 % aus Kiefern bestehe. Die Verjüngungsflächen für Fichten und Tannen wurden mit jeweils 16 ha angegeben, wobei 9 ha der Tannen-Verjüngungsflächen mit Einzelschutz versehen seien. Die Verbissbelastung ungeschützter Leittriebe liege bei Fichten im Bereich gering (0 % bis 20 %) und bei Tannen im Bereich mittel (21 % bis 50 %), wobei der Verbiss tendenziell zurückgegangen sei und bei Tannen im Grenzbereich mittel/gering anzusiedeln sei. Als Trend sei festzuhalten, dass die Verbissbelastung abnehmend sei; es werde empfohlen, den Abschussplan 2004, der pro Jagdjahr 24 Stück Rehwild zum Abschuss festgesetzt habe, zu belassen. 5 In der Sitzung vom 03.05.2007 setzte das Kreisjagdamt den Abschussplan 2007-2009 entsprechend der Empfehlung des forstlichen Gutachtens fest. Dieser Abschussplan wurde der Klägerin mit Bescheid vom 11.05.2007 übersandt. 6 Dagegen legte sie am 18.05.2007 Widerspruch ein und beantragte, den Abschussplan um 5 Stück Rehwild zu erhöhen. Mit Blick auf die Wildschäden der vergangenen Jahre sei die Erhöhung geboten, weil den Interessen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft von Gesetzes wegen der Vorrang einzuräumen sei. 7 In einem Aktenvermerk im Rahmen der Abhilfeprüfung des Kreisjagdamts heißt es, das Ziel der geringen Verbissbelastung sei nur teilweise über den Abschussplan zu erreichen. Bei der Baumart Fichte sei bereits ein geringer Verbiss zu verzeichnen. Tragbare Wildschäden seien im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinzunehmen, wenn eine ausreichende Naturverjüngung noch möglich sei. Dies sei im Bezirk ... ... der Fall. Im Jahr 2007 sei kein Wildschaden angemeldet worden. Laut forstlichem Gutachten sei der Verbiss tendenziell zurückgegangen. Der Beigeladene habe sich bereit erklärt, einen Nachantrag zu stellen, wenn der Abschussfortschritt dies ermögliche. Außerdem werde von ihm Schwerpunktbejagung auf forstlich sensiblen Flächen durchgeführt. Bei der Abwägung der jagd- und forstrechtlichen Ansprüche sei grundsätzlich letzteren der Vorrang einzuräumen, hier deckten sich jagd- und forstrechtliche Ansprüche aber. 8 Mit Widerspruchsbescheid vom 30.01.2008, der Klägerin zugestellt am 07.02.2008, wies das Regierungspräsidium Freiburg den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Abschussplan entspreche dem forstlichen Gutachten, das empfohlen habe, an den bisherigen Abschusszahlen auch für die künftigen drei Planungsjahre festzuhalten, um trotz abnehmender Verbissbelastung die berechtigte Aussicht auf einen weiteren Rückgang des Verbisses mit dem Ziel der geringen Verbissbelastung bei allen Hauptbaumarten des Reviers zu schaffen. Die angeführten Wildschäden seien auf zwei Flurstücke der Eheleute ... begrenzt; von den anderen Grundstückseigentümern seien in den vergangenen Jahren keine Wildschäden angemeldet worden. Bei den angemeldeten Wildschäden handele es sich auch nicht um gravierende, wie auch durch die gütlichen Einigungen und die Tatsache, dass nur in einem Fall eine geringe monetäre Entschädigung gezahlt worden sei, bestätigt werde. Wildschäden auf forstlich sensiblen Flächen innerhalb des Jagdbogens könnten auch durch gezielte jagdliche Maßnahmen, z. B. eine Schwerpunktbejagung, behoben werden, die erforderlichenfalls von der unteren Jagdbehörde durch eine nachträgliche Ergänzung des Abschussplans festgelegt werden könnten. Außerdem seien tragbare Wildschäden im Rahmen der Sozialpflichtigkeit des Eigentums hinzunehmen, wenn wie hier eine ausreichende Naturverjüngung noch möglich sei. 9 Dagegen hat die Klägerin am 05.03.2008 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie geltend, der gesetzlich vorgesehene Vorrang des Schutzes des Waldes sei bei der Festsetzung des Abschlussplans verkannt worden. Das Kreisjagdamt habe vor Erlass seines Bescheides keine Abwägung vorgenommen; die Festsetzung des Plans sei ohne Begründung erfolgt, obwohl er vom Antrag der Klägerin abgewichen sei. Die Abwägung sei erst im Zuge der Abhilfeprüfung des Widerspruchs erfolgt, hätte jedoch bereits vor Erlass des Abschussplans erfolgen müssen. Schon deshalb sei der Plan formell rechtswidrig. Die Auffassung, die Zielsetzung geringe Verbissbelastung sei nur teilweise über die Erhöhung des Abschussplans zu erreichen, sei fehlerhaft. In der Forstwirtschaft sei allgemein anerkannt, dass die Reduzierung des Wildbestands eine Hauptmaßnahme zur Reduktion von Wildschäden sei. Der höhere Verbiss bei der Holzart Tanne zeige die überhöhte Rehpopulation im Jagdbezirk, weil sich Rehwild mehr von Tannen als von Fichten und Kiefern ernähre. Der beantragte Abschuss von 77 Stück Rehwild entspreche der Festsetzung des vorherigen Abschussplans. Eine ausreichende natürliche Verjüngung sei im Bezirk gerade nicht vorhanden, was dadurch belegt werde, dass sie bei der Baumart Tanne nur auf 7 ha ohne Einzelschutz erfolge, was einem Anteil von gerade 3 % entspreche. Die Sozialpflichtigkeit des Eigentums könne nicht soweit interpretiert werden, dass das Vorliegen von Wildschäden in 5 von 6 Jahren geduldet werden müsse. Die forstlichen Gutachten zeigten, dass die Verbissbelastung bei der Tanne in den vergangenen sechs Jahren in einem nicht hinnehmbaren Bereich liege. Schließlich sei die Abwägung auch deshalb fehlerhaft, weil das Kreisjagdamt davon ausgegangen sei, dass sich forst- und jagdrechtliche Ansprüche deckten, was offensichtlich nicht der Fall sei. 10 Die Klägerin beantragt, 11 den Rehwildabschuss im Abschussplan 2007/2008 bis 2009/2010 im Jagdbezirk ... ... auf 77 Stück festzusetzen und den Abschussplan des Kreisjagdamts vom 03.05.2007 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums ... vom 30.01.2008 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen. 12 Das beklagte Land beantragt, 13 die Klage abzuweisen. 14 Zur Begründung vertieft es die Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid. Der Abschussplan entspreche dem Vorschlag aus dem forstlichen Gutachten. Der Plan sei vor seiner Festsetzung mit den Hegeringleitern und den Mitarbeitern der Forstverwaltung eingehend erörtert worden, um auseinandergehende Interessen möglichst auszugleichen. Die Abschusszahl sei nicht reduziert worden, obwohl der Verbiss tendenziell zurückgegangen sei, damit zukünftig eine geringere Verbissbelastung erreicht werde. Im betroffenen Jagdbezirk seien seit mehreren Gutachtenperioden permanente Probepunkte installiert, auf denen periodisch die verbissenen Tannen gezählt würden. Nach dieser Zählung sei im Vergleich der Perioden im Durchschnitt eine Verbissabnahme von insgesamt 21 % festzustellen. An einem der Probepunkte allerdings habe die Verbissbelastung um 24 % auf 66 % zugenommen. An den beiden anderen Punkten jedoch habe sie von 32 % bzw. 33 % um 24 % bzw. 21 % auf 8 % bzw. 12 % abgenommen. Die Festsetzung der Höhe des Abschusses stelle nur einen Teil einer Gesamtstrategie zur Bekämpfung des Verbisses dar. Vom Forstamt seien sowohl eine Schwerpunktbejagung als auch die Anlegung einer Wildwiese empfohlen worden. Es sei nicht etwa so, dass daneben gleichzeitig eine Abschusserhöhung für den gesamten Jagdbogen erforderlich sei, weil dort auch Gebiete wie z. B. Kiefernbaumhölzer seien, in denen die Wildverbissbelastung aus waldbaulicher und ökologischer Sicht tragbar sei. Darüber hinaus sei die geforderte Erhöhung des Abschussplans um 5 Rehe über die Dauer von drei Jahren nicht geeignet, wesentlichen Einfluss auf die Situation des Wildverbisses zu nehmen. Eine örtlich konzentrierte Schwerpunktbejagung im Kernbereich der geschädigten Naturverjüngung dagegen bringe einen sicheren waldbaulichen Erfolg. Die bereits vorgeschlagene Anlage einer Wildwiese erhöhe diese Erfolgsaussichten nochmals zusätzlich. An dem einmaligen Nachtrag zur Erhöhung des Abschussplans für das dritte Jagdjahr im Mai 2006 um 5 Stück Rehwild sei der forstliche Gutachter nicht beteiligt gewesen. Die erhöhte Zahl von Rehen sei vom Beigeladenen auch nicht erlegt worden, so dass das forstliche Gutachten in Bezug auf den früheren Abschussplan von zutreffenden Voraussetzungen ausgegangen sei. 15 Der Beigeladene beantragt, 16 die Klage abzuweisen. 17 Er verweist darauf, dass es sich bei dem Revier um einen Wald mit starker Naturverjüngung handle und nach dem forstlichen Gutachten der Verbiss tendenziell zurückgegangen sei. Eine Erhöhung des Abschusses würde bedeuten, dass der Wildbestand unangemessen reduziert würde. Es bestehe ein öffentliches Interesse an einem artenreichen und gesunden Wildbestand. Der Revierförster habe ihm erklärt, dass die Bewertung der Verbissbelastung der Tannen mit „mittel“ im forstlichen Gutachten vom 30.08.2006 aufgrund eines Messpunktes „...-...“ entstanden sei, der an der Reviergrenze und weit ab von den Grundstücken der Eheleute ... liege. Dieser Messpunkt liege in Randlage zu einem Dorf, dessen Unruhe vermutlich dem Verbiss förderlich sei. 18 Der Kammer liegen die Akten des Landratsamts Rottweil und des Regierungspräsidiums Freiburg vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten sowie auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. 19 Die Berichterstatterin hat am 17.09.2008 einen Erörterungstermin mit den Beteiligten durchgeführt, in dem auch der Ersteller des forstlichen Gutachtens sowie die Eheleute ... anwesend waren und sich geäußert haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen. Die Berufung wird zugelassen.
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Finanzgericht Berlin-Brandenburg 1. Senat
Berlin
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28.11.2013
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Randnummer 1 Die Klägerin handelte im Streitjahr unter anderen mit Mineralölen sowie Biodiesel (FAME) und Pflanzenölen als Energieerzeugnissen. Unter anderem mischte sie im von ihr genutzten Tanklager B… fossiles Gasöl mit 5% FAME zum Produkt B5. Das von ihr unvermischt in Verkehr gebrachte FAME enthielt in sehr geringem Umfang fossile Additive. Randnummer 2 Das Hauptzollamt C… führte Anfang 2009 eine Außenprüfung bei der Klägerin für das Jahr 2008 durch. Dabei stellte der Betriebsprüfer fest, dass im Tanklager B… infolge einer Unzulänglichkeit der betrieblichen Datenverarbeitungsprogramme Abweichungen zwischen den Mengenanschreibungen des Tanklagers und den betrieblichen Voranschreibungen zu den Steueranmeldungen sowie den Steueranmeldungen bestanden hatten. Danach hatte die Klägerin die bei der Herstellung von B5 verwendeten 238.522 l FAME fehlerhaft als unvermischten Bio-Diesel erfasst und auf Antrag dafür zu Unrecht die Steuerentlastung für Biokraftstoffe nach § 50 Energiesteuergesetz -EnergieStG- erhalten. Die gewährte Entlastung müsse rückgängig gemacht werden. Auf der Grundlage dieser Feststellungen ermittelte der Prüfer eine Übererfüllung der Biokraftstoffquote für das Jahr 2008 i.H.v. 104 Gigajoule -GJ-. Dabei hatte er neben einer am 31. März 2009 beim Hauptzollamt C… eingegangenen Energiesteueranmeldung zur Rückzahlung der Entlastung für 13.875.000 l FAME weitere Rückzahlungen der Entlastung für 242.013 l Kraftstoffe berücksichtigt. Randnummer 3 In Auswertung des Prüfberichts vom 22. April 2009 setzte das Hauptzollamt C… im Juni 2009 einen Rückforderungsbetrag i.H.v. 76.606,04 € für die zu Unrecht gewährte Steuerbegünstigung nach § 50 EnergieStG im Zusammenhang mit der Verwendung der 238.522 l FAME bei der Herstellung von B5 fest. Randnummer 4 Die Klägerin reichte am 1. April 2009 die Jahresquotenanmeldung 2008 für Quoten-verpflichtete nach § 37a Abs. 1 Bundesimmissionsschutzgesetz -BImSchG- ein, deren Zahlenwerk dem des (erst später vorgelegten) Betriebsprüfungsberichts entsprach. Danach hatte die Klägerin im Jahr 2008. 31.576.749 l Gasöl, 45.164.333,218 l FAME und 413.032 l Pflanzenöl versteuert abgegeben, wobei 1.469.883 l FAME dem Gasöl beigemischt worden war und 16.120.237 l FAME sowie 18.173,408 l Pflanzenöl nicht steuerlich entlastet worden waren. Randnummer 5 Der Beklagte hörte die Klägerin im April 2010 zu einer von ihm beabsichtigten Änderung der Anmeldung hinsichtlich des FAME an. Die Korrekturen wegen der zur Herstellung von B5 verwendeten FAME-Menge sowie der im FAME enthaltene Additivanteil dürften nicht (doppelt) berücksichtigt werden. Die danach vorzunehmenden Korrekturen würden im Ergebnis zu einer Fehlmenge Biokraftstoffs und damit zur Festsetzung einer Ausgleichsabgabe führen. Die Klägerin wandte sich dagegen und machte geltend, die Rückzahlung der Entlastung sei auf der Grundlage des 2008 gültigen Berechnungsweges ermittelt worden. Sie sei davon ausgegangen, dass in der Spalte D des Antragsformulars auch die Rückzahlung für in 2008 zu viel in Anspruch genommene Entlastung nach § 50 EnergieStG, die im Wesentlichen die Beimischung B5 betreffe, zu berücksichtigen sei. Diese Ansicht sei durch telefonische Rücksprachen mit dem Betriebsprüfer des Hauptzollamts C… sowie einer Mitarbeiterin des Beklagten verfestigt und im Prüfbericht nicht beanstandet worden. Davon ausgehend sei die Rückzahlung der Entlastung nach § 50 EnergieStG auf 13.875.000 l festgelegt worden. Randnummer 6 Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 15. Juni 2010 die Biokraftstoffquote hinsichtlich dieselkraftstoffersetzenden Biokraftstoffs auf eine nach dem Energiegehalt berechnete Fehlmenge Biokraftstoffs von 7.457,26146 GJ fest. Weiter setzte er die Ausgleichsabgabe nach § 37c Abs. 2 BImSchG i.H.v. 141.687,97 € fest. Zur Begründung wies er unter anderem darauf hin, die Klägerin habe zum einen die im FAME enthaltenen Additive nicht abgesetzt, die auf die Erfüllung der Quotenverpflichtung nicht anzurechnen seien. Zum anderen komme eine Berücksichtigung der Rückzahlung der Entlastung des bei der Herstellung des B5 verwendeten FAME nicht in Betracht. § 94 Abs. 5 Energiesteuer-Durchführungsverordnung -EnergieStV- betreffe nur die Rückzahlung rechtmäßig gewährter Entlastungsbeträge. Hier sei die Entlastung zu Unrecht gewährt und später zurückgefordert worden. Randnummer 7 Die Klägerin legte am 15. Juli 2010 Einspruch ein und bezog sich zur Begründung im Wesentlichen auf die Feststellungen des Prüfberichts, der eine Übererfüllung der Biokraftstoffquote belege. Randnummer 8 Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 4. März 2011 zurück, wobei er davon ausging, dass die Klägerin eine Ausgleichsabgabe i.H.v. 141.687,76 € für eine nicht erfüllte Quote von 7.457,25028 GJ schulde. Zur Begründung gab er an, die Versteuerungsmengen des Jahres 2008 seien zwischen den Beteiligten nicht streitig. Auch der Anteil der FAME-Beimischung im Gasöl sei unstreitig. Nicht anders liege es hinsichtlich der in Verkehr gebrachten Pflanzenölmenge sowie der dafür gewährten Steuerentlastung nach § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EnergieStG. Hinsichtlich der in Verkehr gebrachten FAME-Mengen sei ausgehend von einer unstreitigen Versteuerungsmenge von 45.164.333,218 l FAME zunächst der darin enthaltene Additivanteil abzuziehen, bei dem es sich nicht um einen Biokraftstoff handele. Nach den Steueranmeldungen der Klägerin betreffe dies insgesamt 16.907,096 l. Weiter seien die FAME-Mengen abzuziehen gewesen, für die die Klägerin eine Steuerentlastung nach § 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EnergieStG in Anspruch genommen habe. Die Nachberechnung unter Beachtung der von der Klägerin im Kalenderjahr vorgelegten Korrekturmeldungen und Nachmeldungen habe eine Entlastungsmenge von 43.160.971,832 l ergeben, die grundsätzlich nicht der Quotenerfüllung dienen könne. Soweit in § 94 Abs. 5 EnergieStV die Möglichkeit eröffnet worden sei, eine ordnungsgemäß nach § 50 EnergieStG gewährte Steuerentlastung bis zum 1. April des Folgejahres zur Rückzahlung anzumelden und unverzüglich zurückzuzahlen, habe die Klägerin davon in einem Umfang von 13.875.000 l FAME Gebrauch gemacht. Es ergebe sich damit ein anrechenbarer Saldo von 15.861.454,290 l Bio-Reinkraftstoff. Die weiteren in der Anlage Bio angemeldeten Rückzahlungen hätten nicht anerkannt werden können. Es habe sich dabei nicht um Rückzahlungen im Sinne des § 94 Abs. 5 EnergieStV gehandelt. Vielmehr hätten diese Mengen die Rückforderung bzw. Korrektur zu Unrecht erhaltener Steuerentlastungen aus Beimischungen bzw. für enthaltene Additive betroffen. Soweit im Prüfungsbericht davon abweichend eine Anrechnung für möglich erachtet worden sei, entfalte dies für die zuständige Quotenstelle keine Bindungswirkung. Eine nachträgliche Änderung der Steueranmeldung zur Rückzahlung der Entlastung nach § 94 Abs. 5 EnergieStV sei nicht mehr möglich, da der 1. April 2009 als letzter Termin für die Anmeldung der Rückzahlung der Steuerentlastung verstrichen sei. Randnummer 9 Die Klägerin hat am 7. April 2011 Klage erhoben. Sie macht geltend, sie habe im Streitjahr die Biokraftstoffquote erfüllt. Eine Fehlmenge sei nicht festzustellen. Die Quotenanmeldung habe sie gemeinsam mit Mitarbeitern der Zollverwaltung im Rahmen der Betriebsprüfung gefertigt. Tatsächlich müssten sowohl Additive wie auch die Beimischungsmengen im Jahr 2008 noch zur Quotenerfüllung zugelassen werden. Die dies ausschließende Gesetzesänderung sei erst zum 21. Juli 2009 in Kraft getreten und entfalte für das Streitjahr keine Wirkung. Das sei vom Beklagten für das Folgejahr auch ohne weiteres akzeptiert worden. Auch sei der im Zusammenhang mit dem Rückforderungsbescheid des Hauptzollamts C… zurückgezahlte Entlastungsbetrag für die beigemischte FAME-Menge im Rahmen von § 94 Abs. 5 EnergieStV zu Unrecht unberücksichtigt geblieben. Es komme nicht darauf an, ob die Rückzahlung auf einer Anmeldung oder einem Bescheid beruhe. Dem Vorgehen des Beklagten stehe auch Treu und Glauben entgegen. Die Quotenanmeldung gehe letztlich auf umfangreiche Absprachen mit der Betriebsprüfung zurück. Bei der Klägerin sei im Hinblick auf das Handeln des Betriebsprüfers, der sich mit einer Mitarbeiterin des Beklagten abgestimmt habe, ein Vertrauenstatbestand entstanden, der nicht enttäuscht werden dürfe. In der Betriebsprüfung habe der Prüfer die Auffassung vertreten, die geforderte Rückzahlung des Entlastungsbetrages Januar bis September 2008 sei im Rahmen der Ermittlung der Biokraftstoffquote anzurechnen. Insofern müsse die Zahlung auf den Bescheid des Hauptzollamts C… vom 18. Juni 2009 als Rückzahlung im Sinne des § 94 Abs. 5 EnergieStV angesehen werden. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin ihre Anmeldung zur Rückzahlung des Entlastungsbetrages auf 13.875.000 l FAME beschränkt, obwohl erhebliche Reservemengen zur Verfügung gestanden hätten, die im Rahmen einer Korrektur der Anmeldung eine Quotenerfüllung ermöglicht hätten. Jedenfalls müsse der Klägerin nachgelassen werden, ihre Anmeldung zur Rückzahlung nach den Grundsätzen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegenüber dem Hauptzollamt C… auch nach Ablauf der Anmeldefrist abändern zu dürfen. Schließlich gehe der angemeldete Betrag auf gemeinsame Ermittlungen mit dem Betriebsprüfer und einer Mitarbeiterin des Beklagten zurück. Dies folge schon aus dem Geschehensablauf während der Betriebsprüfung. Insofern liege in der aufgrund des Betriebsprüfungsberichts vorgenommenen Quotenanmeldung eine Sachverhaltsvereinbarung im Zuge der Betriebsprüfung, die als Verständigungsvereinbarung bewertet werden könne. Randnummer 10 Die Klägerin beantragt, den Bescheid über die Biokraftstoffquote sowie die Festsetzung der Ausgleichsabgabe gemäß §§ 37a und 37c BImSchG für das Kalenderjahr 2008 vom 15. Juni 2010 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. März 2011 dahingehend abzuändern, dass festgestellt wird, dass die Biokraftstoffquote hinsichtlich des Dieselkraftstoff ersetzenden Biokraftstoffs um 104 GJ übererfüllt ist und die festgesetzte Ausgleichsabgabe aufzuheben, hilfsweise, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen. Randnummer 11 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Die infolge des Rückforderungsbescheides des Hauptzollamts C… zu zahlenden Beträge könnten im Rahmen der Ermittlung der Biokraftstoffquote nicht berücksichtigt werden. Eine Anrechnung auf die Quote sei nur dann möglich, wenn für einen in Verkehr gebrachten Bioreinkraftstoffs keine Steuerentlastung gewährt worden sei. Insofern eröffne § 94 Abs. 5 EnergieStV eine flexible Regelungsmöglichkeit für Unternehmen. Für Additive gebe es jedoch von vornherein keine Steuerentlastung, denn es handelte sich dabei nicht um Biokraftstoff. Soweit es um die Rückzahlung für unzutreffend entlastete Additive bzw. für den beigemischten FAME im Zusammenhang mit der Herstellung des B5 gehe, sei auch dies nicht zu berücksichtigen, denn die Entlastung sei zu Unrecht gewährt worden. Allerdings seien alle beigemischten Mengen vollständig für die Quotenerfüllung berücksichtigt worden. Das sei unabhängig davon geschehen, ob die Mengen insoweit zunächst zutreffend angemeldet worden seien. Der Hinweis der Klägerin auf die Gesetzesänderung im Jahr 2009 gehe fehl. Diese betreffe die Behandlung der Steuerentlastungen nach §§ 46, 47 EnergieStG. Vertrauensschutz sei nicht entstanden. Der Betriebsprüfungsbericht enthalte weder Zusagen noch eine tatsächliche Verständigung. Darauf werde im Berichtstext selbst hingewiesen. Verbindliche Auskünfte hätten nur beim Beklagten direkt eingeholt werden können. Soweit wohl eine Mitarbeiterin des Beklagten im Rahmen der Prüfung konsultiert worden sei, habe diese lediglich den Betriebsprüfer beraten. Daraus ergebe sich keine Bindung an die Aussagen des Betriebsprüfungsberichts, zumal es sich nicht um eine veranlagende Prüfung gehandelt habe. Die Prüfung zeige nur mögliche steuerliche Auswirkungen der tatsächlichen Feststellungen, deren Festsetzung allein dem Beklagten vorbehalten sei. Insofern sei eine wirksame Sachverhaltsvereinbarung nicht erkennbar. Eine Wiedereinsetzung in die verstrichene Frist aus § 94 Abs. 5 EnergieStV komme nicht in Betracht. Die Additivmenge sei zutreffend abgezogen worden. Soweit die Klägerin auf ein Schreiben des Bundesfinanzministeriums zum Hinausschieben der Anmeldefrist im Jahr 2011 hinweise, finde dies seine Rechtsgrundlage in § 37d Abs. 3 BImSchG. Randnummer 13 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (drei Hefte Akten) genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
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Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt 2. Zivilsenat
Sachsen-Anhalt
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08.08.2013
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I. Randnummer 1 Von einer Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19. September 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der Zivilkammer 3 des Landgerichts Stendal teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst: Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.145,92 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 770,00 EUR seit dem 27. August 2010 und aus einem Betrag von 375,92 EUR seit dem 06. Januar 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu ¼ und die Beklagten zu ¾. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger zu 9/10 und den Beklagten zu 1/10 auferlegt. III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz 1. Senat
Rheinland-Pfalz
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22.07.2010
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen eine denkmalschutzrechtliche Verfügung des Beklagten. Randnummer 2 Sie ist Eigentümerin des mit einem Fachwerkhaus bebauten Grundstücks M….straße .. in L… (Gemarkung Linz, Flur .., Parzelle …). Das Anwesen liegt im räumlichen Geltungsbereich der durch Rechtsverordnung des Beklagten vom 18. April 1991 ausgewiesenen Denkmalzone „Altstadt L...“. Des Weiteren befindet sich das Anwesen im Bereich der „Satzung der Stadt L... am Rhein über die Gestaltung und den Schutz des Ortsbildes vom 12. März 1997“. Nach § 3 Abs. 5 dieser Satzung sind Holz- und Kunststofffenster nur in weiß mit glasteilenden und aufgesetzten Sprossen zulässig. Randnummer 3 Unter dem 13. Juni 2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erteilung einer Genehmigung zum Austausch der im ersten und zweiten Obergeschoß des Anwesens zur M...straße hin gelegenen Fenster. Dort waren zu diesem Zeitpunkt zweiflüglige Holzfenster ohne Sprossen eingebaut. In der Spalte des entsprechenden Antragsformulars mit der Überschrift „Beschreibung des Vorhabens“ trug sie dabei „Erneuerung der Fenster wie vorhanden in weiß“ ein. Mit Bescheiden vom 24. Juni 2005 wurde ihr von der Verbandsgemeinde L... für das Vorhaben eine Baugenehmigung und von dem Beklagten eine denkmalschutzrechtliche Genehmigung erteilt. Randnummer 4 Nachdem der Beklagte im Rahmen einer Ortsbesichtigung festgestellt hatte, dass die Klägerin in die Fensteröffnung des vorgenannten Fachwerkgebäudes einflüglige Kunststofffenster ohne Sprossenteile hatte einbauen lassen, erließ er mit Bescheid vom 7. Juni 2006 gegenüber der Klägerin die Anordnung, die eingebauten Fenster durch Holzfenster, weiß lasiert mit Sprossenteilung, auszutauschen. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Oktober 2007 mit der Begründung statt, die geforderte Maßnahme sei von § 14 Abs. 1 Satz 1 und 2 DSchPflG nicht gedeckt, da die ursprünglichen Fenster über keine Sprossen verfügt hätten und damit der Beklagte mit seiner Anordnung über die Wiederherstellung des historischen Bestandes hinausgegangen sei. Randnummer 5 Sodann forderte der Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 6. März 2008 die Klägerin auf, innerhalb von drei Monaten nach Unanfechtbarkeit des Bescheides den ursprünglichen Zustand der straßenseitig zur M...straße hin befindlichen Fenster durch Austausch in zweiflüglige Holzfenster, weiß lasiert, wiederherzustellen. Randnummer 6 Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie im Wesentlichen geltend gemacht hat: Randnummer 7 Aus der Stellungnahme der Generaldirektion Kulturelles Erbe ergebe sich keine zwingende Notwendigkeit für den Einbau von Holzfenstern. In denkmalschutzrechtlicher Hinsicht sei auch eine Zweiflügligkeit nach einer Äußerung der unteren Denkmalschutzbehörde nicht zwingend erforderlich. In diesem Zusammenhang sei außerdem zu berücksichtigen, dass das Gebäude selbst kein Kulturdenkmal sei, sondern sich nur in einer Denkmalzone befinde. Innerhalb der denkmalgeschützten Altstadtzone befänden sich jedoch zahlreiche Gebäude, welche mit einflügligen Holz- und Kunststofffenstern ausgestattet seien. Randnummer 8 Das Verwaltungsgericht hat durch Urteil vom 11. August 2009 der Klage stattgegeben und die angegriffene denkmalschutzrechtliche Verfügung des Beklagten aufgehoben. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt: Randnummer 9 Fraglich sei bereits, ob der Einbau der neuen Fenster eine die Genehmigungspflicht auslösende Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Denkmalzone darstelle. Darüber hinaus sei zweifelhaft, ob den einflügligen Kunststofffenstern Belange des Denkmalschutzes entgegenstünden, da dies angesichts der Vielgestaltigkeit der Fensterausführungen in der Denkmalzone nicht ohne Weiteres anzunehmen sei. Die Auflistung des Beklagten zeige nämlich, dass einerseits im Kernbereich der Altstadt in mehreren Gebäuden anstelle von Holzfenster Kunststofffenster eingebaut seien. Selbst in der Denkmalzone seien in der Hälfte der Fälle einflügelige Fenster vorhanden. Auch angesichts des Umstandes, dass das Gebäude der Klägerin kein geschütztes Denkmal, sondern nur ein Teil der Denkmalzone sei, könne durch den Einbau einflügeliger Kunststofffenster im Haus der Klägerin allenfalls eine kaum merkliche Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Denkmalzone herbei geführt worden sein. Da Denkmalzonen gerade durch ihr Erscheinungsbild charakterisiert würden, könne insoweit dem Grundsatz der Material- und Werkgerechtigkeit sowie der Frage, ob Fenster vor oder nach der Unterschutzstellung eingebaut worden seien, keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen. Ungeachtet dessen habe der Beklagte sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt. Er habe nämlich, obwohl nach eigener Einschätzung auch einflügelige Fenster eingesetzt werden könnten, den Einbau zweiflügeliger Fenster gefordert. Randnummer 10 Mit der vom Senat zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend: Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts habe die untere Denkmalpflegebehörde sich nicht vertiefend mit der Frage auseinander setzen müssen, ob auch einflügelige Holzfenster unter Berücksichtigung der Umgebungsbebauung im Rahmen der Wiederherstellungsverfügung denkmalgerecht sein könnte. Dies folge schon daraus, dass in § 3 der Neufassung der Gestaltungssatzung der Stadt L... aus dem Jahre 2009 bezüglich der äußeren Gestaltung der Fenster/Schaufenster eine Einflügligkeit überhaupt nicht vorsehen sei. Unter diesen Gesichtspunkten scheide daher ein Ermessensfehler aus. Die sachverständige Aussage der Generaldirektion Kulturelles Erbe, die die Notwendigkeit der Zweiflügligkeit der Fenster entschieden betont habe, mache weitreichende Ermessenserwägungen entbehrlich, ob eine Einflügligkeit von Holzfenstern in Betracht komme. Des Weiteren sei darauf hinzuweisen, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 DSchG nach seinem Wortlaut nach keine Ermessensbestimmung sei; aber selbst dann, wenn man dieser Auffassung nicht folgen wolle, entspreche die im Streit stehende Verfügung einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Denn der Erlass einer Verfügung zur Sicherstellung dieser Aufgabe entspreche regelmäßig dem Sinn und Zweck der Ermächtigung des § 14 Abs. 1 DSchG und damit einer pflichtgemäßen Ermessensausübung. Die Denkmalschutzbehörde handele grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem Zweck der Ermächtigung und damit rechtmäßig, wenn sie die Beseitigung einer nicht genehmigten und nicht genehmigungsfähigen Beeinträchtigung eines Kulturdenkmals zu dem Zweck anordne, dass ursprüngliche Erscheinungsbild wiederherzustellen. Randnummer 11 Auch könne es nicht hingenommen werden, wenn einem Eigentümer, der ohne die erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigung bzw. in den Widerspruch zu den Vorschriften des Denkmalschutzgesetzes Veränderungen an einem Kulturdenkmal vornehme, hieraus ein materieller Vorteil erwachse. Im Übrigen obliege es dem Grundstückseigentümer entsprechende Vorschläge zu unterbreiten, wie er den von ihm geschaffenen rechtswidrigen Zustand des Baudenkmals zu beseitigen gedenke. Bei alledem werde nicht verkannt, dass der Wiederherstellungsanspruch nach § 14 Abs. 1 DSchG nur zum Tragen kommen könne, wenn die von einer Genehmigung abweichende Bauausführung sich als denkmalschutzwidrig erweise. Letzteres sei aber gerade hier der Fall. Die hier verwendeten Kunststofffenster unterschieden sich durch ihre Profile und Hochglanzwirkung von herkömmlichen Holzfenstern und erwiesen sich weder für das hier in Rede stehende Gebäude noch für die Denkmalzone an sich als denkmalgerecht. Eine einzelfallbezogene Betrachtung zugunsten der Klägerin komme hier nicht in Betracht, weil es bei den Gebäuden nicht bloß um ein einzelnes Bauwerk handele, sondern weil das Gebäude Teil der historischen Altstadt sei und von der Denkmalzonenverordnung erfasst werde. Die Tatsache, dass eine bestimmte Anzahl von Fenstern in einflügeliger Bauweise ausgeführt sei und dass eine in der Gesamtbetrachtung verschwindend geringe Zahl von Fenstern aus Kunststoff bestehe, vermöge die ablehnende Haltung gegenüber der fachbehördlichen Stellungnahme nicht zu rechtfertigen. Insoweit sei eine Unterscheidung geboten, ob und inwieweit Fenstereinbauten vor oder nach Inkrafttreten der Denkmalzonenverordnung und der Gestaltungssatzung vorgenommen worden seien. Nach Inkrafttreten der Rechtsverordnung und Gestaltungssatzung seien keine denkmalrechtlichen Genehmigungen zum Einbau von Kunststofffenstern in historischen Bauten mit entsprechendem Denkmalwert erteilt worden. Gegen illegale Einbauten in ein bis zwei Fällen werde die untere Denkmalschutzbehörde, abhängig vom Ausgang dieses Verfahrens, denkmalrechtlich einschreiten. Zudem greife die Ansicht des Verwaltungsgerichts zu kurz, dass dem Grundsatz der Material- und Werkgerechtigkeit sowie der Frage, ob die Fenster vor oder nach der Unterschutzstellung eingebaut worden seien, keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen könne. Insoweit werde die Vorbildwirkung für andere Bauwillige völlig außer Acht gelassen. Eine fortschreitende Fehlentwicklung wäre unter Zugrundelegung dieser Rechtsauffassung nicht mehr zu verhindern. Randnummer 12 Der Beklagte beantragt, Randnummer 13 unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 11. September 2009 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Sie trägt vor: Randnummer 17 Es bleibe zunächst darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt des Genehmigungsantrages zum Austausch der vorhandenen Fenster noch die alte Gestaltungssatzung der Stadt L... vom 12. März 1997 gültig gewesen sei. In dieser Gestaltungssatzung sei vorgesehen gewesen, dass nur Fenster mit glasteilenden bzw. aufgesetzten Sprossenteilungen, in Kunststoff oder Holz sowie in der Farbe weiß zulässig seien. Soweit Fenster mit Sprossenteilung vorgegeben worden seien, habe sie in erster Instanz wie auch im vorangegangenen Verfahren mehrfach angeboten, diese nachträglich aufzubringen. Den Vorgaben in der Gestaltungssatzung würde hierdurch hinreichend Rechnung getragen. Auch die geänderte Fassung der Satzung führe nicht zu einem anderen Ergebnis, da hiernach zwar vorgesehen sei, dass in Fachwerkhäusern lediglich der Einbau von weißlasierten Holzfenstern zulässig sei; es ergäben sich jedoch Ausnahmetatbestände für den Fall, dass die Denkmalwürdigkeit des Gebäudes nicht beeinträchtigt werde. Im Übrigen könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch die hier vorgenommene Fenstergestaltung denkmalschutzrechtliche Belange entgegen stünden. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass zahlreiche Häuser innerhalb der Denkmalschutzzone mit einflügeligen Fenstern und Kunststofffenstern ausgestattet seien. Im Ergebnis führe dies dazu, dass von einem einheitlichen Erscheinungsbild der innerhalb der Denkmalschutzzone der Stadt L... gelegenen Häuser im Hinblick auf die darin eingebauten Fenster ausgegangen werden könne. Ferner müsse angesichts der Vielgestaltigkeit der Fensterausführungen innerhalb der Denkmalschutzzone und der Tatsache, dass eine Unterscheidung Holz/Kunststoff für den Außenstehenden nicht möglich sei, auch von einer Genehmigungsfähigkeit der vorgenommenen Maßnahme ausgegangen werden. Schließlich bleibe zu sehen, dass es sich bei den ausgetauschten Fenstern nicht um die ursprünglich vorhandenen Originalfenster handele. Randnummer 18 Der Senat hat eine Ortsbesichtigung vorgenommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom 22. Juli 2010 Bezug genommen. Randnummer 19 Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Schriftsätzen der Beteiligten sowie aus den beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsakten des Beklagten (4 Hefte) sowie die Gerichtsakte 1 K 230/07.KO. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 11. August 2009 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Frankfurt 9. Kammer
Hessen
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15.12.2014
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Vordienstzeiten bei der Berechnung klägerischen Ruhegehalts. Randnummer 2 Der am …1950 geborene Kläger studierte vom 1. April 1970 bis 26. November 1975 Betriebswirtschaftslehre mit Abschluss als Diplom-Kaufmann und vom 1. Oktober 1977 bis 14. November 1987 Wirtschaftspädagogik mit Abschluss als Diplom-Handelslehrer. Im Anschluss an das Referendariat wurde er mit Wirkung zum 2. Februar 1981 zum Studienrat ernannt und war zuletzt als Oberstudienrat an der X-Schule in A-Stadt beschäftigt. Mit Wirkung zum 1. Februar 2009 wurde ihm Altersteilzeit im Blockmodell bis zum Beginn seines Ruhestandes am 1. Februar 2014 bewilligt. Aufgrund seines Antrags vom 20. April 2009 wurde der der Kläger mit Ablauf des 31. Januar 2014 im Hinblick auf seine Schwerbehinderung unter Bezug auf § 51 Abs. 4 S. 1 HBG in der bis zum 28.2.2014 geltenden Fassung in den Ruhestand versetzt. Randnummer 3 Mit Antrag vom 17. Juli 2008 bat der Kläger das Regierungspräsidium Kassel um Auskunft über seine künftigen Versorgungsbezüge. Das Regierungspräsidium traf im Hinblick daraufhin unter dem 8. Oktober 2009 eine „Entscheidung über ruhegehaltsfähige Dienstbezüge“ und teilte dem Kläger mit, Zeiten einer Hochschulausbildung könnten nur bis zur Dauer von 3 Jahren anerkannt werden. Die nach § 12 BeamtVG berücksichtigte Zeit der Ausbildung solle der Kläger der Anlage entnehmen. Sie enthielt eine Berechnung aufgrund des BeamtVG nach Maßgabe seiner Änderung vom 16.2.2002 (BGBl. I S. 686), ferner Vergleichsberechnungen nach § 85 Abs. 1, 4 BeamtVG. Dort war in der Anlage C als berücksichtige Ausbildungszeit ein Zeitraum von insgesamt 5 Jahren und 45 Tagen aufgeführt. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 9. Februar 2009 stellte der Kläger einen „Antrag auf Einbeziehung meiner Ausbildungszeiten in die Berechnung des Ruhegehalts“. Mit Schreiben vom 12. Februar 2009 verwies das Regierungspräsidium Kassel den Kläger auf seinen „Bescheid“ vom 8. Oktober 2008 und teilte mit, die dort aufgeführten Ausbildungszeiten würden bei der Festsetzung des Ruhegehalts als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 13. Januar 2013 übermittelte das Regierungspräsidium dem Kläger eine vorläufige Berechnung seines Ruhegehaltsatzes in Höhe von 55,72 %. Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag unterrichtete es den Kläger davon, dass die Anerkennung seiner Ausbildungszeiten im Hinblick auf § 12 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BeamtVG in seiner bis zum 31.12.1991 geltenden Fassung zu hoch ausgefallen sei, nur im Umfang von 4,5 Jahren habe erfolgen dürfen (4 Jahre Studium, 0,5 Jahre Prüfungszeit) und daher der Ruhegehaltsatz um 1,91 % niedriger ausfalle, was einen Minderbetrag von monatlich 100,14 € ausmache. Dem Kläger wurde im Hinblick auf eine mögliche Rücknahme der Vorabentscheidung zur Anerkennung von Ausbildungszeiten Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Dabei wurde auf einem möglichen Vertrauensschutz hingewiesen. Randnummer 6 Der Kläger teilte mit Schreiben vom 17. Januar 2014 unter anderem mit, er habe im Hinblick auf die Pensionsberechnung von 2008 Vermögens- und Ausgabedispositionen für den Zeitraum bis zum 1. Februar 2014 und danach getroffen. Dazu gehörten die Entscheidung für die Altersteilzeit im Blockmodell, die vergleichsweise geringe Rente seiner Ehefrau auf der Basis eines Rentenbezugs ab dem 1. November 2018 und eine Restgrundschuld von ca. 32.000,- €. Randnummer 7 Mit Bescheid vom 10. April 2014 setzte das Regierungspräsidium Kassel den Ruhegehaltsatz des Klägers auf 55,72 % fest und hob die Vorabentscheidung vom 8. Oktober in Verbindung mit dem Schreiben vom 12. Februar 2009 auf. Als Ausbildungszeit wurde lediglich ein Gesamtzeitraum von 4,5 Jahren als ruhegehaltfähige Dienstzeit berücksichtigt. In der Begründung heißt es, ungeachtet der mangelnden Möglichkeit einer Rückabwicklung der Altersteilzeit könne der Kläger im Hinblick auf den Betrag von 100,14 €, um den die Versorgung nun geringer ausfalle, als sie auf der Grundlage der aufgehobenen Vorabentscheidung ausfiele, keinen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen, da das öffentliche Interesse an einer gleichmäßigen Gewährleistung einer dem Gesetz entsprechenden Verwaltung den Vorrang habe, auch im Hinblick auf das Gebot einer sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel. Die Verringerung des monatlichen Versorgungsbezugs sei zumutbar. Bei der Abwägung des öffentlichen Interesses sei auch zu berücksichtigen, dass es sich seinerzeit um eine vorläufige Berechnung gehandelt habe. Randnummer 8 Mit seiner am 9. Mai 2014 erhobenen Klage begehrt der Kläger die Festsetzung seines Ruhegehalts unter Berücksichtigung der seinerzeit anerkannten Ausbildungszeiten. Er macht geltend, die gesamten Ausbildungs- und Prüfungszeiten für beide Studienabschlüsse hätten zu seiner Tätigkeit als Berufsschullehrer geführt. Bei der Vorabentscheidung vom 8. Oktober 2008 in Verbindung mit dem Schreiben vom 12. Februar 2009 sei die seinerzeit gültige Prüfungsordnung nicht übersehen worden. Nach seinem betriebswirtschaftlichen Studium mit Abschluss Diplom-Kaufmann am 26. November 1975 habe der Kläger im Hinblick auf seine spätere Lehrtätigkeit an einer kaufmännischen Berufsschule zunächst betriebliche Erfahrungen sammeln wollen, sodass er mit seiner nahezu zweijährigen Tätigkeit im Personalwesen eines Frankfurter Industriebetriebes später mit stärkerem Praxisbezug Lehrgänge an der kaufmännischen Berufsschule 1 (später X-Schule) habe unterrichten können. Während dieser kaufmännischen Tätigkeit 1976/1977 habe der Kläger auf die noch gängige Praxis vertraut, als Diplom-Kaufmann zeitnah in das Referendariat übernommen zu werden. Erst 1976/1977 sei die Prüfungsordnung des Fachbereichs Wirtschaftspädagogik revidiert worden sei, wonach für Diplom-Kaufleute fortan ein mindestens dreisemestriges Ergänzungsstudium mit jeweils zwei Pro- und Hauptseminaren sowie mündlicher und schriftlicher Abschlussprüfung als Eingangsvoraussetzung für die Tätigkeit eines Diplom-Handelslehrers verbindlich seien. Die nun zur Diskussion stehende Zeit vom 1. Oktober 1977 bis 14. November 1978 habe der damals gültigen Prüfungsordnung im Fachbereich Wirtschaftspädagogik entsprochen. Ohne diese Studienzeit hätte er, der Kläger, die Voraussetzungen für den Eintritt in den hessischen Staatsdienst nicht erfüllen können, sodass er eine Berücksichtigung von insgesamt 5 Jahren und 45 Tagen Ausbildungszeit bei der Berechnung der ruhegehaltsfähigen Dienstzeiten schon aus diesen sachlichen Gründen für erforderlich halte. Randnummer 9 Außerdem habe er im Vertrauen auf die Pensionsberechnung vom 8. Oktober 2008 seine Vermögens- und Ausgabendispositionen für den Zeitraum bis 1. Februar 2014 und danach getroffen. Er ist weiter der Ansicht, dass bei einem behördlichen Bescheid nach mehrmonatiger Bearbeitungszeit eine ausgiebige Prüfung aller Fakten unterstellt werden könne, und das beklagte Land mit Bescheid vom 12. Februar 2009 eine faktisch abschließende Festsetzung vorgenommen habe. Der Bescheid vom 12. Februar 2009 habe keinen Widerrufsvorbehalt enthalten und seit sechs Jahren unverändert bestanden, sodass der Vertrauensschutz als vorrangiges Rechtsgut einzuschätzen sei. Ferner habe sich die Rechtslage zum Stichtag des 31. Dezember 1991 hinsichtlich der Anerkennung von Ausbildungszeiten nach § 12 BeamtVG i. d. F. von 1991 zu der Rechtslage bei Eintritt in den Ruhestand nicht geändert. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides Regierungspräsidiums Kassel vom 10. April 2014 zu verpflichten, für den Kläger einen Ruhegehaltsatz von 57.63 % festzusetzen. Randnummer 11 Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Zur Begründung verweist es auf den Inhalt der angefochtenen Verwaltungsentscheidung. Ergänzend trägt es vor, bei dem Bescheid vom 8. Oktober 2008 in Verbindung mit dem Schreiben vom 12. Februar 2009 habe es sich um einen von vornherein rechtswidrigen Bescheid gehandelt, da der Fehler nachträglich festgestellt worden sei, und gerade für diesen Fall das HVwVfG die Möglichkeit der Rücknahme nach Prüfung des Vertrauensschutzes vorsehe. Weiterhin stehe der klägerischen Auffassung die Vorschrift des § 64 Abs. 2 HBeamtVG in der ab 1.3.2014 geltenden Fassung entgegen, nach der Entscheidungen über die Bewilligung von Versorgungsbezügen erst beim Eintritt des Versorgungsfalles getroffen werden dürfen. Vorherige Zusicherungen seien danach nicht wirksam. Randnummer 13 Auch sei ein Vergleich mit Kollegen, die einen nur ähnlichen Lebenslauf aufwiesen, nicht sachgerecht, da sich die Festsetzung der Bezüge für jeden Beamten individuell nach seinem persönlichen Lebenslauf richte. Randnummer 14 Ein Band Versorgungsakten des Beklagten, betreffend den Kläger, ist zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Auf seinen Inhalt und den der Gerichtsakte wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.
Das beklagte Land wird unter Aufhebung des Bescheides des Regierungspräsidiums Kassel vom 10. April 2014 verpflichtet, für den Kläger einen Ruhegehaltsatz von 57,63 % festzusetzen. Die Kosten des Verfahrens hat das beklagte Land zu tragen. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt 3. Senat
Sachsen-Anhalt
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15.12.2022
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Randnummer 1 Die Antragsteller wenden sich im Wege von Normenkontrollen gegen Entgeltsatzungen für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Antragsgegners. Sie sind Träger der gesetzlichen Krankenversicherung sowie als Krankenkassen rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung gemäß § 4 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V -. Randnummer 2 Der Antragsgegner ist Träger des bodengebundenen Rettungsdiensts und hat sein Kreisgebiet in zwei Teilrettungsdienstbereiche geteilt. Der nördliche Saalekreis (Gebiet des ehemaligen Landkreises Saalkreis) wird gemäß der Rettungsdienstvereinbarung über die ständige Versorgung eines Teils des Rettungsdienstbereichs Saalekreis durch den Rettungsdienst der Stadt H. vom 8. November 2016 - veröffentlicht im Amtsblatt des Landkreises Saalekreis vom 21. Dezember 2016 - versorgt. Der Teilrettungsdienstbereich des ehemaligen Landkreises M-Q wird durch den Antragsgegner versorgt, wobei der Antragsgegner die Durchführung des Rettungsdiensts an geeignete Leistungserbringer vergibt. Der Antragsgegner betreibt eine (integrierte) Rettungsdienstleitstelle in M-Stadt. Daneben bestehen weitere sechs regionale Rettungswachen, die vom jeweiligen Leistungserbringer betrieben werden (vgl. Satzung zum Rettungsdienstbereichsplan des Landkreises Saalekreis für den Teilrettungsdienstbereich M-Q vom 13. September 2017 - im Folgenden: RBP 2018 - bzw. Satzung zum Rettungsdienstbereichsplan des Landkreises Saalekreis für den Teilrettungsdienstbereich M-Q vom 19. Juli 2021 - im Folgenden: RBP 2022 -, die mit Wirkung vom 1. Januar 2022 den RBP 2018 abgelöst hat). Randnummer 3 Die Abrechnung der Nutzungsentgelte erfolgt im Bereich des Antragsgegners ausschließlich durch Rechnung an den jeweiligen Kostenträger bzw. den Privatversicherten. Randnummer 4 Am 6. März 2019 beschloss der Kreistag des Antragsgegners eine Nutzungsentgeltsatzung für den Teilrettungsdienstbereich M-Q, die am 8. März 2019 ausgefertigt und im Amtsblatt des Antragsgegners am 20. März 2019 bekannt gemacht wurde - und am 1. April 2019 in Kraft trat - im Folgenden: EntS -. Randnummer 5 In ihr wird geregelt: Randnummer 6 „ § 1 Geltungsbereich Randnummer 7 Diese Satzung gilt für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis auf der Grundlage des gemäß § 7 Abs. 2 RettDG LSA jeweils geltenden Rettungsdienstbereichsplanes. Randnummer 8 § 2 Allgemeines Randnummer 9 Für die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes erhebt der Landkreis Saalekreis als Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes zur Deckung seiner Aufwendungen Nutzungsentgelte. Randnummer 10 § 3 Mitwirkung von Leistungserbringern Randnummer 11 Soweit der Landkreis als Träger des bodengebundenen Rettungsdienstes sich bei der Durchführung des Rettungsdienstes gemäß § 12 Abs. 2 RettDG LSA geeigneter Leistungserbringer bedient, sind die hierfür entstehenden Kosten Bestandteil der Nutzungsentgeltvereinbarung des jeweiligen Leistungserbringers. Randnummer 12 § 4 Nutzungsentgeltschuldner Randnummer 13 (1) Unabhängig von § 6 Abs. 3 ist Nutzungsentgeltschuldner, wer die Leistung in Anspruch nimmt (Leistungsnehmer). Für bestellte, jedoch nicht genutzte Leistungen sind diejenigen Personen Nutzungsentgeltschuldner, in deren Interesse die Leistungen des Rettungsdienstes erfolgen sollen, es sei denn, sie haben keinen Anlass für die Anforderungen gegeben. Bei Geschäftsunfähigen ist derjenige Nutzungsentgeltschuldner, dem nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches die Personensorge obliegt. Sind mehrere Personen nutzungsentgeltpflichtig, so haften sie als Gesamtschuldner. Randnummer 14 (2) Sind Nutzungsentgeltschuldner nach Abs. 1 nicht vorhanden, sind diejenigen Personen Nutzungsentgeltschuldner, die die nicht in Anspruch genommenen rettungsdienstlichen Leistungen missbräuchlich bestellt haben. Randnummer 15 § 5 Entstehen der Nutzungsentgeltschuld Randnummer 16 Die Nutzungsentgeltschuld entsteht mit der Beauftragung des Rettungsdienstes. Randnummer 17 § 6 Festsetzung, Erhebung und Fälligkeit der Nutzungsentgelte Randnummer 18 (1) Die Nutzungsentgelte werden vom Landkreis Saalekreis durch Bescheid oder von seinem Beauftragten durch Rechnung festgesetzt. Randnummer 19 (2) Das Nutzungsentgelt ist innerhalb von 14 Tagen nach Zugang der Forderung zu entrichten. Randnummer 20 (3) Soweit sich die Krankenkassen oder sonstige Kostenträger zur Nutzungsentgeltübernahme bereit erklärt haben, kann eine direkte Abrechnung mit diesen erfolgen. In diesem Falle ist das entsprechende Entgelt spätestens 14 Tage nach Zugang der Rechnung zahlbar. Im Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung durch die Krankenkassen oder sonstigen Kostenträger soll die Forderung unmittelbar an die Nutzungsentgeltschuldner nach § 4 ergehen. Randnummer 21 (4) Sowohl im Bescheid als auch in der Rechnung sollen, soweit im Einzelfall möglich, die nach § 267 Abs. 5 i. V. m. Abs. 3 Satz 1 und 2 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) vom 20.12.1988, zuletzt geändert durch Artikel 4a des Gesetzes vom 21.12.2008 (BGBl. I 2008, S. 2917), erforderlichen Kennzeichen (Alter, Geschlecht, Berufs oder Erwerbsunfähigkeitsrentner, Bezieher einer Rente für Bergleute) und die nach § 302 SGB V erforderlichen Daten (Art der Leistung, der Preis, der Tag und der Zeitpunkt der Leistungserbringung und die Arztnummer des verordnenden Arztes) sowie die Angaben der Krankenversicherungskarte nach § 291 Abs. 2 Nrn. 1 bis 6 SGB V (Bezeichnung der ausstellenden Krankenkasse, Familienname und Vorname des Versicherten, Geburtsdatum, Anschrift, Krankenversicherungsnummer, Versicherungsstatus) jeweils (in maschinell verwertbarer Weise) vermerkt werden. Randnummer 22 § 7 Nutzungsentgeltmaßstab Randnummer 23 (1) Maßgeblich für die Erhebung der Nutzungsentgelte sind die tatsächlich erbrachten Leistungen. Leistungen oder Teile von Leistungen i. S. von § 8 bleiben dann außer Betracht, wenn der die Anforderungen entgegennehmenden Rettungsleitstelle von vornherein offensichtlich sein musste, dass diese nicht erforderlich waren. Randnummer 24 (2) Bei gleichzeitiger Mitnahme mehrerer Leistungsnehmer sind die Nutzungsentgelte des Trägers für jeden Patienten in voller Höhe zu berechnen. Randnummer 25 § 8 Nutzungsentgelte Randnummer 26 Die einzelnen Nutzungsentgelte werden wie folgt festgesetzt: Randnummer 27 Tarif-Nr. Leistung Entgelthöhe je Einsatz 1. Leitstellenentgelt des Trägers 43,19 € 2. Verwaltungsentgelt des Trägers 17,35 € Randnummer 28 Die gemäß § 39 Abs. 3 RettDG LSA veröffentlichten Leistungsentgelte der übrigen Leistungserbringer bleiben unberührt. Randnummer 29 § 9 Inkrafttreten Randnummer 30 Die Satzung tritt am 01.04.2019 in Kraft.“ Randnummer 31 Zwischen dem 30. April 2019 und dem 28. Oktober 2019 verhandelten der Antragsgegner als Träger des Rettungsdiensts und die Antragsteller als Kostenträger - federführend durch die Antragstellerin zu 1. - über eine Vereinbarung zur Nutzungsentgelthöhe im bodengebundenen Rettungsdienst für die Abrechnungsperiode 1. April 2020 bis 31. Dezember 2020. Dies erfolgte wie in den Vorjahren unter Einbeziehung der festgestellten Kosten für die Vorjahre (IST-Kosten) und der voraussichtlichen Kosten für das laufende und kommende Jahr (PLAN-Kosten). Seit dem Jahr 1990 besteht zwischen den Beteiligten bei der Entgeltkalkulation und -verhandlung die gängige Praxis, dass Über- bzw. Unterdeckungen zwischen den Abrechnungsperioden ausgeglichen werden. Ein Einvernehmen zu den rettungsdienstlich relevanten Kosten wurde in der maßgeblichen Verhandlung am 25. Oktober 2019 nicht erzielt. Insbesondere stellten die Antragsteller hinsichtlich der Ermittlung der Verwaltungskosten im IST 2018 die Position Rechtsberatungs- und -verfolgungskosten sowie aus den PLAN-Kosten 2020 die Vorhaltekosten für den sog. Massenanfall von Verletzten (MANV) sowie die Ermittlung der Personalmehrkosten strittig. Randnummer 32 Mangels Einvernehmens übermittelte der Antragsgegner der verhandlungsführenden Antragstellerin zu 1. mit E-Mail vom 28. November 2019 die Beschlussvorlage zur 1. Änderungssatzung der Nutzungsentgeltsatzung vom 8. März 2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q nebst Kostenkalkulation mit der Bitte, den Berechnungsweg zu überprüfen. Die Antragstellerin zu 1. erklärte für die Antragsteller mit E-Mail vom 20. Dezember 2019, die Berechnung nachvollziehen zu können und Kostenpositionen in Höhe von 322.976 € weiterhin für strittig zu erachten. Randnummer 33 Am 11. März 2020 beschloss der Kreistag des Antragsgegners die 1. Änderungssatzung der Nutzungsentgeltsatzung vom 8. März 2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q - EntS i.d.F. 1. ÄndS -, die im Amtsblatt des Antragsgegners am 26. März 2020 bekanntgemacht wurde. Sie regelt: Randnummer 34 „ § 1 Randnummer 35 § 8 erhält folgende Fassung: Randnummer 36 Die einzelnen Nutzungsentgelte werden wie folgt festgesetzt: Randnummer 37 Tarif-Nr. Leistung Entgelthöhe je Einsatz 1. Leitstellenentgelt des Trägers 55,58 EUR 2. Verwaltungsentgelt des Trägers 17,14 EUR Randnummer 38 Die gemäß § 39 Abs. 3 RettDG LSA veröffentlichten Nutzungsentgelte der übrigen Leistungserbringer bleiben unberührt. Randnummer 39 § 2 Inkrafttreten Randnummer 40 Die 1. Änderungssatzung zur Nutzungsentgeltsatzung vom 08.03.2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis tritt am 01.04.2020 in Kraft.“ Randnummer 41 Mit Schreiben vom 31. März 2020 erklärten die Antragsteller, die Entgelte in Bezug auf die EntS i.d.F. 1. ÄndS unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen. Randnummer 42 Zwischen dem 27. Mai 2020 und 16. Oktober 2020 verhandelten der Antragsgegner und die Antragsteller über eine Vereinbarung zur Nutzungsentgelthöhe im bodengebundenen Rettungsdienst für die Abrechnungsperiode 2021. Ein Einvernehmen zu den rettungsdienstlich relevanten Kosten konnte wegen der Position im IST 2019 (Rechtsberatungs- und -verfolgungskosten) und drei Positionen im Plan 2021 (Personalmehrkosten für die Rettungsleitstelle, Vorhaltekosten für den sog. Massenanfall von Verletzten [MANV] sowie künftige Rechtsberatungskosten) nicht erzielt werden (vgl. im Einzelnen: E-Mail der Antragstellerin zu 1. als Verhandelnde für die Antragsteller vom 16. Oktober 2020 nebst Anlagen). Der Antragsgegner übermittelte am 17. November 2020 zum Zwecke der Anhörung die Beschlussvorlage zur 2. Änderungssatzung nebst Kostenkalkulation an die Antragstellerin zu 1. Randnummer 43 Am 9. Dezember 2020 beschloss der Kreistag des Antragsgegners die 2. Änderungssatzung der Nutzungsentgeltsatzung vom 8. März 2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q - EntS i.d.F. 2. ÄndS -, die im Amtsblatt des Antragsgegners vom 21. Dezember 2020 bekanntgemacht wurde. Sie regelt: Randnummer 44 „ § 1 Randnummer 45 § 8 erhält folgende Fassung: Randnummer 46 Die einzelnen Nutzungsentgelte werden wie folgt festgesetzt: Randnummer 47 Tarif-Nr. Leistung Entgelthöhe je Einsatz 1. Leitstellenentgelt des Trägers 51,75 EUR 2. Verwaltungsentgelt des Trägers 19,83 EUR Randnummer 48 Die gemäß § 39 Abs. 3 RettDG LSA veröffentlichten Nutzungsentgelte der übrigen Leistungserbringer bleiben unberührt. Randnummer 49 § 2 Inkrafttreten Randnummer 50 Die 2. Änderungssatzung zur Nutzungsentgeltsatzung vom 08.03.2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis tritt am 01.01.2021 in Kraft.“ Randnummer 51 Mit Schreiben vom 25. Januar 2021 erklärten die Antragsteller, die Entgelte in Bezug auf die EntS i.d.F. 2. ÄndS unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen. Randnummer 52 Am 25. März 2021 stellten die Antragsteller Normenkontrollanträge. Mit ihren Hauptanträgen begehren sie, die EntS i.d.F. 1. ÄndS und EntS i.d.F. 2. ÄndS für unwirksam zu erklären. Hilfsweise beantragen sie, festzustellen, dass die - bereits außer Kraft getretene - EntS i.d.F. 1. ÄndS unwirksam war. Zur Zulässigkeit ihrer Normenkontrollanträge verweisen die Antragsteller auf die Entscheidung des Senats vom 14. Juli 2015 (Az. 236/13, juris). Hinsichtlich der Begründetheit der Normenkontrollanträge machen die Antragsteller insbesondere geltend: Randnummer 53 Die Ermächtigungsgrundlage des § 40 Abs. 1 RettDG LSA sei zu unbestimmt, falls man sie dahingehend auslege, dass die Ausgleichsmechanismen nach § 39 Abs. 5 und 6 RettDG LSA vom Aufgabenträger nach Belieben angewendet werden könnten oder aber auch nicht. Die Vereinbarungspartner könnten, müssten aber nicht für bestimmte Konstellationen Ausgleiche zahlen. Grundlegender Maßstab sei das Konzessionssystem, in dem der Leistungsdurchführende das Bonitäts- und Nutzungsrisiko trage. Der Antragsgegner habe den Rahmen des § 39 Abs. 5 und 6 RettDG LSA nicht beachtet. Er differenziere schon nicht nach Kosten- und Erlösausgleich sowie Notfallrettung und qualifiziertem Krankentransport. Eine etwaige Privilegierung von selbstdurchführenden Trägern des Rettungsdiensts dahingehend, dass Entgelte im Sinne von § 40 Abs. 1 RettDG LSA umfassend und ohne Ansehung des § 39 Abs. 5 und 6 RettDG LSA nach dem KAG LSA als Gebühren zu kalkulieren seien, folge aus der Zusammenschau der Vorschriften des RettDG LSA nicht. Der Antragsgegner habe rechtswidrig kostendeckende Entgelte nach dem KAG LSA kalkuliert, obgleich die Anwendung des § 5 KAG LSA im Konzessionsmodell allgemein nicht beabsichtigt gewesen sei. Randnummer 54 Auch bleibe unklar, woran sich das pflichtgemäße Ermessen des Aufgabenträgers als Rechtsanwender des § 40 RettDG LSA orientiere. Eine Orientierung am „klassischen“ Kostendeckungsprinzip des § 5 KAG LSA verbiete sich. Für das Konzessionsmodell sei das Tragen wirtschaftlicher Risiken immanent. Dem stehe eine bei der Finanzierung angenommene Anwendung des Kostendeckungsgrundsatzes entgegen (sog. perplexe Regelung). Dies bedinge die Nichtigkeit einzelner oder aller Regelungen. Jedenfalls sei bei der Anwendung der Regelung des § 39 RettDG der Grundsatz der Beitragssatzstabilität nach §§ 133 Abs. 1, 71 Abs. 1 bis 3 SGB V anzuwenden. Diesen habe der Antragsgegner bei seiner Entgeltermittlung und -festsetzung offenkundig nicht berücksichtigt, indem er bei der Eingangsformel der Satzungen auf die §§ 1, 2 und 5 KAG LSA und damit auf das Kostendeckungsprinzip abhebe. Randnummer 55 Darüber hinaus habe der Antragsgegner entgegen §§ 3 Abs. 2, 36 , 38 RettDG LSA nicht nur leistungsbedingte und wirtschaftliche Kosten des Rettungsdiensts in die Kalkulation einfließen lassen. Randnummer 56 Zu Unrecht habe der Antragsgegner in beiden Änderungssatzungen Rechtsberatungskosten für eine externe rechtliche Beratung anlässlich der Vergabe von Konzessionen nach §§ 12 RettDG LSA sowie weitere Kosten der Rechtsverfolgung (bei verlorenem Gerichtsverfahren: Gerichtsgebühren, Kosten der Rechtsverfolgung Gegner) zugrunde gelegt, obgleich es sich hierbei um Fremdleistungskosten handele. Für die EntS i.d.F. 1. ÄndS beliefen diese sich auf 96.044 € (IST-Kosten 2018). In der EntS i.d.F. 2. ÄndS seien PLAN-Kosten in Höhe von 70.000 € zugrunde gelegt worden. Im Katalog des § 38 Abs. 3 RettDG LSA seien diese Kosten nicht erwähnt. Es sei bereits anzuzweifeln, ob diese Kosten für die Auswahl des Leistungsträgers überhaupt leistungsbedingt seien. Im Übrigen seien die Kosten auch nicht wirtschaftlich, weil sie vermeidbar und für die Leistungserbringung nicht unabdingbar gewesen seien. Der Antragsgegner, dem sämtliche Daten und rechtliche Grundlagen zur Verfügung gestanden hätten, hätte in der Lage sein müssen, rechtliche Fragen anlässlich einer öffentlichen Auftragsvergabe (Konzessionsmodell) selbst zu beantworten. Auch würden Kosten der Rechtsberatung seit mindestens drei Jahren veranschlagt. Ein Auftragsvolumen von 70.000 € entspreche der jährlichen Vergütung eines beim Landkreis angestellten Juristen (EG 13 Stufe 3 TVöD). Ein angestellter Jurist könnte sich gemessen am zeitlichen Beratungsaufwand für eine durchschnittlich nur alle 4 bis 6 Jahre zu erteilende Konzession nicht nur im Bereich der Vergabe spezialisieren, sondern andere Anliegen bearbeiten, so dass er nur anteilig zu refinanzieren wäre. Aus den Unterlagen gehe zudem hervor, dass die befassten Rechtsanwälte nicht auf der Grundlage des RVG, sondern nach Stunden auf der Grundlage eines Beratervertrags abrechnete, was zu höheren Kosten führe. Auch seien die Kosten verlorener Gerichtsverfahren nicht leistungsbedingt. Das Kostenüberschreitungsverbot sei verletzt. Randnummer 57 Die entgelterhöhenden Rechtsberatungs- und -verfolgungskosten seien durch die perplexe Regelung veranlasst. Ungeachtet dessen müsse sich der Antragsgegner fragen lassen, weshalb er für die seit dem Jahr 2013 wiederkehrenden Regelaufgaben keine Expertise im eigenen Haus aufbaue. Selbstverständlich könne er Organisationsentscheidungen treffen. Führten diese jedoch zu unnötigen, nicht leistungsbedingten Kosten, seien diese auszuscheiden. Die Kostenverteilung in gerichtlichen Verfahren sei gesetzlich geregelt. Kosten aus verlorenen Prozessen seien nicht leistungsbedingt, weil die Leistung in der Beförderung und Herstellung der Transportfähigkeit bestehe. Verlorene Prozesse bedingten die Leistung nicht, sie könnten jederzeit hinweggedacht werden, ohne dass die zu vergütende Leistung entfiele. Auch habe der Antragsgegner mit seiner Erwiderung die Frage aufgeworfen, inwieweit die Vorausbelastung innerhalb einer Kalkulation zulässig sei, da er nicht aufzeige, wie mit verauslagten Kosten umgegangen werde, die der Prozessgegner nicht erstatte. Im Übrigen gingen die Antragsteller selbst davon aus, dass die Kosten für eine vor einer Ausschreibung und Vergabe durchgeführte Begutachtung des Bedarfs bzw. der Vorhaltung von Rettungsmitteln notwendig seien. Randnummer 58 Der Betrieb der Leitstelle in M-Stadt sei unwirtschaftlich. Der Leitstellenbereich des Antragsgegners (ca. 118.514 Einwohner) sei nach dem Jerichower Land und der Stadt D. einer der kleinsten Sachsen-Anhalts. Im bundesweiten Vergleich betreue eine Leitstelle ca. 370.000 Einwohner. In anderen Bundesländern würden vielfach eine geringe Anzahl an Leitstellen vorgehalten. Aus dem Bericht der Kommission zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit der Struktur der Integrierten Leitstellen (ILS) vom 4. Dezember 2017 ergebe sich, dass die Aufrechterhaltung einräumiger Leitstellen perspektivisch nicht mehr als effizient angesehen werden könne und auch eine erhöhte Qualität bei höherer Frequentierung landkreisübergreifender Leitstellen zu erwarten sei. Eine Zusammenführung der Leitstellen der Stadt H., die schon den nördlichen Landkreis bediene, und des Antragsgegners sei rechtlich möglich und entspräche einer wirtschaftlichen und effizienten Organisation. Es existiere sogar ein älteres Gutachten, wonach eine Zusammenführung der Leitstellen H-Stadt/Saalekreis/Burgenlandkreis effizient und wirtschaftlich wäre. Das im Urteil des Senats vom 19. September 2012 ( 3 K 501/11 ) herausgearbeitete Ermessen der Aufgabenträger hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ des Betriebs von einräumigen Leitstellen dürfte sich mit Blick auf die verstrichenen zehn Jahre mittlerweile auf Null reduziert haben. Dies folge aus dem vorzitierten Bericht der Kommission und der Leitstellenanzahl der Polizei (landesweit: 3). Für einen Qualitätsabfall sei nichts ersichtlich. Randnummer 59 Zudem kalkuliere der Antragsgegner für die von ihm betriebene Leitstelle mit überhöhten Personalkosten. Der Antragsgegner habe zum 1. Januar 2020 die Mitarbeiteranzahl der Leitstelle von 16 auf 18,5 Vollzeitkräfte (VZK) angehoben und somit anteilig für den Rettungsdienst 1,25 (1,0 VZK Leitstellenmitarbeiter zzgl. 0,25 VZK Administrator) dieser zusätzlichen VZK in der Kalkulation berücksichtigt. Dies entspreche Personalkosten von 75.000 € im Jahr 2020 und 76.500 € im Jahr 2021. Randnummer 60 Der Antragsgegner habe mit den Vorhaltekosten für den Massenanfall von Verletzten (MANV) Kosten (PLAN-Kosten 2020: 15.620 €, 2021: 25.800 €) berücksichtigt, die nicht dem Rettungsdienst, sondern der allgemeinen (steuerfinanzierten) Daseinsvorsorge zuzurechnen seien. Gegenstand der Beanstandung seien nicht die Refinanzierung der Kosten für die Inanspruchnahme bzw. die Kosten der ärztlichen und organisatorischen Leitung nach § 38 Abs. 3 Nr. 6 RettDG LSA i.V.m. § 35 Abs. 1 und 2 RettDG LSA , sondern die darüberhinausgehenden Kosten für die Vorhaltung von Personal und sachlichen Mitteln. Im Schreiben des Ministeriums für Inneres und Sport vom 24./26. Juni 2020 an den Landkreis Wittenberg werde dargestellt, dass die Kostenträger lediglich die Vorhaltekosten für rettungsdienstliche Führungskräfte, d.h. für die ärztliche und organisatorische Leitung in MANV-Lagen, zu akzeptieren hätten. Die Auffassung der Antragsteller werde durch § 38 Abs. 3 Nr. 6 RettDG LSA gestützt, wonach (nur) die dort genannten Kosten für die Vorhaltung von Großschadenslagen zu refinanzieren seien und andere nicht. Andernfalls wäre die Hervorhebung dieses Punktes nicht notwendig gewesen. Die vom Antragsgegner berücksichtigte „verbrauchsunabhängige“ Grund- und Vorhaltegebühr sei unzulässig. Randnummer 61 Im Verlauf des Jahres 2021 haben die Verhandlungen zum Abrechnungszeitraum 1. Januar 2022 bis 31. Dezember 2022 stattgefunden. In den Verhandlungen konnte zum Abschluss IST 2020 hinsichtlich drei Positionen (Personalkosten Rettungsleitstelle: 18.200 €, Rechtsberatungskosten [Verwaltungsentgelt]: 24.916 €, Vorhaltekosten MANV: 3.416 €) und zum Plan 2022 hinsichtlich vier Positionen (Personalkosten Rettungsleitstelle: 79.900 €, Mehrkosten für Aus- und Weiterbildung: 5.400 €, Vorhaltekosten MANV: 25.800, Rechtsberatungskosten zur Vorbereitung künftiger Genehmigungsverfahren: 70.000 €) keine Einigung erzielt werden. Der Antragsgegner hat mit E-Mail vom 15. Oktober 2021 die Beschlussvorlage zur 3. Änderungssatzung sowie die Kostenkalkulation an die Antragsteller übermittelt. Der Kreistag des Antragsgegners hat am 15. Dezember 2021 die 3. Änderungssatzung der Nutzungsentgeltsatzung vom 8. März 2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q - im Folgenden: EntS i.d.F. 3. ÄndS -, die im Amtsblatt des Antragsgegners vom 21. Dezember 2021 bekanntgemacht wurde, beschlossen. Sie regelt: Randnummer 62 „ § 1 Randnummer 63 § 8 erhält folgende Fassung: Randnummer 64 Die einzelnen Nutzungsentgelte werden wie folgt festgesetzt: Randnummer 65 Tarif-Nr. Leistung Entgelthöhe je Einsatz 1. Leitstellenentgelt des Trägers 50,00 EUR 2. Verwaltungsentgelt des Trägers 12,65 EUR Randnummer 66 Die gemäß § 39 Abs. 3 RettDG LSA veröffentlichten Nutzungsentgelte der übrigen Leistungserbringer bleiben unberührt. Randnummer 67 § 2 Inkrafttreten Randnummer 68 Die 3. Änderungssatzung zur Nutzungsentgeltsatzung vom 08.03.2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis tritt am 01.01.2022 in Kraft.“ Randnummer 69 Auch hinsichtlich der EntS i.d.F. 3. ÄndS haben die Antragsteller erklärt, die Entgelte unter dem Vorbehalt der Rückforderung zu zahlen. Randnummer 70 Die Antragsteller haben mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18. Oktober 2022 die EntS i.d.F. 3. ÄndS in das Normenkontrollverfahren einbezogen und ihre ursprüngliche Normenkontrollklage um den weiteren Hauptantrag, die EntS i.d.F. 3. ÄndS für unwirksam zu erklären und den weiteren Hilfsantrag, festzustellen, dass die - mittlerweile außer Kraft getretene - EntS i.d.F. 2. ÄndS unwirksam war, erweitert. Randnummer 71 Zur weiteren Begründung haben sie auf die Bedenken verwiesen, die hinsichtlich der vorangegangenen Änderungssatzungen erhoben worden seien. Die für diese herausgearbeiteten Beanstandungen schrieben sich rechnerisch fort. Hinsichtlich des Massenanfalls von Verletzten sei zu ergänzen, dass auch die anteilige Berücksichtigung von Abschreibungen für die Ausstattung des Behandlungsplatzes für 50 Verletzte (transportabler Container) i.H.v. 809,53 € zu Unrecht in die Kalkulation eingeflossen sei. Gleiches gelte für die kalkulatorischen Kosten (Zinsen i.H.v. 80,95 €) und sonstigen Verwaltungskosten (14.130,86 €) für die Anschaffung der Ausstattung des Behandlungsplatzes. Der der EntS i.d.F. 3. ÄndS zugrundeliegende Kosten- und Leistungsnachweis beinhalte darüber hinaus unter dem Punkt „Sonstige Kosten“ einen überhöhten Anteil an Sach- und Nebenkosten, der durch überzähliges Personal verursacht werde (missverständlich als „Kreisumlage“ bezeichnet). Der Antragsgegner habe hierfür im Zuge einer Kostenstellenrechnung anteilig entsprechend seiner im Fachbereich Rettung eingesetzten Mitarbeiterzahl neun VZK bei der Entgeltkalkulation berücksichtigt, wobei sie - die Antragsteller - wie bisher nur acht VZK anerkennen würden. Diese zusätzliche Kostenüberschreitung belaufe sich auf 7.238,23 €. Hinsichtlich der Personalkosten der Leitstelle sei hervorzuheben, dass der Antragsgegner anlässlich der strittig gestellten Punkte einige von ihm zunächst geplante Stellen nicht besetzt habe (PLAN 2020: 75.000 €, IST 2020: 18.200 €). Dies zeige, dass die Einschätzung der Antragsteller zur fehlenden Notwendigkeit nicht vollständig fehlginge. Hinsichtlich der bei den Plankosten 2022 berücksichtigten Kosten für die Aus- und Weiterbildung beschränke sich der Einwand auf die Fortbildungskosten des überzähligen Personals. Strittig seien bei der vorangegangenen Entgeltverhandlung der Beteiligten kumuliert 192.795,68 € geblieben, die sach- und rechtswidrig für die Entgeltkalkulation herangezogen worden seien. Randnummer 72 In der mündlichen Verhandlung haben die Antragsteller ihre Hauptanträge, die EntS i.d.F. 1. ÄndS und die EntS i.d.F. 2. ÄndS jeweils für unwirksam zu erklären, zurückgenommen und beantragen nunmehr, Randnummer 73 1. die am 6. März 2019 beschlossene und am 8. März 2019 ausgefertigte „Nutzungsentgeltsatzung für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis“ in der Fassung der am 15. Dezember 2021 beschlossenen und am 15. Dezember 2021 ausgefertigten „3. Änderungssatzung zur Nutzungsentgeltsatzung vom 8. März 2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis“, in Kraft getreten am 1. Januar 2022, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis Saalekreis vom 12. Dezember 2021, 15. Jahrgang, Nr. 59, für unwirksam zu erklären, Randnummer 74 2. festzustellen, dass die am 6. März 2019 beschlossene und am 8. März 2019 ausgefertigte „Nutzungsentgeltsatzung für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis“ in der Fassung der am 9. Dezember 2020 beschlossenen und am 10. Dezember 2020 ausgefertigten „2. Änderungssatzung zur Nutzungsentgeltsatzung vom 8. März 2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis“, in Kraft getreten am 1. Januar 2021, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis Saalekreis vom 21. Dezember 2020, 14. Jahrgang, Nr. 38, unwirksam war, Randnummer 75 3. festzustellen, dass die am 6. März 2019 beschlossene und am 8. März 2019 ausgefertigte „Nutzungsentgeltsatzung für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis“ in der Fassung der am 4. März 2020 beschlossenen und am 11. März 2020 ausgefertigten „1. Änderungssatzung zur Nutzungsentgeltsatzung vom 8. März 2019 für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis“, in Kraft getreten am 1. April 2020, veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis Saalekreis vom 26. März 2020, 14. Jahrgang, Nr. 07, unwirksam war, Randnummer 76 Der Antragsgegner beantragt, Randnummer 77 die Anträge abzulehnen. Randnummer 78 Die Normenkontrollanträge seien unzulässig, weil das Oberverwaltungsgericht nach § 47 Abs. 1 VwGO nur im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit über die Gültigkeit einer im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Rechtsvorschrift entscheide. Die Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Vollzug der Nutzungsentgeltsatzung des Antragsgegners resultieren könnten, fielen jedenfalls so lange nicht in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, wie die Entgelte für die Beauftragung des Rettungsdiensts auf zivilrechtlichem Weg festgesetzt und verlangt würden. Gegenüber den Antragstellern sei dies stets der Fall, auch wenn § 6 Abs. 1 der jeweiligen Satzung regele, dass Nutzungsentgelte durch Bescheid oder von seinen Beauftragten durch Rechnung festgesetzt werden könnten. Allein durch die Möglichkeit, das Entgelt durch Bescheid gegenüber dem Nutzer festzusetzen, lasse sich nicht auf den öffentlich-rechtlichen Charakter im maßgeblichen Verhältnis mit den Antragstellern schließen. § 6 Abs. 3 der Nutzungsentgeltsatzungen regele die Rechnungsstellung gegenüber den Antragstellern. Ohne die Möglichkeit der öffentlich-rechtlichen Erhebung der Nutzungsentgelte/Gebühren gegenüber den Krankenkassen fielen die die potentiellen Streitigkeiten, die aus dem Vollzug der Satzungen entstünden und an denen die Antragsteller beteiligt seien, nicht in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Randnummer 79 Die Normenkontrollanträge seien zudem unbegründet. Der beschriebene Widerspruch zwischen dem Konzessionsmodell und der Entgeltkalkulation liege nicht vor, da es sich bei den streitgegenständlichen Nutzungsentgelten ausschließlich um Nutzungsentgelte für Leistungen des Trägers des Rettungsdiensts und nicht um Entgelte eines Konzessionärs handele. Diese seien nach dem RettDG LSA, insbesondere nach §§ 38, 39 i.V.m. § 3 Abs. 2 RettDG LSA i.V.m. § 5 KAG LSA, in Entsprechung der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 14. Juli 2015 - 3 K 236/13 - juris bzw. vom 23. Juni 2010 - 3 K 495/08 - juris Rn. 18 ) kalkuliert worden. Der Träger des Rettungsdiensts sei „nicht Leistungserbringer unter Gleichen“ (vgl. SG Magdeburg, Urteil vom 29. September 2021 - S 43 R 90/16 -). Ihm komme eine umfassende Eilzuständigkeit und Auffangverantwortung zu, wohingegen Konzessionäre nur für die in der Konzession beschriebene Aufgabe zuständig seien. Dies ermögliche ihm von vornherein eine andere Kalkulation der Entgelte. Insbesondere kalkuliere der Antragsgegner anders als Konzessionäre keine Risikozuschläge, so dass von einer „Privilegierung“ nicht die Rede sein könne. Über Jahre seien allein IST-Kosten (ohne Risikozuschläge) abgerechnet worden, was von den Kostenträgern auch für sachgerechter gehalten worden sei. Im Gesetzgebungsverfahren komme nicht zum Ausdruck, dass ungedeckter Aufwand abweichend von § 91 Abs. 2 Nr. 1 GO LSA (nunmehr § 99 Abs. 2 Nr. 1 KVG LSA ) aus Steuermitteln zu finanzieren sei. Randnummer 80 Die Argumentation, dass der „Grundsatz der Beitragsstabilität“ im Konzessionsmodell gelte, führe nicht weiter, wenn wie hier Entgelte des Trägers im Raum stünden, hinsichtlich derer der Grundsatz der Beitragsstabilität nicht gelte. Die Antragsteller führten auch nicht aus, wozu die Anwendung des Grundsatzes genau führen würde, sondern beschränkten sich darauf, dass dieser ausweislich der Eingangsformel der Satzungen offenkundig nicht berücksichtigt worden sei. Allein damit könne der Rechtsprechung des Senats folgend (Urteil vom 14. Juli 2015, a.a.O.) kein Verstoß begründet werden. Nicht erkennbar sei, welche Rechte der Antragsteller durch die Anwendung des KAG LSA verletzt seien. Im Übrigen habe der Landesgesetzgeber bei den Finanzierungsregelungen nicht vorrangig an den Träger des Rettungsdiensts gedacht, wie die Aussage in der LT-Drs. 6/1255 auf Seite 98 zeige. Aus der von den Antragstellern zitierten Aussage, dass staatliche Stellen keine Gebühren für den Konzessionsnehmer einziehen sollten, folge nicht, dass die Anwendung des § 5 KAG LSA allgemein nicht beabsichtigt gewesen sei. Randnummer 81 Er - der Antragsgegner - habe die zutreffenden Ermächtigungsgrundlagen des RettDG LSA und KAG LSA herangezogen. Die Gesetzesbegründung (LT-Drs. 6/1255, S. 57), wonach eine einseitige Belastung der öffentlichen Hand und damit des Steuerzahlers oder bestimmter Personengruppen vermieden werden müsse, sei bei der Auslegung des RettDG LSA und bei der Kalkulation der Entgelte zu berücksichtigen. Die Nutzungsentgelte des Antragsgegners seien in Entsprechung der Senatsrechtsprechung (Urteil vom 14. Juli 2015, a.a.O.) an den §§ 38, 39 i.V.m. § 3 Abs. 2 RettDG LSA bemessen worden. Randnummer 82 Es bestehe die Berechtigung, im Rahmen der Kalkulation Rechtsberatungs- und -verfolgungskosten zu berücksichtigen, da diese leistungsbedingt seien. Die Genehmigung und Vergabe von Rettungsdienstleistungen berge besondere Schwierigkeiten. Dies komme in zahlreichen Entscheidungen des OLG Naumburg und des OVG LSA bzw. in der Gesetzesbegründung zum RettDG LSA und weiteren Novellierungen zum Ausdruck. Die hohen Prüfungs- und Begründungsanforderungen bei der Ausschreibung von Rettungsdienstleistungen, die an die Träger des Rettungsdiensts gestellt würden (komplexe Rechtslage, in Einklang bringen von gemeinschaftlichem und nationalem Vergaberecht, Landesrecht, Verwaltungsrecht, Rechtsprechung der Obergerichte), seien wegen der unbestreitbaren Rechtsrisiken mit erheblichen Kostenrisiken verbunden. Bei Fehlern müsse der Träger des Rettungsdiensts mit Schadensersatzforderungen jedes einzelnen potentiellen Bieters rechnen. Verfassungsrechtlich umstritten sei, ob die Entscheidung des Landesgesetzgebers, Konzessionen vorrangig an gemeinnützige Hilfsorganisationen zu vergeben ( § 13 Abs. 1 RettDG LSA ), haltbar sei. Dies sei nicht abschließend geklärt. Eine Verfassungsbeschwerde sei als unzulässig abgelehnt (Nichtannahmebeschluss vom 30. März 2020 - 1 BvR 843/18 -) und die privaten Rettungsdienstleister auf den Rechtsweg verwiesen worden. Das für den Antragsgegner zuständige Verwaltungsgericht Halle (Saale) sei für ein Eilverfahren davon ausgegangen, dass die Norm nichtig sei (Beschluss vom 7. Juni 2018 - 1 B 1160/17 HAL -). Seit 2013 sei zudem vorgesehen, dass die Kostenträger, die zuvorderst die Kosten im Blick hätten, vor der Entscheidung über die Genehmigung angehört werden müssten, was das Spannungsverhältnis und die Rechtsunsicherheit beim Träger des Rettungsdiensts, der eine angemessene Berücksichtigung der Qualität fordere, erhöhe. Soweit darauf verwiesen werde, der Antragsgegner müsse nicht zwingend ausschreiben, sondern könne die Aufgabe selbst erfüllen, sei dies eine grundlegende Organisationsentscheidung, die auch unter Mitwirkung der Antragsteller im Rettungsdienstbereichsrat getroffen worden sei. Im Übrigen griffen die Antragsteller die Eigenerbringung von Rettungsdienstleistungen ebenfalls an (bspw. Urteil des Senats vom 19. September 2012 - 3 K 501/11 -). Zudem habe einer der beiden privaten Rettungsdienstleister in Sachsen-Anhalt - die Ambulance M. GmbH - ihren Sitz im Kreisgebiet und sei langjährig Leistungserbringer für den Antragsgegner gewesen. Nachdem dieser Dienstleister in verschiedenen Auswahlverfahren nicht mehr obsiegt habe, seien zahlreiche Verfahren beim VG Halle und OVG LSA angestrengt worden. Er - der Antragsgegner - sei in der Folge von der Gesellschaft auf Schadensersatz in Höhe von mehr als 1,7 Mio. € verklagt worden (LG Halle, Urteil vom 12. Oktober 2018 - 6 O 123/18 -). Auch wenn diese Klage nicht erfolgreich gewesen sei, zeige sie die mit der Erteilung von Genehmigungen verbundenen Risiken. Randnummer 83 Die Rechtsberatungskosten seien in der Kalkulation zu berücksichtigen, weil sie durch die Aufgabenwahrnehmung des Antragsgegners - Auswahl der Leistungserbringer - verursacht worden seien. Es gälten für diese keine anderen Maßstäbe. Die vom Antragsgegner in Anspruch genommene Rechtsberatung sei weder willkürlich noch unsachgemäß. Die Kosten externer Rechtsvertretung seien anders als die Kosten eines internen Juristen erstattungsfähig. In den hier maßgeblichen Verfahren des Antragsgegners sei die Hinzuziehung von Rechtsanwälten für erforderlich gehalten worden, so dass die Ambulance M. GmbH erhebliche Kostenerstattungen zu leisten gehabt habe. Diese seien auch als Sondereinnahmen im KLN 2019 i.H.v. 51.126 € berücksichtigt worden. Unsubstantiiert sei auch der Vortrag, dass die Vergütung nach Zeitaufwand überhöht sei. Das RVG sehe keine verbindlichen Gebührentatbestände für die Beratung in Auswahlverfahren im Rettungsdienst vor, so dass eine Orientierung am Gegenstandswert (§ 2 Abs. 1 RVG) stattfinde. Ausgehend von einem Auftragswert von 15 Mio. € ergäbe sich beispielhaft eine Geschäfts- und Beratungsgebühr (2,0) von mehr als 111.000 €. Aufgrund der Komplexität dürfte sogar eine höhere Geschäftsgebühr als 2,0 gerechtfertigt sein. Im Übrigen sei auch der angesetzte Gegenstandswert in verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgehend von der Laufzeit der Genehmigung von 5 bis 7 Jahren zu gering angesetzt worden. Die Antragsteller mögen konkret darlegen, weshalb eine Vergütung nach dem RVG pauschal günstiger sein solle als ein solche nach Zeitaufwand. Schließlich sei es lebensfremd, die Kosten für verlorene Prozesse als nicht leistungsbedingt einzuordnen. Prozessrisiken seien immanenter Bestandteil der dem Träger übertragenen Aufgabe. Randnummer 84 Im Hinblick auf die EntS i.d.F. 3. ÄndS sei zu ergänzen, dass in Vorbereitung weiterer zeitversetzter Genehmigungsverfahren für Leistungserbringer in 2022 (Rettungswachenbereich III) Kosten für Rechtsberatung und Rechtstreitigkeiten in Höhe von 70.000 € eingeplant worden seien. Drohende Kosten für das hier geführte Normenkontrollverfahren seien nicht in die Kalkulation eingeflossen. Randnummer 85 Zutreffend seien die Leitstellenkosten in den Kalkulationen berücksichtigt worden. Nach § 4 RBP 2018 sei die Kreisleitstelle Lenkungs-, Koordinierungs-, Kontroll- und Informationszentrum im Rettungsdienstbereich. Die maßgebliche Organisationsentscheidung sei bereits im RBP 2018 unter Mitwirkung der Antragsteller als Mitglied des Rettungsbereichsrats ( § 8 Abs. 4 RettDG LSA ) getroffen worden. Bei der Aufstellung des RBP 2018 (vgl. Protokoll der Sitzung vom 18. Juli 2017) bzw. des RBP 2022, an der die Antragsteller im Bereichsrat beratend mitgewirkt hätten, sei die Leitstelle durch die Antragsteller nicht problematisiert worden. Die Fortschreibung des RBP sei im Benehmen mit den Kostenträgern nach § 7 Abs. 2 RettDG LSA erfolgt. Die Kostenträger könnten und sollten vorrangig im Rahmen des Bereichsrats ( § 8 Abs. 2 Nr. 3 RettDG LSA ) an der Organisationsentscheidung beratend mitwirken. Wenn und soweit erst bei der Kalkulation und Verhandlung der Nutzungsentgelte die Organisationsentscheidung kritisiert werde, werde das der beratenden Aufgabe der Bereichsratsmitglieder nicht gerecht. Im Übrigen sei die Organisationsentscheidung zur Beibehaltung der Leitstelle auch nicht zu beanstanden. Eine Pflicht zum Zusammenschluss mehrerer Leitstellen zu einem gemeinsamen Rettungsdienstbereich bestehe nicht. In § 9 Abs. 9 RettDG LSA werde lediglich bestimmt, dass die Struktur und Leistungsfähigkeit der Rettungsdienstleitstellen durch eine unabhängige Kommission vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu evaluieren sei. Sanktionen seien nicht vorgesehen. Entgegen der Forderungen der Kostenträger werde eine verbindliche Zentralisierung mit der Novellierung des RettDG LSA nicht vorgegeben. Vielmehr werde in der Gesetzesbegründung (LT-Drs. 6/1255, S. 46, 59) ausgeführt, dass für die Zukunft die erforderliche Rechtsgrundlage für die Bildung von gemeinsamen integrierten Leitstellen geschaffen werden sollte. Der Landesgesetzgeber habe damit auch künftig den Trägern des Rettungsdiensts den verfassungsrechtlich gebotenen Spielraum bei ihrer Aufgabenwahrnehmung belassen. Randnummer 86 Auch sei sich der Antragsgegner seiner Verantwortung für einen qualitativ hochwertigen und wirtschaftlichen Betrieb der Leitstelle bewusst. Das zeige bereits der Umstand, dass seit 1996 für den nördlichen Bereich des Kreisgebiets eine gemeinsame Leitstelle mit der Stadt H. betrieben werde. Unter Abwägung der zu berücksichtigenden Interessen habe der Antragsgegner davon abgesehen, das übrige Kreisgebiet in einen größeren Rettungsdienstbereich einzubringen, weil nach seiner fachlichen Einschätzung Qualitätseinbußen bei der Versorgung zu besorgen wären. Die Einrichtung der modernen, leistungsfähigen Leitstelle sei mit großem Zeit- und Arbeitsaufwand sowie erheblichen Investitionen verbunden gewesen, die mit den Kostenträgern abgestimmt worden seien, so dass die Aufgabe finanzielle Verluste bedingen würde. Für ihren Erhalt spreche: durch Großleitstelle wäre direkte Verwaltung und Kontrolle eingeschränkt, bessere Koordination mit Feuerwehr aufgrund räumlicher Nähe, innerbetriebliche Aufgabenbewältigung und Organisation effektiver, zügige Information der zuständigen Verantwortlichen des Antragsgegners in und außerhalb der Dienstzeit durch unmittelbaren Kontakt, Vermeidung von Informationsverlusten durch räumliche Nähe, unmittelbare Angliederung der Leitstelle bei der notwendigen Besetzung von Führungsstäben bei Großereignissen, schnelle und effektive Beherrschung von Großschadenslagen aufgrund örtlichem Bezug und Ortskenntnis der Leitstellenmitarbeiter, Nutzung lokalen Orts- und Detailwissens des einzelnen Disponenten bzw. zügige Besetzung eines weiteren Arbeitsplatzes durch Wohnortnähe der Disponenten zur Leitstelle. Im Übrigen würden mit anderen Trägern im südlichen Sachsen-Anhalt Beratungen zur Zusammenarbeit und zum Vorhaben der Schaffung eines technischen Leitstellenverbunds (Schaffung personeller und technischer Redundanzen) geführt. Ein erstes Spitzengespräch habe am 25. Juni 2020 auf Landratsebene stattgefunden, dem Gespräche auf der Fachebene gefolgt seien. Fortlaufend überprüfe er - der Antragsgegner - die Optimierung der Leitstelle. Randnummer 87 Von den Antragstellern würden zu Unrecht hinsichtlich der EntS i.d.F. 1. ÄndS Plankosten 2020 für hauptamtliches Personal i.H.v. 75.000 € (2 x 0,5 VZK Rettungsdienststelle [2 x 30.000 €] zzgl. 0,25 VZK Administrator [1 x 15.000]) und hinsichtlich der EntS i.d.F. 2. ÄndS i.H.v. 76.500 € (2 x 0,5 VZK Rettungsdienststelle [2 x 30.600 €] zzgl. 0,25 VZK Administrator [1 x 15.300 €] nicht anerkannt. Dies setze sich auch bei der Kalkulation des Leitstellenentgelts nach der EntS i.d.F. 3. ÄndS fort. Randnummer 88 Nach dem Dienstplan werde die Leitstelle ständig mit vier Vollzeitkräften, deren Personalkosten nicht überhöht seien, besetzt. Die Erhöhung der Vollzeitkräfte sei gerechtfertigt, weil die Anforderungen an Leitstellen stetig und mit zunehmender Digitalisierung stark anstiegen (neu: Telefonreanimation, eCall, Telenotarzt, Interdisziplinärer Versorgungsnachweis, Qualitätsmanagement-Systeme, erhöhter Personalaufwand durch komplexere Administration der IuK-Infrastruktur [Digitalfunk, Geodaten, Systemwartung, Datenpflege]). Der Bericht der Kommission stelle u.a. dar, dass in Leitstellen, die eine ähnliche Struktur sowie Fallzahlen wie die Leitstelle Saalekreis aufwiesen, die Arbeit mit drei Disponenten je Schicht realisiert werde (bspw. Mansfeld-Südharz: mindestens drei, oft auch vier Disponenten). Die Kommission empfehle ungeachtet der Größe der Leitstelle eine Rund-um-die-Uhr-Besetzung der Leitstellen mit mindestens zwei Disponenten und einem Schichtführer. Nur so könne gewährleistet werden, dass ein Disponent für Sonderaufgaben herausgenommen werden könne und Großeinsätze adäquat bearbeite. Insbesondere Telefonreanimationen bedingten den Einsatz zusätzlichen Personals. Leitstellendisponenten sollten beim Verdacht auf einen Kreislaufstillstand, wenn kein trainierter Ersthelfer vor Ort sei, immer eine Telefonreanimation anbieten. Diese beginne mit dem Verdacht eines Kreislaufstillstands und ende mit dem Eintreffen des ersten Rettungsmittels. Im Jahr 2018 sei dies durchschnittlich nach zehn Minuten der Fall gewesen. In den Monaten April bis Dezember 2018 seien 23 Telefonreanimationen, davon sieben erfolgreich, durchgeführt worden. Hierbei sei die Erfahrung gesammelt worden, dass der assistenzleistende Disponent danach eine mindestens 10-minütige Erholungszeit benötige. Um die Arbeitsfähigkeit der Leitstelle während der Telefonreanimation gewährleisten zu können, müssten mindestens drei Arbeitsplätze ständig besetzt sein. Dies gewährleiste auch die Einhaltung von Pausen. Insbesondere Toilettenpausen seien bei der Besetzung mit nur zwei Disponenten ein Problem. In den letzten Jahren sei zudem ein stetiger Anstieg der eingegangenen Hilfeersuchen zu verzeichnen (200-220 pro Leitstelle und Tag, daraus resultierend 80 bis 100 Einsätze). Auch sei eine stetige Aus- und Fortbildung der Mitarbeiter (mind. 40 Stunden jährlich) unumgänglich. Randnummer 89 Im Übrigen habe sich die Gesamtsituation seit der Evaluierung (Datenbasis 2016) weiterentwickelt (wachsendes Aufgaben- und Leistungsspektrum, wachsende Ansprüche an das Niveau des Qualitätsmanagements, Umsetzung der Telefonreanimationsrichtlinie, Umsetzung der Digitalisierung in den letzten Jahren [technischer Mehraufwand], Beachtung erhöhten Gefährdungspotentials, Schutz kritischer Infrastruktur, Bewältigung der Corona-Situation unter Beachtung der Krankenhausstrukturen, Einführung INVENA und eCall, Beachtung gestiegener Fehlzeiten [Krankheit bzw. Weiterbildung], besondere Einsatzsituationen [MANV, Unwetter etc.], Entwicklung Einsatzzahlen, vermehrte Aufwendungen für statistische Auswertung, Inanspruchnahme der Tag- und Nachtbesetzung). Randnummer 90 Die Annahme der Antragsteller zur fehlenden Notwendigkeit der Personalkosten der Leitstelle sei unzutreffend. Grund für die Nichtbesetzung der Stellen 2020 sei der Mangel an geeignetem Personal und die hohe Fluktuationsrate. Der zeitliche Ausgleich sei durch Überstunden erfolgt. Randnummer 91 Im Übrigen bleibe in der Darstellung der Antragsteller unklar, weshalb die Kosten für die „VZK 0,5 Administrator“ für problematisch erachtet werden. Randnummer 92 Die (Vorhalte-)Kosten für den Massenanfall von Verletzten (MANV) seien zutreffend in den Kalkulationen des Verwaltungsentgelts berücksichtigt worden. Das Missverständnis der Antragsteller liege darin, die Kosten für die Vorhaltung von Rettungsdienstleistungen für besondere Lagen nicht mehr als Kosten des Rettungsdiensts betrachten zu wollen, obgleich der Landesgesetzgeber den nivellierenden Begriff des „Massenanfalls“ aufgelöst habe und deutlich gemacht habe, dass es sich insoweit um eine rettungsdienstliche Aufgabe handele und über den Regelrettungsdienst hinausgehende Tätigkeiten solche im Rettungsdienst seien (vgl. LT-Drs. 6/1255, S. 85). Kosten, die dem Träger zur Vorbereitung und Durchführung der Rettungsdienstleistungen bei sog. MANV-Ereignissen entstünden, seien in die Kalkulation einzustellen. Dies folge aus §§ 1 Abs. 2 Satz 3, 34 und 35 RettDG LSA i.V.m. § 36 Abs. 3 Nr. 1 RettDG LSA. Dem Landesgesetzgeber sei es nicht verwehrt, die Leistungen, die mit der Vorhaltung und Durchführung des Rettungsdiensts bei MANV-Ereignissen verbunden seien, nicht der staatlichen Daseinsvorsorge, sondern unter Beachtung der Grundsätze der Verteilungsgerechtigkeit dem Verursacher aufzuerlegen (vgl. SchlHOVG, Urteil vom 23. Februar 2000 - 2 K 20/97 -). Nach § 34 Abs. 4 RettDG LSA habe der Träger die Einsatzbereitschaft in MANV-Fällen sicherzustellen, hierzu zähle auch die erforderliche Materialausstattung. Dass in § 38 Abs. 3 Nr. 6 RettDG LSA „insbesondere“ auf die Kosten der ärztlichen und organisatorischen, rettungsdienstlichen Leitung bei MANV-Ereignissen verwiesen werde, beinhalte nicht, dass (andere) Vorhaltekosten nicht zu berücksichtigen seien, da die Aufzählung nicht abschließend sei. Im Übrigen diene die Regelung allein der Klarstellung, dass bei einem MANV-Einsatz auch die Kosten der ärztlichen Einsatzleitung und nicht nur die Kosten der notärztlichen Behandlungsleistung zu berücksichtigen seien. Die von den Antragstellern in Bezug genommene und geteilte Rechtsauffassung des Ministeriums für Inneres und Sport des Landes Sachsen-Anhalt sei unzutreffend, zumal entgegen dem angeführten systematischen Argument zu den „erstattungsfähigen Einsatzkosten“ bestimmte - nach dem Wortlaut gerade nicht abgrenzbare - Vorhaltekosten für die Leitungsstrukturen umfasst sein sollen. Naheliegender sei eine Auslegung der Vorschrift nach ihrem Wortlaut, wonach Einsatzkosten abgerechnet werden könnten, die auch die besonderen Kosten der ärztlichen und organisatorischen, rettungsdienstlichen Leitung einbezögen. Die Abrechenbarkeit der Vorhaltekosten folge aus § 38 Abs. 2 RettDG LSA (voraussichtlich betriebswirtschaftlich erforderliche Kosten). Im Übrigen handele es sich bei dem Schreiben des Ministeriums um keinen Runderlass, da es allein an den Landkreis Wittenberg und die Kostenträger gerichtet, nicht jedoch den übrigen Trägern des Rettungsdiensts zur Kenntnis gebracht worden sei. Er - der Antragsgegner - habe beim Einstellen der Vorhaltekosten für Material und Personal seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Randnummer 93 In Erwiderung auf das Vorbringen des Antragsgegners führen die Antragsteller zur Zulässigkeit ihrer Normenkontrollanträge weiter aus, dass die Sichtweise des Antragsgegners, dass es sich jedenfalls gegenüber den Antragstellern um keine Gebührensatzung handele, die im Wege des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO angegriffen werden könne, nicht verfange. Zum einen seien sie selbst nach § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB X Behörden im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Zum anderen bestünde gegen die Krankenversicherungen nur im Fall einer vertraglichen Vereinbarung nach dem RettDG LSA i.V.m. § 133 Abs. 1 SGB V ein Direktzahlungsanspruch. Demgegenüber träten die Krankenversicherungen bei einer Entgelterhebung nach Satzung lediglich für ihre Versicherten nach §§ 60, 133 SGB V ein. Zur Vermeidung beiderseitigen hohen Verwaltungsaufwands, den ein Erstattungsverfahren mit sich brächte, erfragten die Träger des Rettungsdiensts bei den Krankenkassen die Zahlung, um keinen (Gebühren-)Bescheid über das Nutzungsentgelt (§ 6 Abs. 1 Alt. 1 der jeweiligen Entgeltsatzung) erteilen zu müssen. Dieses Verfahren werde in § 6 der Satzungen abgebildet. Rechtsirrig nehme der Antragsgegner an, Direktzahlungen gegenüber den Antragstellern privatrechtlich durchsetzen zu können. Dies sei nicht der Fall, weil § 6 Abs. 3 der jeweiligen Satzung das Einverständnis der Krankenkassen mit der direkten Abrechnung der Nutzungsentgelte voraussetze. An diesem fehle es, weil die Antragsteller ihren Zahlungsvorbehalt bis zur Überprüfung der Satzungen erklärt hätten. Hervorzuheben sei, dass allein die Kostenträger in der Lage sein dürften, die Unwirtschaftlichkeit der Satzungsentgelte darzulegen, da den potentiellen Bescheidadressaten/Nutzern des Rettungsdiensts die notwendigen Informationen und Zusammenhänge fehlten. Im Übrigen habe der Senat bereits im Verfahren 3 K 236/13 (a.a.O.) in einer vergleichbaren Situation die Antragsbefugnis der Antragsteller bejaht. Die vom Antragsgegner zitierte Entscheidung vom 19. September 2012 ( 3 K 502/11 ) betreffe nicht den vorliegenden Fall, da gegenüber allen Nutzern eine privatrechtliche Rechnungslegung erfolgt sei. Randnummer 94 Hinsichtlich der Begründetheit ihrer Normenkontrollanträge replizieren die Antragsteller, dass hinsichtlich der Anwendung der Ermächtigungsgrundlage nicht danach zu unterscheiden sei, ob es sich um einen Konzessionär oder den Träger des Rettungsdiensts handele. Letzterer sei nach § 2 Abs. 16 RettDG LSA ebenfalls - sein eigener - Leistungserbringer und den übrigen gleichzusetzen. Die Vorschriften räumten dem Träger des Rettungsdiensts weder Sonderrechte ein noch befreiten sie ihn von der Überprüfung. Ein „Zwei-Klassen“-Finanzierungsverfahren sei im Gesetz nicht angelegt. Dies widerspräche auch dem Subsidiaritätsprinzip. Kern des Konzessionssystems sei es, dass der Leistungserbringer das wirtschaftliche Risiko trage. Kostendeckende Entgelte nach Maßgabe des KAG LSA schlössen dies indes aus. Der auch gegenüber dem Träger des Rettungsdiensts anzuwendende § 39 Abs. 5 und 6 RettDG beschreibe ein gewisses Risiko für den Leistungserbringer und damit auch für den Träger des Rettungsdiensts. Sie - die Antragsteller - seien trotz jahrzehntelanger Vereinbarungen auch nicht daran gehindert, sich gegen kostendeckende Entgelte zu wenden, zumal Prüfmöglichkeiten nicht verwirkt werden könnten. § 71 SGB V verpflichte im Fall von Entgeltverträgen zur Anwendung des Grundsatzes der Beitragsstabilität. Eine Satzung nach § 40 Abs. 2 RettDG LSA könne maximal die Entgelte abbilden, die mit den Kostenträgern auch verhandelbar seien. Der Verweis auf die Entscheidung des Senats im Urteil vom 23. Juni 2010 zur Anwendbarkeit des Kostendeckungsprinzips gehe ins Leere, da sich der Rechtsstreit auf das frühere RettDG LSA (2007) bezogen und seinerzeit das Submissions- und nicht Konzessionsmodell Geltung beansprucht habe. Randnummer 95 Der im Zuge der jeweiligen - gescheiterten - Entgeltverhandlungen erfolgte Informationsfluss (teilweises Einvernehmen) begrenze den gerichtlichen Prüfungsumfang nicht. Die jeweilige Satzung sei daher vollumfänglich auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Randnummer 96 Offenkundig strebe der Antragsgegner den dauerhaften Erhalt seiner Leitstelle an. Der öffentliche Rettungsdienst müsse aber nicht nur leistungsfähig sein, sondern auch wirtschaftlich betrieben werden. Die vom Antragsgegner angeführte voranschreitende Digitalisierung ermögliche gerade die Zusammenführung von Leitstellen. Die personelle Aufstockung der (zu kleinen) Leitstelle stehe im Widerspruch zum politischen Willen der Leitstellenreduzierung. Mit Nichtwissen werde bestritten, dass durch die personelle Aufstockung der Leitstelle Herztode und Kreislaufstillstände verhindert würden. Im Übrigen richte sich die personelle Besetzung der Leitstelle nach dem § 4 RBP 2018 i.V.m. dem Gemeinsamen Runderlass des MI und MS vom 19. März 1993. Hiernach sei die bisherige personelle Ausstattung ausreichend. Es bestehe ein nachteiliges Verhältnis zwischen Einwohnerzahl und Leitstellenkosten. Randnummer 97 Der Antragsgegner könne sich nicht darauf zurückziehen, dass die Antragsteller die RBP 2022 nicht angegriffen hätten. Die Bedenken gegen die Leitstellenstruktur seien durch die Antragsteller zum Gegenstand des hiesigen Normenkontrollverfahrens gemacht worden. Eines besonderen Hinweises, dass die hier strittigen Punkte nicht im Benehmen der Kostenträger nach § 7 Abs. 2 RettDG LSA stünden, bedürfe es nicht. Zudem sei bei der Fortschreibung des RPB die Leitstelle nicht problematisiert worden. Im Übrigen sei der Rettungsdienstbereichsrat, dem die Antragsteller angehörten, lediglich ein beratendes Gremium, das den Erlass des RBP nicht verhindern könne. Randnummer 98 Soweit der Antragsgegner darauf verweise, dass Nutzungsentgelte ausweislich der EntS i.d.F. der 3. ÄndS auch sinken würden, sei dies weder ein Indikator für die Notwendigkeit der Kosten noch für eine wirtschaftliche und effiziente Organisation des Rettungsdiensts. Denn die Höhe der Entgelte werde durch die Einsatzzahlen sowie festgestellten IST-Kosten bzw. -Erlöse, also (etwaige) Ausgleiche beeinflusst. Randnummer 99 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung.
1) Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Normenkontrollanträge zurückgenommen wurden. 2) § 8 Tarif-Nr. 2 der Nutzungsentgeltsatzung für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis vom 8. März 2019 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 15. Dezember 2021 ist unwirksam. 3) Es wird festgestellt, dass § 8 Tarif-Nr. 2 der Nutzungsentgeltsatzung für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis vom 8. März 2019 in der Fassung der 2. Änderungssatzung vom 9. Dezember 2020 unwirksam war. 4) Es wird festgestellt, dass § 8 Tarif-Nr. 2 der Nutzungsentgeltsatzung für den Teilrettungsdienstbereich M-Q des Landkreises Saalekreis vom 8. März 2019 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 4. März 2020 unwirksam war. 5) Im Übrigen werden die Anträge abgelehnt. 6) Dem Antragsgegner wird aufgegeben, Ziffer 2 des Urteilstenors im Amtsblatt des Landkreises Saalekreis bekanntzumachen. 7) Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens zu je 3/28, der Antragsgegner zu 1/4. 8) Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar. 9) Die Revision wird nicht zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht 12. Kammer
Schleswig-Holstein
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21.02.2019
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Randnummer 1 Der im Jahre 1958 geborene Kläger wendet sich gegen seine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand. Randnummer 2 Er steht als Postbetriebsassistent (Bes.Gr. A 5Z) im Dienste der Deutschen Post AG. Bis zum März 2014 war er als C/CE - Fahrer tätig (LKW über 5 t + Anhänger) . Im Zeitraum 2004 bis 2014 verursachte er insgesamt 34 Unfälle mit Fahrzeugen der Deutschen Post AG. Zur Kostenregelung mussten 36.608,-- € an beteiligte Dritte gezahlt werden. Bei den letzten beiden Unfällen beliefen sich die Schäden an den Postfahrzeugen auf 32.080,-- €. Seit dem Jahre 2009 war der Kläger häufig dienstunfähig erkrankt (797 Tage im Zeitraum Anfang 2009 bis September 2014). Mit Schreiben vom 14.03.2014 und nochmals vom 17.06.2014 wurde dem Kläger bis auf weiteres das Führen dienstlicher Fahrzeuge untersagt. Weiterhin wurde er zunächst vom Dienst freigestellt. Im letzten Schreiben wurde dem Kläger außerdem mitgeteilt, dass er nicht mehr als Fahrer eingesetzt werden könne und er aufgefordert werde, seinen Dienst am 14.07.2014 beim ZSP A-Stadt als Briefzusteller mit Fahrrad aufzunehmen. Der Kläger nahm den Dienst am 14.07.2014 in A-Stadt auf, meldete sich bereits aber am 15.07.2014 krank. Seit diesem Zeitpunkt ist er arbeitsunfähig erkrankt. Randnummer 3 Mit Schreiben vom 28.01.2015 kündigte die Beklagte an, den Kläger vorzeitig wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand zu versetzen. Sie bezog sich dabei auf ein Gutachten des Dr. ... vom 26.01.2015, in dem dieser dauernde gesundheitliche Bedenken bezüglich der bisher ausgeübten und der vorgesehenen Tätigkeit festgestellt hatte. Randnummer 4 In einem Schreiben vom 19.02.2015 erhob der Kläger Einwendungen. Er verwies darauf, dass die Versetzung eines Beamten in den vorzeitigen Ruhestand aus gesundheitlichen Gründen nur auf Grundlage eines amtsärztlichen Gutachtens und nicht aufgrund eines Gutachtens eines befangenen Betriebsarztes erfolgen könne. Zudem sei ein betriebliches Eingliederungsmanagement unterlassen worden. Randnummer 5 Die Beklagte versetzte den Kläger mit Bescheid vom 20.05.2015 in den vorzeitigen Ruhestand. Zur Begründung verwies sie darauf, dass nach der zwischenzeitlich erfolgten (externen) Prüfung einer anderweitigen Verwendung eine Einsatzmöglichkeit für den Kläger nicht habe gefunden werden können. Der Kläger sei dienstunfähig. Er werde deshalb mit Ablauf des 31.05.2015 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Randnummer 6 Der Kläger erhob dagegen Widerspruch. Randnummer 7 Daraufhin wurde er nochmals am 10.03.2016 betriebsärztlich im Hinblick auf seine Dienstfähigkeit untersucht. In seinem Gutachten kam der Betriebsarzt Dr. ... am 15.03.2016 wiederum zu dem Ergebnis, dass aus medizinischer Sicht sowohl bzgl. der Tätigkeit als Fahrer als auch als Zusteller dauernde gesundheitliche Bedenken bestünden. Als positives Leistungsbild, d. h. Arbeiten, die verrichtet werden können, wurde festgehalten: vollschichtig in der Tagesschicht / Frühschicht / Spätschicht in geschlossenen Räumen/Hallen und in temperierten Räumen. Bezüglich der Arbeitsschwere heißt es in dem Gutachten, dass der Kläger leichte Arbeiten bis ca. 10 kg häufig ausüben könne. Indes seien Laufleistungen über 3.000 m, häufiges Ein- und Aussteigen aus Fahrzeugen und einseitige Körperhaltung zu vermeiden (negatives Leistungsbild). Weiterhin hielt der Betriebsarzt fest, dass Treppensteigen und das Gehen auf unebenem Gelände zu vermeiden seien, ebenso wie eine Tätigkeit auf Leitern und Gerüsten. Die abschließende medizinische Beurteilung beschrieb beim Kläger einen seit langem bestehenden Hypertonus, einen Diabetes Mellitus Typ II, eine Hypercholesterinämie sowie Verschleißerkrankungen des Bewegungsapparates, insbesondere eine Sprunggelenks-Arthrose beidseits und anfallsweise Schwindelattacken. Eine Besserung des Leistungsbildes innerhalb der nächsten sechs Monate sei nicht zu erwarten. Randnummer 8 Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 09.09.2016 zurück. Randnummer 9 Zur Begründung machte sie insbesondere geltend, dass der Gutachter, der Betriebsarzt Dr. ..., dauernde gesundheitliche Bedenken für einen Einsatz in der Abteilung Verkehr bescheinigt habe. Ein Einsatz als Fahrer sei aus arbeitsmedizinischer Sicht und auch aus Halterpflichtgründen ausgeschlossen. Eine Tätigkeit als Zusteller, also eine solche im Freien, sei ebenfalls nicht möglich, weil laut betriebsärztlichem Gutachten der Kläger ständig bzw. häufig nur leichte Hebetätigkeiten bis 10 kg verrichten könne. Im Bereich der Zustellung (Fuß-, Fahrrad- und Kfz-Zustellung) gebe es aber keine Arbeitsposten, die diese Kriterien erfüllten. Dort kämen u.a. ständige Arbeitsbelastungen mit einem Gewicht von 15 kg und mehr vor. Gleiches gelte für die Innendiensttätigkeiten in den Zustellstützpunkten. Auch dort sei häufiges/ständiges Heben und Tragen von Lasten bis 15 kg (Briefbehälter), oft auch darüber, notwendig. Randnummer 10 Der Kläger hat unter dem 11.10.2016 Klage erhoben. Randnummer 11 Er macht geltend, dass die angegriffenen Bescheide rechtswidrig seien, weil die Beklagte kein medizinisches Gutachten ihrer Entscheidung zugrunde gelegt habe, das den Voraussetzungen eines amtsärztlichen Gutachtens entspreche. Randnummer 12 Der Kläger beantragt, Randnummer 13 den Bescheid vom 20.05.2015 in Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.09.2016 aufzuheben. Randnummer 14 Die Beklagte beantragt, Randnummer 15 die Klage abzuweisen. Randnummer 16 Sie trägt vor, dass der begutachtende Arzt Dr. ... ein als Gutachter zugelassener Arzt iSv § 48 Abs. 1 BBG sei. Betriebsärzte der Deutschen Post AG seien Ärzte im Sinne dieser Vorschrift. Das der Entscheidung zugrunde gelegte medizinische Gutachten erfülle die maßgeblichen Voraussetzungen. Randnummer 17 Der Betriebsarzt der Beklagten, Dr. ..., ist in der mündlichen Verhandlung informatorisch angehört worden. Randnummer 18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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LArbG Berlin-Brandenburg 16. Kammer
Berlin
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12.06.2012
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Auslegung und Wirksamkeit einer tariflichen Regelung zum Zuschlag für Nachtarbeit. Randnummer 2 Der Kläger war zunächst ab 1. September 2001 bei der T-LOG T. Logistik- und Dienstleistungsgesellschaft mbH beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging mit Wirkung zum 1. Januar 2008 auf die Beklagte über. Wegen der Einzelheiten der Betriebsübergänge wird auf das Informationsschreiben an den Kläger, Bl. 38 ff. d. A., Bezug genommen. Randnummer 3 In dem Arbeitsvertrag des Klägers mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten wurde vereinbart, dass für das Arbeitsverhältnis, soweit im Rahmen des Arbeitsvertrages nichts anderes vereinbart wurde, die Bestimmungen des örtlich maßgeblichen Tarifvertrages für den Einzelhandel einschließlich der entsprechenden Zusatzabkommen gelten. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Ablichtung des Vertrages (Bl. 23 f. d. A.). Randnummer 4 Der Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel vom 6. Juli 1984 in der Fassung der 7. Änderungsvereinbarung vom 4. September 2008, gültig ab 1. Januar 2007 (im Folgenden: MTV Einzelhandel), enthält u. a. folgende Regelungen: Randnummer 5 § 8 Nacht-, Sonn-, Feiertags- und Spätöffnungsarbeit 1. Nachtarbeit ist die in der Nachtzeit zwischen 20.00 und 06.00 Uhr geleistete Arbeit. … 2. … 5. Für die Arbeit nach Ziff. 1. - 4. sind zum Entgelt folgende Zuschläge zu gewähren: a) Nachtarbeit 50 % jedoch im Rahmen von Schichtarbeit 20 % b) Sonntagsarbeit 120 % c) Feiertagsarbeit 150 % d) Spätöffnung 20 % Zeitgutschrift (Ziffer 6. ist zu beachten) 6. … 7. Für berufsübliche Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit (z. b. Nachtwächter/innen, Pförtner/innen und Monteure/innen in Notdienstbetrieben) ist kein Zuschlag zu zahlen. … 9. Beim Zusammentreffen mehrerer Zuschläge wird nur der jeweils höhere Zuschlag gewährt. Randnummer 6 Die Tarifvertragsparteien haben am 20. Juli 2011 einen Ergänzungstarifvertrag zum Manteltarifvertrag vereinbart, § 8 blieb unverändert. Randnummer 7 Bei der Beklagten besteht ein Wechselschichtsystem (Frühschicht 06:00 Uhr bis 14.45 Uhr, Spätschicht 14.45 Uhr - 23.30 Uhr), in dem auch der Kläger im wöchentlichen Wechsel arbeitet. Bisweilen gibt es von dem Schichtsystem partielle Abweichungen hinsichtlich des Beginns und des Endes der Arbeitszeit. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichten Dienstpläne verwiesen (Bl. 93 - 134 d. A.). Randnummer 8 Der Kläger hat mit gewerkschaftlichem Schreiben vom 15. Februar 2010 für den Zeitraum November 2009 bis Januar 2010 die Differenz in Höhe von 30 % zwischen dem gezahlten Zuschlag in Höhe von 20 % und dem von ihm begehrten Zuschlag von 50 % für 55,22 Stunden geltend gemacht. Mit Schreiben vom 19. April 2010 und 12. Januar 2011, gerichtet an die Firma N. M.-Discount AG und Co. KG, nachrichtlich an die Beklagte, hat der Kläger auch für weitere Monate die Differenzzahlung von Nachtarbeitszuschlägen begehrt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ablichtungen Bl. 66 ff. und 76 ff. d. A. verwiesen. Randnummer 9 Mit seiner am 25. März 2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen und mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2011 erweiterten Klage hat der Kläger sein Begehren für die Monate November 2009 bis Februar 2010 und November 2010 bis Oktober 2011 weiterverfolgt. Randnummer 10 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die tarifliche Regelung sei so zu verstehen, die Nachtarbeit sei immer mit einem Zuschlag von 50 %, die dazwischen liegenden Tagschichten mit einem Zuschlag von 20 % zu vergüten. Es stelle einen Verstoß gegen Art. 3 GG dar, Nachtarbeit in Schichtarbeit anders zu bewerten als außerhalb von Schichten. Randnummer 11 Das Arbeitsgericht hat mit Versäumnisurteil vom 11. August 2011 die Klage abgewiesen. Der Kläger hat gegen das ihm am 24. August 2011 zugestellte Versäumnisurteil mit beim Arbeitsgericht am 25. August 2011 eingegangenem Schriftsatz Einspruch eingelegt. Randnummer 12 Der Kläger hat zuletzt beantragt, Randnummer 13 das Versäumnisurteil vom 18. August 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 319,89 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und weitere 816,02 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere 82,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 14 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 15 das Versäumnisurteil vom 18. August 2011 aufrecht zu erhalten und die weitergehenden Klageanträge abzuweisen. Randnummer 16 Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Tarifnorm sei wirksam und werde von ihr auch zutreffend angewandt. Der Kläger habe mit den an die N. M.-Discount gerichteten Schreiben die tariflichen Ausschlussfristen nicht gewahrt. Randnummer 17 Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Urteil vom 12. Januar 2012 das Versäumnisurteil vom 18. August 2011 aufrechterhalten und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen folgendes ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Nachtarbeitszuschlag in Höhe von 50 % nicht zu. Da der Kläger Nachtarbeit in Schichtarbeit geleistet habe, betrage der tarifliche Zuschlag 20 %, wie von der Beklagten geleistet. Hier liege mit der Früh- und Spätschicht ein Schichtsystem vor. Es bestehe eine gewisse Regelmäßigkeit. Nachtarbeit falle nur stundenweise an, vor allem in der Spätschicht, in der Frühschicht nur ausnahmsweise. Eine Nachtschicht im engeren Sinne bestehe nicht. Die tarifliche Regelung in § 8 Nr. 5 a) MTV Einzelhandel bringe deutlich zum Ausdruck, dass für im Rahmen von Schichtarbeit erbrachte Nachtarbeit ein geringerer Zuschlag zu zahlen sei. Unterscheidungsmerkmal sei gerade die Regelmäßigkeit statt Planwidrigkeit. Danach würden zahlreiche Tarifverträge unterscheiden. Für die planwidrige Nachtarbeit außerhalb der normalen geschuldeten Arbeitszeit solle ein erhöhter Zuschlag gezahlt werden. § 8 MTV sehe die Zahlung eines Nachtschichtzuschlages nicht vor. Entgegen der Argumentation des Klägers sei für die „Tagschicht“ ein Zuschlag nicht geregelt. Die tarifliche Regelung sei auch wirksam. Art. 33 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Der Differenzierungsgrund liege nach der tariflichen Regelung gerade darin, dass derjenige, der regelmäßig Nachtstunden in Schichtarbeit leiste einen geringeren Zuschlag erhalten solle als der Arbeitnehmer, der ausnahmsweise planwidrig Nachtarbeit leiste. Die Tarifvertragsparteien müssten nicht in dieser Weise differenzieren, dürften es aber. Durch den unveränderten Neuabschluss des Manteltarifvertrages mit Wirkung ab dem 1. Juli 2011 hätten die Tarifvertragsparteien zu verstehen gegeben, dass sie an dieser Wertung festhalten wollen. Das dürften sie im Rahmen der durch das Grundgesetz garantierten Tarifautonomie. Die Wertung, ob und in welcher Weise oder in welchem Umfang belastende Arbeitszeiten durch Geld kompensiert werden sollten, obliege den Tarifvertragsparteien. Dabei haben sie einen weiten Wertungs- und Gestaltungsspielraum, der hier nicht überschritten worden sei. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Randnummer 18 Gegen dieses dem Kläger am 17. Januar 2012 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung, die er mit einem beim Landesarbeitsgericht am 13. Februar 2012 eingegangenem Schriftsatz eingelegt und mit einem beim Landesarbeitsgericht am 19. März 2012, einem Montag, eingegangenem Schriftsatz begründet hat. Randnummer 19 Der Kläger und Berufungskläger tritt dem angefochtenen Urteil unter Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens entgegen. Der Kläger nimmt Bezug auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Oktober 2003 (Az. 10 AZR 3/03). Dort weise das Bundesarbeitsgericht zu einer nicht wortgleichen Tarifnorm darauf hin, dass eine tarifliche Regelung, die eine deutliche Benachteiligung der Arbeitnehmer, die neben der Erschwernis der regelmäßigen oder nur gelegentlichen Nachtarbeit zusätzlich dem Erschwernis der Wechselschicht ausgesetzt seien, gem. § 3 Abs. 1 GG bedenklich sei, weil wohl kein sachlicher Grund sich für diese Differenzierung finden ließe. In der einschlägigen tariflichen Regelung finde sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Nachtarbeitszuschlag nur dann zu zahlen sei, wenn ausnahmsweise planwidrig Nachtarbeit geleistet werde. Nach der tariflichen Regelung sei auch regelmäßig zu leistende Nachtarbeit mit einem Zuschlag von 50 % zu vergüten. Insbesondere nach dem Verständnis der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di solle in der Regelung des § 8 Ziff. 5 MTV Einzelhandel das anfallende Erschwernis von Schichtarbeit mit einem 20-prozentigen Zuschlag und das Anfallen der weiteren Erschwernis durch Nachtarbeit mit einem 50-prozentigen Zuschlag entlohnt werden. Diese Absicht findet zwar nur unzureichend im Wortlaut der tariflichen Regelung ihren Niederschlag, bei der Auslegung von Tarifverträgen sei jedoch wesentlich von dem von den Tarifvertragsparteien verfolgten Zweck der tariflichen Regelung auszugehen, auch wenn dieser im Wortlaut nur einen unvollkommenen Niederschlag gefunden habe. Keineswegs könne davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien eine Regelung schaffen wollten, welche den allgemeinen Gleichheitssatz verletze und das Vorliegen von zwei unabhängigen Erschwernissen mit einem geringeren Zuschlag belege als das Vorliegen nur eines dieser Erschwernisse. Randnummer 20 Die tarifliche Ausschlussfrist sei gewahrt. Dem Schreiben vom 14. Oktober 2010 könne trotz des sich auf einen anderen Arbeitnehmer beziehenden Einleitungssatzes entnommen werden, dass Ansprüche des Klägers geltend gemacht würden. Mit Schreiben vom 15. Februar 2009 seien die hier begehrten Differenzzahlungen ab November 2009 bereits dem Grunde nach geltend gemacht worden. Randnummer 21 Der Kläger und Berufungskläger beantragt, Randnummer 22 das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Januar 2012 - Az. 38 Ca 4536/11 - abzuändern und unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 18. August 2011 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 319,89 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. April 2011 und weitere 816,02 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. Dezember 2011 sowie weitere 82,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. Dezember 2011 zu zahlen. Randnummer 23 Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, Randnummer 24 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 25 Die Beklagte und Berufungsbeklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. § 8 MTV Einzelhandel sehe keinen Zuschlag für Schichtarbeit vor. Die Aufzählung in § 8 Nr. 5 a) - d) MTV Einzelhandel sei abschließend und sehe eine solche Zahlung nicht vor. Wenn Nachtarbeit in Schichtarbeit erbracht werde, werde diese mit einem geringeren Zuschlag vergütet. Da zur Schichtarbeit auch die zumindest teilweise Nachtarbeit gehöre, solle der Zuschlag für Nachtarbeit geringer ausfallen, wenn diese im Rahmen von Schichtarbeit geleistet werde. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG sei darin nicht zu sehen. Den Tarifvertragsparteien stünden ebenso wie dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die sachlichen Gegebenheiten zu. Vorliegend durften die Tarifvertragsparteien im Sinne einer typisierenden Betrachtungsweise davon ausgehen, dass die übergroße Mehrheit derjenigen Beschäftigten im Einzelhandel, welche in Schicht arbeiten, eine reine Nachtschicht nicht abzuleisten haben. Die Filialen des Einzelhandels seien nicht über Nacht geöffnet. Ferner dürften die Tarifvertragsparteien in typisierender Betrachtungsweise davon ausgehen, dass die im Einzelhandel vorherrschenden Früh- und Spätschichten für den einzelnen Mitarbeiter in medizinischer Hinsicht weniger belastend seien und zu erheblich weniger sozialen Einschränkungen führen würden als die reine Nachtschicht. Die Frühschicht führe zwar dazu, dass der betreffende Arbeitnehmer erheblich früher aufstehen müsse als der gewöhnliche Arbeitnehmer. Die damit einhergehenden Belastungen und Einschränkungen seien jedoch bei weitem nicht zu vergleichen mit denjenigen bei reiner Nachtschicht. Das gleiche gelte hinsichtlich der Spätschicht. Randnummer 26 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz des Klägers und Berufungsklägers vom 19. März 2012, Bl. 169 ff. d. A., und auf den Schriftsatz der Beklagten und Berufungsbeklagten vom 23. April 2012, Bl. 177 ff. d. A., Bezug genommen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12.01.2012 - 38 Ca 4536/11 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. II. Die Revision wird zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 2. Kammer
Hessen
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08.02.2017
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Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug um die Frage, ob die Beklagte zur Abgeltung weiterer 13 Urlaubstage aus dem Urlaubsjahr 2015 verpflichtet ist. Die Beklagte betreibt Spielhallen und beschäftigt über 100 Arbeitnehmer. Die 27-jährige Klägerin (geboren am xx.xx.1989) wurde bei der Beklagten in der Zeit vom 18. September 2014 bis zum 17. September 2015 auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 18. September 2014 (Bl. 13 und 14 der beigezogenen Akte 3 Ca 169/15) als Serviceaufsichtskraft in einer Spielhalle der Beklagten in A beschäftigt. Die monatliche Vergütung lag bei € 1.411,00 brutto zuletzt. Unter dem Datum des 17. März 2015 legte die Klägerin der Beklagten ein "ärztliches Attest" des Frauenarztes Dr. med. B aus A mit der Überschrift "vollständiges Beschäftigungsverbot" vor, hinsichtlich dessen nähere Einzelheiten auf Bl. 27 d. A. verwiesen wird und das im Übrigen wie folgt lautet: ... Hiermit sprechen wir oben genannter Patientin zum Schutz von Mutter und Kind ein vollständiges Beschäftigungsverbot ab dem 17.03.2015 aus. Eine Weiterbeschäftigung bei der derzeitigen Arbeitsstätte (Nikotinexposition) gefährdet die Gesundheit der Patientin. Die sonstigen gesetzlichen Regelungen des Mutterschutzgesetzes sind ebenfalls zu beachten. ... Die Beklagte teilte der Klägerin daraufhin mit, sie könne ihr auch einen rauchfreien Arbeitsplatz zur Verfügung stellen, und forderte sie auf, ihre Tätigkeit in der Spielothek der Beklagten in C wieder aufzunehmen und dort die Passkontrolle im Eingangsbereich durchzuführen. Die Klägerin nahm die Arbeit bei der Beklagten in deren Spielothek in C aber nicht wieder auf, woraufhin die Beklagte der Klägerin ab dem Monat März 2015 keine Vergütung mehr zahlte. Am 18. Mai 2015 erhob die Klägerin gegen die Beklagte vor dem Arbeitsgericht Darmstadt unter dem Aktenzeichen 3 Ca 169/15 Klage auf Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, Tätigkeiten als Servicekraft bzw. Aufsicht in der Spielothek der Klägerin (gemeint war die Beklagte) in C wahrzunehmen, und auf Zahlung von Vergütung für die Monate März und April 2015. Ausweislich des Beschlusses des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 15. September 2015 - Az. 3 Ca 169/15 (Bl. 12 und 13 d. A.) - schlossen die Parteien in diesem Verfahren einen Vergleich, dessen Ziffer 1 wie folgt lautet: 1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, Tätigkeiten als Servicekraft bzw. Aufsicht in der Spielothek der Beklagten in C wahrzunehmen, solange das ärztliche Beschäftigungsverbot vom 17. März 2015, ausgestellt vom Gynäkologen Dr. med. B, weiterbesteht. Bereits mit Schreiben vom 31. August 2015 (Bl. 14 d. A.) hatte sich die Beklagte zuvor wie folgt an die Klägerin gewandt: Arbeitsvertrag/Jahresurlaub Sehr geehrte Frau E, eine Überprüfung hat ergeben, dass Sie noch Anspruch auf Jahresurlaub für das Jahr 2015 mit restlichen 16 Arbeitstagen haben. Der Jahresurlaub ist innerhalb des Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu nehmen. Wir ordnen aus diesem Grunde an, dass Sie den Ihnen noch zustehenden restlichen Jahresurlaub in der Zeit vom 31.08.15 bis zum 17.09.2015, beginnend mit dem 31.08.2015, zu nehmen haben. Mit freundlichen Grüßen ... Mit ihrer am 13. Januar 2016 bei dem Arbeitsgericht Darmstadt erhobenen und der Beklagten am 21. Januar 2016 (Bl. 8 d. A.) zugestellten Klage hat die Klägerin von der Beklagten an Urlaubsabgeltung für insgesamt 16 Urlaubstage aus dem Jahr 2015 Zahlung eines Betrages in Höhe von € 1.041,97 brutto nebst Zinsen verlangt. Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 30. August 2016 - Az. 3 Ca 13/16 (Bl. 68 bis 69 d. A.) - Bezug genommen. Mit dem am 30. August 2016 verkündeten Urteil - Az. 3 Ca 13/16 (Bl. 67 bis 74 d. A.) - hat das Arbeitsgericht Darmstadt der Urlaubsabgeltungsklage der Klägerin nur im Umfang von 3 abzugeltenden Urlaubstagen entsprochen und die Beklagte verurteilt, hierfür an die Klägerin € 195,37 brutto nebst Zinsen zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Klageabweisung hat das Arbeitsgericht Darmstadt im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Abgeltung weiterer 13 Urlaubstage aus dem Jahr 2015 zu, da in diesem Umfang der Urlaub aus dem Kalenderjahr 2015 durch Erfüllung des Freistellungsanspruchs nach § 362 Abs. 1 BGB untergegangen sei. Bereits ausreichend für die Annahme einer entsprechenden Arbeitspflicht der Klägerin in diesem Zeitraum sei der unwidersprochen gebliebene Vortrag der Beklagten gewesen, sie habe die Klägerin in einer anderen rauchfreien Spielhalle oder in ihren Büroräumen, in denen ein generelles Rauchverbot bestehe, beschäftigen können. Die Möglichkeit der Zuweisung einer anderen Stelle reiche regelmäßig aus, um von einem grundsätzlichen Bestand der Arbeitspflicht ausgehen zu können. Daher habe die Beklagte in dem fraglichen Zeitraum vom 1. bis zum 17. September 2015 wirksam Urlaub zum Zwecke der Erfüllung erteilen können. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte in der Zeit vom 1. bis zum 17. September 2015 Leistungen der AOK Baden-Württemberg gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG erhalten habe, da hiervon allein das Verhältnis der Beklagten zur AOK Baden-Württemberg betroffen sei. Das erstinstanzliche Urteil ist der Klägerin am 7. September 2016 (Bl. 76 d. A.) zugestellt worden. Die Berufung der Klägerin ist am 7. Oktober 2016 (Bl. 77 und 78 d. A.) bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen und die Berufungsbegründung ist nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 7. Dezember 2016 (Bl. 92 d. A.) am 7. Dezember 2017 (Bl. 93 bis 99 d. A.) bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist weiter der Ansicht, ein Beschäftigungsverbot stehe einer Urlaubsgewährung im gleichen Zeitraum entgegen. Jedenfalls habe die Beklagte eine Umsetzungsmöglichkeit im Fall der Klägerin nicht konkret dargelegt. Schließlich stehe einer erfüllungswirksamen Urlaubserteilung durch die Beklagte entgegen, dass diese für die fragliche Zeit Leistungen der AOK Baden-Württemberg gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG erhalten habe. Die Klägerin beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 30. August 2016 - Az. 3 Ca 13/16 - teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin an Urlaubsabgeltung weitere € 846,60 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Ansicht, zu keiner weiteren Abgeltung von Urlaub verpflichtet zu sein. Die Akten des Vorverfahrens zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Darmstadt - Aktenzeichen 3 Ca 169/15 - waren zu Informationszwecken beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen des weiteren Parteivorbringens im Berufungsrechtszug wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen vom 7. Dezember 2016 (Bl. 100 bis 106 d. A.) und 13. Januar 2017 (Bl. 115 bis 118 d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Februar 2017 (Bl. 122 d. A.) Bezug genommen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 30. August 2016 - Az. 3 Ca 13/16 - teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin an Urlaubsabgeltung weitere € 846,60 EUR (in Worten: Achthundertsechsundvierzig und 60/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2015 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Verwaltungsgericht des Saarlandes 1. Kammer
Saarland
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03.09.2019
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Randnummer 1 Der Kläger betreibt einen landwirtschaftlichen Betrieb. Randnummer 2 Mit Sammelantrag für das Antragsjahr 2017 beantragte der Kläger beim Beklagten Direktzahlungen sowie Zahlungen für flächen- und tierbezogene Maßnahmen zur Förderung der ländlichen Entwicklung. Randnummer 3 Am 26.01.2017 ging beim Beklagten eine telefonische Mitteilung ein, wonach der Betrieb des Klägers Gülle auf Ackerflächen im Ortsteil D, S, ausbringe bzw. ausbringen lasse. Der Deutsche Wetterdienst erfasste an der Wetterstation N an diesem Tag – dem 26.01.2017 – keine Bodenauftauschicht bei einer gleichzeitigen Frosteindringtiefe von 23 cm sowie als Prognose für die beiden Folgetage wiederum keine Bodenauftauschicht bei einer gleichzeitigen Frosteindringtiefe von 24 cm. 1 In der Tabelle zu den Stationsdaten „Bodenfrost“ für die Wetterstation vom 26.01.2017 hat der Deutsche Wetterdienst in der Kategorie bewachsener Boden folgende Werte erfasst: „Auftauschicht in cm/Frosteindringtiefe in cm“ am 26.01.2017 „ - / 23“, am 27.01.2017 „ - /24“ und am 28.01.2017 „ - / 24“. In der Tabelle zu den Stationsdaten „Bodenfrost“ für die Wetterstation vom 26.01.2017 hat der Deutsche Wetterdienst in der Kategorie bewachsener Boden folgende Werte erfasst: „Auftauschicht in cm/Frosteindringtiefe in cm“ am 26.01.2017 „ - / 23“, am 27.01.2017 „ - /24“ und am 28.01.2017 „ - / 24“. Randnummer 4 Am 27.01.2017 führte der Technische Prüfdienst des Beklagten auf den landwirtschaftlichen Flächen des Klägers eine Vor-Ort-Kontrolle durch. Randnummer 5 In dem Protokoll über die Feststellungen der Vor-Ort-Kontrolle vom 27.01.2017 zu „GAB 1: Nitratrichtlinie“ stuften die Kontrolleure das Ausbringen der Düngemittel als mittleren Verstoß gegen die Vorgaben zum „Ausbringen N-haltiger Düngemittel, Bodenhilfsstoffe, Kultursubstrate und Pflanzenhilfsmittel auf nicht aufnahmefähigem Boden (GAB 1 PK 13)“ sowie als mittleren Verstoß gegen die Vorgaben zum „Ausbringen innerhalb der Sperrfrist (GAB 1 PK 16)“ ein. In dem „Kontrollbericht 2017 über die Vor-Ort-Kontrollen zu Cross-Compliance“ empfahl die Prüfperson den Vorgang vom 26.01.2017 als mittelschweren fahrlässigen Verstoß gegen die Grundanforderungen an die Betriebsführung (GAB 1 – Nitrat) zu bewerten und vermerkte: Randnummer 6 „ Der Antragsteller bestreitet den Verstoß und behauptet, dass es sich bei der Ausbringung um die Schwimmschicht im Gülle-Silo gehandelt habe. Das Material sei mit Festmist gleichzusetzen und sei mit dem Miststreuer ausgebracht worden. Die bei der Kontrolle vorgefundenen Bilder der Flächen lassen teilweise deutlich auf eine Ausbringung flüssiger Wirtschaftsdünger mit dem Güllefass schließen. Dies schließt eine Ausbringung der Schwimmschicht mit dem Miststreuer nicht aus. Nach Überzeugung der Kontrolleure wurde aber auch flüssiges Material mit dem Güllefass ausgebracht .“ Randnummer 7 Mit Schreiben vom 09.02.2017 – versehentlich datiert auf den 09.02.2016 – forderte der Beklagte den Kläger zwecks Bearbeitung der im Rahmen der Kontrolle am 27.01.2017 festgestellten Ausbringung von Gärresten auf, bis zum 23.02.2017 Belege zur Gärsubstrataufnahme 2016, zur Gärrestabgabe 2016, zum Lagervolumen Güllesilo und zum Lagervolumen sonstiger Lagerstätten inkl. Zu- und Ableitung sowie bis zum 05.04.2017 die Nährstoffbilanz 2016 einzureichen. Randnummer 8 Mit Schreiben vom 10.02.2017 teilte der Beklagte dem Kläger unter gleichzeitiger Übersendung des Kontrollberichtes zu der Vor-Ort-Kontrolle mit, dass bei der Kontrolle seines landwirtschaftlichen Betriebs am 27.02.2017 – gemeint war der 27.01.2017 – ein Verstoß gegen die Richtlinie 91/676/EWG zum Schutz der Gewässer vor Verunreinigungen durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen i.V. mit der Düngeverordnung und der JGS-Anlagen-VO festgestellt worden sei. Randnummer 9 Mit Schreiben vom 21.02.2017 bestellten sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers. Auf Antrag verlängerte der Beklagte die Frist zur Vorlage der angeforderten Unterlagen bis zum 27.03.2017; der weitere Vorlagetermin bezüglich der Nährstoffbilanz 2016 – der 05.04.2017 – blieb hiervon unberührt. Randnummer 10 Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 28.03.2017 teilte der Kläger dem Beklagten mit, dass die gegen ihn erhobenen Vorwürfe unzutreffend seien und er die ihm angelasteten Verstöße nicht begangen habe. Am 26.01.2017 habe er lediglich eine abgesetzte Schwimmdecke mit Feststoffanteilen von über 25 Prozent aufbringen lassen; hierbei handle es sich nicht um Gülle, sondern um Festmist. Dies sei ihm durch ein Fachbüro bestätigt worden. Zudem sei es nicht zu einem Ausbringen nitrathaltiger Düngemittel auf nichtaufnahmefähigem Boden gekommen. Der Ackerboden sei zu dieser Zeit weder tiefgefroren noch mit 4 cm hohem Schnee bedeckt gewesen, sodass das Aufbringungsverbot des § 3 Abs. 5 der Düngeverordnung nicht gegriffen habe. Aus diesem Grund bestehe auch keine Pflicht zur Vorlage der angeforderten Unterlagen. Randnummer 11 Mit Schreiben vom 03.04.2017 teilte der Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass sowohl das Auftragen von Gülle als auch das Auftragen von festmistähnlichem Wirtschaftsdünger einen Verstoß gegen § 3 Abs. 5 der Düngeverordnung – wonach das Aufbringen von Düngemitteln mit wesentlichen Nährstoffgehalten an Stickstoff oder Phosphat nicht erfolgen dürfe, wenn der Boden überschwemmt, wassergesättigt, gefroren oder durchgängig höher als 5 cm mit Schnee bedeckt sei – darstelle. Vorliegend sei anhand der Wetterdaten des Deutschen Wetterdienstes zu erkennen, dass der Boden am 26.01.2017 gefroren gewesen sei, so dass der Boden im Verlauf des Tages nicht oberflächlich habe auftauen können und damit eine Ausbringung, auch von festen Wirtschaftsdüngern, verboten gewesen sei. Inwieweit die Schwimmschicht auf Gülle als Festmist zu bewerten sei, bliebe der Antwort einer zwischenzeitlich an das Bundesministerium für Landwirtschaft gestellten Anfrage zu entnehmen. Aus den Grundanforderungen an die Betriebsführung folge jedenfalls, dass bestimmte Anforderungen an die Lagerung und an die Lagerkapazität sowie an die Anfertigung eines jährlichen Nährstoffvergleiches zu stellen seien, sodass in diesem Zusammenhang Unterlagen einzureichen seien. Unter Bezugnahme auf die nach § 31 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 6 InVeKoSV und Art. 59 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 bestehenden Mitwirkungspflichten des Klägers werde darauf hingewiesen, dass ein Beihilfe- oder Zahlungsantrag abgelehnt werde, wenn der Begünstigte oder sein Vertreter die Durchführung einer Vor-Ort-Kontrolle verhindere. Randnummer 12 Mit Schreiben vom 22.05.2017 ließ der Kläger über seine Prozessbevollmächtigten mitteilen, dass ihm keine Verstöße anzulasten seien, so dass die angekündigten Beanstandungen und Kürzungen betreffend die Agrarförderung 2017 einer Grundlage entbehrten. Randnummer 13 Mit Schreiben vom 14.06.2017 teilte der Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass der Kläger bislang keine Nährstoffbilanz vorgelegt habe, sodass ein Verstoß gegen § 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 1 der Düngeverordnung vorliege. In dem beigefügten Kontrollbericht ist vermerkt, dass dem Kläger für die Vorlage der Nährstoffbilanz nochmals eine Frist bis zum 09.06.2017 eingeräumt werde; bei Nichtvorlage der Nährstoffbilanz werde der Verstoß als Vorsatz gewertet und mit einer Kürzung von 20 Prozent sanktioniert. Im Übrigen wurde der Kläger erneut aufgefordert, die im Schreiben vom 09.02.2017 angeforderten Unterlagen bis zum 23.06.2017 vorzulegen und darauf hingewiesen, dass die Nichtvorlage zu einer weiteren Kürzung führen könne. Randnummer 14 Per E-Mail vom 22.06.2017 übersandte der Kläger an den Beklagten die Nährstoffbilanz 2016. Randnummer 15 Mit Schreiben vom 12.12.2017 teilte der Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers sodann mit, dass er der Aufforderung zur Einreichung der mit Schreiben vom 09.02.2017 angeforderten Unterlagen lediglich teilweise nachgekommen sei, so dass es nicht möglich gewesen sei, die Kontrolle zur GAB 1 Nitratrichtlinie abschließend zu bearbeiten. Da damit ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht sowie eine vorsätzliche Behinderung bei der Durchführung der Kontrolle vorliege, führe dies zu einer Kürzung der Agrarförderung. Die Höhe der Kürzung werde auf 15 Prozent festgelegt, dem geringsten Kürzungssatz bei Vorsatz, und betreffe alle Beihilfe- oder Zahlungsanträge. Insoweit werde auf den beigefügten Kontrollbericht verwiesen. Randnummer 16 Mit vorläufigem Bescheid vom 15.12.2017 bewilligte der Beklagte dem Kläger eine Ausgleichszulage für das Antragsjahr 2017 (sog. Zahlung für aus naturbedingten oder anderen spezifischen Gründen benachteiligte Gebiete) und gewährte ihm eine Abschlagszahlung in Höhe von 5.551,97 Euro, wobei der vorläufig ermittelte Gesamtbetrag in Höhe von 6.531,73 Euro wegen eines Cross-Compliance-Verstoßes um 15 Prozent verringert wurde. Randnummer 17 Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22.12.2017 verwies der Kläger nochmals darauf, dass ihm weder Verstöße anzulasten seien, noch eine Vernachlässigung seiner Mitwirkungspflichten vorliege, sodass die Kürzung aufzuheben sei. Randnummer 18 Mit Schreiben vom 15.01.2018 teilte der Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass das Kontrollteam des Technischen Prüfdienstes anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle am 27.01.2017 einen sehr vollen Güllebehälter mit beachtlicher Schwimmdecke festgestellt und Spuren der Ausbringung von Gülle fotografisch dokumentiert habe. Obwohl auf den Ackerflächen eine typische Güllefassspur festgestellt worden sei, habe der Kläger den Anlass der Kontrolle nicht akzeptiert und sich ferner geweigert, weitere Unterlagen vorzuweisen; in der Folge sei nur einen Teil der angeforderten Unterlagen eingereicht worden. Diese Vorenthaltung der Angaben zur Gärrestabgabe und -aufnahme, welche zur Überprüfung der Richtigkeit des Nährstoffsvergleichs notwendig gewesen seien, sei letztlich als Vorsatz zu werten und der Betrieb somit mit einer Cross-Compliance-Kürzung von 15 Prozent zu belegen. Randnummer 19 Mit Schreiben vom 23.01.2018 trat der Kläger diesen Feststellungen nochmals entgegen. Randnummer 20 Mit Schluss-Bescheid vom 11.04.2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger für das Antragsjahr 2017 eine Ausgleichszulage in Höhe von 5.977,40 Euro, wobei der ermittelte Gesamtbetrag in Höhe von 7.032,23 Euro wegen eines Cross-Compliance-Verstoßes um 15 Prozent (1.054,83 Euro) verringert worden war. Danach ergab sich bei Anrechnung der bereits erfolgten Auszahlung in Höhe von 5.551,97 Euro ein restlicher Auszahlungsbetrag in Höhe von 425,43 Euro. Randnummer 21 Der Kläger hat am 08.05.2018 Klage vor dem Verwaltungsgericht des Saarlandes erhoben und seinen Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren vertieft. Er habe die ihm angelasteten Verstöße nicht begangen. Bei dem streitgegenständlichen Material habe es sich um Festmist und nicht um Gülle gehandelt, weil der Trockensubstanzgehalt der Schwimmschicht bei 25 Prozent gelegen habe. Zudem habe der Beklagte nicht ohne weitere Feststellungen davon ausgehen dürfen, dass der Boden gefroren gewesen sei. Die benannte Wetterstation sei einige Kilometer von seinen Ackerflächen entfernt, wobei sich die örtlichen Gegebenheiten regelmäßig erheblich unterscheiden könnten. Der gedüngte Boden sei zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht gefroren gewesen. Aus diesem Grund habe auch kein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht festgestellt werden dürfen, so dass sich die vorgenommene Kürzung insgesamt als nicht gerechtfertigt erweise. Randnummer 22 Der Kläger beantragt, Randnummer 23 den Beklagten unter Aufhebung des Schlussbescheides über die Gewährung einer Zuwendung vom 11.04.2018 zu verpflichten, die begehrte Zuwendung in vollem Umfang zu gewähren. Randnummer 24 Der Beklagte beantragt, Randnummer 25 die Klage abzuweisen. Randnummer 26 Der Kläger habe gegen Cross-Compliance-Vorschriften verstoßen. Er habe am 26.01.2017 Gülle auf gefrorenem Boden aufbringen lassen. Da man das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Durchführung der Vor-Ort-Kontrolle und der Nachbearbeitung nicht als gänzliche Verhinderung gewertet habe, sei von einer Ablehnung der Förderantrags abgesehen worden. Hinsichtlich der Verletzung der Mitwirkungspflicht sei jedoch von einem vorsätzlichen Handeln auszugehen. Nach Art. 40 Abs. 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 sei der Gesamtbetrag der jährlichen Zahlungen und jährlichen Prämien bei einem vom Begünstigten vorsätzlich begangenem Verstoß in der Regel um 20 Prozent zu kürzen. Nach Art. 40 Abs. 2 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014 könne die Zahlstelle jedoch beschließen, den genannten Prozentsatz auf nicht weniger als 15 Prozent des genannten Gesamtbetrags zu verringern. Im Fall des Klägers sei der nach der Verordnungslage bei vorsätzlichen Verstößen geringstmögliche Kürzungssatz von 15 Prozent zur Anwendung gebracht worden, sodass die Bescheide vom 15.12.2017 sowie vom 11.04.2018 rechtmäßig seien. Randnummer 27 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 17. Berufungskammer
Hessen
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04.02.2019
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Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug noch über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer vorsorglich ausgesprochenen Änderungskündigung. Die zum Zeitpunkt der Klageerhebung 33-jährige, verheiratete, kinderlose und in Kiel wohnende Klägerin ist bei der Beklagten in Teilzeit (ca. 70 Prozent der Vollarbeitszeit) als Flugbegleiterin beschäftigt. Der hiermit in Bezug genommene Arbeitsvertrag der Parteien vom 10. August 2001 (Bl. 67 f. d.A.) lautet auszugsweise: „... 1. Beginn, Art und Ort der Beschäftigung (1) Frau A wird ab dem 12.09.2001 als Flugbegleiterin im Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent in Hamburg beschäftigt. Der Einsatzort Hamburg umfasst einen Einsatz von und zu allen Flughäfen der Region … (2) Lufthansa kann Frau A an einem anderen Ort sowie vorübergehend bei einem anderen Unternehmen einsetzen. 2. Rechte und Pflichten Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent geltenden Tarifverträgen, den Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung sowie aus den für den Bereich Kabinenbesatzungen Kontinent gültigen Dienstvorschriften und Anweisungen und aus den Bestimmungen dieses Vertrages. ...“ Die Klägerin ist vom Stationierungsort Hamburg aus eingesetzt worden. Im Betrieb der Beklagten besteht eine Personalvertretung auf Grundlage des nach § 117 Abs. 2 BetrVG geschlossenen Tarifvertrags Personalvertretung vom 15. November 1972 (TV PV). Am 8. Mai 2013 schloss die Beklagte mit der Gesamtvertretung für das fliegende Personal einen Interessenausgleich und Sozialplan (IA/SP, Bl. 12 - 24 d.A.) ua. über die Schließung der dezentralen Stationierungsorte Berlin und Hamburg. In dessen Abschnitt Sozialplan heißt es ua.: „§ 8 Abmilderung der Folgen Alle Mitarbeiter können zur Abmilderung der Folgen der Betriebsänderung zwischen nachfolgend beschriebenen Alternativen a) bis e) wählen, Mitarbeiter mit Stationierungsort Düsseldorf darüber hinaus Alternative f): a) Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen Abfindung b) Direkter Einsatz aus FRA oder MUC c) Arbeitnehmerüberlassung (inklusive der Möglichkeit Arbeitgeberwechsel im Zeitraum der ANÜ) gemäß Tarifvereinbarung in Ergänzung zur Schlichtungsschlussempfehlung vom 14.10.2012 und dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsempfehlung vom 12.11.2012 d) Sofortiger Arbeitgeberwechsel zur B gemäß dem Änderungs- und Ergänzungstarifvertrag vom 12.04.2013 zum Tarifvertrag zur Umsetzung der Schlichtungsschlussempfehlung vom 12.11.2012 e) Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell) f) Verbleib am bisherigen Stationierungsort Düsseldorf in einer Gemischtgruppe Mit diesen Angeboten sind alle Ansprüche aus der Betriebsänderung abgegolten. Individualrechte der Mitarbeiter bleiben unberührt. … e) Befristeter Verbleib am bisherigen Standort (virtuell) Zur Abmilderung der Folgen des Wechsels des Stationierungsortes nach Frankfurt oder München haben die Mitarbeiter auch die Möglichkeit, befristet für maximal zwei Jahre, zuzüglich der Zeit bis zum nächsten Flugplanwechsel, an ihrem bisherigen Stationierungsort zu verbleiben. Der Einsatz wird vom jeweiligen virtuellen Stationierungsort deadhead über den gewählten Stationierungsort FRA oder MUC im Gemischtbereich erfolgen. Einsatzpläne und Einsatzänderungen werden verbindlich in elektronischer Form übermittelt. Laufzeitbeginn der zweijährigen Verweildauer ist der Zeitpunkt des Übergangs des letzten Flugzeugs ins AOC der B. Bei Wahl des befristeten Verbleibs am bisherigen Stationierungsort (virtuell) für zwei Jahre erhält der Mitarbeiter nach Ablauf der virtuellen Stationierung 25 % der Auslagenpauschale sowie 60 % des Zuschlags zur Auslagenpauschale. …“ Im Rahmen einer Mitarbeiterbefragung entschied sich die Klägerin eine Stationierungsort in Frankfurt am Main und teilte durch ihre Bevollmächtigte mit Schreiben vom 2. Juli 2013 (Bl. 35 d.A.) mit, sie behalte sich die arbeitsrechtliche Überprüfung der Maßnahme vor. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2013 (Bl. 11 d.A.) versetzte die Beklagte die Klägerin zum 1. Mai 2014 von Hamburg nach Frankfurt am Main. Die Zubringerflüge von Hamburg nach Frankfurt am Main und München werden nach dem Ausspruch der Versetzung weiterhin durch die Beklagte durchgeführt. Nachdem die Klägerin gegen die Versetzung Klage erhoben hatte, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 26. März 2014 das Arbeitsverhältnis der Parteien vorsorglich ordentlich und bot gleichzeitig die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Bedingungen mit dem Einsatz/Stationierungsort Frankfurt am Main an. Dieses Änderungsangebot nahm die Klägerin unter Vorbehalt an. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, Versetzung und Änderungskündigung seien unwirksam. Bei der Versetzung habe die Beklagte die Interessen der Klägerin an der Beibehaltung des Stationierungsorts nicht ausreichend berücksichtigt. Zudem sei die Personalvertretung nicht ordnungsgemäß angehört worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 198 - 203 d.A.) Bezug genommen. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat durch am 9. September 2014 verkündetes Urteil, 5 Ca 498/14, unter Klageabweisung im Übrigen die Unwirksamkeit sowohl der Versetzung vom 20. Dezember 2013 als auch der Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 26. März 2014 festgestellt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Versetzung entspräche nicht billigem Ermessen. Die Beklagte habe nicht dargelegt, eine ordnungsgemäße Abwägung der wechselseitigen Interessen durchgeführt zu haben. Angesichts eines noch mehrere hundert Flüge monatlich umfassenden Flugvolumens in Hamburg erscheine es nicht nachvollziehbar, gegenüber sämtlichen dort beschäftigen Arbeitnehmern ohne Ausnahme und ohne Rücksicht auf die jeweiligen sozialen Verhältnisse eine Versetzung anzuordnen. Hinzu komme, dass die Beklagte sich selbst in der Lage gesehen habe, sämtlichen betroffenen Arbeitnehmern für zwei Jahre den virtuellen Verbleib am bisherigen Stationierungsort anzubieten. Aus denselben Gründen sei die Änderungskündigung unverhältnismäßig. Zudem sei die Änderungskündigung zu weitgehend, da das Änderungsangebot eine im bisherigen Vertrag nicht enthaltene doppelte Schriftformklausel enthalte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 170 RS - 173 RS d.A.) verwiesen. Dieses Urteil ist der Klägerin am 10. November 2014 und der Beklagten am 7. November 2014 zugestellt worden. Die Beklagte hat hiergegen am 27. November 2014 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund am 12. Dezember 2014 eingegangenen Antrags erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 9. März 2015 am 9. März 2015 begründet. Die Klägerin hat am 10. Dezember 2014 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund am 23. Dezember 2014 eingegangenen Schriftsatzes erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 10. März 2015 am 10. März 2015 begründet. Die Kammer hat mit Urteil vom 7. März 2016, 17 Sa 1601/14 (Bl. 468 - 488 d.A.), sowohl die Berufung der Klägerin als auch die der Beklagten zurückgewiesen. Sie hat die Zurückweisung der Berufung der Beklagten im Wesentlichen damit begründet, im Zeitpunkt der Versetzung habe weder ein die Versetzung rechtfertigendes Interesse bestanden, ab 1. Mai 2014 Dead-Head-Kosten einzusparen, noch habe eine unternehmerische Entscheidung bestanden, bereits ab 1. Mai 2014 kein Kabinenpersonal mit Stationierungsort Hamburg mehr zu beschäftigen. Dies zeige die den Arbeitnehmern für weitere zwei Jahre angebotene „virtuelle“ Stationierung. Auf die zugelassene Revision der Beklagten hin hat das Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 24. Mai 2017, 10 AZR 421/16 (Bl. 506 - 512 RS d.A.), das Urteil der Kammer vom 7. März 2016 - erkennbar nur soweit die Berufung der Beklagten zurückgewiesen wurde - aufgehoben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Wegen des Vortrags der Parteien im Berufungsrechtszug bis zur Zurückverweisung wird auf den Tatbestand des Urteils der Kammer vom 7. März 2016 (Bl. 469 - 474 RS d.A.) verwiesen. Die Beklagte vertieft ihren Vortrag zur Beteiligung der Personalvertretung zur Versetzung. Sie habe mit Schreiben vom 12. Dezember 2013 (Anlagenkonvolut BK 10 im Anlagenband) sowohl die Gruppenvertretung der Purseretten/Purser als auch die Gruppenvertretung der Stewardessen/Stewards gemäß § 88 TV PV um Zustimmung zur Versetzung der in der dem Schreiben beigefügten Liste aufgeführten Mitarbeiter - darunter die Klägerin - ersucht. Sowohl die Gruppenvertretung der Purseretten/Purser als auch die Gruppenvertretung der Stewardessen/Stewards hätten - dies ist unstreitig - am 16. Dezember 2013 durch Rückgabe des mit einem Zustimmungsvermerk versehenen Schreibens die Zustimmung erteilt. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründung vom 6. März 2015 (Bl. 231 - 249 d.A.) und die Schriftsätze vom 16. April 2015 (Bl. 293 f. d.A.), 29. Mai 2015 (Bl. 298 - 304 d.A.), 16. Oktober 2015 (Bl. 353 - 369 d.A.), 26. Februar 2016 (Bl. 451 - 463 d.A.), 15. Oktober 2018 (Bl. 525 - 529 d.A.) und 7. Januar 2019 (Bl. 570 - 575 d.A.) verwiesen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2014, 5 Ca 498/14, abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen. Die Klägerin beantragt zuletzt noch, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihrer Argumentation zur Ausübungskontrolle und zur Beteiligung der Personalvertretung. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrags in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze vom 10. März 2015 (Bl. 261 - 279 d.A.), 15. Juni 2015 (Bl. 316 - 351 d.A.), 16. Oktober 2015 (Bl. 372 - 377 d.A.), 24. Februar 2016 (Bl. 404 - 418 d.A.), 8. November 2018 (Bl. 532 - 536 d.A.) und 23. November 2019 (Bl. 581 - 583 d.A.) verwiesen. Im Verhandlungstermin vom 4. Februar 2019 hat die Klägerin im Hinblick auf die Revisionsentscheidung des BAG vom 24. Mai 2017 (dort Rn. 37) klargestellt, ihr Änderungsschutzantrag sei unter der auflösenden Bedingung gestellt worden, dass es für die Versetzung einer Änderung der Vertragsbedingungen nicht bedarf. Ferner hat die Kammer im vorgenannten Verhandlungstermin aufgrund des Beweisbeschlusses vom 4. Februar 2019 (sh. Sitzungsprotokoll) die Zeugin C uneidlich vernommen.
1. Auf die Berufung der Beklagten wird festgestellt, dass das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2014, 5 Ca 498/14, insoweit gegenstandslos ist, als das Arbeitsgericht der Änderungsschutzklage stattgegeben hat. 2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. September 2014, 5 Ca 498/14, hinsichtlich der Entscheidung über den Klageantrag auf Feststellung der Unwirksamkeit der Versetzung abgeändert und Klage insoweit abgewiesen. 3. Die Kosten des Rechtsstreits - einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens - hat die Klägerin zu tragen. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.
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AG Wiesbaden
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15.11.2013
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Randnummer 1 Die Kläger sind Mieter der Beklagten. Mietsache ist die 3-Zimmer-Wohnung nebst Küche, 2 Bädern, Diele und Balkon im 2.OG links in der B-Straße in Wiesbaden. Randnummer 2 Die Beklagte ließ am 11.11.2010 durch die Streithelferin eine Betriebskostenabrechnung für das Jahr 2009 erstellen, die mit einem Guthaben der Kläger in Höhe von 739,39 € abschloss. Insoweit wird auf Bl. 53 – 57 der Akte verwiesen. Mit Schreiben vom 13.12.2010 (Bl. 58 – 60 der Akte) wurde die Betriebskostenabrechnung dahingehend geändert, dass sich das Guthaben der Kläger auf 743,60 € erhöhte. Randnummer 3 Die Kläger erhoben, vertreten durch den Mieterschutzverein, Einwände gegen die Betriebskostenabrechnung und forderten die Beklagtenseite zur Auskunft auf. Die Beklagtenseite übersandte teilweise Dokumente. Randnummer 4 Die Streithelferin hält die der Betriebskostenabrechnung zu Grunde liegenden Belege in ihrem Büro in der F-Straße in Wiesbaden zur Einsicht bereit. Mit Ausnahme der übersandten Belege nahmen die Kläger keine Belegeinsicht. Randnummer 5 Die Kläger vertreten die Auffassung, dass eine Belegeinsicht nicht ausreichend sei, um die Betriebskostenabrechnung zu prüfen. Randnummer 6 Die Kläger haben ursprünglich beantragt, die Beklagte zu verurteilen über folgende Fragen zur klägerseits erteilten Betriebskostenabrechnung für den Abrechungszeitraum 01.01. bis 31.12.2009 vom 13.12.2010 bzgl. des mit den Beklagten bestehenden Mietverhältnisses über die 3-Zimmer-Wohnung nebst Küche, 2 Bädern, Diele und Balkon im 2.OG links des Anwesens B-Straße Wiesbaden Auskunft zu erteilen: 1) Wie wurden die jährliche Gesamtkosten von 24.294,68 € für die Position Grundsteuer der Wohneinheiten für die gebildete Abrechnungseinheit … mit insgesamt 5.858,91 m² ermittelt? 2) Über welchen Zähler läuft der Stromverbrauch für die Außenbeleuchtung? Laufen über diesen Zähler auch andere Stromverbräuche, wenn ja … - für welche Hausanlagen, - für welche Gebäude der in Ziffer 1) genannten Abrechnungseinheit und - wie wurden in diesem Fall die jährlichen Gesamtkosten von 800,00 € für die Position Strom Außenbeleuchtung ermittelt? 3) Zur Position Hausreinigung / Hauswart: Wer führte in dem Zeitraum 01.01. – 30.06.2009 zu welchen vertraglichen Konditionen und zu welchem vertraglichen Tätigkeitskatalog die Hausreinigung und Hauswarttätigkeit aus? Im Einzelnen zu dem Vertrag mit dem Hauswartservice D vom 21.04.2009 zugrunde liegenden Leistungsverzeichnis: - Welche konkreten Tätigkeiten unterliegen der Kontrolle der Aufzugsanlage? - Welche Abwasserentsorgungsanlage existiert im Haus, wo befindet sie sich und welche Art der Überprüfung ist an dieser wöchentlich durchzuführen? - Welche konkreten Tätigkeiten unterliegen der Bedienung und der Überwachung des Müllaufzuges? - Welche konkreten Tätigkeiten unterliegen der regelmäßigen Überprüfung der Zentralheizung, wo befindet sich die Zentralheizung im Objekt und in welchen zeitlichen Abständen erfolgen Überprüfungen? - Welche konkreten Tätigkeiten unterliegen der Überprüfung sämtlicher sanitärer Vorrichtungen in den Gemeinschaftsflächen, um welche konkreten sanitären Vorrichtungen handelt es sich und wo/ in welchen Gemeinschaftsflächen befinden sich diese? - Wo in den Allgemeinflächen befinden sich Heizkörper, worauf müssen diese überprüft werden? - Welche Pumpen sind wo vorhanden, die zu prüfen und ggf. turnusmäßig auszuschalten sind? Welcher Arbeitsaufwand ist erforderlich und wurde im Rahmen der vereinbarten Vergütung gem. Hausmeistervertrag kalkuliert. 4) In welcher Höhe sind in den Positionen Niederschlagswasser, Bürgersteigreinigung, Gartenpflege, Strom Außenbeleuchtung, Versicherung, Hausreinigung/ Hauswart sowie Grundsteuer Kostenanteile enthalten, die ausschließlich auf die Tiefgarage entfallen, d.h. … - auf welche befestigte Fläche (wie viel m²?) wurden die Niederschlagswasserkosten berechnet, wo befindet sich diese Fläche (zB. Hoffläche, Tiefgaragenzufahrt oder überdachte Fläche der Tiefgarage?) und aus welchen Rechnungen ergibt sich dies? , - für welche Flächen sind die Kosten der Bürgersteigreinigung konkret angefallen und aus welchen Rechnungen ergibt sich dies? - welche Tätigkeiten für welche Flächen genau wurden im Rahmen der Kosten der Gartenpflege in Rechnung gestellt und aus welchen Rechnungen ergibt sich dies? - über welchen Stromzähler läuft die Stromversorgung (Licht, Garagentor, Lüftung etc.) der Tiefgarage und wie hoch war der auf die Tiefgarage entfallende Stromverbrauch in der Abrechnungsperiode 01.01.- 31.12.2009? - in welcher Höhe wurden die Kosten für die Bewirtschaftung der Tiefgarage (die Gegenstand des dem Vertrag vom 21.04.2009 zugrunde liegenden Leistungsverzeichnisses ist) im Rahmen der vereinbarten Hausmeistervergütung kalkuliert und auf Basis welchen Arbeitsaufwandes für diese Tätigkeit im Einzelnen? - für welche Flächen sind die Kosten der Sach- und Haftpflichtversicherung konkret angefallen und aus welchen Rechnungen ergibt sich dies? - in welcher Höhe wurden die Kosten für Strom, Lüftung und Wartung der Tiefgarage direkt zugeordnet und aus welchen Rechnungen ergibt sich der gesonderte Anfall dieser Kosten, also die direkte Zurechenbarkeit? Randnummer 7 Die Kläger erweitern die Klage und beantragen nunmehr zusätzlich zu dem bereits gestellten Antrag, 5) die Beklagte wird verurteilt über folgenden Fragen zur klägerseits erteilten Betriebskostenabrechnung für den Abrechnungszeitraum 01.01. bis 31.12.2011 vom 17.12.2012 Auskunft zu erteilen: a) In welcher Art und Weise und in welcher Größenordnung haben die Garagen in der Verteilung zu den Kostenpositionen Kanal/Regenwasser, Müllabfuhr, Grundsteuer, Versicherungen, Strom Außenbeleuchtung, Hausmeister Winterdienst, Pflege Außenanlage Berücksichtigung gefunden? b) Überlassung eines Leistungskataloges bezüglich der Kosten Hausmeister/-reinigung. Randnummer 8 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass die Kläger sämtliche Auskünfte aus den Abrechnungsunterlagen im Wege der Belegeinsicht erhalten können. Mit Schriftsatz vom 03.12.2012 (Bl.121 der Akte) hat die Beklagte der Streithelferin den Streit verkündet. Die Streithelferin ist dem Verfahren mit Schriftsatz vom 13.12.2012 (Bl. 126 der Akte) beigetreten. Randnummer 10 Im Weiteren wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention jeweils zu 50 %. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerseite darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagtenseite oder die Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 10. Kammer
Hessen
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12.02.2016
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Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Vergütungsansprüchen im beendeten Arbeitsverhältnis. Die Beklagte ist ein international tätiges Unternehmen der Solarbranche. Der Kläger war zunächst aufgrund des Arbeitsvertrags vom 8. April 2004 ab dem 13. April 2004 als Elektroninstallateur angestellt. Ab dem 1. September 2009 wurde er aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 26. August 2009 als technischer Angestellter und stellvertretender Montageleiter beschäftigt. Das monatliche Bruttoentgelt betrug zunächst 2.300 Euro. Zum 1. Januar 2011 wurde das Monatsgehalt auf 2.400 Euro, zum 1. April 2011 auf 2.500 Euro und zum 1. Mai 2014 auf 2.750 Euro angehoben. Seit dem 1. Februar 2014 wurde der Kläger als Montageleiter auf der Grundlage des Nachtrags zum Arbeitsvertrag vom 26. Mai 2014 bei einem Bruttoentgelt in Höhe von 3.000 Euro beschäftigt. In dem Arbeitsvertrag vom 26. August 2009 (Bl. 167 - 169 der Akte) war u.a. Folgendes geregelt: "... c. In der Regel wird ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld, und ein 14. Monatsgehalt als Mitarbeitererfolgsprämie gezahlt. Aus rechtlichen Gründen möchten wir darauf hinweisen, dass diese Zahlungen freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung sind, deren Gewährung einen Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet. Ist das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung gekündigt oder aus sonstigen Gründen beendet - beispielsweise durch Aufhebungsvertrag u.ä. - so entfällt die Gewährung der Gratifikationen...". Die Auszahlung des Weihnachtsgelds und der erfolgsabhängigen Vergütung war in den Kalenderjahren 2003 bis 2010 mit einem Begleitschreiben der Beklagten versehen. Darin brachte sie zum Ausdruck, dass die Auszahlung der Leistung eine freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung sei, deren Gewährung einen Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründe. Wegen der Einzelheiten dieser Begleitschreiben wird verwiesen auf Bl. 172 - 180 der Akte. Eine entsprechende Formulierung findet sich auch bzgl. der Mitarbeitererfolgsprämie unter Ziff. 26 einer "Mitarbeiter Info" (vgl. Bl. 188 der Akte) und bezüglich des Weihnachtsgeldes unter Ziff. 48 (Bl. 191 der Akte). Im Jahr 2011 zahlte die Beklagte als 13. Montagsgehalt 2.475 Euro und als 14. Montagsgehalt 2.035 Euro an den Kläger aus. In den Jahren 2012 und 2013 erfolgten keine Zahlungen eines Weihnachtsgelds und einer Mitarbeitererfolgsprämie. Zwischen der Unternehmensleitung und einzelnen Mitarbeitern entstand Streit über die Zahlung des 13. und 14. Monatsgehalts. Diesbezüglich waren beim Arbeitsgericht Fulda Arbeitsgerichtsprozesse anhängig. Der Umgang mit dem 13. und 14. Monatsgehalt war auch Gegenstand einer Erläuterung auf der Weihnachtsfeier am 14. Dezember 2013. Unter dem 28. April 2014 vereinbarten die Parteien die Änderung ihres Arbeitsvertrags. In dieser Zusatzvereinbarung heißt es wie folgt: " Präambel : Die A möchte zur besseren Planbarkeit sowohl für das Unternehmen als auch für den Arbeitnehmer sowie zur Vermeidung eventueller Enttäuschungen beim Arbeitnehmer bei betriebsnotwendiger Geltendmachung des Freiwilligkeitsvorbehalts die Zahlung der bisherigen freiwilligen jährlichen Einmalzahlung (Weihnachtsgeld sowie Mitarbeitererfolgsprämie) umstellen, indem das aktuelle Gehalt mit Wirkung ab 01.01.2014 um 10 % erhöht wird. Die Parteien vereinbaren daher Folgendes: Die monatliche Vergütung von derzeit 2.500 EUR (zzgl. 26,59 Euro vermögenswirksamer Leistungen) wird zum 01.01.2014 um 250,00 EUR auf 2.750 EUR brutto (zzgl. 26,59 vermögenswirksamer Leistungen) erhöht. Die im folgenden Wortlaut noch einmal wiedergegebene alte Vereinbarung wird mit sofortiger Wirkung ersatzlos gestrichen: "In der Regel wird ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld, und ein 14. Monatsgehalt als Mitarbeitererfolgsprämie gezahlt. Aus rechtlichen Gründen möchten wir darauf hinweisen, dass diese Zahlungen freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung sind, deren Gewährung einen Rechtsanspruch für die Zukunft nicht begründet. Ist das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der Auszahlung gekündigt oder aus sonstigen Gründen beendet - beispielsweise durch Aufhebungsvertrag u.ä. - so entfällt die Gewährung der Gratifikationen". Mit dieser Vereinbarung sind sämtliche Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis auf Zahlung von Weihnachtsgeld und Mitarbeitererfolgsprämie abgegolten und erledigt. Im Übrigen bleiben die bisherigen arbeitsvertraglichen Regelungen der Parteien von den vorstehenden Änderungsvereinbarungen unberührt und weiterhin geltend." Hinsichtlich der sonstigen Einzelheiten der Änderungsvereinbarung wird Bezug genommen auf Bl. 170 bis 171 der Akte. Das Arbeitsverhältnis endete infolge einer Eigenkündigung des Klägers zum 30. September 2014. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 erklärte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Anfechtung der Änderungsvereinbarung vom 28. April 2014. Gleichzeitig machte er das 13. und 14. Monatsgehalt für die Kalenderjahre 2011 bis 2014 geltend. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er könne von der Beklagten 14.877,50 Euro fordern. Dabei handelt es sich um einen Restbetrag in Höhe von 440 Euro für 2011, das volle 13. und 14. Monatsgehalt für 2012 und 2013 und anteilig 4.125 Euro für das Jahr 2014. Die Regelung in Buchst. c des Arbeitsvertrages, nämlich der kombinierte Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalt, sei unwirksam im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Unter Berücksichtigung der Gehaltserhöhungen könne er für den Zeitraum 2011 bis anteilig 2014 den oben genannten Betrag als nachzuzahlendes 13. und 14. Monatsgehalt fordern. Auf die Abgeltungsklausel in der Änderungsvereinbarung vom 28. April 2014 könne sich die Beklagte nicht stützen. Denn aufgrund der wirksamen Anfechtung sei diese unwirksam. Die Beklagte habe dem Kläger bewusst und wahrheitswidrig vorgespiegelt, dass sie nicht zur Zahlung des 13. und 14. Monatsgehalt verpflichtet gewesen sei, obwohl ihr aus anderen Arbeitsgerichtsverfahren das Gegenteil bekannt gewesen sei. Er bestreite, dass er die Gewinn- und Verlustrechnung der Beklagten anlässlich der Weihnachtsfeier präsentiert bekommen habe, er habe früher die Veranstaltung verlassen. Die Abgeltungsklausel in der Änderungsvereinbarung vom 28. April 2014 stelle auch eine unangemessene Benachteiligung i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 14.877,50 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 440,00 Euro brutto seit dem 1. Dezember 2011, aus 5.000,00 Euro brutto seit dem 1. Dezember 2012, aus 5.000,00 Euro brutto seit dem 1. Dezember 2013 und aus 4.437,50 Euro brutto seit dem 1. Dezember 2014 zu zahlen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei nicht zur Zahlung des 13. und 14 Monatsgehaltes verpflichtet. Sie behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe anlässlich der Weihnachtsfeier am 14. Dezember 2013 nahezu allen Mitarbeitern erklärt, die Streitfrage bezüglich dieser Zusatzvergütungen gütlich klären zu wollen. Als Ersatz für die bisherige Regelung sollte eine zehnprozentige Gehaltserhöhung gewährt werden. Anhand der aktuellen Gewinn- und Verlustrechnung seien Kostenreduzierungen zum Erhalt des Unternehmens unabdingbar gewesen. Eine eventuelle Anfechtungsfrist habe bereits ab dem 14. Dezember 2013 zu laufen begonnen. Insoweit sei die Jahresfrist nicht gewahrt gewesen. Den Arbeitnehmern, so auch dem Kläger, seien die laufenden Arbeitsgerichtsprozesse bekannt gewesen. Selbst wenn die Anfechtung wirksam sei, müsse sich der Kläger mindestens die zehnprozentige Gehaltserhöhung anrechnen lassen; insoweit werde hilfsweise die Aufrechnung erklärt. Bei Übergabe der Änderungsverträge sei jedem Mitarbeiter von dem Personalleiter B mitgeteilt worden, dass der Arbeitnehmer für die zehnprozentige Gehaltsanhebung auch rückwirkend auf das 13. und 14. Monatseinkommen verzichte. Die Mitarbeiter hätten durch den Verzicht auch zur wirtschaftlichen Sicherung des Unternehmens beigetragen, im Falle des Klägers müsse zudem Berücksichtigung finden, dass dieser gerade zum Leiter der Montageabteilung befördert worden sei. Das Arbeitsgericht Fulda hat der Klage weit überwiegend, nämlich in Höhe 10.440 Euro, stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Anspruch auf das Weihnachtsgeld und die Mitarbeitererfolgsprämie für die Vergangenheit, nämlich auf den Restbetrag für 2011 und auf die vollen Sondervergütungen bis einschließlich 2013. Hingegen könne er das Weihnachtsgeld und die Mitarbeitererfolgsprämie nicht für das Jahr 2014 geltend machen. Der Widerrufs- bzw. Freiwilligkeitsvorbehalt aus der Regelung in Buchst. c Satz 2 des Arbeitsvertrages halte einer AGB-Kontrolle nicht stand. Die Kombination eines Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalts verstoße gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Damit bleibe lediglich Satz 1 der Regelung übrig, der einen Anspruch auf Zahlung des 13. und 14. Monatsgehalts vorsehe. Auch die Stichtagsregelung nach der Regelung Buchst. c Satz 3 des Arbeitsvertrages sei gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam. Den Ansprüchen für den Zeitraum 2011 bis 2013 stünde auch nicht die Abgeltungsklausel in der Änderungsvereinbarung vom 28. April 2014 entgegen. Die Auslegung dieser Abgeltungsklausel ergäbe bereits, dass der Arbeitnehmer nur auf künftige Ansprüche auf ein 13. und 14. Monatsgehalt ab dem Jahr 2014 verzichtet habe. Zweifel bei der Auslegung von AGB-Klauseln gingen zulasten des Verwenders. Wollte man dies anders sehen, würde sich an dem Ergebnis nichts ändern, da der rückwirkende Verzicht jedenfalls als eine überraschende Klausel im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB anzusehen sei. Hilfsweise sei die Klausel als unangemessen benachteiligend i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB anzusehen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Urteils erster Instanz wird verwiesen auf Bl. 110 bis 130 der Akte. Dieses Urteil ist der Beklagten am 7. Juli 2015 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 13. Juli 2015 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 7. Oktober 2015 ist in die Berufungsbegründung am 7. Oktober 2015 bei Gericht eingegangen. Die Beklagte wendet sich gegen das Urteil erster Instanz und meint, das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass eine Kombination aus Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalts gegen das Transparenzgebot im § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoße. Jedenfalls müssten die Begleitumstände des vorliegenden Falles berücksichtigt werden. Das Arbeitsgericht hätte auch berücksichtigen müssen, dass die Beklagte in diversen Anschreiben in den Jahren 2004 bis 2010 klargestellt habe, dass auch bei wiederholter Zahlung ein Anspruch nicht entstünde. Eine entsprechende Regelung finde sich unter Ziff. 26 und 48 der "Mitarbeiter Info". Dem Kläger sei in Anbetracht aller Umstände bewusst gewesen, dass durch die Zahlung der zusätzlichen Entgeltbestandteile kein Anspruch für die Zukunft begründet werden sollte. Das Arbeitsgericht habe auch zu Unrecht darauf abgestellt, dass ein Anspruch auf das 13. und 14. Monatsgehalt in den Jahren vor 2014 nicht an der Abgeltungsklausel in der Änderungsvereinbarung scheitere. Der Wortlaut der Regelung, die von "sämtlichen" Ansprüchen ausgeht, spreche dafür, dass auch Ansprüche aus der Vergangenheit erfasst würden. Die Regelung sei auch nicht überraschend. Der Zeuge B habe in den ersten beiden Monaten des Jahres 2014 den Kläger darauf hingewiesen, dass die Abgeltungsklausel auch Rückwirkung haben sollte. Die Klausel stelle auch keine unangemessene Benachteiligung dar. Es sei üblich, gerade in gerichtlichen Vergleichen, dass eine künftige Verbesserung eine Kompensation für vermeintliche, streitige Ansprüche aus der Vergangenheit sein solle. Es sei hier eine Gesamtlösung angestrebt worden, wonach durch die künftige Gehaltserhöhung die bisherigen, vermeintlich entstandenen Ansprüche in der Vergangenheit mit abgegolten werden sollten. Über die Änderungsvereinbarung seien die Mitarbeiter auch bereits anlässlich der Weihnachtsfeier vom 14. Dezember 2013 durch eine Powerpoint-Präsentation informiert worden. Die Beklagte stellt den Antrag, das Urteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 30. April 2015 - 2 Ca 323/14 - abzuändern, soweit es der Klage stattgegeben hat, und die Klage insgesamt abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Kläger verteidigt das Urteil erster Instanz und bestreitet, dass der Zeuge B, der zugleich der Schwager des Geschäftsführers C sei, ihn darauf hingewiesen habe, dass mit der Änderungsvereinbarung ein rückwirkender Verzicht auf das 13. und 14. Monatsgehalt einhergehen solle. Ein solcher Hinweis sei auch nicht anlässlich der Weihnachtsfeier vom 14. Dezember 2013 erteilt worden. Die Änderungsvereinbarung habe auch nicht der Zeuge B dem Kläger vorgelegt, sondern der Geschäftsführer C. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster und zweiter Instanz wird verwiesen auf sämtliche gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Fulda vom 30. April 2015 - 2 Ca 323/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.
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Landessozialgericht Hamburg 2. Senat
Hamburg
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12.07.2023
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen eine Rückforderung von Elterngeld und beruft sich auf die Verjährung der von der Beklagten geltend gemachten Erstattungsforderung. Randnummer 2 Mit Bescheid vom 30. April 2015 wurde der Klägerin vorläufig Elterngeld für das Kind P. in Höhe von 1.800 EUR monatlich für die Zeit vom 12. März 2015 bis 12. Februar 2016 bewilligt. Wegen der Berechnung des Elterngeldes wird auf die Anlage zu dem Bescheid der Beklagten vom 30. April 2015 (Bl. 18 der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Mit Bescheid vom 28. April 2016 stellte die Beklagte die Elterngeldhöhe endgültig fest und forderte die Klägerin zur Erstattung eines Betrages in Höhe von 3.106,19 EUR auf. Hinsichtlich des der Klägerin tatsächlich zustehenden Elterngeldes wird auf die Berechnung in der Anlage zu dem Bescheid vom 28. April 2016 (Bl. 64 der Verwaltungsakte) Bezug genommen. Randnummer 3 Am 7. Februar 2022 übersandte die Beklagte der Klägerin eine Zahlungsaufforderung für den Erstattungsbetrag. Mit Schreiben vom 16. März 2022 legt die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. April 2016 ein und führte zur Begründung aus, sie habe erstmals durch die Zahlungsaufforderung vom 7. Februar 2022 von dem Bescheid vom 28. April 2016 erfahren. Auf ihre Nachfrage sei ihr erstmals am 16. Februar 2022 eine Kopie des Bescheides übersandt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die mit dem Rückforderungsbescheid geltend gemachte Forderung allerdings längst verjährt. Der Erstattungsanspruch verjähre in entsprechender Anwendung des § 50 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der endgültige Bescheid unanfechtbar geworden sei. Randnummer 4 Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2022 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, das Elterngeld sei im angefochtenen Bescheid ausgehend vom Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2014, wonach Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 47.264 EUR erzielt worden seien, zutreffend berechnet worden. Der nach § 26 Abs. 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) zu erstattende Betrag ergebe sich aus der Differenz von geleistetem Elterngeld i.H.v. 18.347,01 EUR und zustehendem Elterngeld i.H.v. 15.240,82 EUR. Der Bescheid vom 28. April 2016 sei weder unanfechtbar geworden noch anderweitig erledigt. Die Verjährung sei daher gehemmt. Erstattungsansprüche nach § 328 Abs. 3 SGB III verjährten nach § 52 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) erst nach 30 Jahren. § 50 Abs. 4 SGB X sei auf die ausdrücklich von ihm erfassten Fälle beschränkt. Randnummer 5 Die Klägerin hat dagegen am 23. Juni 2022 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das BEEG kenne eine Vorschrift wie § 41a Abs. 5 Satz 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zwar nicht, es dürfte dann aber § 42 Abs. 2 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) einschlägig sein. Jede Vorläufigkeit müsse auch eine zeitliche Begrenzung finden. Der Erstattungsanspruch sei gem. § 41 Abs. 4 SGB I in Verbindung mit § 50 Abs. 2 SGB X deshalb verjährt, weil der Bescheid vom 16. Februar 2022 nicht innerhalb von vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der vorläufige Bewilligungsbescheid unanfechtbar geworden sei, zugestellt worden ist. Dass die Beklagte 30 Jahre oder mehr Zeit haben solle, eine abschließende Entscheidung über zuvor als Vorschuss gewährte Leistungen zu haben, dürfte mit dem Gesamtgefüge des SGB nicht übereinstimmen. Randnummer 6 Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hat sich auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid berufen. Randnummer 7 Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2023 abgewiesen, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig sei. Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung sei § 26 Abs. 2 BEEG in Verbindung mit § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III. Vorschriften entsprechend § 41a Abs. 5 Satz 1 SGB II oder § 42 SGB I kenne weder das BEEG noch § 328 SGB III. Die Beklagte habe ihr Recht zur abschließenden Festsetzung der Elterngeldleistungen im Jahr 2022 und zur Geltendmachung der Erstattungsforderung auch nicht verwirkt. Besondere Umstände, welche die abschließende Festsetzung des Elterngeldes auf der Grundlage des Steuerbescheides für das Jahr 2014 und die Geltendmachung der Erstattungsforderung als illoyal erscheinen lassen, seien nicht ersichtlich. Soweit sich die Klägerin auf eine Verjährung der Erstattungsforderung berufe, sei ihr Begehren sinngemäß als Feststellungsantrag nach § 55 SGG zu werten, da die Verjährung einer durch Bescheid festgesetzten Erstattungsforderung durch Feststellungsklage geltend gemacht werden könne (Hinweis auf Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Juni 2021 – L 1 U 3714/20, juris). Die Erstattungsforderung der Beklagten sei jedoch nicht verjährt. Die Verjährung von Erstattungsforderungen nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III werde – im Gegensatz zu dem auf § 50 Abs. 4 Satz 1 SGB X verweisenden § 42 Abs. 2 Satz 3 SGB I – nicht ausdrücklich geregelt. § 50 Abs. 4 Satz 1 SGB X sei im Rahmen von § 328 Abs. 3 SGB III analog anzuwenden. Verjährung trete daher in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres ein, in dem der – den Erstattungsanspruch kraft Gesetzes auslösende – endgültige Verwaltungsakt unanfechtbar geworden sei (Hinweis auf Dietrich Hengelhaupt in: Hauck/Noftz SGB III, § 328 Vorläufige Entscheidung, Rn. 309). Fristbeginn der Verjährung sei der Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid unanfechtbar geworden ist (Baumeister in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl., § 50 SGB X (Stand: 23.02.2022), Rn. 125). Auf einen sich ergebenden Rückforderungsanspruch als solchen komme es für den Lauf einer Verjährung nicht an. Da die Verjährung nicht vor Festsetzung der Erstattungsforderung beginnen könne, komme ihr praktisch kaum Bedeutung zu (vgl. zu § 42 SGB I Groth in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., § 42 SGB I (Stand: 14.04.2020), Rn. 67). Da der Bescheid vom 28. April 2016 erst am 16. Februar 2022 bekanntgegeben und er auch noch nicht unanfechtbar geworden sei, sei die Forderung noch nicht verjährt. Randnummer 8 Die Klägerin hat gegen den ihr am 18. Januar 2023 zugegangenen Gerichtsbescheid am 20. Februar 2023 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, der geltend gemachte Anspruch sei verwirkt. Zunächst stelle eine Verjährungsfrist von vier Jahren nach der Rechtsprechung des BSG ein allgemeines Rechtsprinzip im Sozialrecht dar, das auch für den Vertrauensschutz gelten müsse. Nach vier Jahren habe sie darauf vertrauen dürfen, dass die Sache erledigt sei. Wenn ihr erklärt werde, dass die Akte möglicherweise über Jahre in einer anderen Abteilung gelegen habe, weshalb der Bescheid vom 28. April 2016 nicht habe zugestellt werden können, sei es illoyal, die Forderung jetzt geltend zu machen, nachdem sich offenbar jahrelang niemand dafür interessiert habe. Die Erstattungsforderung müsse auch verjährt sein. Denn wenn die Beklagte nicht innerhalb von vier Jahren eine abschließende Entscheidung getroffen habe, müsse dieses zur Folge haben, dass auch der Erstattungsanspruch gemäß § 41 Abs. 4 SGB I in Verbindung mit § 50 Abs. 2 SGB X (entsprechend) verjährt ist. Randnummer 9 Die Klägerin beantragt, Randnummer 10 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Januar 2023 und den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2022 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 2. Juni 2022 aufzuheben. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, Randnummer 12 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 13 Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Randnummer 14 Mit Beschluss vom 11. Mai 2023 hat der Senat die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Randnummer 15 Der Senat hat über die Berufung am 12. Juli 2023 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 22. Senat
Berlin
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23.02.2021
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Ausgleichsleistung nach dem Gesetz über die Errichtung einer Zusatzversorgungskasse für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZVALG) für den verheirateten Berechtigten statt für den unverheirateten Berechtigten. Randnummer 2 Die im Mai 1956 geborene Klägerin, die ständig im Beitrittsgebiet wohnhaft war, übte unter anderem rentenversicherungspflichtige Beschäftigungen von Juni 1984 bis August 2007 als Futterökonomin und Mitglied der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft TP T M bzw. als leitende Mitarbeiterin bei der Agrargenossenschaft T M und von Juli 2007 bis Januar 2013 als Projektkoordinatorin beim B L e. V bei nachfolgendem Bezug von Krankengeld aus. Sie ist seit Mai 1994 mit dem im November 1951 geborenen K M verheiratet. Ihm gegenüber setzte die Beklagte seine ab Juli 2008 bezogene Ausgleichsleistung nach dem ZVALG mit Bescheid vom 6. April 2016 dahingehend neu fest, dass ab 1. November 2014 die Ausgleichsleistung nur noch für unverheiratete (Berechtigte) gewährt wird. Mit Bescheid vom 28. April 2015 hatte die Deutsche Rentenversicherung Bund der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. November 2014 bis 30. September 2016 bewilligt. Randnummer 3 Im Mai 2015 beantragte die Klägerin beim Zusatzversorgungswerk für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (ZLF) Beihilfe und bei der Beklagten die Ausgleichsleistung. Randnummer 4 Das ZLF gewährte der Klägerin Beihilfe für die Zeit vom 1. November 2014 bis 30. September 2016 in Höhe von 15,60 Euro monatlich ausgehend von 145 Monaten Beitragspflicht. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 6. April 2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin die Ausgleichsleistung für unverheiratete (Berechtigte) für die Zeit vom 1. November 2014 bis 30. September 2016 - vor Kürzung gemäß § 14 Abs. 2 ZVALG für 145 Monate mit 9,36 Euro monatlich - in Höhe von 44,26 Euro monatlich und ab 1. Juli 2015 in Höhe von 44,41 Euro monatlich. Zur Begründung führte sie unter anderem aus: Haben beide Ehegatten einen Anspruch auf Ausgleichsleistung, so erhält jeder der Ehegatten die Ausgleichsleistung für den unverheirateten Berechtigten. Randnummer 6 Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die Einstufung als Unverheiratete stelle eine Ungleichbehandlung gegenüber Paaren dar, deren Partner in anderen Branchen tätig gewesen sei, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. August 2016 zurück: Der Gesetzgeber habe die Regelung der gekürzten Ausgleichsleistung für Ehegatten, die beide Anspruch auf Ausgleichsleistung hätten, bewusst festgelegt. Eine Beitragszahlung sei für die Ausgleichsleistung nie erfolgt. Die Ausgleichsleistung sei lediglich als Ergänzungsleistung zur tarifvertraglichen Beihilfe zu verstehen, die auf der Grundlage des Tarifvertrages über die Zusatzversorgung für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft (TV LF) gezahlt werden könne. Die Beihilfe sei dafür vorgesehen, niedrigere Renten von Beschäftigten der Land- und Forstwirtschaft durch eine Zusatzversorgung aufzustocken. Bei Einführung des Tarifvertrages in den neuen Bundesländern sei unter anderem von einer geringen Beitragszahlung durch die Arbeitgeber auszugehen, sodass die Ausgleichsleistung zum Tragen komme, die allein aus Steuermitteln finanziert werde. Randnummer 7 Dagegen hat die Klägerin am 12. September 2016 Klage beim Sozialgericht Potsdam erhoben. Randnummer 8 Sie hat gemeint, die Reduzierung ihrer Bezüge auf 60 vom Hundert sei bereits rechtswidrig, weil sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße. Ungleich behandelt würden durch § 14 Abs. 1 ZVALG nämlich Ehepaare, die beide in der Land- oder Forstwirtschaft arbeiteten, gegenüber Ehepaaren, bei denen nur einer in der Land- oder Forstwirtschaft arbeite. Hierfür sei kein sachlicher Grund ersichtlich. Diese Ungleichbehandlung widerspräche sogar dem Zweck der Zusatzversorgungskasse. Diese sei nur geschaffen worden, weil die Arbeiter in der Land- und Forstwirtschaft allgemein schlecht bezahlt würden, daher nur geringe Beiträge zur Rentenversicherung geleistet hätten und folglich auch nur sehr niedrige Renten erhielten. Arbeite in einer Ehe nur ein Ehepartner in der Landwirtschaft und der andere in einer Branche, die besser bezahlt werde, sei der Ehepartner schon durch die so erwirtschaftete höhere Rente des Partners bessergestellt. Zudem erhalte er dann noch den vollen Betrag aus der Zusatzkasse. Außerdem liege ein Eingriff in die Grundrechte des Klägers (gemeint: der Klägerin) und seiner Ehefrau (gemeint: ihres Ehemannes) nach den Artikeln 12 GG und 14 GG vor. Die Zusatzkasse sei gleichermaßen beitragsfinanziert und berufsabhängig, sodass diese Grundrechte durch die gleichheitswidrige Kürzung des Betrages ebenfalls verletzt seien. Zudem verstoße § 14 Abs. 1 ZVALG gegen Art. 3 Abs. 2 GG, denn sie sei ganz offenbar eine Quelle sexueller Diskriminierung. Schon ihrem Erscheinungsbild und den Rechtsfolgen nach orientiere sich die Regelung einseitig am Bild des alleinverdienenden Ehemannes und Versorgers. Arbeite die Ehefrau dagegen ebenfalls in der Landwirtschaft, würden die Bezüge beider Ehepartner gemindert. Die Maßnahme sei also potentiell geeignet, die Frau in das traditionelle Rollenbild der Hausfrau zu zwingen. Auch benachteilige die Regelung Landarbeiter aus den neuen Bundesländern über Gebühr, denn anders als in der Bundesrepublik hätten in der DDR auch Frauen häufig in erheblichem Umfang schwere körperliche Arbeiten in Landwirtschaft und Industrie geleistet, sodass es dadurch weitaus wahrscheinlicher sei, dass in den neuen Bundesländern beide Ehepartner Leistungen der Beklagten bezögen. Hieraus Nachteile für die Ehepartner herzuleiten, widerspräche auch dem Grundrecht der Familie, welche die öffentliche Gewalt nach Kräften zu schützen und zu fördern habe. Darüber hinaus berücksichtige die Beklagte nicht die tatsächlichen Verhältnisse der Betroffenen. Der Ehemann der Klägerin habe paradoxerweise höhere Leistungen bezogen, als seine Frau noch erwerbstätig gewesen sei, obwohl zu jener Zeit das gemeinsame Familieneinkommen höher ausgefallen sei. Die Ausführungen der Beklagten zur Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 1 ZVALG belegten, zu welchem Grade diese Vorschrift ein Produkt der Fünfzigerjahre sei. Denn das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (GAL) folge dem Leitbild, dass der Mann als Familienoberhaupt den eigenen Hof betreibe, während die Ehefrau nur unentgeltlich mithelfe. Diese Vorschrift passe genauso wenig auf die Lage des Klägers (gemeint: der Klägerin) und seiner Ehefrau (gemeint: ihres Ehemannes) wie die darauf basierenden übergeleiteten Vorschriften, denn beide arbeiteten als Arbeiter in einem staatlichen landwirtschaftlichen Großbetrieb. Es möge zutreffen, dass die Zusatzleistungen an einen verheirateten Leistungsberechtigten, dessen Ehegatte keinen Leistungsanspruch gegen die Beklagte erworben habe, auf sozialen Erwägungen beruhten. Dann aber sei es umso wichtiger, diese begrenzten Mittel rechtskonform einzusetzen. Nach Ansicht der Beklagten sei die Leistung für Unverheiratete die Normalleistung und die Leistung an Verheiratete die besondere Zusatzleistung. Genauso könne man aber die Leistung an Verheiratete als Normalleistung und die Leistung für Unverheiratete als geminderte Leistung bezeichnen. Auch würde gegenüber der Klägerin ein Beitragsempfänger, dessen Ehepartner nicht arbeite, wesentlich bessergestellt. Männer und Frauen seien, wenn sie sich dafür entschieden hätten, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, gleich zu behandeln. Dieses Ziel könne nur durch verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 1 ZVALG erreicht werden. Der Vortrag der Beklagten, der Lebensarbeitsleistung werde durch die tarifliche Beihilfe umfassend Rechnung getragen, sei nicht nachvollziehbar. Die Beiträge stünden in keinem Bezug zur Lebensarbeitsleistung, denn der Arbeitgeber führe Beiträge für jeden Arbeitnehmer in Höhe von pauschal 10,40 Euro im Monat ab. Es bestehe auch keine Gefahr des Erwerbs kumulierter Leistungen, sondern eine gleichheitswidrige Ungleichbehandlung. Randnummer 9 Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, § 14 Abs. 1 ZVALG orientiere sich am Vorbild des sogenannten Verheiratetenzuschlages, wie er landwirtschaftlichen Unternehmern nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GAL gewährt worden sei. Zielsetzung sei es unter anderem gewesen, einen erhöhten Geldbedarf des Ehepaares im Alter abzugelten. Auch im aktuellen Recht (Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte - ALG) gelte diese Regelung im Übergangsrecht der §§ 97 ff. fort. Der Verheiratetenzuschlag werde als nicht durch eigene Beiträge erworbene Vergünstigung von Eheleuten verstanden. Die Verfassungskonformität des § 4 Abs. 3 GAL sei sowohl vom Bundessozialgericht (BSG) als auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bestätigt worden. Für eine vermeintliche Unbilligkeit bestünden keine Anhaltspunkte. Jeder Ehegatte erhalte die für ihn als Einzelperson zugedachte Geldleistung. Dass ein verheirateter Leistungsberechtigter, dessen Ehegatte keinen Leistungsanspruch gegen die Beklagte erworben habe, einen kleinen Mehrbetrag erhalte, beruhe auf sozialen Erwägungen. Ergänzend sei auf das Zusammenwirken der Regelungen der tariflichen und der gesetzlichen Zusatzversorgung für Arbeitnehmer in der Land - und Forstwirtschaft hinzuweisen. Sinn und Zweck dieser Zusatzversorgung sei es, den Lebensstandard ehemaliger Arbeitnehmer im Bereich der Land- und Forstwirtschaft in einem gewissen Umfang aufzubessern. Dies geschehe vorrangig auf der Grundlage des TV LF, der in einer entsprechenden Neufassung seit dem 1. Juli 1995 auch die neuen Bundesländer erfasse. Danach gewähre das ZLF den landwirtschaftlichen Arbeitnehmern eine Beihilfe, deren Höhe nach der Dauer der zurückgelegten Zeiten der Beschäftigung in der Land- und Forstwirtschaft gestaffelt sei. Diese Beihilfe werde durch Pflichtbeiträge der Arbeitgeber finanziert. Um einer Schlechterstellung der älteren Arbeitnehmer, die unter Geltung dieses Tarifvertrages wenige oder gar keine zur Leistungsberechtigung führende Beitragszeiten erwerben könnten, entgegenzuwirken, sei als Ergänzung zu dem tarifvertraglichen Zusatzversorgungswerk auf der Grundlage des ZVALG die Beklagte geschaffen worden. Diese gewähre staatlich finanzierte Ausgleichsleistungen. § 14 Abs. 1 Satz 2 ZVALG sei nicht nur durch die fehlende Beitragsfinanzierung der Leistung, sondern auch durch den Grundsatz gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber im Bereich der rein staatlich finanzierten Leistungsgewährung einen größeren Spielraum habe. Der Lebensarbeitsleistung, die sich in den gezahlten Beiträgen widerspiegelten, werde im Bereich der Zusatzversorgung für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft bereits durch die tarifvertragliche Beihilfe umfassend Rechnung getragen. Nach § 11 TV LF erhalte jeder der Ehegatten die tarifvertragliche Beihilfe nach Maßgabe der zuvor im fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages zurückgelegten aktiven Beschäftigungs- und Beitragszeit. Gleichermaßen werde im Bereich der rein staatlich finanzierten Ausgleichsleistung grundsätzlich jedem der Ehegatten die ihm zustehende in seiner individuellen Beschäftigung im fachlichen Geltungsbereich begründete Leistung gewährt. Verhindert werden solle aber durch die streitgegenständliche Regelung eine Kumulation von Leistungen. Bestehe für beide Ehegatten ein eigenständiger Leistungsanspruch, gebe es keine Rechtfertigung dafür, ihnen die geringfügig erhöhte Verheiratetenleistung zu gewähren, die nach der gesetzlichen Intention aus sozialen Erwägungen nur denjenigen Anspruchsberechtigten zukommen solle, deren Ehepartner keinen eigenen Anspruch gegen die Beklagte erworben hätten. Eine Benachteiligung verheirateter gegenüber unverheirateten Anspruchsberechtigten sei nicht erkennbar, denn das Gesetz differenziere nur unter verheirateten Berechtigten danach, ob auch der Ehegatte Anspruch auf Leistungen nach dem ZVALG habe oder nicht. Dies wiederum sei durch die soziale Komponente des Gesetzes sowie die bloße Ergänzungsfunktion der Ausgleichsleistung im Verhältnis zu der tarifvertraglichen Beihilfe und den größeren Freiraum des Gesetzgebers im Bereich einer rein staatlich finanzierten Leistungsgewährung gerechtfertigt. Randnummer 10 Mit Urteil vom 12. September 2019 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die Voraussetzung des § 14 Abs. 1 Satz 2 ZVALG sei erfüllt, denn der Ehemann der Klägerin habe am 1. November 2014 bereits eine Ausgleichsleistung aus der Zusatzversorgungskasse bezogen. Der Gesetzgeber knüpfe die Rechtsfolge dieser Vorschrift nicht an den Ehestand an, sondern er regele im Gegenteil, dass beiden Eheleuten, die Anspruch auf Ausgleichsleistung hätten, diese in der Höhe der Ausgleichsleistung für Unverheiratete erhielten. Diese Regelung verstoße nicht gegen die Verfassung. Es sei anerkannt, dass dem Gesetzgeber bei einer steuerfinanzierten Leistung und damit auch bei der Ausgleichsleistung hinsichtlich der gesetzlichen Ausgestaltung ein weiter Beurteilungsspielraum zustehe. Diesen rechtlichen Rahmen habe der Gesetzgeber des ZVALG nicht überschritten. Die Vorschrift verstoße nicht gegen Art. 3 GG. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG liege bereits nicht vor, da eine steuerfinanzierte Leistung nicht durch den Eigentumsschutz des Grundgesetzes geschützt sei. Auch ein Verstoß gegen Art. 12 GG liege nicht vor, da es sich nicht um eine Regelung der Berufsausübung handele. Ein Verstoß gegen Art. 6 GG sei nicht gegeben, da keine Ungleichbehandlung zulasten der Familie vorliege, da für den Fall, dass beide Eheleute Anspruch auf die Ausgleichsleistung hätten, diese immer noch höher als für einen Unverheirateten sei. Randnummer 11 Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 30. September 2019 zugestellte Urteil richtet sich die am 21. Oktober 2019 eingelegte Berufung der Klägerin. Randnummer 12 Sie meint, die Kammer habe zwar die verfassungsrechtlichen Probleme erkannt, diese jedoch nicht zutreffend gewürdigt. Insbesondere werde verkannt, dass die Vorschrift in die nach Art. 12 GG geschützte Berufsfreiheit eingreife, denn der Verlust von Ausgleichsleistungen sei für die Arbeiter in der Landwirtschaft ein erheblicher Nachteil. Damit greife die Vorschrift in die Freiheit der Berufswahl der Personen ein, deren Ehepartner oder zukünftiger Ehepartner bereits in der Landwirtschaft arbeite. Es sei nicht erkennbar, dass dies zum Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter erforderlich sei. Bei § 14 Abs. 1 ZVALG handele es sich vielmehr um eine überkommene Vorschrift, die vom Leitbild des arbeitenden Ehemannes und der den Haushalt führenden Ehefrau geprägt sei und Familien benachteilige, in denen beide Ehepartner berufstätig gewesen seien. Eine solche Regelung sei zu bewerten, wie das vor der Einführung des Ehegattensplittings praktizierte veraltete Prinzip der steuerlichen Zusammenveranlagung von Ehepartnern. Es liege auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG vor. Eine Argumentation unter Heranziehung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sei systemwidrig, wenn § 14 Abs. 1 ZVALG gerade die Besserstellung von Verheirateten ermöglichen solle. Zum Vergleich könnten daher nur andere Verheiratete herangezogen werden. Die Ausgleichsleistung für Verheiratete bestehe unabhängig von der sozialen Situation des Ehepartners und solle gerade nicht an diese oder die finanzielle Gesamtlage der Ehegemeinschaft anknüpfen. Diese Ungleichbehandlung sei auch nicht gerechtfertigt, um einen Doppelbezug des Ausgleichsbetrages durch beide Ehegatten auszugleichen, denn die Vorschrift gewähre dem Verheirateten den Anspruch unabhängig von den Einkünften des Ehegatten. Wenn beide Eheleute in der Landwirtschaft beschäftigt gewesen seien und niedrige Einkünfte erzielt hätten, nach denen der Rentenanspruch bemessen werde, könne von einer Doppelzahlung nicht die Rede sein. Eine Auslegung des § 14 Abs. 1 Satz 2 ZVALG allein nach dem Wortlaut verletze die Klägerin in ihren verfassungsgemäßen Rechten. Die Auffassung der Beklagten stütze grundlos das überkommene Bild in der Einzelverdienerehe. Randnummer 13 Die Klägerin beantragt, Randnummer 14 das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. September 2019 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 6. April 2016 in der Gestalt Widerspruchsbescheides vom 22. August 2016 zu verurteilen, der Klägerin ab 1. November 2014 die Ausgleichsleistung für verheiratete Berechtigte zu zahlen. Randnummer 15 Die Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 17 Sie trägt vor, sie mache sich die Argumentation des Sozialgerichts zu eigen. Die von der Klägerin gerügten Grundrechtsverstöße lägen nicht vor. Randnummer 18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 12. September 2019 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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AG Frankfurt Einzelrichter
Hessen
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13.06.2018
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Die Klägerin ist Mieterin, der Beklagte zu 1) Mieter einer Dreizimmerwohnung in der Liegenschaft XXX, der Beklagte zu 2) ist der volljährige Sohn und bewohnt die streitgegenständliche Wohnung. Die Wohnung ist öffentlich gefördert, hinsichtlich des Inhalts des Mietvertrags vom 1.9.1976 wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 6 d.A.) verwiesen. Der Beklagte zu 1) hat die Wohnung ursprünglich mit seiner Ehefrau als Familienwohnung dauerhaft bewohnt. Mittlerweile - insbesondere nach dem Eintritt in die Rente - halten sich der Beklagte zu 1) sowie seine Ehefrau für einen zwischen den Parteien streitigen jährlichen Zeitraum in Griechenland auf, wo sie bereits in den achtziger Jahren eine Immobilie zu Eigentum erworben haben. Der Beklagte zu 1) muss sich zwei bis dreimal im Jahr in Frankfurt medizinisch behandeln lassen. Anlässlich dieser Behandlungen verbringt der Beklagte zu 1) Zeit in Frankfurt und hält sich in der streitgegenständlichen Wohnung auf. Die Ehefrau des Beklagten zu 2) kann gesundheitsbedingt zur Zeit nicht nach Deutschland reisen. Im Jahr 2005 meldete der Beklagte zu 1) seinen Hauptwohnsitz unter der streitgegenständlichen Adresse ab und unter der von einem seiner Söhne, dem Zeugen A, innegehaltenen Wohnung in der … Landstraße … in Frankfurt an. In der streitgegenständlichen Wohnung behielt der Beklagte zu 1) den Nebenwohnsitz. Insoweit wird auf die Meldebestätigung der Stadt Frankfurt am Main (Bl. 35 d.A.) verwiesen. Bereits im Jahr 2013 bat die Klägerin den Beklagten zu 1) um Mitteilung, ob er die Wohnung noch bewohne. Im Sommer 2014 statteten Mitarbeiter des Wohnungsamtes Frankfurt einen Hausbesuch in der streitgegenständlichen Wohnung ab, um die Wohnungssituation zu klären. Sie trafen dort lediglich den Beklagten zu 2) an, der bekundete, der Beklagte zu 1) halte sich mit der Ehefrau in Griechenland auf. Der Beklagte zu 1) meldete ausweislich der Bescheinigung der Meldebehörde Frankfurt am Main am 9.7.2014 seinen Hauptwohnsitz wieder unter der streitgegenständlichen Liegenschaft sowie den Nebenwohnsitz unter der Anschrift … Landstraße … an. Die Ehefrau des Beklagten zu 1) behielt hingegen ihren Hauptwohnsitz unter der Anschrift … Landstraße … und war mit Nebenwohnsitz in der streitbefangenen Wohnung gemeldet. Der monatliche Nettomietzins wird nicht von dem Beklagten zu 1), sondern jedenfalls seit Januar 2008 vollständig vom Jobcenter als Leistung für den Beklagten zu 2) gezahlt. Dies ergibt sich aus einer E-Mail des Jobcenters vom 28.2.2008 (Bl. 37 d.A.). Nachdem der Beklagte zu 2) im Jahr 2009 in Haft saß, übernahm das Sozialrathaus Frankfurt die vollständige Mietzinszahlung. Insoweit wird auf die Aktennotiz der Klägerin vom 2.9.2009 sowie den Nachweis über die Zahlung des Sozialamtes vom 11.9.2009 (Bl. 38-39 d.A.) verwiesen. Der Beklagte zu 2) steht seit der Bestellung durch das Amtsgericht Frankfurt am Main vom 28.7.2009 (Bl. 8 d.A.) unter der Betreuung durch Herrn XXX. Der Aufgabenkreis umfasst hierbei auch Wohnungs- und Mietangelegenheiten. Die Betriebskostenabrechnungen der Klägerin werden an den Betreuer des Beklagten zu 2) gesandt. Ein weiterer Hausbesuch am 22.9.2016 erfolgte durch die Zeuginnen B und C. Anlässlich dieses Termins trafen die vorgenannten Zeuginnen den Beklagten zu 1) und zu 2) in der streitgegenständlichen Wohnung an, die Ehefrau des Beklagten zu 1) hielt sich in Griechenland auf. Hierbei stellten die Zeuginnen fest, dass ein Zimmer der Wohnung als Wohnzimmer genutzt werde, eines als Schlafzimmer des Beklagten zu 2) und ein weiteres Zimmer vom Beklagten zu 1). Im Abrechnungsjahr 2015 sind in der streitgegenständlichen Wohnung vom 1.8.2015 bis 31.12.2015 insgesamt 38,026 m³ Kaltwasser verbraucht worden. Dies ergibt sich aus der Betriebskostenabrechnung vom 28.11.2016 (Bl. 93-101 d.A.). Im Abrechnungsjahr 2016 lag der Verbrauch ausweislich der Betriebskostenabrechnung vom 15.11.2017 (Bl. 104-112 d.A.) bei 36,757 m³ Kaltwasser. Nach Angaben des Wasserversorgers auf dessen Website (Bl. 113 d.A.) beläuft sich der durchschnittliche Wasserverbrauch pro Person und Monat auf 3,5 m³, mithin 42 m³ im Jahr. Mit Schreiben des Amtes für Wohnungswesen vom 10.11.2016 (Bl. 7 d.A.) erhielt die Klägerin ein Anhörungsschreiben und die Mitteilung, dass der Erlass einer Kündigungsanordnung für die streitgegenständliche Wohnung geplant ist. Mit Schreiben des Amtes für Wohnungswesen vom 10.1.2017 (Bl. 10-11 d.A.) erging sodann die Kündigungsanordnung an die Klägerin, in der Folge kündigte diese mit Schreiben vom 23.1.2017 (Bl. 12 d.A.) das streitgegenständliche Mietverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich. Der Beklagte zu 1) ließ mit anwaltlichem Schreiben vom 6.2.2017 (Bl. 13 d.A.) der Kündigung widersprechen. Der Beklagte zu 2) ist ebenfalls ausweislich des Schreibens des Wohnungsamtes Frankfurt vom 23.2.2017 (Bl. 21-23 d.A.) als wohnungssuchend für eine öffentlich geförderte Ein- bis Zweizimmerwohnung (bis 50 m²) registriert, die Verlängerung dieser Registrierung erfolgte mit Schreiben des Amts für Wohnungswesen vom 4.9.2017 (Bl. 24-25 d.A.). Die streitgegenständliche Wohnung verfügt über eine Wohnfläche von 75,36 m². Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe sein Wohnrecht für die streitgegenständliche Wohnung spätestens seit dem Jahr 2005 verloren, in welchem er sich mit Hauptwohnsitz in der … Landstraße … in Frankfurt umgemeldet habe. Der Lebensmittelpunkt des Beklagten zu 1) und dessen Ehefrau befinde sich - auch wenn sich dieser mehrmals im Jahr zu Behandlungszwecken in Frankfurt aufhalte - nicht mehr in der streitbefangenen Wohnung, sondern vielmehr in Griechenland. Die Klägerin ist der Ansicht, ein einmal erloschenes Wohnrecht könne nicht mehr aufleben. Die Rückmeldung in die streitbefangene Wohnung im Jahr 2014 sei nur erfolgt, weil das Wohnungsamt festgestellt habe, dass der Beklagte zu 1) die Wohnung XXX nicht mehr bewohne. Der Sinn und Zweck einer öffentlich geförderten Wohnung liege aber in der Versorgung von bedürftigen Menschen mit öffentlichem Wohnrecht mit günstigem Wohnraum, um dort ihren Lebensmittelpunkt zu haben. Die streitgegenständliche Wohnung wäre an sich für eine Familie mit Wohnberechtigungsschein vorgesehen. Nicht von der öffentlichen Forderung sei umfasst, einem überwiegend im Ausland lebenden und dort mit Wohnraum versorgten Mieter eine Aufenthaltsmöglichkeit zur Ermöglichung von medizinischen Eingriffen in Deutschland zu gewähren. Der Beklagte zu 2) könne in der Wohnung nicht verbleiben, da er eine Berechtigung für eine Wohnung dieser Größe nicht habe. Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die innegehaltene Wohnung XXX, 5. OG Wohnung 7, XXXXX Frankfurt am Main, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Loggia, Keller, Diele und Bad mit WC zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 1) und dessen Ehefrau hätten bis heute ihren Lebensmittelpunkt in der streitgegenständlichen Wohnung. Die Ummeldung mit Hauptwohnsitz in die … Landstraße … sei seinerzeit lediglich erfolgt, damit sich der dort wohnhafte Sohn des Beklagten zu 1) um die Post und die Erledigung des Schriftverkehrs des Beklagten zu 1) kümmern könne. Der Beklagte zu 2) sei mit der Erledigung dieser Angelegenheiten gegenüber Behörden und Ärzten aufgrund seiner eigenen Beeinträchtigungen überfordert. Aus diesem Grund habe der Beklagte zu 1) seinem Sohn auch eine Vollmacht erteilt. Zum Haushalt zu rechnen seien die im WoFG bezeichnete Person auch dann, wenn sie vorübergehend abwesend seien, aber der Haushalt auch während der Abwesenheit der Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen bleibe. Seit dem Jahr 2005 besuchten der Beklagte zu 1) und seine Ehefrau lediglich in den Sommermonaten Griechenland. An drei Monaten im Frühjahr und mindestens an drei weiteren Monaten im Herbst lebe der Beklagte zu 1) in der Regel ständig in der Wohnung. Alle 3-6 Monate müsse sich der Beklagte zu 1) aufgrund einer Erkrankung in stationäre Behandlung begeben und nutze zur Vorbereitung und Regeneration in den oben genannten Monaten durchgehend die Wohnung. Auch die Ehefrau des Beklagten zu 1), die zur Zeit nicht reisefähig sei, habe zuletzt Ende 2016/Anfang 2017 in der Wohnung gelebt. Der über 83 Jahre alte Beklagte zu 1), der lediglich über eine bescheidene Rente verfüge, sei gesundheitlich stark angeschlagen und könne eine Veränderung seines Wohnungsumfeldes nicht mehr verkraften - weder mental noch körperlich. Gleiches gelte für dessen Ehefrau, die ebenfalls schwer behindert sei. Die Beklagten verweisen insoweit auf eine Stellungnahme der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. XXX vom 21.12.2017 (Bl. 69-70 d.A.). Die Kündigung des seit über 40 Jahren bestehenden Mietverhältnisses bedeute für den Beklagten zu 1) und seiner Familie eine unzumutbare Härte, da dem Beklagten zu 1) unmöglich gelingen werde, in Frankfurt einen geeigneten Ersatzwohnraum zu finden. Hinsichtlich des Sach- und Streitstands im übrigen wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 17.1.2018 (Bl. 67-68 d.A.) und vom 2.5.2018 (Bl. 199-209 d.A.) verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 21.2.2018 über den Umfang der Nutzung der Wohnung durch den Beklagten zu 1) durch Vernehmung der Zeugen A, B, C, D, E und F. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2.5.2018 (Bl. 199-209 d.A.) verwiesen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die innegehaltene Wohnung XXX, 5. OG Wohnung 7, XXXXX Frankfurt am Main, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Loggia, Keller, Diele und Bad mit WC zu räumen und an die Klägerin herauszugeben. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, und zwar hinsichtlich der Räumung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 2500 € hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Der Streitwert wird auf 3991,20 € festgesetzt.
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Hessisches Landessozialgericht 4. Senat
Hessen
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16.03.2022
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Zwischen den Beteiligten ist die Berechnung des Zuschusses nach dem Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG) für die Monate Juni und Juli 2020 streitig. Die Klägerin ist Leistungserbringerin im Bereich der Eingliederungshilfe, sie erbringt Leistungen insbesondere in Form von Teilhabeassistenz für Kinder und Jugendliche mit geistiger oder somatischer Behinderung oder Mehrfachbehinderung in der Schule. Zwischen ihr und dem Beklagten bestehen eine Leistungs-, Qualitäts- und Prüfungsvereinbarung nach § 75 Abs. 3 SG XII vom 9. Juni 2016 und eine Vergütungsvereinbarung nach § 123 Abs. 1 SGB IX i. V. m. § 125 SGB IX vom 15. November 2019. In der Zeit von März 2019 bis Februar 2020 zahlte der Beklagte der Klägerin für Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (bis 31. Dezember 2019: Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch [SGB XII] - Sozialhilfe) einen Betrag in Höhe von 326.282,46 Euro. Im Juni 2020 zahlte der Beklagte der Klägerin eine Leistungsvergütung für Leistungen nach dem SGB IX in Höhe von 15.984,65 Euro und im Juli 2020 in Höhe von 2.741,74 Euro aus. Am 26. August 2020 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Leistungen nach dem SodEG ab Juni 2020 bis voraussichtlich 31. September 2020 „Eingliederungshilfe nach SGB VIII und SGB IX“, da die Weiterfinanzierung der sozialen Dienstleister bzw. Leistungsträger im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zum Mai beendet worden sei und am 20. August 2020 mitgeteilt worden sei, dass ab Juni 2020 nur noch die tatsächlich erbrachten Stunden fakturiert werden dürften. Die Klägerin sei daher gezwungen, einen Antrag auf Leistungen nach dem SodEG zu stellen. Sie gab eine „Erklärung über Unterstützungsmöglichkeiten zur Bewältigung von Auswirkungen der Coronavirus-Krise gem. § 1 Abs. 1 des Sozialdienstleister-Einsatzgesetzes (SodEG)“ ab. Mit Bescheid vom 12. November 2020 bewilligte der Beklagte im Leistungsbereich SGB IX für den Monat Juni 2020 einen Zuschuss von 4.408,00 Euro und für Juli 2020 von 17.650,91 Euro. Die tatsächliche Höhe der Zahlungen der bewilligten monatlichen Zuschüsse erfolge unter dem Vorbehalt des § 4 SodEG. Hinsichtlich der Berechnung verwies der Beklagte auf die Anlagen „Berechnung des monatlichen SodEG-Zuschusses“. Für den Monat Juni 2020 ergab sich danach als Berechnung: Addition aller Zahlungen im maßgeblichen Bemessungszeitraum (März 2019 – Februar 2020) 326.282,46 Euro geteilt durch die Anzahl der maßgeblichen Monate (12 Monate) = Monatsdurchschnitt 27.190,20 Euro davon 75 % (Obergrenze der monatlichen SodEG-Zuschüsse) = monatlicher SodEG-Anspruch 20.392,65 Euro abzüglich vorrangige Mittel im Sinne des § 4 SodEG tatsächlich erfolgte Zahlungen (aus Rechtsverhältnissen nach § 2 Satz 2 SodEG 15.984,65 Euro Differenz SodEG-Anspruch abzgl. vorrangige Mittel i.S.d. § 4 SodEG 4.408,00 Euro Zuschuss nach SodEG 4.408,00 Euro Für Juli 2020 ergab sich als Berechnung: Addition aller Zahlungen im maßgeblichen Bemessungszeitraum (März 2019 – Februar 2020) 326.282,46 Euro geteilt durch die Anzahl der maßgeblichen Monate (12 Monate) = Monatsdurchschnitt 27.190,20 Euro davon 75 % (Obergrenze der monatlichen SodEG-Zuschüsse) = monatlicher SodEG-Anspruch 20.392,65 Euro abzüglich vorrangige Mittel im Sinne des § 4 SodEG tatsächlich erfolgte Zahlungen (aus Rechtsverhältnissen nach § 2 Satz 2 SodEG 2.741,74 Euro Differenz SodEG-Anspruch abzgl. vorrangige Mittel i.S.d. § 4 SodEG 17.650,91 Euro Zuschuss nach SodEG 17.650,91 Euro Dagegen legte die Klägerin am 28. November 2020 Widerspruch ein, mit dem sie die Auffassung vertrat, Grundlage der Berechnung seien die sich aus fakturierten Rechnungen ergebenden Beträge. Ferner wandte sie sich gegen die Art der Ermittlung des Zuschusses. Der Beklagte berechne von dem ermittelten Monatsdurchschnitt die Zuschusshöhe mit 75 Prozent. Gleichzeitig würden die vorrangigen Mittel jedoch zu 100 Prozent (also in voller Höhe) vom 75-prozentigen Zuschuss abgezogen werden. Aus ihrer Sicht müssten die vorrangigen Mittel von 100 Prozent des Monatsdurchschnitts abgezogen werden. Dies ergebe sich aus § 3 SodEG. Dort werde die 100-Prozent-Betrachtung zugrunde gelegt. Die Kürzung der Zuschusshöhe auf pauschal maximal 75 Prozent erfolge gerade, weil man Zuflüsse im Sinne des § 4 SodEG in Höhe von 25 Prozent als summa summarum sicher unterstelle. Erst dann, wenn die Zuflüsse nach § 4 SodEG zu den Zuflüssen nach § 3 SodEG addiert den Monatsdurchschnitt gemäß § 3 SodEG überstiegen, könne entsprechend gekürzt und die Erstattung gefordert werden. Seien aber 75 Prozent des Monatsdurchschnitts als Zuschuss gewährt worden und überstiegen die Zuflüsse 25 Prozent des Monatsdurchschnitts nicht, entstehe keine Erstattungsforderung des öffentlichen Leistungsträgers. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2021, der Klägerin zugestellt am 23. Januar 2021, wies der Beklagte den Widerspruch hinsichtlich der Leistungen nach dem SodEG für Juni und Juli 2020 betreffend Leistungen nach dem SGB IX als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin sei als sozialer Dienstleister verpflichtet, gegenüber dem zuschussgewährenden Leistungsträger den Zufluss vorrangiger Mittel nach § 4 Satz 1 und 2 SodEG anzuzeigen. In § 4 SodEG sei ausdrücklich der Hinweis enthalten, dass es sich bei vorrangigen Mitteln, wozu auch die tatsächlichen Zahlungen von Rechnungen gehörten (§ 4 Satz 1 SodEG) um tatsächlich zugeflossene Mittel handele (sog. bereite Mittel). § 4 Satz 2 SodEG mache deutlich, dass Ansprüche und Forderungen (wozu auch fakturierte Rechnungen zählten), die nicht zu tatsächlichen monatlichen Geldzuflüssen führen, keine bereiten Mittel seien. Mit diesen Formulierungen werde deutlich, dass das gesamte SodEG im Rahmen des Sicherstellungsauftrages und der administrativen und finanzwirtschaftlichen Abwicklung ausschließlich die Liquiditätssichtweise betrachte. In § 3 SodEG werde ausdrücklich die Berechnung des maximalen SodEG-Anspruchs hergeleitet. Dort heiße es: „Für die Berechnung der Zuschusshöhe wird ein Monatsdurchschnitt der im Monatszeitraum März 2019 bis Februar 2020 geleisteten Zahlungen (…) … ermittelt.“ Weiterhin heiße es dort: „Der monatliche Zuschuss beträgt höchstens 75 Prozent des Monatsdurchschnitts.“ Also erst nach dieser maximal möglichen Zuschussgewährung würden die tatsächlich zugeflossenen Mittel abgezogen, um den monatlichen unter Vorbehalt zu gewährenden Zuschuss nach SodEG zu ermitteln. Am 22. Februar 2021 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Sie hat die Bewilligung von Zuschüssen in Höhe von 11.205,55 Euro für den Monat Juni 2020 und in Höhe von 20.392,65 Euro für den Monat Juli 2020, hilfsweise die Neubescheidung ihres Antrags begehrt. Die Klägerin hat unter anderem ausgeführt, streitig sei der Rechenweg für die Ermittlung des Leistungsanspruchs nach § 3 SodEG unter Berücksichtigung des den späteren Erstattungsanspruch betreffenden § 4 SodEG. Im Mittelpunkt der Betrachtungen solle der zentrale Zweck des Gesetzes stehen, den der Gesetzgeber in § 2 Satz 1 SodEG verankert habe. Eine Bestandsicherung setze betriebswirtschaftlich voraus, dass mindestens die laufenden Kosten der Leistungserbringer gedeckt würden. Im Gegenzug müssten sie sich bereit erklären, die Behörden bei der Pandemiebekämpfung mit ihren frei gewordenen Ressourcen zu unterstützen. Das SodEG sei so konstruiert, dass die Leistungsträger einen erheblichen Teil ihrer Einsparungen, die unvermeidlich zulasten der Leistungsberechtigten gingen, an die Leistungserbringer auszahlten, um diese in der Lage zu halten, die unterbrochenen oder eingeschränkten Maßnahmen im Interesse der Leistungsberechtigten jederzeit wieder aufnehmen zu können. Wesentlich für die Berechnung sei vor allem die Annahme, dass den Leistungserbringern durch Zuflüsse wie das Kurzarbeitergeld, Entgelte für weiterhin erbrachte Leistungen und mögliche Einsparungen stets noch mindestens 25 Prozent ihrer monatlichen Durchschnittseinnahmen nach § 3 Satz 2 SodEG zur Verfügung stehen würden und es deshalb ausreichend sei, die Leistung auf maximal 75 Prozent der Durchschnittseinnahmen zu begrenzen. Dazu verweist die Klägerin auf die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/18107, S. 35). Aufgrund dieser Gesetzesbegründung würden sich die Leistungsträger berechtigt sehen, erwartbare Zuflüsse bereits bei der Berechnung der auszuzahlenden Leistung zu berücksichtigen. Gewähre § 3 Satz 5 SodEG den Leistungsträgern ein Rechtsfolgenermessen hinsichtlich der Bestimmung des vom Monatsdurchschnitt als Leistung gewährten Prozentsatzes, das hier auf 75 Prozent vorgenommen werde, finde sich im Gesetzeswortlaut entgegen der Begründung keinerlei Ansatzpunkt für ein Recht des Leistungsträgers zum Vorwegabzug von angenommenen Zuflüssen. Ganz im Gegenteil lasse § 4 Satz 4 SodEG die Geltendmachung des nachträglichen Erstattungsanspruchs frühestens drei Monate nach dem maßgeblichen Zeitraum der Zuschussgewährung zu. Das sei auch ganz im Interesse der schnellen, unbürokratischen Liquiditätsgewährung. Die auch von dem Beklagten vollzogene Verrechnung dürfte bereits deswegen rechtswidrig gewesen sein. Aber auch der Weg, wie die Verrechnung erfolge, sei rechtswidrig und führe zu einer unzulässigen Kürzung des Leistungsanspruchs: Die §§ 3, 4 SodEG regelten nach ihrem Wortlaut nicht, von welchem Betrag der Abzug nach § 4 SodEG erfolgen solle. Es heiße lediglich offen, der Anspruch des Leistungsträgers auf Erstattung bestehe, soweit Zuflüsse aus dem Katalog des § 4 Satz 1 oder 2 SodEG erfolgt seien. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Bestandssicherung setze voraus, dass auch die Einnahmen beständig sein müssten. Der Gesetzgeber hebe in der Begründung ausdrücklich hervor, dass eine Zuschussgewährung von 100 Prozent des Monatsdurchschnitts regelmäßig nicht erforderlich sei, weil insbesondere Kurzarbeitergeld fließen werde. Dies und andere Zuflüsse im Sinne des § 4 Satz 1 oder 2 SodEG unterstellend, werde die Obergrenze des Zuschusses auf 75 Prozent festgelegt. Eben diese Entscheidung bedeute aber denklogisch, dass die so benannten Zuflüsse nicht doppelt berücksichtigt werden dürften, einmal bei der Bemessung der Leistung durch den Gesetzgeber auf maximal 75 Prozent und anschließend, indem sie von eben diesen 75 Prozent noch einmal in vollem Umfang abgezogen würden. Bei gesetzmäßiger Berechnung liege ausgehend von den tatsächlichen Zahlungen der monatliche Durchschnitt bei 27.190,20 Euro (wie von dem Beklagten ermittelt). 75 Prozent hiervon seien 20.392,65 Euro. Im Juni seien vom Zwölfmonatsdurchschnitt von 27.190,20 Euro der Betrag von 15.984,65 Euro abzusetzen, so dass sich 11.205,55 Euro ergäben. Im Juli seien von 27.190,20 Euro der Betrag von 2.741,74 Euro abzusetzen, so dass sich 24.448,46 Euro ergäben. Sei die Differenz zwischen Zwölfmonatsdurchschnitt und Zuflüssen größer als 75 Prozent des Zwölfmonatsdurchschnitts von 20.392,65 Euro, sei auch nach der Begründung zu § 3 SodEG kein Vorwegabzug statthaft. Sei sie kleiner, sei die Differenz als Leistung festzusetzen. Für Juni seien daher 11.205,55 Euro als Zuschuss zu leisten, die 75-Prozentgrenze komme nicht zum Tragen. Für den Juli seien 20.392,65 Euro als Zuschuss zu leisten, die 75-Prozentgrenze deckele die Leistung. Der Beklagte hat vorgetragen, dass das SodEG die Träger der Eingliederungshilfe in den Fällen, in denen Leistungen nicht erbracht würden, verpflichte, einen Betrag in gleicher oder niedrigerer Höhe an den sozialen Dienstleister zu zahlen. Der Sicherstellungsauftrag gelte nur, wenn soziale Dienstleister die verfügbaren Mittel nicht aus vorrangig verfügbaren Mitteln abgedeckt habe (z.B. Kurzarbeitergeld, Infektionsschutzgesetz, Zuschüsse von Bund und Länder). Eine vollständige Kompensation des Einnahmewegbruchs bzw. die vollständige Übernahme des Unternehmensrisikos bzw. eine Einnahmeausfallsicherung sei hierbei allerdings nicht vorgesehen. In der Begründung zu § 3 heiße es in der BT-Drs. 19/18107 daher auch, dass die Höhe des Zuschusses höchstens 75 Prozent des Monatsdurchschnitts betrage. Von einem feststehenden Mindestbetrag sei nicht die Rede. Die Zuschusshöhe solle im Rahmen einer summarischen Prüfung den tatsächlichen Zufluss anderer vorrangiger Mittel berücksichtigen. Er habe sich bei seiner Berechnung an der Verfahrensabsprache des BMAS mit der Bundesagentur für Arbeit, der Deutschen Rentenversicherung Bund, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Bundesländern (vertreten durch das ASMK-Vorsitzland Baden-Württemberg) zur Umsetzung des SodEG (Bl. 105 ff Gerichtsakte) orientiert. Mit Gerichtsbescheid vom 28. April 2021 hat das Sozialgericht nach Anhörung der Beteiligten die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei durch den Bescheid vom 12. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2021 nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Dieser Bescheid sei rechtmäßig. Der Beklagte habe die Höhe des Zuschusses nach § 3 SodEG zutreffend ermittelt. Für höhere Zahlungen biete das SodEG keine Rechtsgrundlage. Der monatliche Zuschuss beträgt höchstens 75 Prozent des Monatsdurchschnitts. Der Gesetzgeber habe nicht die Annahme, dass den Leistungserbringern durch Zuflüsse weiterhin noch mindestens 25 Prozent ihrer monatlichen Durchschnittseinnahmen zur Verfügung stünden und es deshalb ausreichend wäre, die Leistung auf maximal 75 Prozent der Durchschnittseinnahmen zu begrenzen, mithin durch die Zuschüsse die Leistungserbringer weiterhin 100 Prozent erreichen würden. Der Gesetzgeber gehe nach der Gesetzesbegründung vielmehr davon aus, dass 75 Prozent des Monatsdurchschnitts ausreichten, um die Kosten zu decken, weil durch Kurzarbeitergeldzahlungen die Fixkosten bereits niedriger sind und variable Kosten (z.B. Einkauf von Materialien) geringer ausfielen. Die Annahme der Klägerin zur 100-Prozent-Finanzierung finde aus Sicht des Gerichts deshalb keine Stütze im Gesetz, weder im Wortlaut noch in der Gesetzesbegründung. Zutreffend habe der Beklagte im Rahmen der Ermessenentscheidung, in welcher Höhe ein Zuschuss gezahlt werde, sich von dem Gesichtspunkt leiten lassen, die tatsächlich zufließenden bereiten Mittel, die als vorrangige Mittel im Sinne des § 4 Satz 1 Nr. 1 SodEG gelten, bereits bei der Bestimmung der Zuschusshöhe zu berücksichtigen. Dies sei sachgerecht und folge der in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Überlegung, die Entstehung von Erstattungsansprüchen nach § 4 SodEG wenn möglich zu vermeiden. Eine höhere Zahlung von Zuschüssen komme nach dem SodEG nicht in Betracht. Zwar sehe § 5 Satz 1, 2. Halbsatz SodEG vor, dass die Länder auch eine gegenüber § 3 Satz 5 nach oben abweichende Höchstgrenze für die Zuschusshöhe bestimmen könnten. Von dieser Möglichkeit habe das Land Hessen - soweit ersichtlich - aber bislang keinen Gebrauch gemacht. Gegen den ihr am 29. April 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am Montag, den 31. Mai 2021 Berufung eingelegt. Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Auslegung des maßgeblichen Bundesrechts durch das Sozialgericht widerspreche dem aus der Gesetzesbegründung herzuleitenden Zweck des Gesetzes, die Liquidität der sozialen Dienstleister mit den sonst für die eigentliche Leistungserbringung zur Verfügung stehenden Mitteln sicherzustellen, so dass die soziale Dienstleistungsinfrastruktur trotz der pandemiebedingten Leistungseinschränkungen und den damit verbundenen Einnahmeverlusten aufrecht erhalten bleiben kann. Das Sozialgericht übergehe wesentliche weitere Aussagen der Gesetzesmaterialien, welche für das korrekte Rechtsverständnis aber konstitutiv seien, nämlich: „Damit wird sich die tatsächliche Zuschusshöhe im Regelfall in einem Bereich bewegen, der aufgrund von vorrangig zufließenden Mitteln im Bereich von 50 Prozent bis 75 Prozent des Monatsdurchschnitts liegt.“ Problematisch sei, dass der Gesetzgeber in der Begründung der begrenzten Anspruchshöhe neben den Zuflüssen aus Leistungen wegen Kurzarbeit auch eingesparte Kosten erwähne, also Zuflüssen, die nach § 4 SodEG zu Erstattungen führen könnten. Im Bereich ambulanter Eingliederungshilfen gebe es aber rein faktisch nahezu keinen Sachaufwand, der bei der direkten Leistungserbringung an- und ohne sie wegfalle. Die weitere Begründung befasse sich dann in erster Linie mit der Berücksichtigung von Zuflüssen im Sinne des § 4 SodEG, verdeutliche aber, und das habe das Sozialgericht nicht beachtet, zugleich das Rechenmodell des Gesetzgebers insgesamt. Nur hier, nicht im eigentlichen Gesetz, finde sich die Befugnis der Leistungsträger, feststehende Zuflüsse bei der Bestimmung des Zuschusses abzuziehen, um Überzahlungen zu vermeiden. Wenn vorrangige Mittel zuflössen, die nach der Gesetzesbegründung bereits bei der Leistungsbemessung abgezogen werden sollen, um Überzahlungen zu vermeiden, und wenn trotz der abzuziehenden vorrangigen Mittel noch eine Leistungshöhe von bis zu 75 Prozent erreicht werden können soll, dann sei dies denklogisch nicht anders zu verstehen, als dass der Gesetzgeber den Abzug der vorrangigen Mittel nicht von den 75 Prozent maximaler SodEG-Leistung vorgenommen wissen wollte, sondern gerade von den 100 Prozent der durchschnittlichen monatlichen Einnahmen in der Zeit vor den pandemiebedingten Einschränkungen. Die Auslegung des Sozialgerichts konterkariere eine möglichst weitgehende Fortführung der Leistungen unter den Bedingungen der Pandemie. Das widerspreche dem eindeutigen Zweck des Gesetzes in krasser Weise. Der Gesetzgeber sei ersichtlich und unmissverständlich davon ausgegangen, dass die sozialen Dienstleister in der Summe der tatsächlichen Zuflüsse im Sinne des § 4 SodEG und der zu gewährenden Leistungen nach § 4 SodEG ihre bisherigen Aufwendungen würden weiter bestreiten können. Der Wert von 75 Prozent der monatlichen Durchschnittseinnahmen dürfe nur dann unterschritten werden, wenn der Zufluss vorrangiger Mittel 25 Prozent des Zwölfmonatsdurchschnitts der vorpandemischen Einnahmen übersteige. Hiergegen könne man einwenden, dass dann eventuelle Einsparungen auch dazu führen könnten, dass der Träger mehr als 100 Prozent der früheren Einnahmen erlöst. Allerdings habe der Gesetzgeber sich im eigentlichen Normengeflecht mit solchen Einsparungen eben gar nicht befasst und eine Anrechnung nicht vorgesehen. Die Träger sollten nach § 1 Satz 1 SodEG in die Lage versetzt werden, ihre Sachmittel und ihr Personal auch für andere Aufgaben im Rahmen der Pandemiebekämpfung zur Verfügung zu stellen. Vergütungen seien dafür gerade nicht vorgesehen. Dieser Einsatz, der prinzipiell alle Beschäftigten eines Unternehmens betreffen könne, sei aber nur dann möglich, wenn auch ihre Lohnkosten und die laufenden Kosten des Trägers vollständig gedeckt werden können. In diesem Lichte seien auch die Regelungen zur Bemessung des Zuschusses und zum Erstattungsanspruch zu verstehen. Wenn Zuflüsse von den bewilligten bis zu 75 Prozent Leistung nach dem SodEG und nicht von dem Monatsdurchschnitt gemäß § 3 Satz 2 SodEG abgezogen würden, sei die Durchführung der Einsätze nach § 1 SodEG wirtschaftlich unmöglich und müsse um jeden Preis versucht werden, Kurzarbeit ohne Aufstockung durchzusetzen, ohne dies letztlich erzwingen zu können. Die Teilnahme am Schutzschirm für die soziale Infrastruktur würde ein spezifisches Insolvenzrisiko mit sich bringen, ein absurdes Ergebnis. Die Gesetze seien aber so auszulegen, dass das Ergebnis den Maßstäben der Vernunft im Lichte des angestrebten Zwecks standhält, solange ihr Wortlaut dem nicht eindeutig entgegenstehe. § 4 Satz 4 SodEG besage ausdrücklich, dass der Erstattungsanspruch frühestens drei Monate nach der letzten Zuschusszahlung des maßgeblichen Zeitraums der Zuschussgewährung entstehe. Durch den Vorwegabzug würden zwar Überzahlungen vermieden, aber dieses Ziel und die Möglichkeit dazu seien im Gesetz nicht geregelt. Vielmehr solle es erst nachgelagert und mit einer großzügigen gesetzlichen Schonfrist nach dem Ende der pandemiebedingten Leistungen zu einer Spitzabrechnung kommen. Die Anspruchshöhe sei gesetzlich definiert und solle im Wege einer prozentualen Festlegung erfolgen. Es sei zwischen dem Leistungsbestimmungsermessen und dem Erstattungsanspruch zu unterscheiden. Es handele sich um normativ und systematisch klar voneinander getrennte Instrumente. Wäre anderes gewollt gewesen, hätten das entweder § 3 SodEG mit einem Verweis auf § 4 SodG oder umgekehrt § 4 SodEG entsprechend regeln müssen. Dies erschließe sich auch daraus, dass es keinem Ermessen unterliegen könne, nur tatsächliche, erfolgte Zuflüsse abzuziehen. Sollten Überzahlungen vermieden werden, dann seien diese Zuflüsse mindernd zu berücksichtigen. Darüber könne es keine „summarische Prüfung“ geben. Das Ermessen beziehe sich also alleine auf die Leistungsbestimmung nach dem strukturerhaltenden Finanzbedarf des Leistungsangebotes, wobei es besonderer Gründe bedürfte, von der Regelquote von 75 Prozent abzuweichen. Es könne sich nicht auf den gesondert geregelten und gebundenen Erstattungsanspruch beziehen. Die Klägerin beantragt, 1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. April 2021 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 12. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2021 zu verpflichten, ihr Leistungen nach § 3 SodEG für den Monat Juni 2020 in Höhe von 11.205,55 Euro und für den Monat Juli 2020 in Höhe von 20.392,65 Euro zu bewilligen, 2. hilfsweise, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. April 2021 abzuändern und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 12. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2021 zu verpflichten, über den Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach § 3 SodEG für die Monate Juni und Juli 2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts im streitigen Umfang neu zu entscheiden. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte bezieht sich zunächst auf die nach seiner Auffassung zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid und verweist auf seine erstinstanzlichen Ausführungen. Ergänzend trägt er vor, es stehe dem Gesetzgeber zu, pauschalierende und typisierende Regelungen zu treffen, die in Einzelfällen auch zu Härten führen könnten, dies gelte insbesondere, wenn es sich um aus Steuern zu finanzierende allgemeine Staatsaufgaben handele und der vom Gesetzgeber gewählte Ansatz plausibel sei. Dies sei bei einem 75-prozentigen Zuschuss im Hinblick auf die verbleibende Eigenverantwortung des Dienstleisters für seinen Betrieb und regelmäßig ersparter Aufwendungen der Fall. Er erfülle die Verpflichtung zur Sicherung des Bestandes der Leistungserbringer und ihrer Angebote nach dem SodEG durch Zahlung eines Zuschusses in Höhe von höchstens 75 Prozent der durchschnittlichen Monatsvergütung. Von diesem Zuschuss würden gem. § 3 Satz 5 SodEG sog. vorrangige Mittel abgezogen. Diese vorrangigen Mittel seien in § 4 Satz 1 und 2 SodEG gekennzeichnet. Hierdurch werde der gesetzgeberischen Intention Rechnung getragen. Eine Erstattungsforderung bestehe bezüglich bereiter Mittel, also von bereits zugeflossenen Zahlungen an den Sozialdienstleister. Es wäre daher widersinnig, dem Sozialdienstleister einen Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses einzuräumen, ihn aber zum selben Zeitpunkt einer Erstattungsforderung des zahlenden Leistungsträgers auszusetzen. Es gelte der allgemeine Rechtsgrundsatz: Niemand darf etwas fordern, was er sofort wieder zurückgeben muss (dolo agit, qui petit, quod statim rediturus est). Die Klägerin repliziert, die Dolo-agit-Einrede greife hier selbstverständlich nicht. Das Gesetz sehe ein Verfahren in zwei Abschnitten vor, nämlich zunächst die Leistungsbestimmung und –bewilligung (§ 3 SodEG) und später die Spitzabrechnung durch den Abzug der abschließend festgestellten Zuflüsse (§ 4 SodEG). Mit der Bewilligung werde der soziale Dienstleister verpflichtet, entsprechend § 3 Satz 6 SodEG den Zufluss vorrangiger Mittel im Sinne des § 4 anzuzeigen. Dadurch werde der Vollzug der Spitzabrechnung gemäß § 4 SodEG ermöglicht. In dessen Satz 1 sei explizit von einem „nachträglichen Erstattungsanspruch“ die Rede, was die temporale Abfolge verdeutliche. § 4 Satz 4 SodEG gestatte die Spitzabrechnung erst nach Ablauf einer Mindestfrist von drei Monaten nach dem Ende der Leistungsgewährung. Vorweggenommen werden dürfe sie daher keineswegs. Genau das habe aber der Beklagte getan. Das nachgelagerte Spitzabrechnungsverfahren diene, wie § 4 SodEG anschaulich zeige, dem Abzug nur der tatsächlichen und endgültigen Zuflüsse. Gerade Abrechnungen von Kurzarbeitergeld unterlägen aber nicht selten Korrekturen. Es soll eine solide Berechnungsgrundlage geben, bevor dem sozialen Dienstleister im Ergebnis Mittel gekürzt und dann entsprechende Rückforderungen erhoben werden, welche seine durch § 3 SodEG zu sichernde Liquidität wieder einschränkten. Wegen des Sach- und Streitverhältnisses im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakten des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. April 2021 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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OLG Frankfurt 12. Zivilsenat
Hessen
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31.01.2005
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Randnummer 1 Die Klägerin ist Eigentümerin dreier zusammen genutzter Hanggrundstücke in der Stadt1 (Lageplan Bl. 608, 769 d.A.). Auf dem Grundstück … knapp einen Meter an der Grenze zum Bürgersteig der Straße „…“ stehen zwei 21 Meter hohe, 80 – 90 Jahre alte Walnussbäume (Lichtbilder in den Akten). Obwohl der Klägerin vom Ersten Stadtrat der beklagten Stadt schonende Behandlung zugesagt worden war (Schreiben vom 13. November 1996 = Bl. 12 d.A.), kam es im Zuge der Neuerrichtung der Stützmauer des Bürgersteigs Anfang des Jahres 1997 zu erheblichen Beschädigungen der Wurzeln der Nussbäume. Der Umfang der Beschädigungen ist im Gutachten des selbständigen Beweisverfahrens 2 OH 30/97 und den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern dokumentiert. Wegen der Folgen verlangt die Klägerin von dem ausführenden Bauunternehmen und der Stadt als Gesamtschuldner Schadensersatz und Feststellung der Pflicht zum Ersatz von Zukunftsschäden. Randnummer 2 Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage gegenüber dem ausführenden Bauunternehmen abgewiesen und gegen die Stadt aus Amtshaftung etwa zur Hälfte stattgegeben. Auf das angefochtene Urteil wird Bezug genommen. Randnummer 3 Hiergegen wenden sich die Klägerin und die Stadt mit ihren Rechtsmitteln. Der Rechtsstreit gegen das Bauunternehmen, die frühere Erstbeklagte, ist in Folge Insolvenzeröffnung unterbrochen und wurde abgetrennt (Bl. 801 d.A.). Randnummer 4 Die Klägerin verfolgt ihre ursprünglichen Ansprüche in erweitertem Umfang. Sie hält die ihr zugesprochene Wertminderung für die Bäume für zu gering und beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 29.018,70 € nebst Zinsen in Höhe von 4% aus 12.649,17 € seit dem 1.6.1997 sowie von 5% über dem Basiszins aus 518,96 € seit dem 20.03.2001 und aus 2.763,69 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. festzustellen, dass die Beklagte auch für zukünftige Schäden an den beiden an der Ostgrenze des Anwesens A-Straße in Stadt1 befindlichen Bäumen einzustehen hat wie auch aufgrund eines Umstürzens der selben Bäume, weil im Frühjahr 1997 mehrere Starkwurzeln durch die Beklagten entfernt wurden; 3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 772,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszins seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 5 Die Beklagte beantragt, das angegriffene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und die erweiterte Klage abzuweisen. Randnummer 6 Die Beklagte behauptet, die beiden Nussbäume hätten das Kappen von Wurzeln im Jahre 1997 gut überstanden und seien gesund und nicht umsturzgefährdet. Randnummer 7 Im Berufungsverfahren wurden ein Gutachten der Sachverständigen SV1 (Bl. 598 –640 d.A.) und des SV2 (Bl. 754 – 777) eingeholt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Ergänzend wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 15. November 2001 unter Zurückweisung der Rechtsmittel im Übrigen abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.651,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz aus 3.115,56 € seit dem 31. Juli 1999, aus 2.763,69 € seit dem 14. März 2002 und aus 772,91 € seit dem 20. März 2003 zu zahlen. Die weitergehende Zahlungsklage wird abgewiesen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin diejenigen Schäden zu ersetzen, die ihr in Folge der im Februar 1997 erfolgten Kappung der Wurzeln der auf ihrem Grundstück … in Stadt1 (Flur …, Flurstück …) stehenden beiden Walnussbäume noch entstehen werden. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen einschließlich des selbständigen Beweisverfahrens (Landgericht Darmstadt 2 OH 30/97) werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Betreffend die Frage der Wertminderung des Grundstücks wird die Revision zugelassen.
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LG Kassel Zivilkammer
Hessen
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29.09.2015
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Die Kläger begehren von der Beklagten die Zahlung einer Versicherungsleistung aus einem Gebäudeversicherungsvertrag. Die Kläger erwarben im Jahr 2009 das Grundstück "......" zu Eigentum. Auf dem Grundstück befindet sich ein mehrstöckiger Gebäudekomplex, in dem ein Autohaus betrieben wurde. Auch die Kläger betreiben in dem Gebäudekomplex einen KfZ-Handel. Aufgrund des Antrags der Kläger vom 31.08.2009 gewährte die Beklagte für das genannte Objekt vom 01.09.2009 12.00 Uhr bis zum 01.09.2012 12.00 Uhr im Rahmen einer Firmen- und Sachversicherung Versicherungsschutz (vgl. Versicherungsschein vom 13.11.2009, Bl. 127 ff. d.A.). Es wurden die Bedingungen für die Firmen Immobilienversicherung (BFIMO) zugrunde gelegt. Mitversichert war die Gefahrengruppe LW (Leitungswasserversicherung), welche die versicherten Gebäude gegen die Gefahren Leitungswasser, Rohrbruch sowie Frost absicherte. Am 06.12.2010 meldeten die Kläger der Beklagten über die zuständige Versicherungsagentur den Bruch von Rohren. Zu der Zeit herrschten winterliche Außentemperaturen. Bei der Besichtigung der Räumlichkeiten durch Beauftragte der Beklagten am 08.12.2010 befand sich die Heizungsanlage im Gebäude nicht in Betrieb, diverse wasserführende Rohrleitungen waren infolge von Frostschäden gebrochen und ausgetretenes Wasser in den Räumen gefroren. Die Kläger verlangten von der Beklagten Erstattung der durch die Firma Heizungsbau "......" im Kostenvoranschlag vom 15.02.2011 (Bl. 26 ff. d.A.) veranschlagten Wiederherstellungskosten in Höhe von 57.058,23 € netto. Die Beklagte brachte lediglich einen Betrag in Höhe von 8.732,64 € zur Auszahlung und verweigerte eine darüber hinausgehende Zahlung. Die Kläger verlangen mit der vorliegenden Klage den Restbetrag. Die Kläger behaupten, das Einfrieren der Heizungsanlage sei auf einen unvorhergesehenen und unverschuldeten Ausfall der Heizungsanlage zurückzuführen. Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 48.325,59 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2011 sowie weitere 1.641,99 € vorgerichtliche Anwaltskosten zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte behauptet, Schadensursache sei gewesen, dass die Kläger die Heizungsanlage vor der Frostperiode Anfang Dezember 2010 überhaupt nicht in Betrieb genommen hätten. Dies ergäbe sich daraus, dass zuletzt am 10.02.2010 1.858 Liter Heizöl getankt wurden, nach dem Schadensfall noch ca. 258 Liter im Tank verblieben waren und die getankte Menge überhaupt nicht ausgereicht hätte, um während der Heizperiode nach dem 10.02.2010 und bis zum Schadensfall die Heizung zu betreiben. Die Kläger hätten auch den Hinweis auf dem Tank, dass bei Unterschreitung von 20 % Füllmenge nachzutanken sei, missachtet. Zudem sei bei dem Ortstermin des außergerichtlichen Sachverständigen "......" am 15.12.2010 festgestellt worden, dass der Kipphebel an der Tankarmatur geschlossen war, so dass keine Ölversorgung zum Ölbrenner stattfinden konnte. Ein unverschuldeter Ausfall des Ölbrenners - wie von den Klägern vorgetragen - könne nicht erfolgt sein, da der Ölbrenner beim Ortstermin durch den außergerichtlichen Sachverständigen kurzzeitig gelaufen sei. Die Beklagte ist der Auffassung, aufgrund des Verstoßes der Kläger gegen die für sie nach den Versicherungsbedingungen zu beachtenden Obliegenheiten sei durch die Zahlung von 8.732,64 € die Verpflichtung der Beklagten aus dem Schadensfall erfüllt. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens sowie dessen mündliche Erläuterung durch den Sachverständigen. Hinsichtlich des Gegenstandes und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf den Beweisbeschluss vom 26.05.2014 (Bl. 181 d.A.) in Verbindung mit dem Beschluss vom 30.06.2014 (Bl. 189 d.A.), das schriftliche Sachverständigengutachten vom 22.02.2015 (Bl. 216 ff. Bd. I d.A.), die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 03.07.2015 (Bl. 11 ff. Bd. II d.A.) sowie das Protokoll der Erörterung des Gutachtens vom 14.07.2015 (Bl. 33 ff. Bd. II d.A). Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger einen Betrag in Höhe von 32.005,86 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2011 sowie weitere 1.307,81 € zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3 zu tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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VG Halle (Saale) 3. Kammer
Sachsen-Anhalt
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20.11.2018
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen den teilweisen Widerruf einer ihr gewährten Zuwendung für eine bergbauliche Sanierungsmaßnahme in ihrem Stadtgebiet. Randnummer 2 Mit Zuwendungsbescheid vom 5. Mai 2014 gewährte die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag einen Zuschuss von bis zu 798.844,59 Euro zur Finanzierung eines Vorhabens zur Hangsicherung im Bereich der Zufahrt am A.Berg in B-Stadt gemäß der "Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen im Rahmen der Bergbausanierung im Land Sachsen-Anhalt". Die Zuwendung wurde als Projektförderung zur anteiligen Finanzierung in Höhe von bis zu 80 % der förderfähigen Gesamtkosten gewährt. An der Finanzierung war die Europäische Union (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung – EFRE) beteiligt, worauf in dem Bescheid hingewiesen wurde. Randnummer 3 Unter Nr. IX des Zuwendungsbescheides – Weitere Nebenbestimmungen – wurde u. a. festgelegt: Randnummer 4 "Es gelten die beigefügten ANBest-Gk, sofern dieser Bescheid keine abweichenden Regelungen trifft. Randnummer 5 Zusätzlich zu den im Bescheid bereits enthaltenen Nebenbestimmungen ergeht der Bescheid unter folgenden Nebenbestimmungen gemäß § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes Sachsen-Anhalt i.V.m. § 36 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG): Randnummer 6 1. … Randnummer 7 2. Auftragsvergabe Randnummer 8 Bei der Vergabe von Aufträgen gelten die Regelungen der Nr. 3 ANBest-Gk. Randnummer 9 Für öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen – GWB (BGBl. I 2005, S. 2114, in der jeweiligen Fassung) gelten darüber hinaus die vergaberechtlichen Vorschriften der §§ 97 ff. GWB und der Vergabeverordnung – VgV (BGBl. I 2003, S. 169, in der jeweiligen Fassung) in Verbindung mit Randnummer 10 - der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (VOB/A Abschnitt 2) Randnummer 11 - der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen – Teil A (VOL/A Abschnitt 2) Randnummer 12 - Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) Randnummer 13 bei Aufträgen, welche die in § 2 VgV festgelegten Auftragsschwellenwerte erreichen oder überschreiten. Nach diesen Vorschriften ist ein Auftrag grundsätzlich europaweit auszuschreiben. Randnummer 14 Öffentliche Auftraggeber, die in den persönlichen Anwendungsbereich nach § 2 des Gesetzes über die Vergabe öffentlicher Aufträge in Sachsen-Anhalt vom 19.11.2012 – LVG LSA (GVBl. LSA 2012, S. 536) fallen, haben ferner bei der Vergabe von Aufträgen unabhängig von den Schwellenwerten nach § 2 VgV die Regelungen des LVG LSA in der jeweiligen Fassung zu beachten. Randnummer 15 Die gesetzlichen Verpflichtungen nach §§ 97 ff. GWB, nach der VgV und dem LVG LSA gelten zugleich als verbindliche Auflage dieses Bescheides. Randnummer 16 Öffentliche Auftraggeber, die nach § 55 der Landeshaushaltsordnung Sachsen-Anhalt (LHO) , § 29 der Gemeindehaushaltsordnung Doppik (GemHVO Doppik) oder § 32 der Gemeindehaushaltsordnung vom 22.10.1991 zur Beachtung des Vergaberechts verpflichtet sind, haben ferner bei der Vergabe von Aufträgen auch unterhalb der Schwellenwerte nach § 1 Absatz 1 LVG LSA die Regelungen des Landes zum öffentlichen Auftragswesen (Runderlass des MW vom 08.12.2010, MBl. LSA 2010, S. 675, in der jeweiligen Fassung) zu beachten. Bei Freihändiger Vergabe von Bauaufträgen sind mindestens drei Angebote einzuholen; weitere Pflichten nach der VOB/A bleiben unberührt. Randnummer 17 … Randnummer 18 3. … " Randnummer 19 Der Bescheid wurde mehrfach, zuletzt mit 3. Änderungsbescheid vom 13. Juli 2015 hinsichtlich des Durchführungs- und Bewilligungszeitraums, geändert (Verlängerung bis 17. Juli bzw. 15. September 2015). Die zitierten Regelungen unter Nr. IX. des Zuwendungsbescheides vom 5. Mai 2014 blieben unverändert. Randnummer 20 Im Zusammenhang mit der Prüfung einer Mittelanforderung hatte die Beklagte Verstöße gegen vergaberechtliche Vorschriften bei der Vergabe eines Bauauftrages an die Fa. ... GmbH festgestellt. Mit Schreiben vom 1. Juni 2015 fasste die Beklagte ihre vorläufige Einschätzung hierzu zusammen und gab Gelegenheit zur Stellungnahme, die mit der Vorlage des Verwendungsnachweises erfolgen sollte. Randnummer 21 Hierauf äußerte sich die Klägerin mit Schreiben vom 14. September 2015 ausführlich. Randnummer 22 Nach abschließender Prüfung des Verwendungsnachweises erließ die Beklagte den streitbefangenen Bescheid vom 10. Dezember 2015. Sie widerrief hiermit ihren Zuwendungsbescheid vom 5. Mai 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide teilweise in Höhe von 202.323,06 Euro. Den nach Abzug der geleisteten Zahlungen verbleibenden Zuschuss von 596.521,53 Euro zahlte sie an die Klägerin aus. Von den abgerechneten und projektbezogenen Gesamtinvestitionen von 946.524,52 Euro seien Ausgaben von 200.872,61 Euro nicht förderfähig. Randnummer 23 Den Widerruf stützte die Beklagte auf § 1 VwVfG LSA i.V.m. § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG und die Nichterfüllung der mit dem Zuwendungsbescheid verbundenen Auflage zur Beachtung des Vergaberechts. Bei der Vergabe der Bauleistung "Hangsicherung im Bereich Zufahrt A.Berg" an die Fa. S. Sanierung, A GmbH für 803.490,42 Euro sei folgendes zu beanstanden: Randnummer 24 (1) Den ausgewählten Bewerbern sei im laufenden Vergabeverfahren mit Nachmeldeschreiben vom 21. August 2014 die Neufestsetzung des Einreichungstermins für die Angebotsabgabe sowie ein neuer Ausführungszeitraum mitgeteilt worden. Randnummer 25 (2) Die mit der Bekanntgabe der beschränkten Ausschreibung vom 15./17. Juli 2014 veröffentlichten Fristen hätten dem Auftragnehmer nicht genügend Zeit für die Bauvorbereitungen eingeräumt. So sei laut Bekanntmachung die Absendung der Aufforderung zur Angebotsabgabe für den 1. August 2014 vorgesehen gewesen. Der Ausführungszeitraum habe aber bereits am 1. September 2014 beginnen sollen. Tatsächlich sei die Absendung zur Aufforderung der Angebotsabgabe erst am 6. August 2014 erfolgt. Gründe für die Änderung der Termine seien nicht dokumentiert worden. Randnummer 26 Zwei zunächst weiter angenommene Vergabeverstöße (Gewichtung, Referenzzeitraum) seien durch die Erläuterungen der Klägerin in der Anhörung ausgeräumt worden. Die von der Klägerin gegen die Beurteilung im Übrigen erhobenen Einwände, auf die die Beklagte im Einzelnen näher einging, seien nicht durchgreifend. Randnummer 27 Die Vergabeverstöße würden als schwer eingestuft und deswegen 25 % der entstandenen Ausgaben auf Grundlage des in Rede stehenden Vertrages als nicht förderfähig bewertet. Randnummer 28 Das Widerrufsermessen sei reduziert, weil der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltsmitteln die Aufhebung des Zuwendungsbescheides gebiete, wenn wesentliche und unabdingbare Fördervoraussetzungen nicht vorlägen. Atypische Umstände des Einzelfalls, die eine andere Entscheidung als den Teilwiderruf herbeiführen könnten, seien weder ersichtlich noch vorgetragen. Randnummer 29 Die Klägerin hat am 8. Januar 2016 vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Randnummer 30 Zu beachten sei zunächst, dass die Bergbausanierung im Grunde von den Kommunen nicht habe geleistet werden können, das Land sie aber nicht habe übernehmen wollen und das Förderprogramm diese Finanzierungsproblematik habe lösen sollen. Randnummer 31 Zu (1): Die Veränderung des Ausführungszeitraums sei nicht vergaberechtswidrig. Bei dem Verfahren der beschränkten Ausschreibung handle es sich um ein zweistufiges Verfahren mit zwei selbständigen Verfahrensschritten. Der erste Verfahrensabschnitt sei mit der Entscheidung über die Teilnehmer an dem Verfahren abgeschlossen gewesen. Erst danach (am 31. Juli 2014) sei die Verlängerung des Ausführungszeitraums bei der Beklagten beantragt und unter dem 20. August 2014 bewilligt worden, so dass sich etwaige spätere Fehler nicht mehr im ersten Verfahrensabschnitt hätten auswirken können. Dieser Abschnitt diene der Ermittlung der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bewerber, die entsprechenden Auswahlkriterien müssten in der Ausschreibung genannt sein, was hier der Fall gewesen sei. Der Leistungszeitraum habe dazu gedient, die Leistungsfähigkeit abzuprüfen, die sich aus der Zusicherung der Ausführung der Leistungen in einem bestimmten Zeitraum ergebe. Die abschließende Auswahlentscheidung sei unter Beachtung von Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot getroffen worden. Im sich anschließenden Bieterverfahren seien alle Teilnehmer gleichermaßen mit Schreiben vom 6. August 2014 zur Angebotsabgabe aufgefordert worden. Die Änderung des Ausführungszeitraums um 6 Wochen sei im Übrigen nur geringfügig. Jedenfalls habe die Beklagte ihr Ermessen nicht hinreichend betätigt und weder berücksichtigt, dass die Mittel zweckentsprechend verwendet worden seien, noch habe sie die Relevanz des angenommenen Verstoßes für den aufgrund der ausgeschriebenen Spezialarbeiten ohnehin engen Bieterkreis einbezogen oder die Bedeutung der Sache für die Klägerin berücksichtigt. Die Verwaltungspraxis der Beklagten, nur auf das Gebot zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln zu verweisen, sei rechtswidrig, weil insbesondere unverhältnismäßig. Zu beachten sei dabei, dass die Auflagen nicht der Förderung des Wettbewerbs, sondern der Sicherstellung eines sparsamen und wirtschaftlichen Einsatzes der gewährten Zuwendung dienten. Die Beklagte habe prüfen müssen, ob sich die Klägerin im Rahmen des ihr bei der Durchführung eines Vergabeverfahrens zustehenden Ermessens- und Beurteilungsspielraums gehalten habe. Nicht richtig sei die Beurteilung des angenommenen Verstoßes als schwerwiegend, denn es sei kein wirtschaftlicher Schaden erkennbar. Randnummer 32 Zu (2): Der Ansicht der Beklagten, die Bauvorbereitungszeiten seien unzulässig verkürzt worden, sei entgegenzuhalten, dass die Bedingungen für alle Auftragnehmer die gleichen gewesen seien und es auch nicht unüblich sei, dass derartig kurze Fristen für die Vorbereitung zur Verfügung stünden. Zudem müssten die Umstände gesehen werden, die dazu geführt hätten, dass die Aufforderung zur Angebotsabgabe erst am 6. August 2014 erfolgt sei. Sie – die Klägerin – habe zuwarten wollen, um die beantragte Änderung des Zuwendungsbescheides betreffend den Ausführungs- und Bewilligungszeitraum möglichst schon einbeziehen zu können. Nach Zugang des entsprechenden Änderungsbescheides habe sie die Bieter unverzüglich hierüber informiert. Die Enge des Terminplans und die entstandenen Verzögerungen seien nicht der Klägerin anzulasten. Vielmehr sei auf die lange Bearbeitung des Fördermittelantrages und der Änderungsanträge zu verweisen. Die Fristproblematik sei auch hinlänglich dokumentiert worden. Die Mutmaßung der Beklagten, dass die kurzen Fristen dazu geführt hätten, dass nur zwei der zugelassenen Teilnehmer ein Angebot abgegeben hätten, schlage fehl. Eine Firma habe den geforderten Anker nicht als Eigenleistung erbringen können. Andere hätten mitgeteilt, wegen zwischenzeitlicher Auftragseingänge und mangels freier Kapazitäten kein Angebot abgeben zu wollen bzw. können. Insgesamt seien die meisten Firmen nach ihrer Jahressplanung schon ausgelastet gewesen, als nach der langen Bearbeitungszeit für den Zuwendungsbescheid eine Ausführung in den Monaten Juni und August erfolgen sollte. Randnummer 33 Nach den von der Beklagten zugrunde gelegten Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen sei eine Kürzung um 25 % nicht gerechtfertigt. Denn diese würden vorsehen, dass bei einer Unregelmäßigkeit lediglich formaler Art, ohne tatsächliche oder potenzielle finanzielle Auswirkungen, keine Finanzkorrektur vorgenommen werde. Ein solcher Fall liege hier vor. Alle am Markt relevanten Firmen hätten sich am Verfahren beteiligt. Da es bei der Förderung mit EU-Mitteln gang und gäbe sei, dass unrealistische Zeiträume vorgesehen seien, würden Bewerbungen ohnehin in Kenntnis dessen erfolgen, dass eine Ausweitung des Förderzeitraums nach hinten möglich sei. Der Ausführungszeitraum werde daher für eine Firma niemals ein Grund sein, nicht wenigstens einen Teilnahmeantrag zu stellen. Jedenfalls habe die Beklagte keine ausreichenden Ermessenserwägungen angestellt. Randnummer 34 Die Klägerin beantragt, Randnummer 35 den Teilwiderrufsbescheid der Beklagten vom 10. Dezember 2015 aufzuheben. Randnummer 36 Die Beklagte beantragt, Randnummer 37 die Klage abzuweisen. Randnummer 38 Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid und trägt im Wesentlichen vor: Randnummer 39 Zu (1): Eine nachträgliche Änderung bekannt gemachter Anforderungen sei aus Gründen des Gleichbehandlungs- und Transparenzgebots nicht erlaubt, denn sie verzerre den Wettbewerb zulasten der potenziellen Bieter, die aufgrund der Bekanntmachung schon keinen Teilnahmeantrag stellen, weil sie sich zur Erfüllung der Anforderungen nicht in der Lage sehen. Dies gelte auch im Verfahren der beschränkten Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb. Anhand der entsprechenden Bekanntmachung müssten potenzielle Bewerber entscheiden, ob sie sich am Teilnahmewettbewerb beteiligen. An Angaben, die nach deren Empfängerhorizont unabdingbare Anforderungen darstellten, müsse sich die Klägerin daher festhalten lassen. Nach der hier erfolgten Bekanntmachung hätten potenzielle Bewerber davon ausgehen müssen, dass es der Klägerin auf eine Auftragsausführung unabdingbar im benannten Zeitraum ankam, so dass ein Teilnahmeantrag von vornherein aussichtslos gewesen wäre, falls ein Bewerber in dieser Zeit (noch) nicht über freie Kapazitäten verfügte. Diesen Vergabeverstoß habe sie als hinreichenden Grund für einen Teilwiderruf ansehen dürfen. Darauf, dass dem Subventionsgeber durch eine regelungswidrige Auftragsvergabe ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sei, komme es nach der Rechtsprechung des OVG Sachsen-Anhalt nicht an. Sinn der klaren Regelung in Nr. 3 ANBest-GK sei es vielmehr, dass bereits in formeller Hinsicht dem Gebot einer sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln entsprochen werde. Randnummer 40 Schon bei Erlass des Zuwendungsbescheids und Durchführung des Vergabeverfahrens geltendes EU-Recht (Art. 60 b VO (EG) Nr. 1083/2006 vom 11. Juli 2006, ABl. L 210) fordere die Einhaltung der Vorschriften des Vergaberechts, nämlich als einzuhaltende einzelstaatliche Regelungen. Sie habe daher zu Recht die Bewertungsmaßstäbe der von der EU-Kommission herausgegebenen Leitlinien für die Festsetzung von Finanzkorrekturen bei Verstößen gegen die Vorschriften für die Vergabe öffentlicher Aufträge zugrunde gelegt und im Rahmen des Widerrufsermessens die berücksichtigungsfähigen Ausgaben im Zusammenhang mit dem Bauauftrag um 25 % gekürzt. Diese Kürzung sei allein wegen dieses Verstoßes gerechtfertigt. Randnummer 41 Zu (2): Problematisch sei hier, dass die Bieter damit konfrontiert gewesen seien, ein Angebot abzugeben, an das sie bis zum Ablauf der Zuschlagsfrist am 15. September 2017 gebunden gewesen seien, obwohl sie sich im Fall der Zuschlagserteilung bereits mitten im Ausführungszeitraum befunden hätten. In dieser Konstellation verkürze sich die Zeit für die Bauvorbereitung auf Null. Eine verlässliche Kalkulation sei angesichts dieser Informationen nicht möglich. Zwar sei mit dem Schreiben der Klägerin vom 21. August 2014 die Frist bis zur Angebotsabgabe bis zum 29. August 2014 verlängert und der von der Bekanntmachung abweichende Ausführungszeitraum vom 15. September bis 30. November 2014 mitgeteilt worden. Damit sei eine Kalkulationsgrundlage geschaffen worden, aber die verbleibende Angebotsfrist habe unterhalb der Frist des § 10 Abs. 1 VOB/A von mindestens 10 Kalendertagen gelegen, die auch bei Dringlichkeit nicht unterschritten werden dürfe. Die zeitliche Durchführung des Bauvorhabens und die ordnungsgemäße Auftragsvergabe lägen allein im Verantwortungsbereich der Klägerin. Die förderrechtlich maßgeblichen Zeiträume seien im Übrigen nicht unmittelbar verbindlich für die Bauverträge, um die es im Vergabeverfahren gehe. Randnummer 42 Die Beigeladene stellt keinen Antrag. Randnummer 43 Sie trägt vor: Die verbliebenen Gründe für den Widerruf stellten keine Vergabefehler dar, sondern es handle sich um vergaberechtlich zulässige Verfahrensgestaltungen, die die Klägerin im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums habe vornehmen dürfen und müssen. Randnummer 44 Zu (1): Mit der Anpassung des Ausführungszeitraums habe die Klägerin das in der Bekanntmachung benannte Eignungskriterium des Bauausführungszeitraums konkretisiert. Sinn und Zweck der als Eignungsnachweis in der Bekanntmachung verlangten Bestätigung des Bauausführungszeitraums sei nicht die taggenaue Bestätigung gewesen. Vielmehr habe diese Abfrage auf die für die Ermittlung der technischen Leistungsfähigkeit erforderliche Bestätigung der Bewerber gezielt, dass ihnen die Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen in einem eng begrenzten Zeitfenster (hier: Zeitfenster von weniger als drei Monaten) mit den ihnen zur Verfügung stehenden technischen und personellen Mitteln grundsätzlich möglich sei. Dies sei von den Bewerbern auch so erkannt worden. Die nachträgliche Konkretisierung sei vergaberechtskonform. Die Bekanntmachung genüge den Grundsätzen des Wettbewerbs und der Transparenz. Aus ihr gehe hervor, dass die Bauleistungen innerhalb eines sehr begrenzten Zeitrahmens im 2. Halbjahr des Jahres 2014 auszuführen gewesen seien. Damit habe sie potenziellen Interessenten ermöglicht, auf ihrer Grundlage zu entscheiden, ob sie sich in der Lage sahen, diesen Anforderungen nachzukommen. Der Bekanntmachungsinhalt sei nicht unveränderlich, vielmehr dürfe der Auftraggeber ihn nachträglich anpassen, wenn sichergestellt sei, dass diese Konkretisierung allen Interessenten in gleicher Weise zugänglich gemacht werde. Hier sei eine solche Konkretisierung erfolgt und kein neues Eignungskriterium eingeführt worden. Die Verlängerung des Ausführungszeitraums sei im Übrigen auch wirtschaftlich geboten gewesen. Insoweit sei anerkannt, dass der öffentliche Auftraggeber die Ausschreibungsbedingungen nachträglich anpassen dürfe, insbesondere wenn sich sein Beschaffungsbedarf durch äußere Umstände geändert habe. Auch dieser Fall sei gegeben. Der Klägerin sei von der Beklagten die aufgrund technischer Besonderheiten der Baumaßnahme erforderliche Verlängerung des Durchführungszeitraums bewilligt worden. Damit habe am ursprünglichen Ausführungszeitraum nicht festgehalten werden müssen und aus wirtschaftlichen Gründen, weil der Zeitdruck sich ohne Zweifel in höheren Preisen niedergeschlagen hätte, auch nicht dürfen. Die Bieter seien transparent informiert und gleichbehandelt worden. Randnummer 45 Zu (2): Entgegen der Auffassung der Beklagten liege auch kein zum Widerruf führender Vergabefehler darin, dass nicht schon die Aufforderung zur Angebotsabgabe eine Klarstellung zum Bauausführungszeitraum enthalten habe. Die Bieter seien allesamt erfahrene Fachunternehmen gewesen, die – abstellend auf den Empfängerhorizont – alle erkannt hätten, dass der vermeintliche Beginn der Bauausführung (1. September 2014) nach dem Wortlaut der Unterlagen missverständlich rund zwei Wochen vor dem avisierten Tag der Zuschlagserteilung (15. September 2014) gelegen habe. Hieraus hätten sie weder den Schluss ziehen können, dass sie am 1. September 2014 mit der Bauausführung zu beginnen hatten, noch, dass sie bei Zuschlag Beschleunigungsmaßnahmen ergreifen mussten, um die 14 Tage aufzuholen, denn zu solchen Maßnahmen seien sie ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht verpflichtet. Vielmehr sei die Aufforderung so zu verstehen gewesen, dass Zuschlagserteilung und Beginn der Bauausführung zeitlich zusammenfallen. So sei die Aufforderung von den Bietern auch tatsächlich verstanden worden, Nachfragen habe es jedenfalls nicht gegeben. Mit dem Schreiben vom 21. August 2014 sei – vergaberechtlich zulässig – nur klargestellt worden, dass Bauausführungsbeginn der 15. September 2014 war. Mit der Verlängerung der Angebotsfrist um vier Tage habe den Bietern insgesamt eine Angebotsfrist von 22 Tagen zur Verfügung gestanden und damit ausreichend Zeit für eine Kalkulation. Ein Verstoß gegen die Zehntagesfrist sei bei zutreffender Betrachtung des Sachverhaltes nicht gegeben. Randnummer 46 Jedenfalls habe die Beklagte bei der Kürzung um 25 % ihr Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt. Sie habe nach den allgemeinen Regeln der Leitlinie zur Festsetzung von Finanzkorrekturen eine wertende Abwägung aller Umstände des Einzelfalls vornehmen müssen, bei der die Schwere der Unregelmäßigkeit und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen gewesen wären sowie der Aspekt, dass es sich um eine Unregelmäßigkeit lediglich formaler Art handle. Von einem besonders schweren Verstoß, wie ihn die 25 %ige Kürzung erfordere, könne nicht ausgegangen werden, denn negative tatsächliche oder finanzielle Auswirkungen oder eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs seien nicht ersichtlich. Vielmehr habe die Klägerin durch die nachträgliche Konkretisierung des Bauausführungszeitraums höhere Angebotspreise gerade verhindern und eine wirtschaftliche Mittelverwendung sicherstellen können. Randnummer 47 Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung der Kammer.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger, ein Richter, wendet sich gegen seine Verpflichtung, sich nach § 8 LRiG i.V.m. § 53 LBG amtsärztlich (psychologisch) untersuchen zu lassen und ihn behandelnde Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden. Er hat nach der Zurückweisung seines Widerspruchs Klage erhoben. Zur Begründung trägt er u.a. vor, dass es keine Rechtsgrundlage für die angeordnete Schweigepflichtentbindung gebe. Der Beklagte vertritt die Auffassung, dass zur Pflicht, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, auch gehöre, behandelnde Ärzte von der Schweigepflicht zu entbinden und bei weiteren Untersuchungen, z.B. psychologischer Leistungsdiagnostik und organischen Untersuchungen, mitzuwirken. 2 Die Verweisung des Verfahrens an das Dienstgericht für Richter beim LG Karlsruhe wurde nach Abweisung der Beschwerde durch VGH Baden-Württemberg (4 S 1150/09) auf weitere Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben (Beschlüsse vom 17.09.2009, 2 B 69.09).
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
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LG Hamburg 24. Zivilkammer
Hamburg
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20.03.2020
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Randnummer 1 Der Kläger nimmt den Beklagten auf Unterlassung und Erstattung von Rechtsanwaltskosten wegen der Abmahnung in Anspruch. Randnummer 2 Der Kläger ist Geschäftsführer der B. C. GmbH, die Onlinecoaching, Onlinevertrieb und Unternehmensberatung anbietet. Er unterstützt durch die B. C. GmbH das „A. M. b. K.“ in der technischen Abwicklung, dem Marketing und der Durchführung. Das Mentoringprogramm „A. M. b. K.“ stellt eine praktische Umsetzung des von K. verfassten Ratgeberbuchs „D. i. A.!: D. z. B.- G.“ dar. Randnummer 3 Bevor die Kooperation zwischen F. B., einem bekannten Rapper, der unter dem Namen K. auftritt (im Folgenden wird dieser der Öffentlichkeit bekannte Name benutzt), und der  B. C. GmbH zustande kam, arbeitete K. mit dem D. K1 zusammen, mit welchem die Veranstaltung „M., M., B. und E.“ geplant war, die jedoch auf Kritik aus der Fangemeinde stieß und kurzfristig abgesagt wurde (vgl. Anlage B1). Randnummer 4 Der Kläger zeigte sich zusammen mit K. in einem Video mit dem Titel „K. spricht über Erfolg mit M. & A. B. (Interview)“, in welchem die Kooperation beworben wird. In dem Video wird K. als „K., der B.“ vorgestellt, unterhalb des Videos findet sich der Hinweis „Bewirb dich jetzt auf ein kostenloses Erstberatungsgespräch: https://www.a.de “ (vgl. Bl. 4 der Klagerwiderung vom 08.08.2019). Randnummer 5 Auf der Internetseite von A. M. wurde weiterhin in deren Impressum die B. C. GmbH, vertreten durch u.a. den Kläger, angegeben. Die im Internet angegebene Telefonnummer gehörte auch zur B. C. GmbH. Randnummer 6 Der Beklagte bietet selbst Beratungsleistungen an. Er bewirbt seine Leistungsangebote auf seiner Internetseite www. m.- s. .biz mit der Bezeichnung „M. S. / D. M. C.“. Randnummer 7 Im Mai 2019 postete er auf seinem Facebook-Profil folgendes: Randnummer 8 Bild entfernt Randnummer 9 Da der Kläger die Bezeichnung als „Lauch“ nicht hinnehmen mochte, mahnte er den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 24.5.2019 ab und forderte ihn zur Zahlung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf (vgl. Anlage K1). Randnummer 10 Der Beklagte mochte sich zur Abgabe der geforderten Unterlassungserklärung nicht verstehen, so dass der Kläger seinen Anspruch mit der vorliegenden Klage weiterverfolgt. Randnummer 11 Der Kläger meint, der Beklagte bezeichne ihn in diesem Post verachtend als Lauch und bringe damit seine Geringschätzung zum Ausdruck. Das Wort Lauch werde synonym für Trottel oder Idiot verwendet. Die Bezeichnung als Lauch sei ausschließlich darauf gerichtet, ihn verächtlich zu machen, was insbesondere vor dem Hintergrund zu untersagen sei, dass die Parteien in der gleichen Branche tätig seien. Der Beklagte sei nämlich ebenso wie er im Consulting-Bereich tätig. Randnummer 12 Er, der Kläger, sei keine Person des öffentlichen Lebens. Indem der Beklagte gegenüber einem beträchtlichen Personenkreis auf seiner Facebook-Seite die streitgegenständliche Beleidigung verbreitet habe, sei eine Rechtsverletzung erheblichen Ausmaßes gegeben. Sein, des Klägers, Ansehen werde durch die Beleidigung des Beklagten massiv geschädigt. § 185 StGB sei erfüllt. Die Äußerung ziele nur auf eine Schmähung seiner Person vor großem Publikum. Es gebe keinen Anknüpfungspunkt für eine sachliche Auseinandersetzung. Randnummer 13 Er, der Kläger, habe sich den „Habitus und die Gepflogenheiten der Deutschrapszene“ nicht zu eigen gemacht. Die Bezeichnung Lauch sei ohnehin auch in der Deutschrapszene eine gängige Schmähung, die nicht (allein) auf K. zurückzuführen sei. Dass letzterer den Begriff in seinem Buch „D. i. A.!: D. z. B.- G.“ aufgegriffen und weitergehend verwendet habe, ändere nichts an der ursprünglichen Bedeutung als Schmähung. Das freie Wörterbuch Wiktionary führe unstreitig die Bezeichnung Lauch u.a. wie folgt: „[3] Jugendsprache, Plural: abwertender Begriff für jemanden, der sich peinlich verhält“. Der Begriff Lauch ziele auf das Verhalten einer Person ab, nicht auf dessen körperliches Erscheinungsbild. Bereits weit vor der Verwendung des Begriffs durch K. sei der Begriff stark negativ besetzt gewesen. Randnummer 14 Da der Beklagte ebenfalls im Consulting-Bereich tätig sei, seien außerdem die besonderen äußerungsrechtlichen Wertungen des Wettbewerbsrechts zu berücksichtigen, insbesondere § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG. Randnummer 15 Ihm stehe daher auch ein Kostenerstattungsanspruch nach einem Gegenstandswert von 15.000€ zu. Randnummer 16 Der Kläger beantragt, Randnummer 17 1) den Beklagten zu verurteilen, Randnummer 18 a) es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten zu unterlassen, Randnummer 19 ihn, den Kläger, wie nachstehend dargestellt gegenüber Dritten als „Lauch“ zu bezeichnen Randnummer 20 Bild entfernt Randnummer 21 b) an ihn, den Kläger, außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 22 Der Beklagte beantragt, Randnummer 23 die Klage abzuweisen. Randnummer 24 Der Beklagte meint, die Äußerung sei von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt. Randnummer 25 Zwischen den Parteien bestehe kein Wettbewerbsverhältnis. Die B. C. GmbH biete – anders als er, der Beklagte, – keine SEO-Dienstleistungen an. Er, der Beklagte, betreibe jedoch eine SEO-Agentur, in deren Rahmen er Unternehmen, insbesondere aus dem Bereich Pharma und Healthcare, Unterstützung bei der Verbesserung ihrer Auffindbarkeit über Suchmaschinen anbiete. Der hierdurch angesprochene Adressatenkreis sei ein völlig anderer. Das Geschäftsmodell des Klägers ziele auf Einzelpersonen ab, die eine Ausbildung zum Coach machen und dann ihrerseits ihr Wissen verkaufen wollten. Randnummer 26 Der Kläger begebe sich bewusst in die Deutschrapszene und mache sich deren Habitus und Gepflogenheiten zu eigen. Der Begriff Lauch sei in dieser Szene gebräuchlich, was wohl auf die extensive Verwendung durch K. zurückzuführen sei. Der Begriff Lauch werde insbesondere in dem von K. verfassten Ratgeber „D. i. A.!: D. z. B.- G.“ verwendet, jedoch nicht als Synonym für die Begriffe Trottel oder Idiot; vielmehr sei innerhalb dieser Denkwelt jeder ein Lauch, der kein B. oder „A.“ sei. Auch die Rezensionen zu diesem Werk würden zeigen, dass der Begriff Lauch weit von einer Schmähung entfernt sei, so habe etwa unstreitig das Handelsblatt getitelt „So macht sich K. mit seinem Buch zum Lauch“, die Süddeutsche Zeitung habe ihre Rezension zu dem Buch mit „Wir sind alle Lauch“ überschieben. Randnummer 27 Der Kläger nutze die Kooperation mit K., dessen Image und Habitus, um Reichweite zu erzeugen und seine eigenen kommerziellen Interessen zu verfolgen. Dies zeige sich daran, dass er die Denkwelt, in der es Bosse und Lauchs gebe, übernehme, indem er sich unstreitig zusammen mit K. in einem Werbevideo zeige, in dem dieser als „der B.“ vorgestellt werde und ausdrücklich mit „Karriere bei  B. & K.“ werbe und letztlich auch an „A. C.s“ mitverdiene. Randnummer 28 Die fragliche Bezeichnung stelle die zulässige Wiedergabe eines Werturteils dar. Der Begriff Lauch sei schon bei isolierter Betrachtung nicht als Kundgabe einer Missachtung, wie sie §185 StGB voraussetze, einzustufen. Jugendsprachlich sei der Begriff dahingehend zu deuten, dass darunter vorrangig ein nicht muskulöser Mensch, jemand der nicht „aufgepumpt“ sei, zu verstehen sei. Auch die starke Prägung des Begriffs durch K. führe zu keinem anderen Ergebnis, sondern erweitere den neutralen Anwendungsbereich des Begriffs noch. Demnach sei ein Lauch jemand, der „ein ganz normaler Typ“ sei, der seine Freundin möge, seiner Auffassung nach ein angemessenes Gehalt verdiene, sich mit netten Menschen umgebe und auch sonst im Leben zufrieden sei. Randnummer 29 Bei der Auslegung des Begriffes sei die Zugehörigkeit zu Subkulturen zu berücksichtigen, nämlich hier sei die Äußerung vor dem Hintergrund der Deutschrapszene, speziell K., erfolgt. Ohnehin sei indes der Begriff Lauch in den verschiedensten Kreisen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, ohne dass ihm eine diffamierende oder sonst herabwürdigende Bedeutung zukomme. Randnummer 30 Aufgrund der Zulässigkeit der Äußerung scheide ein Kostenerstattungsanspruch aus. Randnummer 31 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2020 sowie auf die bis dahin eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Schriftsatz des Klägers vom 14.02.2020 verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Beschluss Der Streitwert wird auf € 15.000,-- festgesetzt.
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VG Frankfurt 5. Kammer
Hessen
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22.10.2004
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des am 22. 04. 1998 verkündeten Urteils (Az. 5 E 3337/97). Diesem Verfahren lag ein Streit um die Zahlung von Gebühren für die Sicherstellung eines PKW zugrunde. Der Kläger war in diesem Verfahren der Auffassung, die Sicherstellung sei rechtswidrig gewesen, da er mit seinem in Paraguay ausgestellten Führerschein in der Bundesrepublik Deutschland habe zulässigerweise fahren dürfen. Darüber hinaus habe das Fahrzeug seiner Ehefrau gehört und habe schon deshalb nicht sichergestellt werden dürfen. Rechtsmittel gegen das Urteil legte der Kläger nicht ein. Randnummer 2 Mit am 07. 04. 2004 eingegangenem Schreiben hat der Kläger Wiederaufnahme des Verfahrens und rein vorsorglich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Sein Wiederaufnahmebegehren stütze sich auf das Vorliegen neuer, bei der Verhandlung nicht bekannter Tatsachen. Zur Tatzeit sei er gar nicht in Deutschland gemeldet gewesen, was sich aus den Meldebescheinigungen ergebe. Nur wer sich einen zusammenhängenden Zeitraum von 185 Tagen im Land aufhalte, habe hier auch einen Wohnsitz. Er habe einen solchen Wohnsitz nicht gehabt. Der Besuch bei seiner Ehefrau könne ihm nicht zum Nachteil gereichen Randnummer 3 Der Kläger beantragt, unter Wiederaufnahme des Verfahrens das Urteil vom 22. 04. 1998 sowie den Kostenbescheid des Hessischen Polizeiverwaltungsamtes vom 06. 10. 1997 und den Widerspruchsbescheid vom 03. 11. 1997 aufzuheben. Randnummer 4 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 5 Er verweist auf die versäumte Frist des § 586 Abs. 2 ZPO und darauf, das Restitutionsgründe nicht vorlägen. Randnummer 6 Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Akte 5 E 3337/97 sowie den Behördenvorgang des Beklagten. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung in Höhe der noch festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Hessisches Finanzgericht 4. Senat
Hessen
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07.11.2018
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Die Beteiligten streiten darüber, ob § 8b Abs. 7 S. 2 KStG in den in den Streitjahren geltenden Fassungen dahingehend auszulegen sind, dass auch Körperschaften mit Sitz in einem Drittstaat, die über keine Niederlassung im Inland verfügen, von der Vorschrift erfasst sind. Die Klägerin ist eine Kapitalgesellschaft in der Rechtsform einer Limited nach dem Recht der Cayman Islands. Sie wurde dort 199X unter der Nummer X im Gesellschaftsregister eingetragen. Die Klägerin investierte in den Streitjahren das bei ihr von einer Vielzahl von Gesellschaftern, bei denen es sich um Investoren handelt, angelegte Kapital. Dazu schloss die Klägerin ein Investment Management Agreement mit der A LLC; einer Limited Liability Company nach dem Recht des US-Bundesstaates C, als Investmentmanager und der B LP, einer Limited Partnership nach dem Recht des US-Bundesstaates C, als Management Company ab. Diese beiden Gesellschaften waren in den Streitjahren in D in dem US-Bundesstaat E ansässig. Das Tagesgeschäft der Klägerin wurde dementsprechend aus D, E geführt. Für die steuerliche Behandlung in den Vereinigten Staaten von Amerika wurde das Einkommen der Klägerin unmittelbar den Gesellschaftern zugerechnet. Insoweit kam es in Deutschland zu einer Freistellung. Die Klägerin investierte auch in Deutschland in Aktien börsennotierter Gesellschaften, so in die F AG, in die G AG, in die H SE & KGaA sowie in die J AG & KGaA. Dabei wurde die 1%-Grenze des § 17 EStG erreicht. In den Jahren 2005, 2007 und 2009 erzielte die Klägerin Veräußerungsgewinne aus ihren Aktiengeschäften. Der dargestellte Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Zwischen den Beteiligten ist auch unstreitig, dass es sich bei einem Rechtstypenvergleich bei der Klägerin um eine der Rechtsform der deutschen GmbH vergleichbare Rechtsform und mithin steuerlich um eine Kapitalgesellschaft handelt. Ebenfalls unstreitig ist, dass die Klägerin Sitz und Ort der Geschäftsleitung außerhalb des EU/EWR-Raumes hat. Ferner ist die Ermittlung der mit den Aktien erzielten Veräußerungsgewinne unstreitig. Nachdem die Klägerin auf die ihr zuvor nicht bekannten, möglichen deutschen Steuerpflichten hingewiesen wurde, reichte sie am 27. Oktober 2010 unter anderem für die Veranlagungszeiträume 2005, 2007 und 2009 Körperschaftsteuererklärungen beim Beklagten ein und erklärte 5 % des Veräußerungsgewinns als in Deutschland zu versteuerndes Einkommen nach § 8b Abs. 2 und 3 S. 1 KStG. Mit Datum vom 19. November 2010 erließ der Beklagte erklärungsgemäß Körperschaftsteuerbescheide unter anderem für die Veranlagungszeiträume 2005, 2007 und 2009 gemäß § 164 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Mit Prüfungsanordnung vom 19. April 2011 ordnete der Beklagte für die streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume eine Außenprüfung an, die zu keinen abweichenden Feststellungen führte. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde jedoch nicht aufgehoben. Mit Datum vom 14. Dezember 2012 änderte der Beklagte die Körperschaftsteuerfestsetzungen für die streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume nach § 164 AO. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass § 8b Abs. 7 KStG zur Anwendung komme, und zwar mit der Folge, dass sämtliche Veräußerungsgewinne und nicht lediglich 5 % die Bemessungsgrundlage der inländischen Besteuerung bilden. § 8b Abs. 7 KStG lautete im Jahr 2005 wie folgt: "Die Absätze 1 bis 6 sind nicht auf Anteile anzuwenden, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten nach § 1 Abs. 12 des Gesetzes über das Kreditwesen dem Handelsbuch zuzurechnen sind. Gleiches gilt für Anteile, die von Finanzunternehmen im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben werden. Satz 2 gilt auch für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft oder in einem anderen Vertragsstaat des EWR-Abkommens." Für die Streitjahre 2007 und 2009 galt eine an das geänderte KWG angepasste Fassung des § 8b Abs. 7 KStG: "Die Abs. 1 bis 6 sind nicht auf Anteile anzuwenden, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten nach § 1a des Kreditwesengesetzes dem Handelsbuch zuzurechnen sind. Gleiches gilt für Anteile, die von Finanzunternehmen im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben werden. Satz 2 gilt auch für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Gemeinschaft oder in einem anderen Vertragsstaat des EWR-Abkommens." Gegen die Änderungsbescheide erhob die Klägerin mit Schreiben vom 9. Januar 2013 Einsprüche. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens setzte der Beklagte die Körperschaftsteuer mit Bescheiden vom 14. Juni 2013 betreffend 2007 und vom 24. Juli 2013 betreffend 2009 neu fest, indem Veräußerungsverluste aus den Jahren 2008 und 2010 Berücksichtigung fanden. Mit Bescheid vom 5. Juli 2016 änderte der Beklagte (im Einvernehmen mit der Klägerin) den Körperschaftsteuerbescheid für 2009 (neben den nunmehr auf 0 € lautenden Bescheiden für 2008 und 2010) dahingehend, dass die darin bereits enthaltene teilweise Vorläufigkeit auf die Frage erweitert wurde, ob die in § 17 Abs. 2 S. 6 Buchst. b) EStG im Einzelnen in Bezug genommenen Voraussetzungen in tatsächlicher Hinsicht vorliegen. Soweit der Beklagte diesbezüglich während des Einspruchsverfahrens bei der Klägerin Anfragen stellte, teilte diese mit, dass sich der Streitfall an der Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 8b Abs. 7 KStG auf im Drittland ansässige Finanzunternehmen entscheiden werde und dass sie aufgrund dieses Umstandes sowie aus Gründen der Verfahrensökonomie darauf verzichte, ihr Vorbringen zum Nichtbestehen einer Erwerbsabsicht zur Erzielung eines kurzfristigen Eigenhandelserfolges weiter zu substantiieren. Die Einsprüche gegen die (geänderten) Körperschaftsteuerbescheide der Streitjahre wurden als unbegründet zurückgewiesen. Der Beklagte ist im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens zur Auffassung gelangt, dass § 8b Abs. 7 S. 2 KStG auf die Klägerin als in einem Drittstaat ansässige Gesellschaft anzuwenden sei. Zur Begründung verweist er darauf, dass die Klägerin als ein Finanzunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 und Nr. 5 KWG und damit im Sinne des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG zu qualifizieren sei. Daran könne § 8b Abs. 7 S. 3 KStG nichts ändern. Dass § 8b Abs. 7 S. 3 KStG die Anwendung des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG auf Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen EU/EWR-Staat anordne, bedeute im Umkehrschluss nicht, dass im Drittland ansässige Finanzunternehmen nicht unter die Regelung fielen. Es gebe keine derartige Bikonditionalität von Tatbestand und Rechtsfolge in § 8b Abs. 7 S. 3 KStG, sondern die Gesamtkonzeption lasse auf einen globalen Wirkungsrahmen schließen. Der BFH und das FG Hamburg hätten dem Wortlaut des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG eine Eindeutigkeit beigemessen, die einer Einschränkung der Vorschrift nach § 8b Abs. 7 S. 3 KStG diametral entgegenstehe. Auch sei ein Finanzunternehmen aus einem Drittstaat ein Finanzunternehmen im Sinne des KWG. Dies ergebe sich auch aus § 10a KWG. Der § 8b Abs. 2 S. 1 KStG enthalte erkennbar keine Beschränkung auf rein inländische Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute. Denn nach § 53 Abs. 1 S. 1 KWG würden inländische Zweigstellen eines im Ausland ansässigen Unternehmens als Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitute fingiert. Dabei seien aber im europäischen Wirtschaftsraum ansässige Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute aufgrund des sogenannten Europäischen Bankenpasses von der inländischen Finanzaufsicht und damit auch der Führung eines Handelsbuches über § 53b Abs. 1 S. 1 und 3 KWG ausgenommen. Nachdem bereits § 8b Abs. 7 S. 1 KStG keinen alleinigen Fokus auf im Inland ansässige Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute habe, müsse gleiches auch für den § 8b Abs. 7 S. 2 KStG gelten. Das werde dann auch durch § 8b Abs. 7 S. 3 KStG bestätigt, der Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute sowie Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU oder des EWR den Finanzunternehmen des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG gleichstelle. Insoweit sei § 8b Abs. 7 S. 3 KStG für die betreffenden Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute aus der EU/EWR konstitutiv und für die betreffenden Finanzunternehmen aus der EU/EWR deklaratorisch. Es könne dahinstehen, ob dieses Ergebnis dem Zeitdruck im Gesetzgebungsverfahren geschuldet sei. Es ergebe sich daraus, dass § 8b KStG kein positiv-determiniertes Regelungskonzept enthalte, sondern dass § 8b Abs. 7 KStG eine Ausnahmevorschrift zu den § 8b Abs. 1 bis 6 KStG darstelle, die ohne Zweifel auch im Drittland ansässige Körperschaften umfassten. Die Aufführung der Finanzunternehmen in § 8b Abs. 7 S. 3 KStG sei eine entbehrliche Doppelung. Soweit die Klägerin auf bei dieser Rechtsauffassung entstehende Verwerfungen zwischen § 8b Abs. 7 S. 1 KStG (nur für im Drittland ansässige Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute mit inländischer Betriebsstätte) und § 8b Abs. 7 S. 2 KStG (alle Finanzunternehmen aus Drittstaaten unabhängig von einer Zweigniederlassung im Inland) hinweise, werde verkannt, dass es keine vollständige Kongruenz zwischen den Bereichen gebe. Schließlich würden auch Finanzunternehmen aus der EU oder dem EWR von § 8b Abs. 7 S. 3 KStG erfasst, soweit sie keine inländische Betriebsstätte hätten. Das müsse dann auch für Finanzunternehmen aus Drittstaaten gelten. Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 8b Abs. 7 KStG ergäben sich keine anderweitigen Anhaltspunkte für eine abweichende Behandlung von im Drittland ansässigen Unternehmen. Die Vorschrift sei auf Betreiben der Kreditwirtschaft aufgenommen worden, damit Verluste im Aktien- und Derivatehandel Berücksichtigung finden könnten. Der Gesetzgeber habe bei Einführung der Regelung nicht ausdrücklich hervorgehoben, dass er das Regelungskonzept auf im Inland sowie im europäischen Wirtschaftsraum ansässige Steuerpflichtige beschränkt wissen wollte. Auch Akteure aus Drittstaaten würden am inländischen Finanzmarkt auftreten. Das entspreche auch der Teleologie der Vorschrift, die auf den Schutz des inländischen Finanzmarktes gerichtet sei. Nach dem Rechtsverständnis der Klägerin seien Finanzunternehmen aus Drittstaaten mit oder ohne inländische Betriebsstätte so zu behandeln, dass Gewinne steuerfrei, Verluste nicht abziehbar und Ergebnisse aus der Absicherung dienender Derivategeschäfte nach § 15 Abs. 4 EStG nur sehr begrenzt, nämlich nur untereinander verrechenbar wären. Damit treten negative Besteuerungsfolgen ein, die der Gesetzgeber zum Schutz des inländischen Finanzmarktes gerade habe vermeiden wollen. Es sei fernliegend, dass der Gesetzgeber diese Schutzwirkung nur auf in einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw. dem EWR ansässige Akteure habe erstrecken wollen. Dafür spreche auch der Anwendungsvorrang des Europarechts, hier in Form der auch Drittstaaten betreffenden Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV bzw. zuvor Art. 56 EGV. Die Erwerbe der Klägerin seien auch zur Erzielung eines kurzfristigen Eigenhandelserfolges im Sinne von § 8b Abs. 7 S. 2 KStG vorgenommen worden. Etwas anderes sei von der Klägerin nicht nachgewiesen worden, die aber bei diesem Auslandssachverhalt erhöhte Mitwirkungspflichten habe. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2016 Bezug genommen. Dagegen richtet sich die am 17. August 2016 beim Hessischen Finanzgericht eingegangene Klage. Die Klägerin meint, dass § 8b Abs. 7 KStG auf sie keine Anwendung finde. Die Klägerin sei kein Finanzunternehmen im Sinne des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG. Denn zur Begriffsbestimmung sei nach dem Wortlaut der Norm das KWG heranzuziehen, das eine aufsichtsrechtliche Wirkung nur im Fall eines Sitzes oder einer hier nicht vorliegenden Zweigniederlassung im Inland entfalten könne. Das KWG diene nämlich der Sicherung und Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft sowie dem Schutz der Gläubiger von Kreditinstituten vor Verlust ihrer Einlagen. Es sei daher auf Unternehmen zugeschnitten, die im Inland Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen würden. Der bloße Erwerb von Aktien an der Börse durch einen Anleger aus einem Drittstaat weise keinen kreditaufsichtsrechtlichen Bezug auf. § 1 KWG beziehe sich auf inländische Unternehmen. Für ausländische Unternehmen sehe das KWG in den §§ 53 ff. KWG Sondervorschriften vor, wenn diese im Inland über eine Zweigstelle Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen anbieten würden. Anderenfalls müsste die BaFin sämtliche Holdinggesellschaften der Welt kontrollieren, was von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nicht gedeckt sei. Dagegen spreche nicht, dass der BFH für den Fall einer inländischen Holdinggesellschaft dem Begriff des Finanzunternehmens im Sinne von § 8b Abs. 7 S. 2 KStG weit ausgelegt habe, weil in dieser Entscheidung der BFH klargestellt habe, dass § 8b Abs. 7 S. 2 KStG tatbestandlich an das Kreditwesengesetz anknüpfe und sich deshalb auf inländische Finanzunternehmen erstrecke. Gegen das Eingreifen des § 8b Abs. 7 KStG spreche bei einer Unterstellung der Einstufung als Finanzunternehmen, dass die Klägerin kein Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut im Sinne des S. 1 der Vorschrift sei und nach dem Wortlaut des S. 2 in Zusammenschau mit dem S. 3 der Vorschrift Finanzunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat nicht erfasst würden. Denn es würde einen nicht auflösbaren Widerspruch der Norm darstellen, wenn die einheitliche Regelung in § 8b Abs. 7 S. 3 KStG für Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen mit Sitz in einem anderen EU- oder EWR-Staat teils konstitutiv und teils deklaratorisch wirken würde. Bei der Auslegung seien insoweit der Gesetzeswortlaut und der Sinnzusammenhang der Vorschrift zu berücksichtigen. Entscheidend sei, dass erst § 8b Abs. 7 S. 3 KStG ("Satz 2 gilt auch") den Normbefehl des S. 2 des § 8b Abs. 7 KStG für die ausländischen Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute mit Sitz in der EU bzw. EWR für anwendbar erkläre. Es wäre ein Widerspruch bei drei gleichrangig im Gesetz aufgeführten Fällen - Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen - zweimal von einer konstitutiven Wirkung der Norm und einmal von einer entbehrlichen Doppelung, also einer deklaratorischen Wirkung auszugehen. Würde § 8b Abs. 7 S. 2 KStG von vornherein einen weltweiten Anwendungsbereich haben, müsse Satz 3 schlicht als überflüssig, unlogisch und als im Widerspruch zu Satz 2 stehend angesehen werden. Für das vorstehende Auslegungsergebnis spreche auch, dass die Klägerin bei Einstufung als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut ohne eine inländische Zweigniederlassung unstreitig nicht unter § 8b Abs. 7 KStG fiele. Für dieses Auslegungsergebnis spreche auch die Entstehungsgeschichte des § 8b Abs. 7 KStG. Die Einführung sei mit dem Ziel erfolgt, einer drohenden Schwächung des deutschen Finanzplatzes entgegenzuwirken. Bei einer unbeschränkten Erstreckung des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG auf Finanzunternehmen aus Drittstaaten sei dagegen keine Besteuerung nach einheitlichen Kriterien für alle drei Kategorien - Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen - gewährleistet, da Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute aus Drittstaaten allenfalls bei inländischer Zweigstelle von § 8b Abs. 7 erfasst würden. § 8b Abs. 7 KStG könne auch deshalb nicht greifen, weil die Regelung nach ihrem Sinn und Zweck Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen Verlustverrechnungen ohne die Begrenzungen nach § 15 Abs. 4 S. 4 und 5 EStG und auch Teilwertabschreibungen ermöglichen wolle. Dazu könne es aber nur im Fall einer inländischen Betriebsstätte und entsprechender Ermittlungen des Ergebnisses einer Betriebsstätte kommen. Dagegen seien nach § 17 Abs. 2 S. 6 EStG nicht einmal alle Veräußerungsverluste zu berücksichtigen. Auch das Europarecht führe zu keinem anderen Ergebnis, weil zum einen die Niederlassungsfreiheit nach ständiger Rechtsprechung des EuGH gegenüber der Kapitalverkehrsfreiheit vorrangig sei zum anderen könnten die EU-Grundfreiheiten nicht dafür herangezogen werden, um entgegen Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte und Zweck einer Norm eine Steuerbelastung zu begründen. Die Klägerin beantragt, die Körperschaftsteuerbescheide 2005 vom 14. Dezember 2012, 2007 vom 14. Juni 2013 und 2009 vom 14. Juli 2013/5. Juli 2016 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2016 dahingehend zu ändern, dass die festgesetzte Körperschaftsteuer auf 0 € herabgesetzt wird, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, hilfsweise die Revision zuzulassen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen. Der Beklagte meint in Ergänzung zu den in der Einspruchsentscheidung aufgeführten Gründen, dass § 8b Abs. 7 KStG im vorliegenden Fall Anwendung finden müsse. Denn mit der Formulierung "nach § 1 Abs. 12 des Gesetzes über das Kreditwesen" bzw. "nach § 1a des Kreditwesengesetzes" in Satz 1 arbeite das Gesetz mit einer normgenauen Außenverweisung auf die entsprechende Regelung im Kreditwesengesetz. Demgegenüber finde sich in Satz 2 mit der Formulierung "im Sinne des Gesetzes über das Kreditwesen" eine andere Verweisungstechnik, wonach der Normgeber eine bloße inhaltsbezogene Außenverweisung auf das Kreditwesengesetz allgemein anordne. Arbeite der Normgeber in einem Absatz einer Norm mit unterschiedlicher - im Handbuch der Rechtsförmlichkeit vorgesehenen - Verweisungstechnik, könne nicht davon ausgegangen werden, dass beide Verweisungen bei der Auslegung gleich zu behandeln seien. Die im Kern auf Sinnhaftigkeitsüberlegungen abstellende Auffassung der Klägerin verkenne, dass ihre Auslegung diesem klaren Gesetzeswortlaut des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG widerspreche. Denn das gesetzte Recht sei bei den Finanzunternehmen gerade nicht auf Inlandskonstellation beschränkt. Deshalb könne es auch dahinstehen, ob sich die von der Klägerin angestellten Sinnhaftigkeitsüberlegungen als zutreffend erweisen könnten. Auch der BFH verstehe die Regelung des § 8b Abs. 7 S. 2 KStG und den dortigen Verweis in seinem Urteil vom 14. Januar 2009 (I R 36/08, BStBl II 2009, 671) als tatbestandliche Anknüpfung an das Kreditwesengesetz. Für das normative Verständnis des Beklagten spreche auch eine den gesamten § 8b KStG einbeziehende Betrachtung, wonach sich die Formulierung "im Sinne des" in § 8b KStG in seiner Fassung für 2009 insgesamt neunzehnmal finde. Mit den in § 8b Abs. 1 und 2 enthaltenen Verweisungen auf Einzeltatbestände des § 20 EStG werde - wie auch einige Kommentatoren klarstellten - nur auf die Begriffsbestimmung, nicht aber auf die Qualifikation der Bezüge als Einkünfte aus Kapitalvermögen verwiesen. Es sei nur zu prüfen, ob die erzielten Einkünfte ihrer Art nach unter § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10a EStG fielen. Von diesem Verständnis gehe auch die Klägerin selbst aus, wenn sie für die erzielten Veräußerungsgewinne aus den Aktientransaktionen die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 S. 1 KStG in Anspruch nehmen wolle, obwohl sie gerade keine Einkünfte aus Kapitalvermögen, sondern wegen der Subsidiarität Einkünfte aus § 17 EStG erziele. Es sei aber inkonsistent, die identische Außenverweisung in derselben Norm fünf bzw. sechs Absätze später grundlegend anders zu verstehen. Der Rechtsanwender müsse in § 8b Abs. 7 S. 2 KStG nur prüfen, ob das in Rede stehende Rechtssubjekt sich tatbestandlich, mithin abstrakt oder seiner Art nach als Finanzunternehmen nach dem Kreditwesengesetz qualifiziere oder nicht. Es komme gerade nicht darauf an, dass das in Rede stehende Rechtssubjekt konkret der deutschen Aufsicht unterliege. Mit diesem Befund falle auch der zweite Erwägungsgrund der Klägerin, sie falle schon als in einem Drittstaat ansässige Gesellschaft nicht in den Anwendungsbereich des § 8b Abs. 7 KStG weitgehend in sich zusammen. § 8b Abs. 7 S. 2 KStG sei gerade keine Inlandsbeschränkung zu entnehmen. Zum anderen lasse sich eine solche auch aus einem Umkehrschluss nicht entnehmen. Denn die in § 8b Abs. 7 S. 2 ausdrücklich angeordnete globale Verweisung würde ins Gegenteil verkehrt werden. Es werde aber nicht verkannt, dass die Auslegung durch den Beklagten auch eine Unwucht in sich trage, indem bei den drei gleichrangig nebeneinander aufgeführten Begriffen Kreditinstitut, Finanzdienstleistungsinstitute und Finanzunternehmen das Gesetz zweimal konstitutiv und einmal nur deklaratorisch wirken solle. Die Auslegung der Klägerin überzeuge aber auch deshalb nicht, weil im Fall eines inländischen oder im EU/EWR-Raum ansässigen Finanzunternehmens eine Steuerbefreiung der gegenständlichen Beteiligungserträge nicht in Betracht komme, jedoch im Falle der Ansässigkeit in einem Drittstaat nach der durch die Klägerin begehrten Lesart des Gesetzes eine Abrechnung im Rahmen der Ermittlung des Einkommens aber gesetzlich angeordnet sein solle, was gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG verstoße. Die Klägerin ist im Rahmen ihrer Replik der Auffassung, dass schon nicht verständlich sei, weshalb eine Verweisung auf einen Paragrafen (§ 1a KWG) normgenau sein solle, während eine Verweisung auf ein Gesetz, bei der der Beklagte von einer Verweisung auf einen bestimmten Absatz eines Paragrafen ausgehe (§ 1 Abs. 3 KWG) nicht normgenau, sondern inhaltsbezogen sein solle. Zudem treffe das Handbuch der Rechtsförmlichkeit keineswegs die Aussage, "im Sinne des" stelle eine Verweisung dar, bei der nur abstrakt an Tatbestände angeknüpft werde. Nach dem Handbuch der Rechtsförmlichkeit seien die Begriffe "nach" und "im Sinne des" damit Synonym, eine unterschiedliche Verweisungstechnik sei diesem gerade nicht zu entnehmen. Die Kommentatoren, auf die sich die Klägerin hinsichtlich der "im Sinne des"-Verweisung beziehe, würden ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass § 8b Abs. 7 KStG keine Anwendung auf Finanzunternehmen mit Sitz im Ausland finde. Der Beklagte lasse die Frage offen, weshalb § 8b Abs. 7 S. 2 KStG auf das KWG insgesamt und nicht auf § 1 Abs. 3 KWG verweise, obgleich er davon ausgehe, es handele sich nur um eine abstrakte Verweisung auf diesen Absatz ohne Berücksichtigung des aufsichtsrechtlichen Kontextes. Der Wortlaut der Verweisung auf das KWG insgesamt spreche dagegen dafür, dass dieses insgesamt zu berücksichtigen sei, also gerade einschließlich der aufsichtsrechtlichen Unterwerfung. Die vom Beklagten zitierte BFH-Entscheidung bejahe eine tatbestandliche Anknüpfung an das Kreditwesengesetz und betone, dass ausschlaggebend für die Tatbestandsmäßigkeit von § 8b Abs. 7 S. 2 KStG die kreditwesenrechtliche Regelungslage sei, was vermuten lasse, dass der BFH nicht von einem abstrakten Begriff ausgehe, sondern von der aufsichtsrechtlichen Anknüpfung. Die S. 1 bis 3 des § 8b Abs. 7 KStG seien im Zusammenhang zu lesen, zumal es einen Zirkelschluss darstelle, bei der Auslegung des S. 2 den Umkehrschluss aus S. 3 deshalb nicht zu ziehen, weil das zunächst gefundene Auslegungsergebnis des S. 2 ein anderes sei, obgleich es gerade um die Überprüfung des Auslegungsergebnisses des S. 2 gehe. Die Beteiligten hatten im Rahmen dieses Verfahrens auch über die dem Streit über § 8b Abs. 7 KStG nachgelagerte Frage gestritten, ob der von einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft erzielte Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft gemäß § 8b Abs. 2 S. 1 KStG steuerfrei ist und die 5%-Regelung Anwendung findet. Der BFH hat im Verfahren I R 37/15 mit Urteil vom 31. Mai 2017 entschieden, dass der von einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft erzielte Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft gemäß § 8b Abs. 2 S. 1 KStG steuerfrei ist. Die Fiktion nichtabziehbarer Betriebsausgaben nach Maßgabe von § 8b Abs. 3 S. 1 KStG greift nach dem Urteil des BFH nicht, wenn die veräußernde Körperschaft im Inland über keine Betriebsstätte und keinen ständigen Vertreter verfügt. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2017 deutlich gemacht, dass er dieses Urteil generell anwendet, am Klageabweisungsantrag jedoch mit Blick auf die aus seiner Sicht vorgelagerte Anwendung des § 8b Abs. 7 KStG festhält. Dem Gericht haben die Körperschaftsteuerakte sowie zwei Sonderbände Rechtsbehelf, ein Sonderband Verträge und ein Sonderband Betriebsprüfungsberichte vorgelegen. Ihr Inhalt ist zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden.
Die Körperschaftsteuerbescheide für 2005 vom 14. Dezember 2012, für 2007 vom 14. Juni 2013 und für 2009 vom 24. Juli 2013 - ergänzt durch den Vorläufigkeitsvermerk vom 05.07.2016 - jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2016 werden dahingehend geändert, dass die festgesetzte Körperschaftsteuer auf 0 € herabgesetzt wird. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 7. Senat
Schleswig-Holstein
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20.12.2016
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Aufhebung einer Rentenauszahlung für den Zeitraum 01. Oktober 2011 bis 31. August 2012 und eine verbleibende Erstattungsforderung der Beklagten in Höhe von 2.804,81 EUR. Randnummer 2 Auf Antrag der am …1954 geborenen Klägerin gewährte die Beklagte ihr mit Bescheid vom 06. Februar 2007 mit Wirkung ab dem 1. September 2006 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Der Auszahlungsanspruch für diese Rente betrug monatlich 525,28 EUR (monatlicher Rentenanspruch vor Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen: 609,25 EUR). Ab März 2007 ging die Klägerin halbtags einer Erwerbstätigkeit in abhängiger Beschäftigung beim Schleswig-Holsteinischen Landtag nach. Sie arbeitete als Referentin. Randnummer 3 Die Klägerin war ab dem 19. September 2011 arbeitsunfähig und bezog ab dem 31. Oktober 2011 Krankengeld. Die Klägerin ist bei der AOK ... gesetzlich krankenversichert. Am 24. November 2011 beantragte sie bei der Beklagten eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 4. Juli 2012 gewährte die Beklagte der Klägerin anstelle der bisherigen Rente ab dem 01. Oktober 2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der monatliche Auszahlungsbetrag ab dem 1. September 2012 betrug 1.172,84 EUR. Für die Zeit vom 01. Oktober 2011 bis zum 31. August 2012 errechnete die Beklagte einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 12.675,61 EUR. Die Nachzahlung wurde vorläufig nicht ausgezahlt, da zunächst Ansprüche der Krankenkasse der Klägerin zu klären waren. Randnummer 5 Mit dem Bescheid vom 4. Juli 2012 (Anlage 10) hob die Beklagte den Bescheid vom 06. Februar 2007 über die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinsichtlich des Zahlungsanspruches für die Zeit vom 01. Oktober 2011 bis zum 31. August 2012 auf. Sie errechnete ferner eine Überzahlung in Höhe von 6.337,76 EUR, die zu erstatten sei. Durch den Auszahlungsanspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung sei im Hinblick auf den Auszahlungsanspruch für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung eine wesentliche Änderung eingetreten. Da nach Erlass des Bescheides vom 6. Februar 2007 durch den Auszahlungsanspruch aus der Rente wegen voller Erwerbsminderung Einkommen erzielt worden sei, welches zum Wegfall des Anspruchs führe, sei dieser Bescheid mit Wirkung ab dem 1. Oktober 2011 aufzuheben. Randnummer 6 Am 13. Juli 2012 legte die Klägerin Widerspruch ein. Randnummer 7 Die AOK ... berechnete für die Zeit vom 31. Oktober 2011 bis zum 28. Juni 2012 einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 9.142,66 EUR wegen gezahlten Krankengeldes. Der Erstattungsanspruch setzt sich wie folgt zusammen: Die AOK ... zahlte für jeden Tag den Tagessatz für Krankengeld in Höhe von 47,75 EUR. Für den 31. Oktober 2011 zahlte sie somit 47,75 EUR. Für die Zeit vom 01. November 2011 bis zum 31. Mai 2012 zahlte sie insgesamt 10.027,50 EUR und für die Zeit vom 01. Juni 2012 bis 28. Juni 2012 1.337,00 EUR. Den Zahlungen für diese Zeiträume stellte sie Rentenansprüche der Klägerin in Höhe von 37,02 EUR für den 31. Oktober 2011, 8.034,39 EUR für den Zeitraum 01. November 2011 bis 31. Mai 2012 und 1071,25 EUR für die vom Zeit 1. bis 28. Juni 2012 insgesamt 9.142,66 EUR gegenüber. Randnummer 8 Mit Bescheid vom 10. August 2012 hob die Beklagte den Bescheid vom 06. Februar 2007 über die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hinsichtlich des Zahlungsanspruches für die Zeit ab 01. Oktober 2011 auf. Für die Zeit vom 01. Oktober 2011 bis 31. August 2012 ergebe sich eine Überzahlung von 6.337,76 EUR. Der überzahlte Betrag sei zu erstatten. Er sei im Interesse der Klägerin bereits mit der Nachzahlung der Rente wegen voller Erwerbsminderung aus dem Bescheid vom 04. Juli 2012 verrechnet worden, die nach Erfüllung der Ansprüche anderer Stellen - gemeint der AOK ... - verblieben sei. Die restliche Überzahlung betrage noch 2.804,81 EUR. Dieser Betrag sei zurückzuzahlen. Wenn für denselben Zeitraum Ansprüche auf mehrere Renten aus eigener Versicherung beständen, werde nach § 89 Abs. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) nur die höchste Rente geleistet. Die mit Bescheid vom 04. Juli 2012 bewilligte Rente wegen voller Erwerbsminderung stelle bezogen auf die mit Bescheid vom 06. Februar 2007 bewilligte Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung Einkommen im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dar. In ihrer Begründung bezog sich die Beklagte auf das Urteil des BSG vom 07. September 2010, Az B 5 KN 4/08 R. Randnummer 9 Gegen den Bescheid vom 10. August 2012 legte die Klägerin am 17. August 2012 Widerspruch ein. Die Berechnung der Rückforderung in Höhe von 6.337,76 EUR sei rechtswidrig. Das von der Beklagten zitierte Urteil könne auf ihren Fall keine Anwendung finden. Es habe sich um eine Einzelfallentscheidung gehandelt und nicht um eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, die nunmehr auf alle Verfahren Anwendung zu finden habe. Ferner handele es sich bei der Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht um Einkommen im Sinne des § 48 SGB X, da es sich um dieselbe Rentenart handele. Sie habe auf den Bezug der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung vertrauen dürfen und daneben Hinzuverdienst erzielt bzw. Krankengeld bezogen. Die Aufhebung der Teilrente stelle hierzu eine Änderung zu ihren Ungunsten dar, da es ihr gegenüber damit zu einer Überzahlung komme, die sie persönlich zurückzuzahlen habe. Da eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und wegen voller Erwerbsminderung jeweils dieselbe Rentenart sei, sei die Nachzahlung lediglich in Höhe der Differenz zwischen der teilweisen und der vollen Erwerbsminderungsrente festzustellen. Diese Nachzahlung sei dann auch korrekterweise mit der Krankenkasse abzurechnen. Ferner sei die Reihenfolge der getätigten Erstattungen nicht nachvollziehbar. Randnummer 10 Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 04. Juli 2012 und 10. August 2012 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2013 zurück. Nach Verrechnung mit der noch aus dem Bescheid vom 04. Juli 2012 zur Verfügung stehenden Nachzahlung in Höhe von 3.532,95 EUR ergebe sich ein noch zu erstattender Überzahlungsbetrag in Höhe von 2.804,81 EUR. Im Übrigen wiederholte und vertiefte die Beklagte die Begründungen vom 04. Juli 2012 und 10. August 2012. Die zitierte Entscheidung des BSG sei zwar zu einer Rente für Bergleute ergangen, sei jedoch auf andere Fallgestaltungen übertragbar. Die Träger der Rentenversicherung hätten sich entschieden, dem vorgenannten Urteil des BSG beim Zusammentreffen mehrerer Renten nach § 89 SGB Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) mit Erstattungsansprüchen nach § 103 SGB X über den Einzelfall hinaus zu folgen. Nach sorgfältiger Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Rückzahlung und den privaten Interessen der Klägerin müsse sie von ihrem Rückforderungsanspruch Gebrauch machen. Sie sei verpflichtet, das Vermögen der Versichertengemeinschaft nach bestem Wissen und Gewissen treuhänderisch zu verwalten. Das zwinge zu einer sparsamen Haushaltsführung, so dass auf eine Rückforderung nicht verzichtet werden könne. Die Fristen für die Bescheidrücknahme nach § 45 Abs. 3 bzw. 4 SGB X seien nicht abgelaufen. Randnummer 11 Dagegen hat die Klägerin am 06. Mai 2013 bei dem Sozialgericht Schleswig Klage erhoben. Sie hat ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend hat sie die Auffassung vertreten, in § 89 SGB VI sei nicht geregelt, dass ein grundsätzlich bestehender Anspruch als solcher ende. Die Rentenansprüche sollten danach im Grundsatz bestehen bleiben, lediglich der Auszahlungsanspruch auf die niedrigere Rente werde gehemmt. In der von der Beklagten zitierten Entscheidung des BSG sei es um Renten mit unterschiedlichen Schutzfunktionen gegangen. Hier gehe es um ein und dieselbe Rente mit einer einheitlichen Schutzfunktion, nämlich dem Schutz vor dem Risiko, bei eingeschränktem Leistungsvermögen nicht mehr in vollem Umfang auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein zu können. Die Rente wegen voller Erwerbsminderung gehe daher in der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (teilweise) auf. Daher scheide eine Aufhebung nach § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB X aus. Dementsprechend könnten Forderungen der Krankenversicherung nur gegebenenfalls mithilfe des im Bescheid vom 04. Juli 2012 ausgewiesenen Nachzahlungsbetrages beglichen werden, Rückerstattungsansprüche gegenüber der Klägerin könnten jedoch nicht geltend gemacht werden. Randnummer 12 Die Klägerin hat beantragt, Randnummer 13 die Bescheide der Beklagten vom 04. Juli 2012 und 10. August 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2013 aufzuheben, soweit damit ein Betrag von 2.804,81 EUR zur Erstattung verlangt worden ist. Randnummer 14 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 15 die Klage abzuweisen. Randnummer 16 Sie hat sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid bezogen. Randnummer 17 Das Sozialgericht Schleswig hat die Klage mit Urteil vom 19. Mai 2015 abgewiesen. Die Beklagte könne von der Klägerin noch einen Betrag in Höhe von 2.804,81 EUR zur Erstattung verlangen. Der im Bescheid vom 04. Juli 2012 ausgewiesene Nachzahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 12.675,61 EUR gelte jedoch gegenüber der Klägerin mit Erstattung von 9.142,66 EUR an die AOK ... für die Zeit vom 31. Oktober 2011 bis 28. Juni 2012 als erfüllt. Der Anspruch der Klägerin gegen ihre Krankenkasse auf Krankengeld für die Zeit vom 31. Oktober 2011 bis 28. Juni 2012 sei durch den Beginn der Leistung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Oktober 2011 nach § 50 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) rückwirkend weggefallen. Daher habe die Beklagte der AOK ... das von dieser gezahlte Krankengeld nach § 103 SGB X zu erstatten. Durch diese Erstattungszahlung verminderte sich der Nachzahlungsanspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf noch 3.532,95 EUR. Diesem Nachzahlungsbetrag habe ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen die Klägerin in Höhe von 6.337,76 EUR aus der Aufhebung der erfolgten Auszahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gegenübergestanden. Der Auszahlungsanspruch aus dem Bescheid vom 06. Februar 2007 habe nach § 48 SGB X im Zuge eines Erst-Recht-Schlusses aufgehoben werden können. Wenn diese Normen dazu ermächtigten, eine Bewilligung in Gänze aufzuheben, so müsse dieses erst recht nur für den aus der Bewilligung resultierenden Zahlungsanspruch gelten. Nach § 89 Abs. 1 SGB VI habe die Klägerin ab dem 01. Oktober 2011 nur noch einen Anspruch auf Auszahlung der höheren Rente wegen voller Erwerbsminderung aus dem Bescheid vom 04. Juli 2012 gehabt, während der Zahlungsanspruch der niedrigeren Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nicht mehr bestanden und geruht habe. Diese Aufhebung habe die Beklagte auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stützen können. Der Erstattungsanspruch folge aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Die Beklagte habe ihre Rückforderung zu Recht teilweise in Höhe von 3.532,95 EUR durch Aufrechnung gemäß § 51 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) befriedigt. Der Rückforderung des verbliebenen Betrages in Höhe von 2.804,81 EUR stehe keine etwaige Begrenzung der Erstattungsforderung der AOK ... auf die Differenz zwischen der Nachzahlung nach Bewilligung der Rente wegen voller Erwerbsminderung (12.675,61 EUR) und der Auszahlung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung (6337,76 EUR) entgegen. Gründe für eine solche Begrenzung seien nicht ersichtlich. Eine Begrenzung nur auf den Differenzbetrag würde letztlich die AOK ... als krankengeldleistende Krankenkasse unangemessen benachteiligen und würde zu einer Verschiebung der gesetzlichen Risikoverteilung führen. Sei der Klägerin ein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung rückwirkend auch für die Vergangenheit zuerkannt worden, bedeute dies, dass das vorher gezahlte Krankengeld rechtmäßig gezahlt worden sei und damit von der Krankenkasse grundsätzlich nicht zurückverlangt werden könne. Stünde nur der Differenzbetrag zwischen der vollen Erwerbsminderungsrente und der gezahlten niedrigeren Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Erstattungsanspruch zur Verfügung und übersteige das gewährte Krankengeld dieses, fiele die Krankenkasse mit einem Teil ihrer Erstattungsforderung aus, ohne den Fehlbetrag vom Versicherten zurückfordern zu können. Randnummer 18 Gegen das der Klägerin am 01. Juni 2015 zugestellte Urteil richtet sich deren am 04. Juni 2015 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangene Berufung. Die Berufung begründet sie ergänzend damit, dass eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne des § 48 SGB X lediglich dadurch eingetreten sei, dass sich ihr Leistungsvermögen verschlechtert habe. Ferner sei die Regelung in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X dahingehend zu verstehen, dass die Änderung der Verhältnisse gerade in dem Einkommens- oder Vermögensgewinn bestehen müsse. Der Einkommensgewinn müsse also ursächlich sein für den Wegfall des bisherigen Anspruchs. Das sei hier nicht der Fall. Sie habe nicht etwa durch ihre Tätigkeit zu viel Einkommen erzielt und eine Hinzuverdienstgrenze überschritten, sodass der Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erloschen sei, vielmehr bestehe hier die Änderung der Verhältnisse lediglich in einer Verschlechterung ihres Leistungsvermögens. Ferner ergebe sich eine Erfüllung aus § 107 SGB X analog, da hier allenfalls ein Erstattungsanspruch der Beklagten gegen sich selbst bestehen könne. Eine analoge Anwendung hier erforderlich, da diesbezügliche spezialgesetzliche Regelungen im SGB VI fehlten. Auch aus § 100 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI ergebe sich der gesetzgeberische Wille, einen einheitlichen Rentenvorgang bezüglich einer Rente wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung anzunehmen. Deshalb habe der Gesetzgeber in Abs. 1 festgelegt, dass die Rente in neuer Höhe von dem Kalendermonat an geleistet werde, zu dessen Beginn die Änderung wirksam werde, wenn sich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Voraussetzungen für die Höhe einer Rente nach ihrem Beginn ändere. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung umfasse auch immer gleichzeitig eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Dieser Umstand rechtfertige die Vergünstigungen in § 100 Abs. 2 SGB VI hinsichtlich der Umstellung einer Teilrente in eine höhere Rente. Dementsprechend gelte im vorliegenden Fall die Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung als teilweise erfüllt. Randnummer 19 Die Klägerin beantragt, Randnummer 20 das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Mai 2015 sowie die Bescheide der Beklagten vom 04. Juli 2012 und 10. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2013 aufzuheben, soweit ein Betrag von 2804,81 EUR zur Erstattung verlangt worden ist. Randnummer 21 Die Beklagte beantragt, Randnummer 22 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 23 Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts Schleswig für zutreffend. Randnummer 24 Am 20. Dezember 2016 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt, in dem die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie die Gerichtsakten vorlagen. Sie waren Gegenstand der Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 19. Mai 2015 aufgehoben. Die Bescheide der Beklagten vom 04. Juli 2012 und 10. August 2012 jeweils in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 17. April 2013 werden aufgehoben, soweit eine Erstattungsforderung in Höhe von 2.804,81 EUR festgesetzt wurde. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. Die Revision wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Arbeitsunfalls streitig. 2 Der 1974 geborene Kläger ist bei der Beklagten freiwillig als selbstständig tätiger Versicherungsmakler gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert. Mit Unfallanzeige vom 20.07.2020 teilte er der Beklagten mit, am 27.04.2020 gegen 16:00 Uhr einen Mückenstich am Fuß rechts erlitten zu haben. Als Unfallort wurde sein Wohn- und Geschäftssitz in L angegeben. Durch den Mückenstich habe er am rechten Fuß eine bakterielle Infektion erlitten, die im Klinikum E behandelt worden sei. 3 Im Aufnahmebericht des Klinikums E vom 11.05.2020 wurden Extremitätenprobleme in Form einer Schwellung des rechten Fußes mit Schmerzen und Verdacht auf Thrombose, vorbelastet mit Lungenembolien, festgehalten. Ein Durchgangsarztbericht wurde nicht erstellt. 4 Der Kläger stellte sich am 15.05.2020 beim L1 vor. Seit ca. 3 Wochen bestehe eine unklare Schwellung des rechten Fußes. Zu diagnostizieren seien ein Hallux valgus beidseits, ein Schneiderballen beidseits, ein Verdacht auf Ekzemfuß rechts, ein Zustand nach Hirnödem, ein Zustand nach tiefer Beinvenenthrombose 10.11.2016 rechts und ein Zustand nach Lungenembolie November 2016. 5 Ausweislich des radiologischen Berichtes des P vom 16.05.2020 bestand ein Verdacht auf Ekzem des rechten Fußes seit 3 Wochen und keine Stich- oder Traumaanamnese. Es bestünde eine phlegmonöse [diffuse eitrige bakterielle] Entzündung des Subkutis [Schicht zwischen Haut und Bindegewebshülle] des lateralen Mittelfußes, passend zu einem Insektenstich bzw. Zeckenbiss. Kein Hinweis auf eine Abszedierung [Vorgang der Abszessbildung] oder einen tumorösen Prozess. 6 Ausweislich des Arztbriefes des Uklinikums T vom 02.06.2020 befand sich der Kläger vom 02. bis 12.06.2020 in dortiger stationärer Behandlung mit der Diagnose Vorfußphlegmone rechts. Im Arztbrief findet sich der Hinweis, dass der Kläger sich nicht an eine Verletzung oder einen Stich in dieser Region erinnern könne. 7 Am 02.07.2020 ließ sich der Kläger in der Notaufnahme der Bklinik T zur Verlaufskontrolle seiner chronischen Wunde im Bereich des rechten Vorfußes behandeln. Ausweislich der Notaufnahme-Berichte vom 02.07.2020 und 06.07.2020 war beim Kläger eine unklare Wundheilungsstörung des rechten lateralen Vorfußes nach Schwellung vom April 2020 (vermutlich nach Mückenstich) zu diagnostizieren. 8 Die B Klinik T diagnostizierte im Arztbrief vom 20.07.2020 nach dortiger stationärer Behandlung vom 10. bis 20.07.2020 eine unklare Wundheilungsstörung des rechten lateralen Vorfußes nach Schwellung vom April 2020 (vermutlich nach Mückenstich) und einen aktuell chronischen Ulcus über der Strecksehne am rechten Fußrücken. 9 D der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie, Klinikum E, ließ über sein Sekretariat der Beklagten telefonisch am 23.07.2020 mitteilen, dass der Kläger sich Mitte Mai 2020 aufgrund einer Thrombose erstmals seit 2017 im Klinikum E vorgestellt habe und ihnen von einem infizierten Mückenstich im April diesen Jahres nichts bekannt sei. 10 Auf entsprechende schriftliche Nachfrage der Beklagten vom 05.08.2020 teilte der Kläger mit Schreiben vom 07.08.2020 mit, im Zeitpunkt des Insektenstichs habe er sich im Büro im Erdgeschoss, dem Hauptsitz seines Gewerbes, befunden. Er sei mit Datenerfassungsarbeiten am PC beschäftigt gewesen. Bei dem Insekt habe es sich vermutlich um eine Mücke gehandelt, und er habe sofort ein Jucken und eine Rötung festgestellt. Er habe das Insekt allerdings nicht gesehen. Daraufhin habe er eine kühlende Salbe aufgetragen. Wegen des Insektenstichs sei er bei verschiedenen Ärzten (G, S, S1 sowie in der Uni T und der B Klinik T) behandelt worden. 11 In der Folgezeit holte die Beklagte bei den vom Kläger angegebenen behandelnden Ärzten weitere Auskünfte ein. 12 Der S1 teilte mit Schreiben vom 24.08.2020 und 15.09.2020 mit, dass ein Unfall vom 27.04.2020 nicht von ihm mitbehandelt worden sei. Der Kläger habe ihn wegen eines tiefen Ulcus rechts am Fußrücken erstmals am 23.06.2020 ärztlich in Anspruch genommen. Zu diagnostizieren sei ein Zustand nach Vorfußphlegmone mit Abszedierung im Bereich der Strecksehne 5. Strahl rechts. Es bestehe zuletzt noch eine kleine Kruste bei ansonsten verschlossener Wunde. 13 Die G berichtete in einem undatierten Antwortschreiben an die Beklagte, den Kläger am 26.05.2020 ambulant gesehen zu haben. Ein Unfall sei ihr nicht bekannt. Zu diagnostizieren seien ein Insektenstich, Staphylococcus epidermidis [Bakteriumsart], ein Abszess und Weichteilphlegmone mit intermittierendem Vorhofflimmern als Nebenwirkung auf Medikamente. 14 Die S2 führte mit Schreiben vom 14.09.2020 aus, den Kläger erstmals am 19.05.2020 um 11:00 Uhr behandelt zu haben. Er sei mit einer Schwellung am rechten Fußrücken, welche er bereits seit dreieinhalb Wochen gehabt habe, erschienen. Von einem Unfall sei keine Rede gewesen. Zu diagnostizieren sei eine beginnende Phlegmone am rechten Fußrücken gewesen. 15 Auf telefonische Nachfrage der Beklagten teilte das Sekretariat von D am 28.09.2020 mit, der Kläger habe bei Notaufnahme über Schmerzen am bzw. im rechten Fuß geklagt. Aufgrund einer Vorbelastung mit einer Thrombose (Embolie) habe er um eine Abklärung gebeten. Angaben zu einem Stichereignis oder einem Ereignis bei der Arbeit seien seinerseits nie gemacht worden. Ansonsten hätten sie es in einem Durchgangsarztbericht erfasst. 16 Mit Bescheid vom 05.10.2020 lehnte die Beklagte die Feststellung eines Versicherungsfalls vom 27.04.2020 ab. Ein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung wegen des beim Kläger festgestellten Gesundheitsschadens (Vorfußphlegmonenbildung mit Abszessbildung seitlich des Kleinzehenstrahls rechts mit operativ zu versorgender Wundheilungsstörung) bestehe nicht. Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, ein Mückenstich während einer versicherten Tätigkeit könne eine unter Versicherungsschutz stehende sogenannte Gefahr des täglichen Lebens sein. Der Kläger habe jedoch angegeben, dass er ein Insekt zum Zeitpunkt des angegebenen erlittenen Stiches nicht gesehen bzw. wahrgenommen habe. Lediglich vermutlich habe es sich um eine Mücke gehandelt. Nach den Angaben des Klägers und den vorgelegten und vorliegenden medizinischen Unterlagen sei ein am 27.04.2020 erlittener Arbeitsunfall nicht mit der erforderlichen Beweiskraft bewiesen. 17 Hiergegen legte der Kläger mit E-Mail vom 07.10.2020 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass die gesamte Beurteilung der Beklagten „von Beginn an auf Ablehnung ausgerichtet“ gewesen sei. 18 Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2020 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, weiterhin bestünden Zweifel am Vorliegen eines Versicherungsfalles. Das Vorliegen eines Arbeitsunfalls sei nicht mit der erforderlichen Beweiskraft erwiesen. Die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen der Kläger günstige Rechtsfolgen herleiten wolle, gehe zu seinen Lasten. Die Beweispflicht für die anspruchsbegründende Tatsache der versicherten Tätigkeit zum Zeitpunkt eines behaupteten Mückenstichs obliege dem Kläger. Dies entspreche den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Beweismaßstäben. 19 Deswegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers am 12.02.2021 durch seine Bevollmächtigte Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Sie hat unter Bezugnahme auf das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28.09.2006, L 10 U 3430/05, vorgetragen, bei Insektenstichen sei ein Arbeitsunfall dann nicht gegeben, wenn nicht dargelegt und bewiesen werden könne, wann und wo der Insektenstich erfolgt sei. Der Kläger könne jedoch genaue Angaben zu Zeit und Ort des Insektenstichs machen, weshalb hier ein Arbeitsunfall in Form eines Unfalls des täglichen Lebens anerkannt werden müsse. Er könne auch belegen, dass der Insektenstich gegen 16:00 Uhr bzw. 16:30 Uhr am 27.04.2020 erfolgt sei. In der Folgezeit habe er bei den behandelnden Ärzten mehrfach von einem Insektenstich als Ursache seiner Gesundheitsstörungen gesprochen. 20 Nach Anhörung der Beteiligten hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 23.03.2022, der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 30.03.2022 zugestellt, die Klage abgewiesen. Entscheidend sei, ob sich infolge einer während der Schreibtischtätigkeit des Klägers am 27.04.2020 konkret ausgeübten und versicherten Verrichtung eine durch einen Versicherungstatbestand des SGB VII geschützte Gefahr verwirklicht habe, oder ob stattdessen eine unversicherte Wirkursache für das Unfallereignis verantwortlich gewesen sei. Hier habe der Kläger das Insekt, das ihn gestochen haben soll, nicht selbst wahrgenommen und gesehen. Zeugen hätten nach den eigenen Angaben des Klägers den Insektenstich und die Einstellung der Tätigkeit um 17:00 Uhr sowie die vom Kläger selbst durchgeführten Behandlungsmaßnahmen nicht beobachtet. Der Kläger sei nach eigenen Angaben auch erstmals am 11.05.2020 zur ärztlichen Behandlung ins Klinikum E gegangen, wo nach der Aussage der Sekretärin von D Angaben zu einem Insektenstich oder einem Ereignis bei der Arbeit überhaupt nicht gemacht worden seien. Bereits deshalb seien weder das Unfallereignis noch die Unfallkausalität nachgewiesen bzw. hinreichend wahrscheinlich. Im Übrigen seien weder die näheren Unfallumstände (Art des Insekts, war es überhaupt ein Insekt, war überhaupt ein Insekt in dem Raum, in welcher Situation wurde der Kläger gestochen) noch die Handlungstendenz im Unfallzeitpunkt erwiesen und nachgewiesen, weshalb sich die rechtliche Wesentlichkeit der Unfallursache, nämlich ein Sachzusammenhang der objektiv für das Erleiden der Insektenstichverletzung ursächlichen Verrichtung der Tätigkeit als Versicherungsmakler, nicht feststellen lasse. 21 Deswegen hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 08.04.2022, per beA am 20.04.2022 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingegangen, Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das SG hätte zumindest die Ehefrau des Klägers, welche zum Zeitpunkt des Insektenstichs im Hause gewesen sei, als Zeugin anhören müssen. Der Kläger habe am Tag des Insektenstichs nach einem Kundentermin ab ca. 15:45 Uhr im Homeoffice gearbeitet. Der Insektenstich sei gegen 16/16.30 Uhr erfolgt; am Nachmittag habe er „irgendwas am Fuß wahrgenommen“. Weder habe er eine Mücke noch ein anderweitiges Insekt gesehen, was ihn am Ereignistag gestochen hätte. Es habe sich aber so angefühlt wie ein Mückenstich. Der rechte Fuß sei in einer Stunde angeschwollen, das Thema sei für den Kläger dann zunächst „erledigt“ gewesen. Seine Frau sei an dem Tag zuhause gewesen, habe sich allerdings während seiner Arbeit am Nachmittag, während des Anschwellens des Fußes bzw. während des Einstichzeitpunktes, nicht im Zimmer aufgehalten. Anzumerken sei, dass die sozialgerichtliche Rechtsprechung gerade bei Arbeitsunfällen im Zusammenhang mit Infektionen einen für den Versicherten äußerst nachteiligen Beweismaßstab anlege. Es seien kaum Fälle denkbar, in denen im Vollbeweis nachgewiesen werden könne, dass im Moment der Infektion eine versicherte Tätigkeit vorgelegen habe. Erschwerend komme hinzu, dass es in Arztberichten nicht darum gehe, wann und wo und bei welcher konkreten Tätigkeit des Patienten ein Insekt gestochen habe. Aus diesem Grund könne einem Arztbericht im Hinblick auf die Umstände eines Insektenstichs lediglich ein nur geringer Beweiswert zukommen. Im Übrigen sei dem Kläger seinerzeit weder bewusst noch bekannt gewesen, dass er den Mückenstich zeitnah bei der Beklagten hätte melden sollen bzw. müssen. Es werde angeregt, im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes einen Sachverständigen mit der Begutachtung der Frage beauftragen, dass die Ursache einer Phlegmone in einem Mückenstich liegen könne. 22 Die Prozessbevollmächtigte beantragt sachdienlich gefasst, 23 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.03.2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 05.10.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21.12.2020 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 27.04.2020 (Insektenstich) ein Arbeitsunfall ist. 24 Die Beklagte beantragt, 25 die Berufung des Klägers zurückzuweisen. 26 Die Beklagte erachtet die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, es genüge nicht, dass ein Versicherter sich im Unfallzeitpunkt aus betrieblichen Gründen an einer Unfallstelle befinde. Vielmehr wäre über einen solchen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang hinaus zu fordern, dass zwischen einer erledigten Tätigkeit und dem Unfall ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang im Sinne der im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung bestünde. Der Kläger habe anlässlich der Erörterung am 12.09.2022 auf nochmaliges Befragen keinen eindeutigen Insektenstich angeben können. Selbst in der Hautklinik T habe er anlässlich der dortigen Erstvorstellung im Juni 2020 kein Stichereignis in dieser Region geltend gemacht. Es erschließe sich daher weiterhin nicht, inwieweit die Ehefrau des Klägers, die während der Arbeitszeit des Berufungsklägers am 27.04.2020 insbesondere am Nachmittag nicht in dessen Büro war, einen am 27.04.2020 erlittenen Insektenstich bezeugen könne. 27 Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vom 12.09.2022 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. 28 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Behördenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.
Die Berufung des Klägers den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 23.03.2022 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 25. Senat
Berlin
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23.05.2013
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt (noch) höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Form der vorläufigen Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. März 2008 und der endgültigen Leistungsgewährung für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. April 2008. Randnummer 2 Die 1947 geborene Klägerin bewohnte bis Mai 2008 aufgrund Mietvertrages vom 23. September 1982 eine 81,83 qm große Drei-Zimmer-Wohnung in der K,B, allein. Ab 1. April 2005 betrug die monatliche Bruttowarmmiete 684,78 € (nettokalt 450,06 €, kalte Betriebskosten 157,81 €, Heizkosten in Höhe von 76,91 €). Einen Raum mit einer Fläche von 20 qm nutzte die Klägerin nach ihren Angaben als Arbeitsraum insbesondere für das Schneidern von Kostümen im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit im Bereich Kindertheater. Randnummer 3 Ab dem 1. Januar 2005 bezog die Klägerin fortlaufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. November 2006 gewährte ihr der Beklagte Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in Höhe der tatsächlichen monatlichen Aufwendungen der Klägerin, für den Zeitraum ab 1. Mai 2006 erfolgte der Abzug einer monatlichen Warmwasserpauschale in Höhe von 9 €. Mit Schreiben vom 2. Mai 2006, gerichtet an Frau U K unter der Anschrift der Klägerin, teilte der Beklagte mit, dass die derzeitigen Wohnkosten für eine Person nicht angemessen seien und forderte unter Ankündigung der Absenkung der Zahlungen für die KdU auf 360 € monatlich zur Senkung der Kosten bis zum 1. Dezember 2006 auf. Das Schreiben gelangte im Original nebst Umschlag an den Beklagten zurück. Nach einem auf dem Umschlag befindlichen Vermerk des Beklagten vom 22. Mai 2006 hatte der Sohn der Klägerin das Schreiben zurückgebracht, weil sich „seine Mutter nicht angesprochen gefühlt habe“. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 7. November 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. November 2006 bis zum 30. April 2007, wobei er für den Zeitraum ab 1. Dezember 2006 Leistungen für KdU nur noch in Höhe von monatlich 360 € gewährte. Mit rechtskräftigem Gerichtsbescheid vom 19. Dezember 2011 – S 174 AS 524/07 – verurteilte das Sozialgericht den Beklagten für den Zeitraum vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. April 2007 zur Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich KdU u. a. unter Berücksichtigung der KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen. Randnummer 5 Mit dem Antrag auf Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum ab 1. Mai 2007 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie voraussichtlich zum 1. September 2007 (wieder) eine selbständige Erwerbstätigkeit als Leiterin eines Kindertheaterprojektes beim Förderverein H e. V. aufnehmen werde. Den voraussichtlichen Betriebseinnahmen in Höhe von monatlich 500 € im Zeitraum vom 1. September 2007 bis zum 31. März 2008 würden 100 € Betriebsausgaben gegenüberstehen. Hierauf gewährte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 24. Mai 2007 vorläufige Leistungen für den Zeitraum vom 1. Mai 2007 bis zum 31. Oktober 2007, hiervon monatlich einen Betrag in Höhe von 360 € für KdU. Mit Beschluss vom 12. Juni 2007 – S 100 AS 524/07 ER – verpflichtete das Sozialgericht Berlin den Beklagten im Wege einstweiliger Anordnung, der Klägerin für den Zeitraum vom 13. April 2007 bis 31. August 2007 Leistungen für KdU in Höhe von monatlich 513,59 € zu gewähren. Randnummer 6 Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 5. Oktober 2007 gewährte der Beklagte der Klägerin monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2008 in Höhe von insgesamt 387 € einschließlich eines Betrages in Höhe von 360 € für KdU. Neben den KdU berücksichtigte der Beklagte einen Regelbedarf in Höhe von 347 € und rechnete hierauf ein monatliches Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von 320 € an. In dem Bescheid ist u. a. ausgeführt: Randnummer 7 „Die Bewilligung ist nach § 40 Abs. 1 Nr. 1a SGB II i. V. m. § 328 SGB III nur vorläufig aufgrund des unterschiedlichen Einkommens ihrer Honorartätigkeit.“ Randnummer 8 Gegen diesen Bescheid, dem ein Erläuterungsschreiben vom 5. Oktober 2007 zur vorläufigen Leistungsgewährung beigefügt war, legte die Klägerin am 15. Oktober 2007 Widerspruch ein, mit dem sie in Anknüpfung an den oben genannten Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juni 2007 die Bewilligung von Leistungen für KdU in Höhe von 513,59 €, den Abzug von Betriebsausgaben vom Einkommen und die Nichtanrechnung von Einkommen für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. April 2008 begehrte. Auf den Antrag der Klägerin verpflichtete das Sozialgericht Berlin den Beklagten mit Beschluss vom 25. Oktober 2007 – S 100 AS 524/07 ER I – im Wege einstweiliger Anordnung, der Klägerin für den Monat Oktober 2007 unter Anrechnung bereits gezahlter Leistungen insgesamt 707 € zu zahlen und für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. Dezember 2007 Unterkunftskosten in Höhe von monatlich 504,78 € zu gewähren. Randnummer 9 Mit Änderungsbescheid vom 2. Januar 2008 gewährte der Beklagte der Klägerin unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 5. Oktober 2007 monatliche Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Randnummer 10 - den Zeitraum vom 1. November bis 31. Dezember 2007 in Höhe von 740,44 €, hiervon einen Betrag in Höhe von 504,78 € für KdU, Randnummer 11 - für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. März 2008 in Höhe von 595,66 €, hiervon einen Betrag in Höhe von 360 € für KdU und Randnummer 12 - für den Zeitraum vom 1. April bis 30. April 2008 in Höhe von 707 €, hiervon ebenfalls einen Betrag in Höhe von 360 € für KdU. Randnummer 13 Dabei legte der Beklagte für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. März 2008 unter Berücksichtigung monatlicher Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 € ein laufendes Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 239,17 € zu Grunde, welches er mit einem Betrag von 111,34 € auf den Bedarf der Klägerin anrechnete. Zudem berücksichtigte er das Auslaufen des Honorarvertrages der Klägerin zum 31. März 2008 mit der Folge, dass für April 2008 kein Einkommen angerechnet wurde. Auch dieser Bescheid enthält den Hinweis des Beklagten, dass die Bewilligung vorläufig sei, weil die Höhe des Einkommens nicht hinreichend bekannt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Januar 2008 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Januar 2008 zurück. Einen mit Schreiben vom 29. Januar 2008 erhobenen Widerspruch der Klägerin gegen den oben genannten Bescheid vom 2. Januar 2008, mit dem sie eine Neuberechnung der Leistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis zum 31. Oktober 2007 begehrte, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2008 als unzulässig zurück. Zugleich wertete der Beklagte den Widerspruch als Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 2. Januar 2008 nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X), den er mit Bescheid vom 28. Februar 2008 ablehnte. Randnummer 14 Gegen den Bescheid vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Januar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 hat die Klägerin am 21. Februar 2008 Klage „wegen Kosten der Unterkunft“ erhoben und geltend gemacht, ihr würden zusätzlich Leistungen für KdU in Höhe der Differenz zwischen den von ihr – unter Berücksichtigung einer Warmwasserpauschale in Höhe von 9 € monatlich – geltend gemachten tatsächlichen Aufwendungen in Höhe von monatlich 675,78 € und den von dem Beklagten bewilligten monatlichen Leistungen für KdU in Höhe von 504,78 € für den Zeitraum vom 1. November bis zum 31. Dezember 2007 und in Höhe von 360 € für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. April 2008 zustehen. Die Prüfung der Angemessenheit der KdU habe anhand der konkreten örtlichen Gegebenheiten zu erfolgen, sodass vorliegend allein das Wohnungsangebot im Stadtteil Z in den Blick zu nehmen sei. Zudem habe der Beklagte sie nicht ordnungsgemäß zur Kostensenkung aufgefordert. Wegen der falschen Adressierung habe sie von dem Aufforderungsschreiben des Beklagten vom 2. Mai 2006 keine Kenntnis erlangt. Da sie zudem im Februar 2007 das 60. Lebensjahr vollendet habe, könne ihr wegen der langjährigen Wohndauer ein Umzug nicht mehr zugemutet werden. Mit am 16. Mai 2008 beim Sozialgericht eingegangenem Schriftsatz vom 15. Mai 2008 hat die Klägerin darüber hinaus geltend gemacht, dass ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne die Anrechnung von Einkommen, hilfsweise unter Berücksichtigung der Kosten ihres Arbeitszimmers als Betriebsausgaben, zu gewähren seien. Bei einer Gesamtmiete von 684,78 € entfiele auf das 20 qm große Arbeitszimmer ein anteiliger Betrag in Höhe von 171,20 €. Darüber hinaus seien monatlich Beiträge zur Künstlersozialversicherung in Höhe von monatlich 34,49 € und weitere Betriebsausgaben in Höhe von 215,02 € und ein Freibetrag in Höhe von 100 € abzusetzen, so dass kein anzurechnendes Einkommen verbleibe. Randnummer 15 Mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und entschieden, dass die Beteiligten einander außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten haben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei unzulässig, soweit die Klägerin für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. Dezember 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen und hilfsweise für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 30. April 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung des Arbeitszimmers als Betriebsausgabe begehre. Denn dieses Begehren habe die Klägerin nicht rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Klagefrist geltend gemacht. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Aufwendungen der Klägerin für Unterkunft und Heizung seien nicht angemessen. Angemessen sei eine Wohnungsgröße von 50 qm und ausgehend vom Berliner Mietspiegel 2007 eine Nettokaltmiete von 227 € (50 x 4,54 €). Hinzuzurechnen seien nach dem Betriebskostenspiegel 2007 kalte Betriebskosten in Höhe von 87,50 € (50 x 1,75 €) und Heizkosten in Höhe von 42,50 € (50 x 0,85 €). Zusammengerechnet ergebe sich bei einer Wohnungsgröße von 50 qm eine angemessene Bruttowarmmiete in Höhe von 357 €. Wohnungen unterhalb der von dem Beklagten als angemessen angesehenen Kosten in Höhe von 360 € seien konkret verfügbar und zugänglich. Besondere Gründe, die vorliegend zu einem Anspruch auf Übernahme höherer Kosten führen könnten, lägen nicht vor. Die Anerkennung eines um 10 % höheren Betrages als 360 € auf der Grundlage der Ausführungsvorschriften zur Gewährung von Leistungen gemäß § 22 SGB II (AV-Wohnen) komme nicht in Betracht, weil die Klägerin auch dann nicht ihre tatsächlichen Aufwendungen in Höhe von 675,78 € decken könne. Der in der Regel sechs Monate dauernde Bestandsschutz nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sei abgelaufen. Spätestens mit der Zustellung des Beschlusses des Sozialgerichts Berlin vom 12. Juni 2007 sei diese Frist in Lauf gesetzt worden. Hiervon ausgehend habe der Beklagte KdU in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen für die Dauer von sechs Monaten anerkannt. Randnummer 16 Gegen den der Klägerin am 14. August 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat diese am 12. September 2008 Berufung eingelegt und zur Begründung ergänzend vorgetragen, sie erstrebe mit der Klage die endgültige Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, hilfsweise mache sie einen Anspruch auf vorläufige Gewährung höherer Leistungen geltend. Nach eigener Recherche sei insbesondere im Ortsteil, aber auch im ehemaligen Bezirk Z und im Umkreis ihrer (alten) Wohnung von 5 km nur unzureichend angemessener Wohnraum verfügbar gewesen. Für die Zeit von April 2007 bis Januar 2008 sei ihr zudem eine gesteigerte Wohnungssuche nicht zumutbar gewesen. In dem Zeitraum von April 2007 bis Ende Juni 2007 habe sie gemeinsam mit ihren beiden Schwestern ihren Vater gepflegt, weil ihre Mutter zunächst kurzzeitpflegebedürftig und sodann stationär behandlungsbedürftig geworden sei. Sie, die Klägerin, habe in dem genannten Zeitraum die Pflege des Vaters an den Wochenenden übernommen. Ende Juni 2007 seien beide Elternteile in einem Pflegeheim untergebracht worden. Am 24. August 2007 sei ein Neffe der Klägerin tödlich verunglückt. Daraufhin sei die Schwester der Klägerin S und Mutter des Neffen, bei der zudem im Oktober 2007 ein Hirntumor diagnostiziert worden sei, nicht mehr in der Lage gewesen, sich um die Belange der Eltern zu kümmern. Da die andere Schwester K G in dieser Zeit im Rahmen ihrer Berufsausbildung eine Prüfung absolviert habe, habe sie, die Klägerin, zum Beispiel die Auflösung der Wohnung ihrer Eltern im Wesentlichen allein organisieren müssen. In der Folgezeit habe ihr Vater mehrere Schlaganfälle erlitten; am 21. Januar 2008 sei er nach langer Herzerkrankung verstorben. Trotz dieser Umstände habe sie seit September 2007 nach einer Wohnung in Z und der näheren Umgebung gesucht. Dabei sei die Suche von Wohnungen zu einer Bruttowarmmiete von höchstens 360 € erfolglos geblieben. Daraufhin habe sie drei Wohnungen besichtigt, deren Bruttowarmmiete monatlich 400 € bzw. 420 € betragen habe. Diese Wohnungen seien jedoch an andere Bewerber vergeben worden. Durch private Vermittlung sei es ihr schließlich gelungen, die von ihr seit dem 1. Juni 2008 bewohnte Wohnung anzumieten. Randnummer 17 Mit Urteil vom 22. April 2010 hat der Senat unter Zulassung der Revision die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die auf die vorläufige Leistungsgewährung gerichtete Klage abgewiesen. Die Klage sei insgesamt unzulässig. Soweit die Klägerin die endgültige Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II begehre, sei die hierauf gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage unzulässig, weil die Klägerin nicht klagebefugt sei. Denn es fehle an einem Verwaltungsakt, der über die von der Klägerin begehrten endgültigen Leistungen entschieden habe. Mit dem angegriffenen Bescheid habe der Beklagte der Klägerin nur vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bewilligt. Soweit die Klägerin die endgültige Gewährung von höheren Regelleistungen im Sinne des § 20 Abs. 2 SGB II begehre, sei die Klage im Übrigen auch deshalb unzulässig, weil sie insoweit nicht fristgerecht binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides erhoben worden sei. Nach dem Vorstehenden sei schließlich auch die erst im Berufungsverfahren erhobene und auf die vorläufige Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II bzw. (hilfsweise hierzu) auf vorläufige Neubescheidung ihres Leistungsantrages vom 5. Oktober 2007 gerichtete Klage unzulässig. Denn auch insoweit sei die Klage verfristet und der angegriffene Bescheid bestandskräftig geworden. Randnummer 18 Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hat das Bundessozialgericht (BSG) durch Urteil vom 6. April 2011 – B 4 AS 119/10 R – zurückgewiesen, soweit die Klägerin Arbeitslosengeld II und die Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. März 2008 als endgültige Leistungen begehrt hat. Im Übrigen hat das BSG das Urteil des Senats auf die Revision der Klägerin aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat das BSG ausgeführt: Die auf die Gewährung endgültiger Leistungen gerichtete Klage sei zulässig. Gehe der Kläger davon aus, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Entscheidung nicht vorlägen oder das Ermessen der Behörde sowohl im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der vorläufigen Entscheidung selbst als auch der Höhe der zu bewilligenden Leistungen auf Null reduziert sei, sei die Beantragung der Leistung selbst und hilfsweise die Verpflichtung zum Erlass eines neuen Bescheides unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zulässig. Die Klage sei auch nicht verfristet, soweit sie auf die Gewährung höherer Regelleistungen gerichtet sei. Entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts habe die Klägerin den Streitgegenstand nicht auf Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Insoweit hätte es einer eindeutigen und ausdrücklichen Erklärung der Klägerin bedurft, an der es vorliegend fehle. Die auf die Gewährung endgültiger Leistungen gerichtete Klage sei jedoch nicht begründet. Der Beklagte habe zu Recht für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. März 2008 nur vorläufige Leistungen bewilligt, da zum Entscheidungszeitpunkt nicht eindeutig festzustellen gewesen sei, in welcher Höhe Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu berücksichtigen sein werde. Insoweit habe der Beklagte sein Ermessen pflichtgemäß ausgeübt. Die auf die Gewährung vorläufig höherer Leistungen gerichtete Klage sei ebenfalls zulässig. Denn bei sachgerechter Auslegung des Klageantrages unter Berücksichtigung des „Meistbegünstigungsprinzips“ sei die Bewilligung vorläufiger Leistungen von Anfang an Streitgegenstand des Gerichtsverfahrens gewesen. Statthafte Klageart sei insoweit die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage in der Form der Bescheidungsklage, da der Verwaltung hinsichtlich der Höhe der Leistung ein – wenn auch eng begrenzter – Ermessensspielraum verbleibe. Ob der Beklagte die vorläufigen Leistungen hier in zutreffender Höhe bewilligt habe, lasse sich mangels Feststellungen des Landessozialgerichts zur Höhe der angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nicht abschließend beurteilen. Im wieder eröffneten Berufungsverfahren sei nach Maßgabe der Rechtsprechung des BSG festzustellen, ob und in welcher Höhe die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung angemessen seien. Dabei seien Kosten für ein Arbeitszimmer, welche die Klägerin als Betriebsausgaben in Abzug bringen wolle, nicht als Kosten der Unterkunft anzusehen, da § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II nur Leistungen für privaten Wohnraum umfasse. Sollten sich die Aufwendungen der Klägerin als unangemessen erweisen, sei zu prüfen, ob der Klägerin die nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II vorzunehmende Kostensenkung zumutbar gewesen sei. Einer Aufforderung zur Kostensenkung habe es jedenfalls ab November 2006 nicht mehr bedurft. Denn jedenfalls mit dem Bewilligungsbescheid vom 7. November 2006 und in der Folge im Zuge der gerichtlichen Auseinandersetzungen vor dem Sozialgericht um die Angemessenheit der Kaltmiete habe der Beklagte gegenüber der Klägerin hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, welche Kaltmiete er für angemessen erachte. Die prognostische Ermittlung des anzurechnenden Einkommens durch den Beklagten sei nicht zu beanstanden. Maßgeblich für die Prognose seien die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens bekannten und erkennbaren Umstände und die Angaben des jeweiligen Antragstellers im Leistungsantrag. Die Klägerin habe zunächst im Antrag vom 24. April 2007 angegeben, sie erwarte monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 100 € ab dem 1. September 2007 bis zum 31. März 2008. Sie habe sodann in der Begründung ihres Widerspruchs vom 14. Oktober 2007 mitgeteilt, sie habe seit dem 1. Januar 2007 durchschnittliche monatliche Betriebsausgaben in Höhe von 260,83 € verzeichnet. Der Beklagte habe dies im Änderungsbescheid vom 2. Januar 2008 der Berechnung zugrunde gelegt. Dies sei nicht zu beanstanden. Die erst im Klageverfahren vorgebrachten neuen Tatsachen, nach denen nach Auffassung der Klägerin überhaupt kein Einkommen anzurechnen sei, könnten die Prognose des Beklagten nicht erschüttern, da sie die Richtigkeit der ursprünglichen Prognose nicht widerlegten. Urteil: Ob der Beklagte für den Zeitraum vom 1. April bis zum 30. April 2008 zu Recht vorläufige Leistungen bewilligt habe, lasse sich hingegen aufgrund der vom Landessozialgericht getroffenen Feststellungen nicht beurteilen. Insoweit sei im wieder eröffneten Berufungsverfahren noch aufzuklären, ob die Grundlage für die Vorläufigkeit der Bewilligung entfallen gewesen sei und der Beklagte eine endgültige Entscheidung hätte treffen müssen. Des Weiteren sei unter Berücksichtigung der oben dargelegten Gesichtspunkte die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung für den Monat April 2008 zu überprüfen. Randnummer 19 In der mündlichen Verhandlung des Senats vom 23. Mai 2013 hat der Beklagte erklärt, dass er die mit Bescheid vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Januar 2008 und in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 für den Monat April 2008 vorläufig gewährten Leistungen in Höhe von 707,00 € in der genannten Höhe nunmehr endgültig bewillige. Randnummer 20 Die Klägerin beantragt, Randnummer 21 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 zu ändern und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 5. Oktober 2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2. Januar 2008, dieser wiederum in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Januar 2008 zu verpflichten, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. März 2008 vorläufig höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren, Randnummer 22 und Randnummer 23 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 für wirkungslos zu erklären, soweit er sich auf den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum 30. April 2008 bezieht, und den Beklagten unter Änderung seines Bescheides vom 23. Mai 2013 zu verurteilen, der Klägerin für den Zeitraum vom 1. April 2008 bis zum 30. April 2008 endgültige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Bedarfs für die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 517,41 Euro zu gewähren. Randnummer 24 Der Beklagte beantragt, Randnummer 25 die Berufung zurückzuweisen und die neu erhobene Klage gegen den Bescheid vom 23. Mai 2013 abzuweisen. Randnummer 26 Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Klägerin für den streitigen Zeitraum einen Anspruch nur auf Übernahme der angemessenen Kosten der Unterkunft habe, weil sie ihrer Pflicht, die Kosten der Unterkunft zu senken, nicht nachgekommen sei. Randnummer 27 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakten und die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 wird zurückgewiesen, soweit sie sich auf den Bewilligungszeitraum vom 1. November 2007 bis zum 31. März 2008 bezieht. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 6. August 2008 wird für wirkungslos erklärt, soweit er sich auf den Bewilligungszeitraum vom 1. April 2008 bis zum 30. April 2008 bezieht. Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 23. Mai 2013 wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander für den gesamten Rechtsstreit einschließlich des Revisionsverfahrens B 4 AS 119/10 R nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin begehrt anlässlich eines Überprüfungsverfahrens hinsichtlich eines Bescheides bezüglich des Grades der Behinderung (GdB) die Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Sozialgericht (SG) Freiburg. 2 Bei der im Jahr 1957 geborenen Klägerin wurde mit Bescheid vom 18.07.2014 ab 11.04.2014 ein GdB von 40 festgestellt, wobei folgende Funktionsbeeinträchtigungen zu Grunde gelegt wurden: Depression, seelische Störung; Bandscheibenschaden, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule; Schwerhörigkeit mit Ohrgeräuschen; Funktionsbehinderung des linken Kniegelenks. 3 Mit Schreiben vom 29.04.2021 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin unter anderem die Überprüfung des Bescheides vom 18.07.2014. Eine Begründung des Überprüfungsantrages erfolgte nicht. Mit dem Antrag legte der Prozessbevollmächtigte eine Vollmacht vom 21.04.2021 vor. Ausweislich ihres Wortlauts umfasste die Vollmacht „In Sachen S./. Landratsamt B1“ für „alle Instanzen“ gelten, sich „auf Neben- und Folgeverfahren aller Art“ erstrecken sowie die „Prozessführung einschl. der Befugnis zur Erhebung und Zurücknahme von Klagen“. 4 Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag mit Bescheid vom 28.06.2021 ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde nicht begründet und mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2021 zurückgewiesen. Auf dem in der Verwaltungsakte befindlichen Exemplar des Widerspruchsbescheides befindet sich folgender Absendevermerk: „Entwurf zum Postausgang am 22.12.21“ und – soweit leserlich – folgender Eingangsstempel: Landratsamt -Hochschwar Eing.: 29. Dez. 2021“. 5 Die Klägerin hat hiergegen am 26.01.2022 Klage zum SG Freiburg erhoben, wobei sie von ihrem Prozessbevollmächtigten vertreten worden ist. Der Widerspruchsbescheid sei dem Prozessbevollmächtigten am Montag, dem 27.12.2021, zugegangen. Es werde Bezug genommen auf die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegte Vollmacht, die für alle Instanzen, sowie Neben- und Folgeverfahren gelte. 6 Mit Schreiben vom 28.01.2022, 28.02.2022 und 22.03.2022 ist der Prozessbevollmächtigte vom SG Freiburg zur Vorlage einer Vollmacht aufgefordert worden. Eine Reaktion hierauf ist nicht erfolgt. Mit gerichtlichem Schreiben vom 26.04.2022 ist darauf hingewiesen worden, dass der Prozessbevollmächtigte bisher eine schriftliche Prozessvollmacht nicht zu den Gerichtsakten gereicht habe. Er erhalte Gelegenheit, diese bis zum 25.05.2022 nachzureichen. Sollte eine schriftliche Prozessvollmacht innerhalb der Frist nicht nachgereicht werden, dürfte die Klage unzulässig sein. Auch hierauf hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht reagiert. 7 Das SG Freiburg hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 02.06.2022 abgewiesen. Die Klage sei mangels Vorlage der mehrfach angeforderten schriftlichen Vollmacht unzulässig. Das Gericht müsse den Mangel der Vollmacht von Amts wegen berücksichtigen, da es sich bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin nicht um einen Rechtsanwalt handele, sondern um einen Rentenberater. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte Vollmacht sei nicht ausreichend, denn sie sei „schriftlich“ zu erteilen und zu den „Gerichtsakten“ zu reichen. Hieraus werde deutlich, dass eine im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren erteilte Vollmacht nicht ausreiche, es sei denn, sie bevollmächtige ausdrücklich auch für ein nachfolgendes Gerichtsverfahren und der Prozessbevollmächtigte stelle eine Verklammerung her, indem er sich im Gerichtsverfahren darauf berufe oder darauf verweise (Verweis auf das Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Baden-Württemberg vom 18.05.2010 - L 11 R 3594/09). Eine standardmäßige (Verwaltungs-)Vollmacht, die dem Wortlaut nach „für alle Instanzen“ und für „Neben- und Folgeverfahren aller Art“ gelten solle, sei hierfür nicht ausreichend. Denn hieraus ergebe sich nicht die Bevollmächtigung für das konkrete vorliegende Verfahren. Der Gerichtsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin laut Empfangsbekenntnis am 07.06.2022 zugegangen. 8 Der Prozessbevollmächtigte hat am 07.07.2022 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Die Klage sei zu Unrecht als unzulässig behandelt worden, nachdem die Vollmacht im Verwaltungsverfahren vorgelegt worden und in der Klageschrift auch auf diese verwiesen worden sei. Es liege ein „Zurückverweisungsfall“ vor, weshalb außer der Zurückverweisung keine weiteren Anträge gestellt würden. Der Prozessbevollmächtigte hat die Vollmacht vom 21.04.2021 zu den Prozessakten eingereicht. 9 Die Klägerin beantragt, (sachdienlich gefasst) 10 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.06.2022 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg zurückzuverweisen. 11 Der Beklagte beantragt, 12 die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. 13 Die Entscheidung des SG Freiburg sei rechtmäßig, weshalb die Voraussetzungen einer Zurückverweisung nicht vorlägen. 14 Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 07.12.2022 darauf hingewiesen, dass das SG Freiburg die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen haben dürfte. Die Voraussetzungen einer Zurückverweisung dürften vorliegen und der Senat beabsichtige auch, von der Zurückverweisungsmöglichkeit Gebrauch zu machen. 15 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 02.06.2022 aufgehoben und wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Freiburg zurückverwiesen.
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Landesarbeitsgericht Hamburg 1. Kammer
Hamburg
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22.03.2011
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Randnummer 1 Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung restlichen Bonus für das Jahr 2008. Randnummer 2 Der Kläger war bei einem am 11. Mai 2009 auf die Beklagte verschmolzenen Bankunternehmen aufgrund eines schriftlichen Vertrages vom 3./5. Mai 1993 als Angestellter tätig, zuletzt auf der ersten Führungsebene als Leiter Beratung & Vertrieb der Region Nordwest im Unternehmensbereich Advisory & Sales bei Private und Business Clients. Zu den Bezügen ist im Vertrag Folgendes geregelt: Randnummer 3 "2. Bezüge Randnummer 4 Der Mitarbeiter erhält folgende Bezüge, durch die zugleich eventuelle Ansprüche auf Mehrarbeitsvergütung abgegolten sind: Randnummer 5 a) Gehalt Randnummer 6 … Randnummer 7 b) Gratifikation Randnummer 8 Eine jährliche Abschlussgratifikation, die aus einem garantierten Betrag in Höhe eines Monatsgehaltes (Basis Dezember) und einer zusätzlichen Vergütung besteht, die unter Berücksichtigung der Ertragslage der Bank individuell nach Leistungsgesichtspunkten jährlich neu festgesetzt wird. Die Abrechnung erfolgt am ersten Arbeitstag nach der ordentlichen Hauptversammlung der Bank. Randnummer 9 …" Randnummer 10 Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf die Anlage K 1 zur Klagschrift (Bl. 7 ff d.A.) verwiesen. Der Kläger wurde mit Dienstsitz in Hamburg beschäftigt und erhielt zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von € 16.054,00. Randnummer 11 Der Kläger erhielt Bonus für die Jahre 2004 in Höhe von € 249.500, 2005 in Höhe von € 264.930, 2006 in Höhe von € 295.530 und 2007 in Höhe von € 246.446. Randnummer 12 Am 30. Januar 2008 schlossen die Parteien für das Jahr 2008 eine Zielvereinbarung (Anlage K 3 zur Klagschrift, Bl. 19 f d.A.), in der der Zielbonus auf € 220.000 festgelegt wurde. Das in dieser Vereinbarung mindestens dreimal verwendete Wort Zielbonus ist an zwei Stellen auf zwei verschiedenen Seiten mit einem Doppelsternchen versehen. Das Doppelsternchen wird nur auf der ersten der beiden Seiten mit dem Zusatz "Aus dem Zielbonus erwächst kein Rechtsanspruch" erläutert. Auf der ersten Seite der Zielvereinbarung befindet sich am Seitenende der Zusatz "s.a. Terms & Conditions", auf der zweiten Seite der Zusatz "q.v. Terms & Conditions". Unmittelbar über der Unterschriftenzeile des Klägers befindet sich ein nicht angekreuztes Kästchen vor dem Text "Yes, I’ve noted the Terms & Conditions". Randnummer 13 Ein Schriftstück mit dem Namen "Ziele und Executive Bonus 2008, Terms & Conditions", wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 6. August 2010 (Bl. 63 ff d.A) verwiesen wird, sieht unter anderem vor: Randnummer 14 " 5. Rahmenbedingungen und Regelungen Randnummer 15 Die tatsächliche Auszahlung des Bonus setzt voraus, dass der Vorstand ein ausreichendes Bonusvolumen zur Verfügung stellt. Die Feststellung des Bonusvolumens bleibt weiterhin der Entscheidung des Vorstands vorbehalten." Randnummer 16 Das Arbeitsverhältnis wurde mit einer Vereinbarung der Parteien vom 30. Januar 2009 zum 30. April 2009 aufgehoben. In dieser Vereinbarung ist unter anderem vorgesehen: Randnummer 17 " 3. Jahresbonus Randnummer 18 Der Bonus 2008 (Gratifikation) gemäß Ziffer 2 b des Dienstvertrages vom 03./05.93 wird im Rahmen der Bonusrunde im Frühjahr 2009 festgelegt und ausgezahlt werden. Der anteilige Bonus 2009 für die Zeit vom 01.01.2009 – 30.04.2009 beträgt Euro 48.000,-- und wird am 15.03.2010 fällig." Randnummer 19 Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf die Anlage K 2 zur Klagschrift (Bl. 12 ff d.A.) verwiesen. Randnummer 20 Der Jahresabschluss der auf die Beklagte verschmolzenen Gesellschaft wies für das Jahr 2008 ein negatives operatives Ergebnis von € 6,56 Mrd. aus. In dem Finanzbericht des Konzerns der verschmolzenen Gesellschaft für das Jahr 2008 sind € 11,970 Mrd. an Handelsaktiva und € 16,222 Mrd. Handelspassiva ausgewiesen, die nicht nach einem Marktpreis, sondern einem Schätzverfahren bewertet wurden. Wegen der Einzelheiten eines Auszugs aus dem Finanzbericht 2008 wird auf die Anlage B 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 6. August 2010 (Bl. 79 ff d.A.) verwiesen. Randnummer 21 Die Vorstände der Beklagten und der auf sie verschmolzenen Gesellschaft beschlossen am 17. Februar 2009, keine Bonuszahlungen an Beschäftigte einschließlich Führungskräften und Vorstandsmitglieder zu leisten. Die Beschäftigten bekamen jedoch eine Zahlung für besondere Belastung. Randnummer 22 Im März 2009 erhielt der Kläger ein Schreiben der Beklagten (Anlage K 8 zur Klagschrift, Bl. 31 d.A.), nach dem eine "Zahlung für besondere Belastung" in Höhe von € 16.054 geleistet werden sollte, die dem Kläger dann auch gezahlt wurde. Randnummer 23 Der Kläger forderte die Beklagte vorgerichtlich vergeblich auf, einen Jahresbonus in Höhe von € 192.946 zu zahlen, zuletzt mit Schreiben vom 10. Mai 2010 (Anlage K 9 zur Klagschrift, Bl. 32 f d.A.) unter Fristsetzung bis zum 31. Mai 2010. Randnummer 24 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er Anspruch auf den Jahresbonus in Höhe von € 209.000 gehabt hätte, weil er seine Ziele zu 95 % erreicht hätte. Dieses ergäbe sich aus dem Bonusbarometer vom 9. Dezember 2008, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 4 zur Klagschrift (Bl. 40 d.A.) verwiesen wird. Dieses Bonusbarometer sei für die Bonushöhe stets zugrunde gelegt worden. Unter Abzug der Zahlung für besondere Belastung in Höhe von € 16.054 bleibe ein offener Rest von € 192.946, den der Kläger noch zu erhalten habe. Die Beklagte schulde seit dem 18. Mai 2009 Verzugszinsen, weil die Auszahlung der variablen Vergütung nach dem Arbeitsvertrag Mitte Mai zu erfolgen gehabt hätte. Randnummer 25 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 26 die Beklagte zu verurteilen, € 192.946,00 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18. Mai 2009 an den Kläger zu zahlen. Randnummer 27 Der Beklagte hat beantragt, Randnummer 28 die Klage abzuweisen. Randnummer 29 Die Beklagte hat vorgetragen, dass der Kläger auf der ersten Führungsebene des verschmolzenen Unternehmens beschäftigt und leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen sei. Der Kläger habe wie jeder Mitarbeiter die "Ziele und Executive Bonus 2008, Terms & Conditions" akzeptiert. Auf Basis der Geschäftszahlen mit Stand von Dezember 2008 sei die Zielerreichung der auf die Beklagte verschmolzenen Gesellschaft im Konzern auf 0 % festgesetzt worden, die Erreichung der Ziele im Verantwortungsbereich des Klägers auf 56,1 und die Ziele nach Block C der Zielvereinbarung mit 21 %. Im August 2008 sei die verschmolzene Gesellschaft noch davon ausgegangen, dass mit einem negativen operativen Ergebnis von € 1,5 Mrd. für das laufende Geschäftsjahr zu rechnen sei. Es sei nicht vorhersehbar gewesen, dass sich das tatsächliche Ergebnis gegenüber der Prognose derart verschlechtern werde. Ein wesentlicher Grund für die verspätete und unsichere Prognose seien illiquide Wertpapierpositionen gewesen, die die auf die Beklagte verschmolzene Bank in ganz erheblichem Maße gehalten habe. Das habe daran gelegen, dass der Markt für eine beträchtliche Anzahl von Finanzprodukten entfallen sei, so dass keine Marktpreise vorhanden gewesen seien, anhand derer man eine Schätzung hätte vornehmen können. Die von der verschmolzenen Gesellschaft genutzten Modelle zur Risikobewertung seien in der Finanzmarktkrise an ihre Grenzen gestoßen. Weil die Bewertung der illiquiden Finanzinstrumente der Beklagten im Geschäftsjahr 2008 besonders problematisch gewesen sei, seien auch die Ergebnisprognosen mit einer ganz erheblichen Unsicherheit belastet gewesen. Dieses habe dazu geführt, dass das Jahresergebnis unvorhersehbar gewesen sei. Ferner sei von Bedeutung, dass ein Kreditinstitut eine Kernkapitalquote von mindestens 4 % benötige. Bei einer Unterschreitung dieser Quote könnten Aufsichtsmaßnahmen ergriffen werden. Nach dem Finanzbericht des verschmolzenen Unternehmens errechne sich eine Kernkapitalquote von 3,7 %. Im Bestätigungsvermerk der Wirtschaftsprüfer zu dem Finanzbericht wird darauf hingewiesen, dass der Fortbestand des auf die Beklagte verschmolzenen Bankunternehmens davon abhänge, dass im ausreichendem Maße Eigenkapital zur Stärkung der Eigenmittel sowie der Risikodeckungsmasse zur Verfügung gestellt werde, aufsichtsrechtliche Maßnahmen nicht ergriffen und keine Vorbehalte gegen die beabsichtigten Maßnahmen geltend gemacht würden. Randnummer 30 Aufgrund der Entscheidung des Vorstandes vom 17. Februar 2009 seien die Rückstellungen für Bonuszahlungen deutlich reduziert worden. Dadurch sei die Kernkapitalquote entlastet worden. Ohne diese Maßnahme hätte die Gefahr des Eingreifens der Aufsichtsbehörde bestanden. Ferner hätte die Beklagten der auf sie verschmolzenen Gesellschaft € 4 Mrd. zugeführt, weil sie habe sicherstellen wollen, dass die Kernkapitalquote dauerhaft die aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen erfülle. Die Beklagte selbst habe in zwei Tranchen eine Unterstützung des Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung in Höhe von € 18,2 Mrd. in Anspruch genommen. Die Inanspruchnahme der zweiten Tranche sei auch durch die Verluste der verschmolzenen Gesellschaft beeinflusst worden. Im Gegenzug sei die Bundesrepublik Deutschland mit 25 % zuzüglich einer Aktie am Grundkapital der Beklagten beteiligt worden. Nachdem im Frühjahr eine erhebliche gesellschaftliche Diskussion über die Berechnung von Bonuszahlungen in Banken ausgebrochen sei, wäre der Öffentlichkeit und der Politik nicht vermittelbar gewesen, dass die verschmolzene Gesellschaft exorbitante Millionenbeträge für Boni ausschütte. Durch diese Diskussion seien auch Verwerfungen am Markt und auf der Kundenseite zu befürchten. Vor dem Hintergrund ihres desaströsen wirtschaftlichen Ergebnisses und der dramatischen Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Umfelds hätte die Entscheidung des Vorstands der verschmolzenen Gesellschaft vom 17. Februar 2009 billigem Ermessen entsprochen. Im Übrigen habe der Kläger die Höhe seiner Forderung falsch berechnet, die bei einer Gesamtzielerreichung von 77,1 % nur € 169.620 betrage. Nach Abzug der Zahlung für besondere Belastung betrage der Restbetrag € 153.566. Randnummer 31 Durch Urteil vom 10. September 2010 hat das Arbeitsgericht Hamburg der Klage unter Abweisung im Übrigen in Höhe von € 153.560 nebst Zinsen stattgegeben. Wegen der Einzelheiten des Urteils wird auf Bl. 105 bis 117 d.A. verwiesen. Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 13. Dezember 2010 zugestellt wurde, hat sie mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2010, beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tage, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10. Februar 2011 (Bl. 161 ff d.A.), beim Landesarbeitsgericht eingegangen am selben Tage, begründet. Randnummer 32 Die Beklagte hält das Urteil des Arbeitsgerichts für falsch und vertritt unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens die Auffassung, dass der Kläger leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG gewesen sei. Randnummer 33 Die Beklagte beantragt, Randnummer 34 das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. September 2010 – 13 Ca 219/10 – teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen. Randnummer 35 Der Kläger beantragt Randnummer 36 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 37 Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. September 2010 – 13 Ca 219/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.
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Hessisches Landessozialgericht 11. Senat
Hessen
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18.03.2002
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten wegen der Anerkennung einer Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit sowie der Gewährung gesetzlicher Rentenleistungen. Randnummer 2 Der ... 1938 geborene Kläger war seit 1958 als Maler und seit 1968 bis zur Betriebsaufgabe im Jahre 1997 als selbständiger Malermeister tätig und als solcher bei der Beklagten gegen Arbeitsunfall versichert. Randnummer 3 Wegen eines Vorfalls im Bereich LWK 4/5 links erfolgte 1980 eine erste Bandscheibenoperation. Im Jahre 1982 trat in diesem Bereich ein weiterer Bandscheibenvorfall auf, der ebenfalls operativ entfernt wurde. Randnummer 4 Wegen rezidivierender Lumboischialgien beantragte der Kläger am 9. April 1997 die Feststellung einer Berufskrankheit. In einem aktuellen Bericht der Städtischen Kliniken F am Main-H vom 19. März 1997 wird über eine ausgebildete Spinalstenose im Bereich L 3/L 4 berichtet, die zu einer dritten Bandscheibenoperation im Juni 1997 führte. Randnummer 5 Im anschließenden Feststellungsverfahren ermittelte die Beklagte ausgehend von der Tätigkeit eines Malers eine Gesamtgefährdung von 10 v. H. der täglich wiederkehrenden vollschichtigen Arbeitszeit von 1958 bis 1997. Auf Vorschlag des Landesgewerbearztes (LAG) lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 9. Juni 1997 die Anerkennung einer Berufskrankheit ab. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe zwar in geringem Umfang eine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit verrichtet, jedoch nicht wenigstens während eines Drittels der täglich wiederkehrenden vollschichtigen Arbeitszeit. Randnummer 6 Hiergegen erhob der Kläger am 25. Juni 1997 Widerspruch unter Bezugnahme auf einen weiteren Bericht der Städtischen Kliniken F am Main-H vom 21. Oktober 1997, in dem es heißt, der Weg in den vorzeitigen Ruhestand werde befürwortet, weil die körperlich schwere Arbeit eines mitarbeitenden Malermeisters kaum durchgeführt werden könne. Randnummer 7 Durch Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung wird ausgeführt, der Ausgangsbescheid beruhe auf den Angaben des Klägers. Danach könne nach dem derzeitigen medizinischen Erkenntnisstand bei der beruflichen Tätigkeit eines Malers und Lackierers nur von einer geringfügig wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit ausgegangen werden. Randnummer 8 Gegen die Bescheide der Beklagten hat der Kläger am 18. Dezember 1997 Klage beim Sozialgericht Darmstadt (SG) erhoben und zur Begründung vorgetragen, er habe als Maler und Verputzer gearbeitet. Seine Firma habe Putz-, Anstrich- und Tapezierarbeiten angeboten sowie im Bereich der Fußbodenverlegung, des Trockenbaues und des Gerüstbaues gearbeitet. Dabei habe er schwerste Lasten zu schleppen gehabt. Einen Großteil seiner Tätigkeit habe er rückenbelastend in gebeugter Haltung ausüben müssen. Randnummer 9 Der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) der Beklagten hat nach persönlicher Befragung des Klägers anhand der Belastungsdokumentationen der Arbeitsgemeinschaft der Bau-Berufsgenossenschaften für Stukkateure/Putzer, Maler und Lackierer, Bodenleger und Trockenbaumonteure eine lendenwirbelsäulenbelastende Tätigkeit von 25 % zwischen 1952 bis 1955, von 33 % zwischen 1956 bis 1968 und von 28,5 % in der Zeit von 1969 bis 1997 ermittelt. Randnummer 10 Das SG hat auf Antrag des Klägers dessen frühere Mitarbeiter Uwe B, Jan L und Christian W als Zeugen vernommen. Der Zeuge B, der seit 1985 mit Unterbrechungen bis zur Schließung des Betriebs bei dem Kläger gearbeitet hat, hat ausgesagt, der Kläger habe den größten Teil der Putzarbeiten selber gemacht. Er sei der einzige im Betrieb gewesen, der das richtig gekonnt habe. Zu einer Verputzerkolonne, insbesondere bei größeren Vorhaben, seien mindestens zwei Mann zu zählen, nämlich einer, der die Verputzarbeiten selber mache und der andere, der die Maschinen bediene und sonstige Arbeit verrichte. Der Zeuge L, der mit Ausnahme der Wehrdienstzeit von 1984 bis 1997 im Betrieb des Klägers tätig war, hat angegeben, der Kläger habe immer mitgearbeitet und dabei hauptsächlich Verputzarbeiten verrichtet, weil sonst kein richtiger Verputzer da gewesen sei. Der Zeuge W, der von 1995 bis 1997 in der Firma des Klägers tätig war, hat ausgesagt, der Kläger habe selber mitgearbeitet, insbesondere, wenn Verputz- und Trockenbauarbeiten zu verrichten gewesen seien. Bei den Verputzarbeiten habe der Kläger die Hauptarbeiten ausgeführt. Die anderen Mitarbeiter hätten eigentlich mehr die Nebenarbeiten verrichtet. Dies sei u.a. daraus zu erklären, dass der Kläger diese Arbeiten gelernt habe. Es sei nicht immer die ganze Belegschaft von fünf Mann an einem Objekt beschäftigt gewesen. Bei Verputzaufträgen seien es z.B. drei oder vier Mann gewesen und ein oder zwei Mann seien mit Malerarbeiten woanders beschäftigt gewesen. Zu Beginn seiner Tätigkeit in der Firma S sei keine Verputzermaschine vorhanden gewesen. Die habe sich der Kläger später angeschafft und wohl auch gelegentlich eine Maschine ausgeliehen. Zu Anfang habe der Putz in einer Wanne angerührt werden müssen. Der Putz sei in bis zu 40-kg-Säcken angeliefert worden und habe teilweise über längere Strecken zur Wanne getragen werden müssen. Diese Wanne von etwa 80 cm Durchmesser sei dann von zwei Mann zum Objekt getragen und der Putz dort mit der Kelle aufgetragen worden. Der Kläger habe alle diese Arbeiten verrichtet, d. h. Säcke getragen, Putz angerichtet, Wanne getragen und den Putz aufgetragen. Randnummer 11 Der Kläger hat in seiner persönlichen Befragung angegeben, er habe aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme den Betrieb mit ursprünglich 28 bis 30 Mitarbeitern schrittweise auf zuletzt vier bis fünf Mann verkleinert. Bis zum Jahre 1982 habe er auch selber verputzt. Er habe vier bis fünf Leute, die beim Verputzen mitgearbeitet hätten, gehabt. Nach seinen Bandscheibenoperationen habe er ab 1983 weiterhin verputzt. Den zeitlichen Umfang könne man schlecht angeben. Bei größeren Objekten seien es schon einmal mehrere Wochen gewesen. Bei kleineren Objekten sei das Material sackweise hochgetragen und von Hand aufgetragen worden. Größere Objekte habe er nach 1983 nicht mehr gemacht, allenfalls mal den Außenputz an einem Einfamilienhaus. Man könne bei solchen Arbeiten nicht immer mit der Gruppe zusammenarbeiten, da auch andere Aufträge auszuführen seien. Dort habe er dann seine Mitarbeiter hingeschickt und er selbst habe die Verputzarbeiten gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten der Zeugenaussagen sowie der Befragung des Klägers wird auf die Sitzungsniederschrift vom 18. April 2000 Bezug genommen. Randnummer 12 Der TAB kommt aufgrund der Angaben der Zeugen und des Klägers in einer weiteren Stellungnahme vom 29. Mai 2000 zu dem Ergebnis, wegen des Anteils der größeren Projekte nach 1982 sei es nicht möglich, dass der Kläger seit dem Stichtag des 1. April 1988 in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten pro Jahr vollschichtig Putzarbeiten ausgeführt habe. Eine ausreichende Gefährdung sei deshalb nicht erkennbar. Randnummer 13 Das SG hat die Klage durch Urteil vom 10. Oktober 2000 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) nicht erfüllt seien. Die Nr. 2108 der Anlage zur BKV betreffe bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Diese Berufskrankheit sei durch die 2. Verordnung zur Änderung der BKV vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I 2343) in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen worden. Artikel 2 Abs. 2 Satz 1 der 2. Änderungsverordnung bestimme insoweit ausdrücklich, dass die Nr. 2108 der Anlage zur BKV nur dann anzuerkennen sei, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten sei. Das sei nicht der Fall. Der Kläger habe nach diesem Stichtag das Tatbestandsmerkmal "langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten bzw. langjährige Tätigkeit in extremer Rumpfbeugehaltung" nicht erfüllt. Nach dem Merkblatt des Bundesministers für Arbeit- und Sozialordnung zur Berufskrankheit nach Nr. 2108 gehöre der Kläger als Verputzer nicht zu einer mit einem erhöhten Risiko belasteten Berufsgruppe. Auch habe er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nach dem 31. März 1988 nicht entsprechend den Vorgaben des Merkblatts mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit Lasten von 20 kg und mehr heben und tragen müssen oder Arbeiten verrichtet, bei denen sein Oberkörper aus der aufrechten Haltung um mehr als 90 Grad gebeugt gewesen sei. Nach den Angaben der Zeugen sei der Kläger in erster Linie mit der eigentlichen Verputzarbeit befasst gewesen, weil er es am besten gekonnt habe und seine jüngeren Mitarbeiter es nicht gelernt hätten. Der Kläger könne deshalb mit den Nebenarbeiten, bei denen die eigentlichen Hebe- und Tragearbeiten angefallen seien, nicht wesentlich beschäftigt gewesen sein. Das Putzauftragen mit der Kelle, das Abziehen des Putzes mit einem Brett oder das anschließende Glattreiben mit der Putzscheibe seien keine wirbelsäulengefährdenden Tätigkeiten im Sinne der Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Nicht erwiesen sei deshalb, dass der Kläger wirbelsäulengefährdende Hebe- und Tragearbeiten sowie Arbeiten in extremer Rumpfbeugung mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten nach dem 31. März 1988 verrichtet habe. Randnummer 14 Gegen das ihm am 23. Dezember 2000 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 19. Januar 2001 eingelegten Berufung, zu deren Begründung er sich auf sein bisheriges Vorbringen bezieht. Randnummer 15 Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. Oktober 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Dezember 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Anerkennung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit Rentenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Randnummer 16 Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 17 Die Beklagte hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Randnummer 18 Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. Oktober 2000 wird zurückgewiesen. II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
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VG Berlin 1. Kammer
Berlin
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08.03.2013
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt, als Übersetzer für polnische Sprache für Berliner Gerichte und Notare ermächtigt zu werden. Randnummer 2 Am 6. Juli 2001 legte der Kläger vor dem Prüfungsausschuss der Industrie- und Handelskammer (IHK) Düsseldorf die Prüfung zum Übersetzer für die polnische Sprache ab. Randnummer 3 Mit Schreiben vom 25. Dezember 2011 beantragte der Kläger beim Beklagten unter Bezugnahme auf das Prüfungszeugnis der IHK die Ermächtigung als Übersetzer für die polnische Sprache. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 1. Juni 2012 lehnte der Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass gemäß § 19 Abs. 4 des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes (AGGVG) als Übersetzer nur ermächtigt werden könne, wer entweder im Inland eine Prüfung für Übersetzer eines staatlichen Prüfungsamtes oder einer Hochschule oder im Ausland eine von einer deutschen Stelle als gleichwertig anerkannte Übersetzerprüfung bestanden habe. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Die vor der IHK abgelegte Prüfung sei keine Prüfung eines staatlichen Prüfungsamtes. Randnummer 5 Den dagegen mit Schreiben vom 4. Juli 2012 erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. August 2012 zurück. Randnummer 6 Dagegen hat der Kläger am 20. September 2012 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Bei der vor der IHK abgelegten Prüfung handele es sich um eine vor einem staatlichen Prüfungsamt abgelegte Prüfung i. S. d. § 19 Abs. 4 AGGVG . Dies folge daraus, dass die IHK als Körperschaft öffentlichen Rechts Teil des Staates sei. Die Prüfungsurkunde werde vom zuständigen Ministerium in Nordrhein-Westfalen ausgestellt. Bis zum Jahr 2004 habe ein Vertreter des Ministeriums an der Prüfung teilgenommen. In Nordrhein-Westfalen werde das Prüfungszeugnis folgerichtig bei allen Gerichten und Notaren anerkannt. Das Zeugnis müsse zumindest nach Sinn und Zweck des § 19 Abs. 4 AGGVG , die Qualität der Übersetzungen sicherzustellen, auch in Berlin anerkannt werden. Die Qualität der IHK-Prüfung sei mit der vor einem staatlichen Prüfungsamt jedenfalls vergleichbar. Sein Zeugnis nicht anzuerkennen, komme einem endgültigen Ausschluss von der Tätigkeit als ermächtigter Übersetzer in Berlin gleich. Denn das Eignungsfeststellungsverfahren, das bis vor Kurzem die Anerkennung in einem abgekürzten Verwaltungsverfahren ermöglicht habe, sei abgeschafft worden. Vor diesem Hintergrund sei die starre Handhabung des § 19 Abs. 4 AGGVG mit Art. 12 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar. Randnummer 7 Der Kläger beantragt, Randnummer 8 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 1. Juni 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. August 2012 zu verpflichten, ihn als Übersetzer für die Berliner Gerichte und Notare für polnische Sprache zu ermächtigen. Randnummer 9 Der Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Zur Begründung führt er aus: Bei der vom Kläger abgelegten IHK-Prüfung handele es sich nicht um eine Prüfung vor einem staatlichen Prüfungsamt. Staatliche Prüfungsämter seien nach der Richtlinie der Kultusministerkonferenz zur Durchführung und Anerkennung von Prüfungen für Übersetzer, Dolmetscher und Gebärdensprachdolmetscher vom 12. März 2004 nur solche Prüfungseinrichtungen, die bei der jeweiligen Landesbehörde eingerichtet werden. Prüfungsausschüsse bei der IHK fielen nicht darunter. Nur diese Auslegung entspreche dem Anliegen des Gesetzgebers, durch das Erfordernis einer staatlichen Prüfung die Qualität der Übersetzung für gerichtliche Verfahren zu gewährleisten. IHK-Prüfungen böten diese Gewähr nicht. Diese hätten einen zum Teil anderen Prüfungsgegenstand und erreichten nicht den Umfang und den Schwierigkeitsgrad einer vor einer staatlichen Prüfungsstelle abgelegten Prüfung für Übersetzer. So habe nach der Prüfungsordnung vom 15. November 1975, die bei der Prüfung des Klägers gegolten habe, ein Wörterbuch zugelassen werden können und kein Fachtext übersetzt werden müssen. Nach der Richtlinie der Kultusministerkonferenz vom 12. März 2004 hingegen seien keine Hilfsmittel zulässig und müssten Fachtexte in beide Sprachrichtungen übersetzt werden. Diese strengen Anforderungen seien im Hinblick auf das Ziel, einen sicheren und zuverlässigen Urkundenverkehr zu gewährleisten, geboten. Gegen die Beschränkung des Sachkundenachweises auf Zeugnisse über staatliche Prüfungen bestünden daher auch im Hinblick auf Art. 12 GG keine Bedenken. Dies gelte auch deshalb, weil der Kläger jederzeit eine Prüfung vor einem staatlichen Prüfungsamt in Deutschland ablegen und dann auch in Berlin als Übersetzer ermächtigt werden könne. Randnummer 12 Die Kammer hat dem Berichterstatter den Rechtsstreit mit Beschluss vom 11. Februar 2013 zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen. Randnummer 13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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VG Berlin 4. Kammer
Berlin
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12.12.2014
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Mitgliedsbeiträgen der Industrie- und Handelskammer Berlin. Randnummer 2 Dem in Berlin wohnhaften und als Angestellten bei einem in Berlin ansässigen Unternehmen tätigen Kläger wurde mit Schreiben vom 6. Juli 2012 durch das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen Berlin die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Hinterziehung unter anderem von Gewerbesteuern mitgeteilt. Ihm werde vorgeworfen, in den Jahren 2006 bis 2011 von der Firma A... Berlin, Zahlungen aus Altmetallverkäufen erhalten zu haben. Mit Steuerbescheiden vom 18. Oktober 2012 wurden die bisherigen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2006 bis 2011 aufgrund von Einkünften aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer geändert sowie Umsatz- und Gewerbesteuern festgesetzt. Mit Schreiben vom 26. November 2012 erklärte der Kläger für die Veranlagungsjahre 2006 bis 2011 Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach. Randnummer 3 Mit Beitragsbescheid vom 4. April 2014 machte die Beklagte Mitgliedsbeiträge für die Jahre 2008 bis 2010 i.H.v. 336,58 Euro geltend. Zusätzlich wurde ein Betrag i.H.v. 261,53 Euro aus früheren Bescheiden geltend gemacht. Letztere Summe entspricht dem für das Jahr 2011 in einem Bescheid vom 21. März 2014 angesetzten Mitgliedsbeitrag. Gegen den Beitragsbescheid vom 4. April 2014 erhob der Kläger mit Schreiben vom 8. April 2014 Widerspruch. Seine Erlöse würden aus Untreue bzw. Unterschlagungen zulasten seines Arbeitgebers stammen. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie sei an die gesetzlichen Regelungen gebunden, aus denen sich die Mitgliedschaft und Beitragspflicht des Klägers ergäben. Randnummer 4 Mit der Klage vom 16. Mai 2014 verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Als Heranziehungs- und Bemessungsgrundlage für die Mitgliedsbeiträge würden alleine die Gewerbesteuerbescheide des Finanzamts dienen. Diese seien Folge einer von ihm begangenen gewerbsmäßigen Unterschlagung bzw. Untreue zulasten seines damaligen Arbeitgebers durch Verkauf von Altmetall. Die Beklagte dürfe wohl kein Interesse daran haben, ein Mitglied wie ihn in ihren Reihen aufzunehmen. Ansonsten sei im Ergebnis jeder, der aus Straftaten gewerbliche Erlöse erziele, Mitglied. Dies könne nicht Sinn und Zweck der Beklagten entsprechen, der es nach ihrer Satzung obliege, für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken. Er strebe keine weitere gewerbliche Tätigkeit an und komme somit auch nicht in den Genuss von Beratungsleistungen der Beklagten. Offenbar werde die Beitragspflicht angesichts der Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik für Berlin nicht systematisch umgesetzt. Im Übrigen sei auch nicht bekannt, welche Anstrengungen die Beklagte etwa unternehme, um Mitgliedsbeiträge bei der Gruppe der Prostituierten einzutreiben. Seine Mitgliedschaft bei der Beklagten sei im Ergebnis nicht tragbar. Es müsse ggf. von einer Regelungslücke ausgegangen werden, die im Wege der Analogie geschlossen werden könne. Randnummer 5 Kläger beantragt, Randnummer 6 den Beitragsbescheid der Beklagten vom 4. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 17. April 2014 aufzuheben. Randnummer 7 Die Beklagte beantragt, Randnummer 8 die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Sie verweist auf die Bindung an die gesetzlichen Vorschriften, die ihr keinen Spielraum ließen. Randnummer 10 Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter mitgeteilt. Randnummer 11 Für weitere Einzelheiten zum Sach- und Streitstand sowie zum Vorbringen der Beteiligten wird auf die Streitakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, welche vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen sind.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 6. Senat
Berlin
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19.03.2021
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um die Kürzung von Finanzierungszuschüssen für die von der Klägerin betriebenen Kindertagesstätten. Randnummer 2 Die Klägerin ist ein als Träger der freien Jugendhilfe anerkannter privater Träger und betreibt im Land Berlin drei Kindertagesstätten mit rund 400 Betreuungsplätzen. Ihr Konzept sieht eine internationale sowie vorschulische Ausbildung aufgrund der Anbindung der Kindertagesstätten an die Privaten K...Schulen vor. Nach ihrer Beitragsstruktur für die bilinguale Konzeption erhebt sie von den Eltern über mit diesen geschlossene Zusatzvereinbarungen monatlich zwischen 220 bis 350 Euro Zuzahlungen pro Kind, für Vorschulkinder in der Starterklasse ihrer internationalen Kindertagesstätte in der L... 780 Euro pro Monat. Die Zusatzvereinbarungen umfassen Zuzahlungen für Frühstück und Vesper, das bilinguale Konzept sowie eine erhöhte Personalausstattung, die über den gesetzlich vorgeschriebenen Standards liegt. Die Laufzeit der Zusatzvereinbarung ist jeweils an die Laufzeit des Betreuungsvertrages gekoppelt. Einseitig wird den Eltern darüber hinaus für die Zusatzvereinbarungen jeweils vertraglich ein Kündigungsrecht zum Ende jedes Monats eingeräumt. Randnummer 3 Außer mit den Einnahmen aus diesen Zuzahlungsvereinbarungen finanziert die Klägerin den Betrieb ihrer Einrichtungen ganz wesentlich durch öffentliche Zuwendungen des Beklagten. Nach den landesrechtlichen Bestimmungen zur Finanzierung der Tageseinrichtungen der Träger der freien Jugendhilfe setzt eine Kostenerstattung durch das Land Berlin u.a. voraus, dass der Träger der gesetzlich vorgesehenen landesweiten Leistungsvereinbarung beigetreten ist. Diese Leistungsvereinbarung ist zwischen dem Beklagten auf der einen Seite sowie den der LIGA der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Berlin angehörenden Spitzenverbände und dem Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden e.V. - DaKS - als „Rahmenvereinbarung über die Finanzierung und Leistungssicherstellung der Tageseinrichtungen - RV Tag“ geschlossen worden. Auf dieser Grundlage erstattet der Beklagte den Trägern der freien Jugendhilfe seit dem 1. Januar 2018 insgesamt 93,5 % ihrer Gesamtkosten (Personal- und Sachkosten pro Betreuungsplatz). Der Erstattungssatz ist bis zum Jahr 2021 jährlich um 0,5 % bis auf 95 % gestiegen. Die Berechnung der Kostenerstattung erfolgt automatisiert mit Hilfe des Computerprogramms „Integrierte Software Berliner Jugendhilfe“ (ISBJ). Randnummer 4 Die Klägerin gehört keinem der genannten Verbände an und wird von diesen auch nicht vertreten. Sie hat allerdings von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit, der Leistungsvereinbarung beizutreten, mit Wirkung vom 25. Februar 2006 Gebrauch gemacht. Randnummer 5 Das Kindertagesförderungsgesetz wurde zum 1. Januar 2018 dahingehend geändert, dass Zuzahlungen der Eltern nur noch unter bestimmten Voraussetzungen und in angemessener Höhe zulässig sein sollten. Die konkrete Höhe sollte in der RV Tag und bei Nicht-zustande-Kommen in einer Rechtsverordnung festgelegt werden. Die Regelung über die Zuzahlungen traten zum 1. August 2018 in Kraft. Randnummer 6 Mit Wirkung ab 1. September 2018 änderten die Vertragsparteien die RV Tag. Freie Träger dürfen seither mit den Eltern nur noch Zuzahlungen von maximal 90 Euro pro Kind und Monat vereinbaren, wobei in diesem Betrag die Trägerleistungen für Frühstück (20 Euro) und Vesper (10 Euro) enthalten sind. Randnummer 7 Mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 forderte der Beklagte die Klägerin auf, zu ihrer Zuzahlungspraxis Stellung zu nehmen und hierzu Unterlagen vorzulegen. Dem ist die Klägerin nicht nachgekommen. Eine von ihr im Dezember 2018 erhobene Verfassungsbeschwerde wies der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. September 2019 - 182/18 - als zulässig zurück. Randnummer 8 Die Klägerin erhob am 24. Januar 2019 die vorliegende Klage zum Verwaltungsgericht, mit der sie zunächst die Feststellung begehrte, berechtigt zu sein, auch nach dem 1. August 2018 Elternbeiträge bzw. Zuzahlungen für Zusatzleistungen, die den monatlichen Betrag von 90 Euro pro Kind überstiegen, von den Eltern zu erheben. Mit Schreiben vom 30. April 2019 kündigte der Beklagte der Klägerin an, die monatlichen Auszahlungen zukünftig um 10.000 Euro zu kürzen und setzte diese Ankündigung ab Juni 2019 um. Daraufhin stellte die Klägerin die Klage um und begehrte nunmehr die Aufhebung dieser Kürzung für den Zeitraum Juni bis einschließlich Dezember 2019 im Wege der Anfechtungsklage sowie die Verurteilung des Beklagten, die von Juni bis einschließlich Dezember 2019 einbehaltenen Finanzierungszuschüsse an sie zu zahlen. Ihre ursprünglichen Feststellungsbegehren verfolgte sie hilfsweise weiter. Randnummer 9 Die Kürzung wurde aufgrund eines in dem von der Klägerin angestrengten vorläufigen Rechtsschutzverfahren - VG 18 L 519.19 - geschlossenen Vergleichs von Januar bis April 2020 ausgesetzt und ab Dezember 2020 auf 20.000 Euro pro Monat erhöht. Randnummer 10 Mit Urteil vom 19. Juni 2020 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Die mit dem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage sei nicht statthaft und damit unzulässig, weil der Beklagte die Zuschüsse nicht durch Verwaltungsakt gekürzt habe. Die auf Auszahlung der einbehaltenen Finanzierungszuschüsse gerichtete Leistungsklage sei unbegründet, die von dem Beklagten vorgenommene Kürzung der monatlichen Auszahlungsraten nicht zu beanstanden. Es sei unstreitig, dass der Beklagte nach diesen Regelungen zur Einleitung eines Pflichtverletzungsverfahrens berechtigt gewesen sei und sich im Rahmen des in der RV Tag vorgesehenen abgestuften Sanktionskatalogs bewege. Die Höchstgrenze von 90 Euro Zuzahlung pro Kind und Monat einschließlich Essenanteil sei angesichts des gesetzgeberischen Anliegens, Eltern eine weitgehend kostenfreie Betreuung ihrer Kinder in Tageseinrichtungen zu ermöglichen und sie vor unangemessenen finanziellen Belastungen als Folge von Zuzahlungsvereinbarungen zu schützen, gesetzeskonform und auch verfassungsgemäß. Das Recht der Klägerin auf Berufsfreiheit sei nicht verletzt. Eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit sei jedenfalls gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe alle wesentlichen Entscheidungen selbst getroffen. Er habe auch im Interesse der Träger der freien Jugendhilfe die konkrete Bestimmung der Höhe des hinzunehmenden Zuzahlungsbetrages einer Regelung durch die Vertragsparteien einer landesweiten Leistungsvereinbarung überlassen dürfen. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls - hier den Schutz der Eltern vor übermäßigen Zuzahlungen - gerechtfertigt. Nur durch eine Begrenzung der Höhe der Zuzahlung auf das Angemessene könne effektiv vermieden werden, dass Träger Druck auf Eltern ausübten oder Eltern sich gezwungen sähen, Zuzahlungsverpflichtungen einzugehen, um den gewünschten Betreuungsplatz zu sichern bzw. zu erhalten. Gerade auch mit Blick auf die in Berlin zu beobachtende Unterversorgung mit Kitaplätzen erscheine die Begrenzung sinnvoll und geboten, auch um unabhängig von finanziellen Möglichkeiten gleiche Chancen auf einen Betreuungsplatz zu gewährleisten. Es erscheine zweifelhaft, wie sich eine freie Kitaplatzwahl in einer Einrichtung der Klägerin mit oder ohne Zuzahlungsvereinbarung praktisch umsetzen lassen solle, zumal die Klägerin wiederholt darauf hingewiesen habe, dass die durch eine überobligatorische sächliche Ausstattung, ein gehobenes Nahrungsangebot und einen über das allgemein Geforderte hinausgehenden Personalschlüssel auch für eine bilinguale Förderung verursachten Mehrkosten ohne Zuzahlungen der Eltern nicht finanzierbar sei. Die Zuzahlungsbeschränkung stelle für die Klägerin keine übermäßige Belastung dar. Es sei ihr zuzumuten, ihre Konzeption den für sie seit längerem absehbaren Finanzierungsvoraussetzungen anzupassen, zumal es ihr freistehe, ihr Angebot unter Verzicht auf öffentliche Mittel unverändert zu lassen und sich auf anderem Wege zu finanzieren. Die weiteren Hilfsanträge seien ebenfalls unbegründet. Randnummer 11 Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer von dem Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung im Wesentlichen vor: Soweit sie ihre auf Zahlung der einbehaltenen Erstattungsbeträge gerichtete Leistungsklage nunmehr auf den gesamten Zeitraum ab Juni 2019 erstrecke, handele es sich um eine zulässige Klageerweiterung oder jedenfalls eine sachdienliche Klageänderung. Die Anfechtungsklage sei statthaft, da sowohl die ISBJ-Abrechnungen als auch die Ankündigung des Beklagten, die Finanzierungszuschüsse zu kürzen, nach dem objektiven Empfängerhorizont Verwaltungsakte darstellten. Einem von Gegenseitigkeit geprägten Verhältnis stehe entgegen, dass die Zuzahlungsbeschränkung ohne Ausgleich für die freien Träger erfolge. Sie sei gezwungen gewesen, der RV Tag beizutreten, wenn sie an der öffentlichen Kostenerstattung teilnehmen wolle. Sie habe hinsichtlich der Einführung der Zuzahlungsbeschränkung weder Einflussmöglichkeiten noch ein Mitspracherecht gehabt. Das in der RV Tag vorgesehene Schiedsstellenverfahren sei weder ausgeglichen noch gleichberechtigt. Auch die Leistungsklage sei begründet. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des KitaFöG und der RV Tag seien verfassungswidrig. Es liege ein unmittelbarer Eingriff in ihre Berufsausübungsfreiheit vor, die die unternehmerische Organisationsfreiheit und die freie Vertrags- und Preisgestaltung für Entgelte für Leistungen umfasse. Dies gelte vor allem mit Blick auf die Verbotswirkung der Zuzahlungsbeschränkung, die sich berufsregelnd auf ihr Konzept auswirke. Die fraglichen Regelungen hätten eine berufsregelnde Tendenz, da sie gezielt eine berufliche Tätigkeit oder zumindest deren Ausübung beträfen. Es sei ihr unmöglich, ihr derzeitiges Betreuungskonzept weiterzuführen. Die Zuzahlungsbeschränkung wirke sich - entgegen dem Wunsch- und Wahlrecht der Eltern - als Verbot ihres pädagogischen Konzepts aus. Es gehe ihr nicht um eine bedingungslose Vollfinanzierung, sondern um das Recht, mit Eltern Zusatzbeiträge für besondere Leistungen vereinbaren zu können. Die staatlichen Finanzierungszuschüsse deckten nur die Betriebskosten für die gesetzlich vorgesehene Basisbetreuung ab, die sie auch erbringe. Durch die teilweise Einbehaltung der Zuschüsse eigne sich der Beklagte die von den Eltern geleistete Betreuungsvergütung rechtswidrig an. Der Grundrechtseingriff sei auch nicht gerechtfertigt, da § 23 KitaFöG bereits gegen die Wesentlichkeitstheorie verstoße, indem er die Regelung zu den Voraussetzungen und Bedingungen der Zuzahlungen in § 23 Abs. 8 Satz 4 und 5 KitaFöG vorrangig an die Exekutive delegiere. Aus § 23 Abs. 8 und 9 KitaFöG ergäben sich keine konkreten Angaben hinsichtlich der Zuzahlungen. Auch § 23 Abs. 4 Satz 2 bis 4 KitaFöG genügten dem Wesentlichkeitserfordernis nicht. Das gelte auch für die Verwendung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „angemessenen“ Höhe in § 23 Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b) KitaFöG. Die konkrete Höhe zulässiger Zuzahlungen sowie das Verfahren bei Pflichtverletzungen seien erst durch die Leistungsvereinbarung RV Tag sowie deren Anlage 10 festgelegt worden. Auch nach Artikel 80 Abs. 1 Satz 2 GG sowie Artikel 64 Abs. 1 Satz 2 VvB seien Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz zu bestimmen. Die Neuregelungen des § 23 KitaFöG und der RV Tag seien nicht verhältnismäßig. Dem Ziel des KitaFöG, die Eltern vor ungewollten regelmäßigen Zahlungen zu schützen, sei bereits durch die seit dem 1. August 2018 eingeführte Beitragsfreiheit gemäß § 8 Abs. 3 in Verbindung mit § 3 Abs. 5 TKBG genüge getan. Auch seien die Eltern durch das einseitige Kündigungsrecht im Hinblick auf Zuzahlungsvereinbarungen ohne Verlust des Kitaplatzes geschützt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass durch die Zuzahlungspraxis Druck auf Eltern ausgeübt werde, stelle keine verfassungsrechtliche Rechtfertigung dar. Zudem sei das Wunsch- und Wahlrecht der Eltern, das sich aus dem Erziehungsrecht der Eltern herleite, zu berücksichtigen. Mit Hilfe der Zuzahlungsbeschränkungen solle landesweit ein Niveau der Kindertagesbetreuung etabliert werden, dass weder das Pluralitätsprinzip noch qualitativ hochwertige Angebote im Blick habe. Ein Ausstieg aus der staatlichen Finanzierung hätte Elternbeiträge von über 1.000 Euro pro Monat zur Folge, stünde im Widerspruch zur eingeführten Elternbeitragsfreiheit und würde ein Zwei-Klassen-Kitasystem schaffen. Dies könne nicht damit gerechtfertigt werden, dass dies zahlenmäßig nur wenige Träger betreffe. Die Zuzahlungsbeschränkung wirke sich kontraproduktiv auf die dringend benötigte - von der Klägerin bereits verwirklichte - Verbesserung der Personalausstattung der Kitas in Berlin aus. Das zeige sich auch darin, dass zahlreiche Träger nunmehr Fördervereine gegründet hätten, mittels derer die Zuzahlungsbeschränkungen umgangen würden. Auch die mit den Hilfsanträgen zu 3. und 4. erhobenen Feststellungsanträge seien zulässig und begründet. Randnummer 12 Die Klägerin beantragt, Randnummer 13 1. das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 19. Juni 2020 aufzuheben und die Regelung des Berufungsbeklagten (vgl. Ankündigung vom 30. April 2019), die Finanzierungszuschüsse an die Berufungsklägerin ab Juni 2019 um monatlich 10.000 EUR sowie ab Dezember 2020 um monatlich 20.000 EUR zu kürzen, aufzuheben und den Berufungsbeklagten zu verurteilen, die seither einbehaltenen Finanzierungszuschüsse zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Berufungsklägerin zu zahlen, Randnummer 14 hilfsweise Randnummer 15 2. den Berufungsbeklagten zu verurteilen, weitere Finanzierungszuschüsse von monatlich 10.000 EUR ab Juni 2019 sowie von monatlich 20.000 EUR ab Dezember 2020 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Berufungsklägerin zu zahlen, Randnummer 16 hilfshilfsweise Randnummer 17 3. festzustellen, dass die Berufungsklägerin auch nach dem 1. August 2018 berechtigt ist, Elternbeiträge für die Betreuung von Kindern in den von ihr betriebenen Kindertagesstätten „K..., zu erheben, Randnummer 18 hilfshilfshilfsweise Randnummer 19 4. festzustellen, dass die Berufungsklägerin berechtigt ist, auch nach dem 1. September 2018 Zuzahlungen für Zusatzleistungen, welche den monatlichen Betrag von 90 € pro Kind übersteigen, von den Erziehungsberechtigten zu erheben. Randnummer 20 Der Beklagte beantragt, Randnummer 21 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 22 Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und trägt ergänzend vor: Die Anfechtungsklage im Hauptantrag sei unzulässig. Der Leistungsantrag (Hilfsantrag zu 2.) sei unbegründet. Selbst bei unterstellter Verletzung der Berufsfreiheit wäre die RV Tag nicht nach § 58 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 134 BGB nichtig, da die Berufsfreiheit im Subventionsrecht mangels Eindeutigkeit kein Verbotsgesetz begründe, das zur Nichtigkeit des Vertrags führen könne und auch ein bloßer Verstoß gegen eine materielle Ermächtigungsnorm für den Abschluss eines Vertrags hierfür nicht ausreiche. Im Übrigen beinhalteten die in Rede stehenden Vorschriften keinen Eingriff in die Berufsfreiheit der Klägerin, da weder § 23 KitaFöG noch die RV Tag den freien Trägern echte Verhaltenspflichten auferlegten, sondern bloße Bedingungen für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Förderung statuierten. Ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit wäre jedenfalls gerechtfertigt, um Eltern vor hohen Zuzahlungsverpflichtungen zu schützen, zumal das Instrument der Zuzahlungen in teilweise erheblichem Umfang missbraucht worden sei. Die Klägerin habe nach ihrem eigenen Vortrag ihre wirtschaftliche Konzeption in erheblichem Maße auf die Einnahme der erhobenen Zusatzbeiträge ausgerichtet. Die Hilfsanträge zu 3. und 4. seien unzulässig, jedenfalls unbegründet. Randnummer 23 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakten, der Akten der einstweiligen Rechtsschutzverfahren VG 18 L 519.19 und OVG 6 S 63/20, der von der Klägerin eingereichten Unterlagen zum vorangegangenen Verfassungsbeschwerdeverfahren - VerfGH 182/18 - sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Oberverwaltungsgericht des Saarlandes 2. Senat
Saarland
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05.10.2021
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Randnummer 1 Der 1986 in Syrien geborene Kläger ist staatenloser Palästinenser. Er reiste im November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte im Januar 2016 einen Asylantrag. Randnummer 2 Bei seiner persönlichen Anhörung im Februar 2016, bei der er seinen Antrag auf die Gewährung internationalen Schutzes beschränkte, legte der Kläger einen syrischen Wehrpass und ein Foto eines vom United Nations Relief and Work Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA) 1 Dieses Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten ist ein „temporäres“ Hilfsprogramm der Vereinten Nationen, das seit seiner Gründung 1949 regelmäßig um drei Jahre verlängert wurde. Dieses Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten ist ein „temporäres“ Hilfsprogramm der Vereinten Nationen, das seit seiner Gründung 1949 regelmäßig um drei Jahre verlängert wurde. ausgestellten Ausweises seiner Geschwister vor und führte aus, er sei ledig, habe keine Kinder und zunächst in Yarmouk und dann von 2012 bis zu seiner Ausreise aus Syrien im November 2015 in C-Stadt gelebt. Sein Vater D. und seine Mutter E. hielten sich in Damaskus auf. Er habe drei Brüder und vier Schwestern. 2003 habe er das Abitur abgelegt, keinen Beruf erlernt und in einem Telefonladen als Verkäufer gearbeitet. Von 2010 bis 2012 habe er Wehrdienst in der palästinensischen Armee geleistet. Am 8.11.2015 sei er von C-Stadt nach Qamishli geflogen. Am 11.11.2015 habe er Syrien verlassen, sei in die Türkei gegangen und dann über Griechenland und die Balkanroute nach Deutschland gereist, wo er am 22.11.2015 angekommen sei. Syrien habe er verlassen, weil er keine Arbeit mehr gehabt habe. Der Weg zu seiner Arbeitsstelle sei sehr weit und gefährlich gewesen. Ständig hätten Kampfhandlungen des Militärs stattgefunden und es habe viele Kontrollen gegeben. Bei einer Rückkehr nach Syrien werde er Schwierigkeiten bekommen, weil er als Palästinenser unerlaubt das Land verlassen habe. Randnummer 3 Im Juni 2016 erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu (Ziffer 1) und lehnte seinen weiter gehenden Antrag ab (Ziffer 2). 2 vgl. den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2.6.2016 – 6453291-499 – vgl. den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 2.6.2016 – 6453291-499 – In der Begründung heißt es unter anderem, es sei davon auszugehen, dass dem Kläger in Syrien ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG drohe. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG) lägen hingegen nicht vor. Der Kläger habe keine individuelle Verfolgung vorgetragen. Randnummer 4 Im Juni 2016 hat der Kläger Klage erhoben und geltend gemacht, der syrische Staat verfolge Oppositionelle und Personen, die er dafür halte, mit aller Härte. Darüber hinaus seien syrische Bürger den Übergriffen verschiedenster Kriegsparteien und deren Milizen ausgesetzt. Etliche Menschen fielen dem „Verschwindenlassen“ zum Opfer. Viele würden lange Zeit ohne Gerichtsverfahren inhaftiert. Tausende von ihnen sollten allein 2011 bis 2015 an Folterungen in der Haft verstorben sein. Auch nichtstaatliche Gruppen gingen wahllos gegen die Zivilbevölkerung vor. Ein Bericht von amnesty international beschreibe die Übergriffe des Islamischen Staates . Der Bürgerkrieg habe bis Ende 2015 mehr als 250.000 Todesopfer gefordert. 7,6 Millionen Menschen seien zu Binnenvertriebenen und 4,6 Millionen zu Flüchtlingen gemacht worden. Sowohl Regierungstruppen als auch die übrigen Konfliktparteien begingen Kriegsverbrechen in erheblichem Ausmaß. Regierungskräfte belagerten Stadtteile von Damaskus, in denen die Bewohner von jeglicher Hilfe abgeschnitten seien. Nach wie vor würden auch Gesundheitseinrichtungen angegriffen. Es komme zu Entführungen und Geiselnahmen. Willkürliche Festnahmen und Folter seien an der Tagesordnung. Männern drohten die Zwangsrekrutierung und eine Bestrafung, wenn sie sich dem durch Flucht entzögen. Randnummer 5 Der Kläger hat schriftlich beantragt, Randnummer 6 die Beklagte unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheids vom 2.6.2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzusprechen. Randnummer 7 Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, Randnummer 8 die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Im November 2016 hat das Verwaltungsgericht der Klage entsprochen. 3 vgl. das Urteil vom 21.11.2016 – 3 K 874/16 – vgl. das Urteil vom 21.11.2016 – 3 K 874/16 – In der Begründung des Urteils heißt es unter anderem, unabhängig von einer Vorverfolgung sei der Kläger aufgrund der aktuellen Situation in Syrien wegen der Ausreise, der Asylantragstellung und des Aufenthalts im Ausland von Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG bedroht. Diese Handlungen würden vom syrischen Staat als Ausdruck regimefeindlicher Gesinnung aufgefasst. Asylantragsteller hätten bei einer Rückkehr nach Syrien eine obligatorische Befragung durch die Sicherheitskräfte unter anderem zur allgemeinen Informationsgewinnung über die Exilszene zu erwarten. Bereits diese Befragung löse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung in Form menschenrechtswidriger Behandlung bis hin zur Folter aus. Jeder sich im westlichen Ausland aufhaltende Syrer werde als möglicher Oppositioneller angesehen. Randnummer 10 Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen, auf die Abweisung der Klage gerichteten Berufung gegen dieses Urteil verwies die Beklagte unter anderem auf die von der erstinstanzlichen Entscheidung abweichende Rechtsprechung des Senats und anderer deutscher Obergerichte. Individuell risikoerhöhende Umstände seien im Fall des Klägers nicht erkennbar. Randnummer 11 Der Kläger hat vorgetragen, da er in Syrien noch als Reservist wehrpflichtig sei, drohe ihm bei Rückkehr politische Verfolgung. Deserteure und Personen, die sich dem Wehrdienst entzogen hätten, würden inhaftiert. In der Haft komme es zu Folter. Wehrpflichtige Männer würden an den zahlreichen Kontrollstellen sogleich eingezogen. Randnummer 12 Mit Blick auf seine Angaben bei der persönlichen Anhörung im Februar 2016 wurde der Kläger im November 2017 mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung aufgefordert gegebenenfalls Unterlagen vorzulegen, die belegten, dass auch er selbst – wie seine Geschwister – in Syrien unter dem Schutz des UNRWA gestanden habe. Nach Vorlage einer entsprechenden Bescheinigung vom 13.12.2017 ( „Family Registration Certificate“) haben die Beteiligten unter Verweis auf ein seinerzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängiges Revisionsverfahren gegen ein Urteil des Senats zu einem vergleichbaren Sachverhalt übereinstimmend beantragt, das Verfahren zum Ruhen zu bringen. Durch Beschluss vom 11.1.2018 – 2 A 326/17 – hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Randnummer 13 In dem erwähnten Urteil hatte der Senat entschieden, dass staatenlose Palästinenser aus Syrien, die vom UNRWA registriert waren, als Flüchtlinge nach § 3 Abs. 3 Satz 2 AsylG anzuerkennen seien, wenn sie Syrien infolge der Zerstörung ihres Flüchtlingslagers durch das Bürgerkriegsgeschehen verlassen hätten und ihnen im Zeitpunkt ihrer Ausreise keine Möglichkeit offen gestanden habe, in anderen Teilen des Mandatsgebietes der UNRWA Schutz zu finden. 4 vgl. insoweit etwa OVG des Saarlandes, Urteile vom 21.9.2017 – 2 A 447/17 – und 23.11.2017 – 2 A 541/17 – vgl. insoweit etwa OVG des Saarlandes, Urteile vom 21.9.2017 – 2 A 447/17 – und 23.11.2017 – 2 A 541/17 – Die Prüfungsbefugnis des Bundesamts sei dann darauf beschränkt, festzustellen, ob der jeweilige Antragsteller tatsächlich Schutz der UNRWA genossen hatte und ob dieser aus von seinem Willen unabhängigen Gründen entfallen sei. Letzteres werde dadurch indiziert, dass den Betroffenen bereits durch einen entsprechenden Bundesamtsbescheid wegen der Bürgerkriegssituation in Syrien der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei. Für staatenlose Palästinenser aus Syrien bestehe derzeit auch de facto keine Möglichkeit, in anderen Teilen des Mandatsgebiets der UNRWA innerhalb oder außerhalb Syriens deren Schutz in Anspruch zu nehmen. Randnummer 14 Im Februar 2021 hat die Beklagte das Verfahren wiederaufgenommen und zur Begründung ihres Rechtsmittels weiter vorgetragen, das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG 1 C 5.18) habe das Revisionsverfahren gegen das Urteil des Senats im Verfahren 2 A 541/17 im Mai 2019 ausgesetzt und die Sache dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt, um die rechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung staatenloser Palästinenser als ipso facto-Flüchtlinge zu klären. Mit Urteil vom 13.1.2021 – C-507/19 – habe der EuGH die Fragen des Bundesverwaltungsgerichts beantwortet und unter anderem festgestellt, dass für die Frage, ob Schutz oder Beistand des Hilfswerks der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) nicht länger gewährt werde, im Rahmen einer individuellen Beurteilung aller maßgeblichen Umstände des fraglichen Sachverhalts alle Operationsgebiete des Einsatzgebietes des UNRWA zu berücksichtigen seien. Anhand der vom EuGH aufgestellten Grundsätze sei nun auch im vorliegenden Verfahren zu klären, inwieweit für den Kläger die Möglichkeit bestanden habe, sich unter den Schutz des UNRWA zu stellen und welche Folgen sich daraus für einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ergäben. Des Weiteren sei zu beurteilen, inwieweit sich aus der illegalen Ausreise und dem Auslandsaufenthalt und bezüglich der männlichen Kläger auch in Hinblick auf eine mögliche Entziehung von der Wehrpflicht ein Schutzanspruch ergeben könne. Randnummer 15 Die Beklagte beantragt , Randnummer 16 die Klage unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21.11.2016 – 3 K 874/16 – abzuweisen. Randnummer 17 Der Kläger beantragt, Randnummer 18 die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Randnummer 19 Er trägt ergänzend vor, der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von dem durch das Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise den EuGH entschiedenen Fall darin, dass der Kläger nie in einem anderen Land gelebt habe, das zum Operationsgebiet des UNRWA gehöre. Randnummer 20 Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 21. November 2016 – 3 K 874/16 – wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist bezüglich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt 2. Kammer
Sachsen-Anhalt
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01.03.2018
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Randnummer 1 Die Klägerin ist seit 01.04.2011 als Fachschwester für Anästhesie und Intensivmedizin in dem seit 01.11.2013 von der Beklagten betriebenen Krankenhaus K, H tätig. Sie ist nicht Mitglied einer Gewerkschaft. Randnummer 2 Ursprünglich befand sich das besagte Krankenhaus in der Trägerschaft des Landkreises O. Im Jahr 2007 übernahm die S GmbH (im Folgenden: S GmbH) diesen Betrieb. Randnummer 3 In dem zwischen der Klägerin und der S GmbH am 07.02.2011 geschlossenen Arbeitsvertrag (Bl. 5 ff. d.A.) heißt es u.a.: Randnummer 4 „§ 2 Tarifgeltung, Betriebsvereinbarungen Randnummer 5 1. Soweit nicht der vorliegende Arbeitsvertrag abweichende Regelungen enthält, finden diejenigen jeweils einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, an die die Arbeitgeberin durch eigenen Abschluss, ungekündigte Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband oder Allgemeinverbindlichkeit jeweils gebunden ist und solange die Tarifbindung besteht. Dies sind derzeit folgende Tarifverträge: Randnummer 6 - Mantel-Konzem-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der Unternehmensgruppe S Kliniken AG Randnummer 7 - Entgelt-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der Unternehmensgruppe S Kliniken AG Randnummer 8 - Konzern- Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der S Kliniken AG Randnummer 9 - Konzern - Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur in Einrichtungen der S Kliniken AG Randnummer 10 Haus-/Firmen-/Konzerntarifverträge gehen hierbei jeweils als speziellere Tarifverträge Flächen-/Verbandstarifverträgen vor. Randnummer 11 2. Endet oder entfällt die Bindung der Arbeitgeberin an die Tarifverträge und begründet die Arbeitgeberin keine neue Tarifbindung im Sinne der Ziff. 1., so gelten die bis dahin durch die Bezugnahme anwendbaren Tarifverträge mit dem Inhalt weiter, den sie bei Ende der Tarifbindung des Arbeitgebers haben. In diesem Fall besteht kein Anspruch auf die Weitergabe künftiger Tarifentwicklungen. Randnummer 12 3. Die vorstehenden Ziffern bezwecken die Gleichstellung der nicht gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter mit den in der tarifvertragschließenden Gewerkschaft organisierten Mitarbeitern, soweit und solange die Arbeitgeberin selbst tarifgebunden ist. Randnummer 13 4. Bestimmungen aus bestehenden, ungekündigten oder künftigen Betriebsvereinbarungen gehen den Regelungen des Arbeitsvertrages vor, soweit nicht der jeweilige Regelungsgegenstand durch einen nach den vorstehenden Ziffern anwendbaren Tarifvertrag abschließend geregelt ist. Randnummer 14 Die Sana GmbH wiederum übertrug das vorgenannte Krankenhaus im Wege eines sog. Asset-Deals zum 01.11.2013 auf die Beklagte. Diese wendet seit der Übernahme den "Haustarifvertrag (mit weitergeltenden Regelungen aus dem BAT-O)" – im Folgenden: A-Haus-TV (Bl. 33 ff. d.A.) – aus dem Jahr 2005 an. Dieser Haustarifvertrag bezog sich ursprünglich auf das von der Beklagten zum damaligen Zeitpunkt betriebene Fachkrankenhaus in der K. Für das vorgenannte Fachkrankenhaus und das Krankenhaus K besteht eine einheitliche personelle Leitung. Randnummer 15 Die Klägerin hatte mit der S GmbH eine betriebliche Altersversorgung nach Maßgabe des für den öffentlichen Dienst geltenden ATV – Träger ZVK Sachsen-Anhalt – vereinbart. Dementsprechend führte die S GmbH von dem monatlichen beitragspflichtigen Entgelt der Klägerin 2 % an die ZVK Sachsen-Anhalt ab. Nach der Übernahme des Krankenhauses führte auch die Beklagte entsprechende Beiträge an den von ihr ausgewählten Träger der betrieblichen Altersversorgung, den DUK e.V., ab, bei dem sie zugunsten der Klägerin eine dem ATV entsprechende Versorgung begründet hatte. Eine Fortsetzung der betrieblichen Altersversorgung über die ZVK Sachsen-Anhalt konnte nicht erfolgen, da die Beklagte nach deren Satzung nicht die Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllte. Nachdem die Beklagte über die Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung bei dem DUK e.V. auf einer Betriebsversammlung informiert hatte, widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 04.02.2014 (Bl. 188 d.A.) der Fortsetzung einer betrieblichen Altersversorgung über den DUK e.V. Die Beklagte führte dennoch – teilweise rückwirkend – für den Zeitraum November 2013 – Juni 2016 weiter monatlich den auf die Klägerin entfallenden Anteil an der betrieblichen Altersversorgung entsprechend den Regelungen in § 37a ATV ab. Unter dem 15.07.2016 (Bl. 216 d.A.) trafen die Parteien schließlich eine Vereinbarung, wonach die Altersversorgung über den DUK e.V. zum 01.07.2016 beendet wird. Randnummer 16 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, auf ihr Arbeitsverhältnis finden auch nach dem Übergang auf die Beklagte die für die S GmbH geltenden Tarifwerke des S-Konzerns weiter Anwendung. Auf dieser Basis schulde die Beklagte ihr eine höhere monatliche Vergütung als jene, die sie nach Maßgabe des A-Haus-TV tatsächlich gewähre. Weiter sei die Beklagte verpflichtet, die von ihr einbehaltenen Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung an die Klägerin auszuzahlen. Nach dem Wegfall der ZVK Sachsen-Anhalt als Träger der betrieblichen Altersversorgung habe keine Rechtsgrundlage für den Einbehalt mehr bestanden. Eine Vereinbarung mit dem DUK e.V. habe sie – unstreitig – nicht getroffen. Randnummer 17 Die Klägerin hat beantragt, Randnummer 18 1. festzustellen, dass der Haustarifvertrag der Beklagten auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung findet und zwischen den Parteien eine wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden als vereinbart gilt. Randnummer 19 Die Beklagte ist verpflichtet, die Klägerin ab sofort für 35 Stunden wöchentlich im Dienstplan einzusetzen . Randnummer 20 2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin für den Zeitraum November 2013 bis August 2014 einen Betrag 2.257,20 € brutto zu zahlen. Randnummer 21 Darüber hinaus wird festgestellt, dass die Beklagte für jeden weiteren Monat ab September 2014, in dem sie die Klägerin 38 Stunden wöchentlich beschäftigt, verpflichtet ist, monatlich an die Klägerin eine Vergütung von 225,72 € brutto zu zahlen. Randnummer 22 3. festzustellen, dass die Beiträge zur betrieblichen Altersvorsorge ab November 2013 weiterhin an die ZVK Sachsen-Anhalt zu zahlen sind. Randnummer 23 Die Beklagte wird verpflichtet, für November 2013 einen Betrag von 61,45 €, für Dezember 2013 einen Betrag von 56,51 €, für Januar 2014 einen Betrag von 58,32 €, für Februar 2014 einen Betrag von 72,40 E, für März 2014 einen Betrag von 59,04 €, für April 2014 einen Betrag von 60,43 €, für Mai 2014 einen Betrag von 59,56 €, für Juni 2014 einen Betrag von 59,28 € und für Juli 2014 einen Betrag von 54,12 € auf den bestehenden Altersvorsorgevertrag der Klägerin bei der ZVK Sachsen-Anhalt zu zahlen. Hilfsweise wird beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die an den DUK e.V. ab November 2013 gezahlten Beträge an die Klägerin zurückzuzahlen. Randnummer 24 4. Die Beklagte zu verpflichten, den ab Juni 2014 einbehaltenen Abschlag von 50,00 € monatlich an die Klägerin zurückzuzahlen. Es wird festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, einen Abschlag von 50,00 € monatlich hinsichtlich der zu zahlenden betrieblichen Altersvorsorge vom Nettolohn der Klägerin in Abzug zu bringen. Randnummer 25 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 26 die Klage abzuweisen. Randnummer 27 Sie hat die Auffassung vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sei seit 01.11.2013 der A-Haus-TV anwendbar. § 2 des Arbeitsvertrages vom 07.02.2011 enthalte eine sogenannte Tarifwechselklausel. Der A-Haus-TV sei auf das Krankenhaus K, in dem die Klägerin tätig ist, räumlich anwendbar. Randnummer 28 Sie habe auch zu Recht monatlich aus dem Einkommen der Klägerin Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung an den DUK e.V. abgeführt. Damit habe sie den Anspruch der Klägerin auf Fortführung einer betrieblichen Altersversorgung entsprechend den mit der S GmbH vereinbarten Bedingungen erfüllt. Es habe in ihrem Ermessen gestanden, mit welchem Träger der betrieblichen Altersversorgung sie diese Vereinbarung abschließe. Mithin habe es rechtsgeschäftlicher Erklärungen der Klägerin zur Begründung einer Altersversorgung bei dem DUK e.V. nicht bedurft. Randnummer 29 Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.04.2015 die Klage abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin auferlegt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, der Klägerin stehe kein Anspruch auf Zahlung weiterer Vergütung basierend auf den Bestimmungen der S-Tarifverträge zu. Auf die Rechtsbeziehung der Parteien finde vielmehr seit 01.11.2013 der A-Haus-TV aufgrund der in § 2 des Arbeitsvertrages vom 07.02.2011 enthaltenen sogenannten Tarifwechselklausel Anwendung. Für die Klägerin bestehe auch kein Anspruch auf Auszahlung der von der Beklagten an den DUK e.V. abgeführten Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung, da der Beklagte hierdurch den Anspruch der Klägerin auf Fortführung der betrieblichen Altersversorgung erfüllt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung wird auf Bl. 131 – 140 d.A. verwiesen. Randnummer 30 Gegen diese, ihr am 05.08.2015 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 24.08.2015 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.11.2015 am 04.11.2015 begründet, wobei die Berufungsbegründung der Beklagten am 18.11.2015 zugestellt wurde. Randnummer 31 Mit ihrem Rechtsmittel verfolgt die Klägerin unter teilweiser Klagänderung und –er-weiterung ihr erstinstanzliches Klagebegehren fort. Randnummer 32 Sie vertritt die Auffassung, ungeachtet einer möglicherweise in § 2 des Arbeitsvertrages vom 07.02.2011 enthaltenen Tarifwechselklausel finden weiterhin die Tarifverträge des S Konzerns auf die Rechtsbeziehung der Parteien Anwendung. Dies ergebe sich aus einer unionsrechtskonformen Auslegung des § 613a BGB unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH vom 06.09.2011 in Sachen "Scattolon". Soweit das Arbeitsgericht die Klage auf Auszahlung der einbehaltenen Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung abgewiesen habe, habe es verkannt, dass die Klägerin durch ihren „Widerspruch“ vom 04.02.2014 die Fortführung der im Jahr 2011 begründeten betrieblichen Altersversorgung beendet habe. Die Beklagte sei nicht berechtigt, gegen ihren ausdrücklich erklärten Willen die betriebliche Altersversorgung fortzuführen. Demgemäß sei die Beklagte zur Auszahlung der einbehaltenen Beträge, die sich – unstreitig – für den Zeitraum November 2013 – Oktober 2015 auf 1.444,97 EUR (Tabelle S. 4 der Berufungsbegründung – Bl. 183 d.A.) und für den Zeitraum November 2015 – Juni 2016 auf 446,87 EUR (Tabelle S. 2 im klagerweiternden Schriftsatz vom 28.10.2016 – Zustellung an die Beklagte am 10.11.2016) belaufen, verpflichtet. Randnummer 33 Die Klägerin beantragt: Randnummer 34 1. Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.04.2015, 5 Ca 1470/14 verurteilt, an die Klägerin 5.417,28 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 35 2. Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.04.2015, 5 Ca 1470/14, wird festgestellt, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit der Klägerin gemäß Mantel-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (M-TV MHFH/W/I S) 35 Wochenstunden beträgt. Randnummer 36 3. Es wird weiterhin festgestellt, dass die Klägerin eine regelmäßige monatliche Bruttovergütung erhält. Nach der Entgeltgruppe M 7 Stufe 6 + MZ 2 (78,75 EUR) Entgelt-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Heilsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TV MHFH/W/I S) erhält. Randnummer 37 4. Es wird weiterhin festgestellt, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der Randnummer 38 - Mantel-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (M-TV MHFH/W/I S), Randnummer 39 - Entgelt-Konzern-Tarifvertrag für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Heilsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (E-TV MHFH/W/I S), Randnummer 40 - Konzern-Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (TV-EUms M/W/I S), Randnummer 41 - Konzern-Tarifvertrag zu Beruf, Familie und Gesundheitsförderung für die Funktionsbereiche Medizinische Heil-, Fach- und Hilfsberufe, Wirtschaft und Infrastruktur (BFG-TV M/W/I S) Randnummer 42 Anwendung finden. Randnummer 43 5. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.444,97 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5%punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 44 Klagerweiternd beantragt die Klägerin: Randnummer 45 Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.04.2015 – 5 Ca 1470/14 – verurteilt, an die Klägerin weitere 446,87 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 46 Die Beklagte beantragt, Randnummer 47 die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und die Klagerweiterung abzuweisen. Randnummer 48 Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der Rechtswirksamkeit der Tarifwechselklausel stehe die Rechtsprechung des EuGH im Fall "Scattolon" nicht entgegen. Sie habe auch zu Recht bis zum Wirksamwerden einer entsprechenden Vereinbarung aus dem monatlichen Einkommen der Klägerin Beiträge an den DUK e.V. abgeführt. Durch eine einseitige Erklärung habe die Klägerin die diesbezügliche vertragliche Abrede nicht beenden können. Im Übrigen hätte auch eine einvernehmliche Beendigung im Hinblick auf die Sperrfrist des § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB erst zum 01.11.2014 erfolgen können. Randnummer 49 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.04.2015 – 5 Ca 1470/14 – teilweise hinsichtlich der Anträge zu 3. und 4. aus dem Schriftsatz vom 17.12.2014 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.715,48 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.268,61 EUR seit dem 19.11.2015 auf weitere 446,87 EUR seit dem 11.11.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klagerweiterung im Antrag zu 5. aus der Berufungsbegründung abgewiesen. II. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 01.04.2015 – 5 Ca 1470/14 – einschließlich der Klagänderungen in den Anträgen zu 1. bis 4. der Berufungsbegründung zurückgewiesen. III. Die Klägerin trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 90%, die Beklagte trägt 10%. IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 22. Senat
Berlin
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07.07.2011
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01. September 2006. Randnummer 2 Der 1954 geborene Kläger, der von September 1971 bis Juni 1973 eine abgeschlossene Ausbildung zum Instandhaltungsmechaniker absolvierte, arbeitete danach (mit Unterbrechungen durch Wehrdienst) als Schlosser (Juli 1973 bis Juni 1991) und Hausmeister (Juli 1991 bis Juli 1993). Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit (Juli 1993 bis April 1994) war er zuletzt von April 1994 bis Juni 1995 als Bauhelfer beschäftigt. Randnummer 3 Auf seinen im April 1996 wegen eines seit Januar 1995 bestehenden beidseitig starken Hüftschadens gestellten Rentenantrag bewilligte die Landesversicherungsanstalt Berlin (nachfolgend ebenfalls Beklagte genannt) nach Beiziehung des Arbeitsamtsgutachtens der Fachärztin für Allgemeinmedizin L vom 05. Dezember 1995 sowie nach Einholung der Gutachten der Ärztin für Innere Medizin und Sozialmedizin Dr. R- vom 06. September 1996 und des Arztes für Orthopädie Dr. S vom 28. November 1996 mit Bescheid vom 25. März 1997 ab 01. Mai 1996 nach einem am 04. April 1996 eingetretenen Leistungsfall Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Randnummer 4 Im Rahmen einer weiteren Nachprüfung zog die Beklagte verschiedene ärztliche Unterlagen bei und veranlasste das Gutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. H vom 19. Juli 2006. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 31. Juli 2006 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, den Bescheid vom 25. März 1997 ab 01. September 2006 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben, weil eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Unter Berücksichtigung der vom Facharzt für Chirurgie Dr. H festgestellten Leiden (belastungsabhängige Beschwerden beider Hüftgelenke links mehr als rechts bei Zustand nach Oberflächenkopfersatz beidseits April und Juni 2005 mit leichter Bewegungseinschränkung beidseits ohne Anhalt für Lockerung, belastungsabhängige innenseitige Kniegelenksbeschwerden rechtsseitig ohne Bewegungseinschränkung bei medial betonter Gonarthrose) sei der Kläger wieder in der Lage, körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, auf den er nach seinem beruflichen Werdegang verweisbar sei, vollschichtig zu verrichten. Randnummer 6 Der Kläger machte daraufhin geltend, mit 52 Jahren keinen Arbeitsplatz mehr zu finden. Es seien auch nicht die gesamten Leiden, wie seine Rückenbeschwerden, berücksichtigt worden. Trotz der Hüftgelenksoperationen habe er weiterhin gesundheitliche Probleme. Es bestünden Schmerzen im Bereich des rechten Knies mit Bewegungseinschränkungen und eine Beinlängendifferenz von 2 cm. Der körperliche Zustand wirke sich auch auf seinen seelischen Zustand aus. Er könne nicht mehr als Schlosser arbeiten. Der Kläger hat verschiedene ärztliche Unterlagen vorgelegt. Randnummer 7 Mit Bescheid vom 23. August 2006 verfügte die Beklagte, dass der Bescheid vom 25. März 1997 mit Wirkung für die Zeit vom 01. September 2006 an nach § 48 SGB X aufgehoben werde. Neben der bereits im Anhörungsschreiben gegebenen Begründung wies sie darauf hin, dass sich aus den neu vorgelegten Befunden keine Änderung, insbesondere keine wesentliche Funktionseinschränkung, ergäbe. Randnummer 8 Den dagegen eingelegten Widerspruch, mit dem weitere ärztliche Unterlagen vorgelegt und die Erstellung eines neuen Gutachtens über den gesamten Gesundheitszustand verlangt wurden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2006 zurück: Auch die weiteren ärztlichen Unterlagen führten zu keinem anderen Ergebnis. Randnummer 9 Dagegen hat der Kläger am 12. Oktober 2006 beim Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Randnummer 10 Er hat vorgetragen, nicht mehr 2 Stunden täglich arbeiten zu können. Seine Hüftgelenksschmerzen und seine Kniegelenksschmerzen rechts seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Sein Rückenleiden und sein psychischer Zustand hätten sich stark verschlechtert. Wegen ständiger Schmerzen im Bereich von Rücken, Hüftgelenken und Knie und wegen der Krebserkrankung der Ehefrau sei er kaum in der Lage, einfachste Verrichtungen des täglichen Lebens auszuführen. Der Beruf des Schlossers sei sein Hauptberuf, denn diesen habe er 1991 infolge eines Arbeitsplatzabbaus verloren. Danach habe er im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) als Hausmeister und im Anschluss daran als Bauhelfer gearbeitet, um Dauerarbeitslosigkeit zu vermeiden. Dies dürfe ihm nicht zum Nachteil gereichen. Ausgehend vom Facharbeiterberuf des Instandhaltungsmechanikers habe ihm die Beklagte eine Verweisungstätigkeit zu benennen. Nach Aussagen des Jobcenters sei er wegen seiner Krankheit nicht mehr vermittelbar. Der Kläger hat verschiedene ärztliche Unterlagen vorgelegt. Randnummer 11 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 12 den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 aufzuheben, hilfsweise den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab dem 01. September 2006 zu gewähren. Randnummer 13 Das Sozialgericht hat die Auskunft der Praxis für Physiotherapie R vom 14. Mai 2007, die Befundberichte des Facharztes für Orthopädie S vom 16. April 2007, der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. D vom 04. Mai 2007 und 28. Januar 2008, der Fachärztin für Orthopädie L vom 07. August 2007 und des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. S vom 07. März 2008 eingeholt sowie Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B vom 27. Juni 2008. Randnummer 14 Der Kläger hat gegen das Gutachten eingewandt, gemachte Angaben seien teilweise unrichtig wiedergegeben worden. Der Sachverständige verharmlose den hohen Blutdruck. Es sei nicht nachvollziehbar, wieso ausführlich der Tagesablauf und die lebensgeschichtliche Entwicklung beschrieben seien, da diese keinen Bezug zur Erkrankung hätten. Der Kläger habe kein Alkoholproblem. Er sei durch die Fragestellungen des Sachverständigen verwirrt worden. Er würde gerne arbeiten, wenn ihm seine Beschwerden daran nicht hinderten. Nach dem beigefügten Bericht des Arztes für Orthopädie S vom 15. Juli 2008 sei seine körperliche Belastbarkeit entgegen dem Sachverständigen erheblich eingeschränkt. Randnummer 15 Das Sozialgericht hat weiteren Beweis erhoben durch das schriftliche Sachverständigengutachten des Chirurgen, Unfallchirurgen und Sozialmediziners M vom 20. Juli 2009 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Randnummer 16 Der Kläger ist der Ansicht gewesen, dass er nach dem Sachverständigen M- den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht genüge, so dass er nicht sechs Stunden täglich arbeiten könne. Es sei daher zumindest Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren. Den mit Schriftsatz vom 19. November 2009 gestellten entsprechenden Hilfsantrag hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung allerdings nicht mehr wiederholt. Randnummer 17 Mit Urteil vom 27. November 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die angefochtenen Bescheide seien formell, insbesondere sei der Kläger angehört worden, und materiell ordnungsgemäß. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 SGB VI lägen vor. Es sei eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, die beim Erlass des Rentenbescheides vom 25. März 1997 vorgelegen hätten. Hierbei sei in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also auf den Zeitpunkt der Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006, abzustellen. Der Kläger habe nach dem Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. S. einer ausgeprägten Arthrose der Hüftgelenke gelitten und deswegen keine Tätigkeiten von wirtschaftlichem Wert mehr ausüben können. Infolge der durchgeführten Operationen an der Hüfte sei spätestens ab Juli 2006 eine so deutliche Besserung des Gesundheitszustandes des Klägers eingetreten, dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen einer Erwerbsunfähigkeit nicht mehr vorgelegen hätten. Dies folge aus den Gutachten des Dr. H. des Sachverständigen Dr. B. Der Sachverständige M- habe dazu keine relevant abweichende Einschätzung getroffen. Danach könne der Kläger 8 Stunden täglich zumindest körperlich leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel, nicht ausschließlich im Gehen oder Stehen mit weiteren Einschränkungen arbeiten. Auch hätten die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit jedenfalls ab Juli 2006 nicht mehr vorgelegen. Ausgangspunkt für die Beurteilung sei der bisherige Beruf des Klägers, die zuletzt auf Dauer angelegt ausgeübte Tätigkeit als Bauhelfer. Vom Beruf des Schlossers habe sich der Kläger nicht aus gesundheitlichen Gründen abwenden müssen. Mit dem damit freiwilligen Berufswechsel habe er sich – und sei es unter dem Druck der Verhältnisse – abgefunden. Darauf, ob er nach dem 20. September 2006 voll oder teilweise erwerbsgemindert geworden sei, komme es mangels eines diesbezüglich durchgeführten Verwaltungsverfahrens nicht an. Dem habe der Kläger durch die Antragstellung im vorliegenden Klageverfahren Rechnung getragen. Randnummer 18 Gegen das seinem bisherigen Prozessbevollmächtigten am 21. Dezember 2009 zugestellte Urteil richtet sich die am 18. Januar 2010 eingelegte Berufung des Klägers. Randnummer 19 Er meint, es fehle schon an einer hinreichend bestimmten Anhörung. Zudem folge das Sozialgericht zu Unrecht dem Gutachten des Dr. H, denn die entgegenstehenden Befundberichte behandelnder Ärzte würden nicht hinreichend gewürdigt, wonach der Kläger keine 6 Stunden täglich arbeiten könne. Nach Dr. S sei die Gehstrecke auf maximal einen Kilometer täglich begrenzt. Gegenüber dem Sachverständigen M- habe der Kläger angegeben, dass er nach maximal 100 m starke Schmerzen habe, welche ihn zu einer Unterbrechung zwängen. Damit liege Wegeunfähigkeit vor. Der Sachverhalt sei zudem nicht hinreichend aufgeklärt worden, denn die behandelnden Ärzte seien nicht gefragt worden, inwieweit sich eine Arbeitsaufnahme negativ auf die zukünftige gesundheitliche Entwicklung des Klägers auswirken würde. Nach dem Sachverständigen M- sei es seit der Entscheidung der Beklagten zu einer Zunahme der degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule und der Kniegelenke gekommen. Nach dem Bescheid des Versorgungsamtes vom 04. Januar 2010 liege nunmehr ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 vor; des Weiteren sei eine erhebliche Gehbehinderung mit den Voraussetzungen für das Merkmal „G“ festgestellt worden. Außerdem sei der Kläger felsenfest davon überzeugt, dass er zu berenten sei. Die Entscheidung der Beklagten über die Aufhebung der Berentung habe bei ihm zu einer starken psychischen Beeinträchtigung und einer manifestierten Angst vor weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigung bei einer Arbeitsaufnahme geführt, so dass von einer so genannten Rentenneurose gesprochen werden müsse. Dazu sei zu ermitteln. Vom behandelnden Facharzt für Nervenheilkunde erhalte er aktuell starke Medikamente. Nach dem behandelnden Facharzt für Orthopädie S liege ein Leistungsvermögen von unter 6 Stunden täglich vor. Randnummer 20 Der Kläger beantragt, Randnummer 21 das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. November 2009 zu ändern und den Bescheid vom 23. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 aufzuheben, Randnummer 22 hilfsweise den Bescheid vom 23. August 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2006 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01. September 2006 zu gewähren. Randnummer 23 Die Beklagte beantragt, Randnummer 24 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 25 Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sie hat darauf hingewiesen, dass der Kläger im Januar 2010 einen Rentenantrag gestellt hat. Randnummer 26 Der Senat hat vom Arzt für Orthopädie Sund von der Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. D die gesamten Behandlungsunterlagen beigezogen sowie den Sachverständigen M- ergänzend gehört (Stellungnahmen vom 27. Januar 2011 und 14. März 2011). Randnummer 27 Der Kläger weist darauf hin, dass er im August 2006 „nur“ körperliche Einschränkungen gehabt habe und seinen Beruf nicht mehr habe ausüben können. 2008 sei dann seine Ehefrau an Brustkrebs erkrankt. Er sei nun bereits 57 Jahre alt, zu 60 v. H. schwerbehindert und habe mit diesem Gesundheitszustand keinerlei Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Er könne nicht verstehen, dass man in einem Sozialstaat nach den Gesetzen keine Rente bekomme, wenn man 6 Stunden arbeitsfähig sei. Randnummer 28 Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird u. a. auf Bl. 90 bis 111, 170 bis 200, 280 bis 286 und 301 bis 304 der Gerichtsakten verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. November 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht 4. Kammer
Schleswig-Holstein
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05.08.2020
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen zwei Abgabenbescheide (Fäkalabfuhrgebühren). Randnummer 2 Der Kläger betreibt auf den Grundstücken „....“ und „.... “ in...., OT....zur Abwasserbeseitigung je eine Pflanzenkläranlage, aus denen jeweils 0,2 m³ Schmutzwasser je Tag eingeleitet werden. Die letzte Abfuhr der Vorklärung für die Pflanzenkläranlagen fand am 23. Juli 2011 statt. Die Anlagen sind mit Phragmites (= Schilfrohr) bewachsen. Zur Wartung der Anlagen hat der Kläger mit Herrn Dipl.-Ing....., welcher die Pflanzenkläranlagen am 24. Juli 2015 prüfte und die Schlammhöhen ermittelte (vgl. die Wartungsberichte, Bl. 27 und 32 der Beiakte A), einen Wartungsvertrag abgeschlossen. Am 27. Oktober 2016 versagte der Kläger dem Beauftragten des Beklagten zur Schlammhöhenmessung (Herrn.... ) den Zutritt zu den Grundstücken „....“ und „....“. Randnummer 3 Mit Schreiben vom 4. Mai 2017 wies der Beklagte den Kläger darauf hin, dass ein durch ihn – den Beklagten – beauftragter Dritter (Fachkundiger für Kleinkläranlagen) die Schlammhöhen bei technisch unbelüfteten Anlagen (Anlagen ohne Bauartzulassung) alle zwei Jahre, umschichtig zur Wartung ermittele. Den Beauftragten sei zum Zwecke der Schlammhöhenermittlung und der Entleerung oder Entschlammung gemäß § 7 Abs. 8 der Satzung über die Beseitigung von Abwasser aus Grundstückskläranlagen des Amtes....(Kleinkläranlagensatzung) vom 10. August 2015 ungehindert Zutritt zu gewähren. Der Kläger habe dem Beauftragten den Zutritt verwehrt. Für die Entschlammungshäufigkeit gelte, dass bei Kleinkläranlagen, für die ein Wartungsvertrag mit einem Fachkundigen abgeschlossen worden sei, unabhängig von der Bauartzulassung die 1. Kammer der Vorklärung mindestens einmal in einem Zeitraum von 5 Jahren zu entschlammen sei. Da die letzte Abfuhr der Vorklärung für die Pflanzenkläranlagen auf dem Grundstück „....“ und auf dem Grundstück „....“ am 23. Juli 2011 erfolgt sei, sei eine Abfuhr in Anlehnung an die Entschlammungshäufigkeiten und fehlender Schlammhöhen zwingend erforderlich gewesen. Die Firma.... sei beauftragt worden, den Fäkalschlamm aus der Klärgrube abzufahren. Könne aus Gründen, die der Gebührenpflichtige zu vertreten habe, eine Kleinkläranlage nicht entsorgt werden, würden für jeden vergeblichen Abholversuch die durch das Entsorgungsunternehmen entstandenen Kosten dem Gebührenpflichtigen in Rechnung gestellt. Randnummer 4 Nachdem die Beteiligten sich zunächst am 8. Mai 2017 telefonisch darauf geeinigt hatten, dass der vom Kläger mit der Wartung der Anlagen betraute Herr Dipl.-Ing.....die Schlammhöhen in den Vorklärungen ermittelt und die Firma.... den Fäkalschlamm vorerst nicht abfährt, brachte der Kläger gegenüber dem Beklagten unter dem 19. Mai 2017 vor, dass Herr Dipl.-Ing..... ihm gesagt habe, dass die von dem Beklagten zusätzlich geforderte Schlammhöhenfeststellung sinnlos und eine Wartung im Abstand von zwei Jahren für diese Kläranlagen ausreichend sei. Für entstehende Kosten der Kläranlagen, die von ihm nicht in Auftrag gegeben worden seien, werde er nicht aufkommen. Randnummer 5 Der Beklagte entgegnete mit Schreiben vom 29. Mai 2017, dass die Abfuhr durch einen Beauftragten erfolge, da die Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte Fäkalschlammentsorgung nicht erfüllt seien. Randnummer 6 Am 31. Mai 2017 erteilte der Beklagte der Firma.... den Auftrag, bei den Grundstücken „....“ und „........“ jeweils die erste Kammer der Vorklärung zu entschlammen. Randnummer 7 Der Kläger verweigerte der Firma.... am 13. Juni 2017 die Abfuhr des Fäkalschlamms. Randnummer 8 Mit Abgabenbescheid vom 27. Juli 2017 erhob der Beklagte für das Grundstück „.... “ Fäkalabfuhrgebühren (Kostenerstattung nach § 14 Abs. 5 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015) in Höhe von.... €. Randnummer 9 Mit Abgabenbescheid vom 27. Juli 2017 erhob der Beklagte für das Grundstück „.... “ Fäkalabfuhrgebühren (Kostenerstattung nach § 14 Abs. 5 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015) in Höhe von....€. Randnummer 10 Unter dem 14. August 2017 legte der Kläger gegen die Abgabenbescheide vom 27. Juli 2017 Widerspruch ein. Seine Hauskläranlagen seien keine Kleinkläranlagen, sondern Großkläranlagen mit einem anschließenden Pflanzenbeet. Für die Fäkalabfuhrgebühren fehle es an einer rechtlichen Grundlage. Randnummer 11 Mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2017 wies der Beklagte die Widersprüche zurück. Nach § 14 Abs. 5 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 würden für jeden vergeblichen Abholversuch die durch das Entsorgungsunternehmen entstandenen Kosten dem Gebührenpflichtigen in Rechnung gestellt, wenn die Kleinkläranlage oder abflusslose Sammelgrube aus Gründen, die der Gebührenpflichtige zu vertreten habe, nicht entsorgt werden könne. Laut Mitteilung der Firma.... sei die Abfuhr am 13. Juni 2017 verweigert worden. Mit Rechnungsstellung der Firma.... vom 3. Juli 2017 seien je Verweigerung.... € geltend gemacht worden. Diese Kosten seien mit Abgabenbescheiden vom 27. Juli 2017 gegenüber dem Kläger in Ansatz gebracht worden. Ein Nachweis über die Zustellung des Widerspruchsbescheides existiert nicht. Randnummer 12 Der Kläger hat am 16. Oktober 2017 Klage erhoben. Randnummer 13 Der Kläger macht geltend, er habe den Widerspruchsbescheid am 19. September 2020 erhalten. Die Abgabenbescheide vom 27. Juli 2017 seien rechtswidrig. § 14 Abs. 5 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 könne nicht als Rechtsgrundlage herangezogen werden, weil dieser sich allein auf Maßnahmen zur Messung und Leerung von Klärschlamm bei Kleinkläranlagen beziehe. Bei den von ihm betriebenen Anlagen handele es sich um Pflanzenkläranlagen, deren Besonderheit darin bestehe, dass allenfalls eine äußerst geringe Schlammbildung eintrete, wodurch eine Entleerung wie bei Kleinkläranlagen nicht erforderlich sei. Bei der Pflanzenkläranlage werde die Selbstreinigungskraft der Natur genutzt. Das Abwasser werde in großflächige Wasserbecken mit spezifisch geeigneten Sumpfpflanzen geleitet, wobei infolge der Bildung von Mikroorganismen das Abwasser gereinigt werde, um sodann in einen Kontrollschacht zu gelangen, von wo aus das so gereinigte Abwasser in den Untergrund fließe. Da jedwede Differenzierung in den Bestimmungen der Kleinkläranlagensatzung fehle, bestehe unter Wahrung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes auch kein Raum für eine Auslegung der Satzungsbestimmungen mit einem Inhalt, der ebenfalls die Pflanzenkläranlagen zum Gegenstand haben könne. Randnummer 14 Die Pauschalierung in § 7 Abs. 2 Satz 1 d) Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015, wonach bei den technisch unbelüfteten Kleinkläranlagen eine zusätzliche Schlammhöhenmessung in der Vorklärung außerhalb des „normalen Wartungsvertrages (alle zwei Jahre) zu erfolgen habe, sei mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und damit mit dem Rechtsstaatsgebot nicht vereinbar. Randnummer 15 Nach den eingeleiteten Schmutzwassermengen würden die Kläranlagen „....“ und „....“ zwar unter die Begriffsbestimmungen in § 2 Abs. 6 i.V.m. § 2 Abs. 5 AbfKlärV fallen. Entscheidend sei aber, dass die Anlagen aufgrund ihrer besonderen Beschaffenheit nicht von der Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 erfasst würden. Die Pflanzenkläranlagen wiesen aufgrund ihres hohen Reinigungsvermögens einen Bemessungswert von weit über 50 Einwohnern auf. Randnummer 16 Der Kläger beantragt, Randnummer 17 die Abgabenbescheide vom 27. Juli 2017 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2017, zugestellt am 19. September 2017, aufzuheben. Randnummer 18 Der Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Klage abzuweisen, Randnummer 20 hilfsweise den Kläger im Wege der Widerklage zu verurteilen, an ihn....€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Mai 2019 zu zahlen. Randnummer 21 Der Kläger beantragt, Randnummer 22 die Widerklage abzuweisen. Randnummer 23 Der Beklagte macht geltend, die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 5 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 lägen vor. Er – der Beklagte – betreibe gemäß § 1 Abs. 2 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 eine öffentliche Einrichtung zur Beseitigung des in Grundstücksabwasseranlagen (Kleinkläranlagen und abflusslose Gruben) gesammelten Abwassers. Für das Vorliegen einer Kleinkläranlage sei entscheidend, welche Menge an Schmutzwasser der Anlage zugeführt werde. Bei Kleinkläranlagen handele es sich um Anlagen zur Behandlung des im Trennverfahren mittels mehrerer Kammern erfassten häuslichen Abwassers mit einem Schmutzwasserzufluss von weniger bzw. von bis zu 8 m³ am Tag. Dies entspreche bei einem spezifischen Schmutzwasseranfall von 150 l pro Einwohner und Tag einem Anschlusswert von maximal 50 Einwohnern. Auch das Merkblatt „Kleinkläranlagen in Schleswig Holstein“, Stand Januar 2014, vom Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume stelle auf einen Schmutzwasserzufluss bis 8 m³ ab. Augenscheinlich gehe das Merkblatt davon aus, dass eine Kläranlage mit einer biologischen Nachreinigung in Form eines Pflanzenbeetes und vorheriger mechanischer Reinigungsstufe eine Kleinkläranlage darstelle. Auch das Schleswig-Holsteinische Oberverwaltungsgericht behandele in seinem Urteil vom 7. April 2011 – 4 LB 4/10 – die dortige Pflanzenbeetkläranlage als Kleinkläranlage. Randnummer 24 § 14 Abs. 5 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 unterfielen alle Arten von Kleinkläranlagen. Im Übrigen sei unzutreffend, dass der Satzung in Bezug auf Kleinkläranlagen jedwede Differenzierung fehle. So unterscheide der Satzungsgeber etwa in § 7 Abs. 2 Satz 1 b) zwischen „bauartzugelassenen Anlagen (in der Regel technisch belüftete Kleinkläranlage)“ und „nicht bauartzugelassenen Anlagen“. Wo aber eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Arten von Kleinkläranlagen fehle, finde die betreffende Bestimmung der Satzung für alle Arten von Kleinkläranlagen Anwendung. Randnummer 25 Für die auf verschiedenen Grundstücken gelegenen klägerischen Kleinkläranlagen liege jeweils ein vergeblicher Abholversuch vor. Dies habe der Kläger zu vertreten, da er dem Entsorgungsunternehmen gegenüber die Durchführung der Schlammentsorgung verweigert habe. Randnummer 26 § 14 Abs. 5 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 bringe in seinem Wortlaut nicht zum Ausdruck, dass eine Kostenerstattung voraussetze, dass der Abholtermin von dem Einrichtungsträger in Übereinstimmung mit den (zeitlichen) Vorgaben des § 7 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 angesetzt worden sei. Aber auch diese Voraussetzungen seien gegeben. Er – der Beklagte – habe den Termin für die am 13. Juni 2017 vorzunehmenden Entschlammungen in Übereinstimmung mit den Vorgaben für die sogenannte „Regelabfuhr“ (§ 7 Abs. 2 Satz 5 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015) angesetzt. Die Voraussetzungen für eine bedarfsgerechte Fäkalschlammentsorgung lägen nicht vor, weil keine „zusätzliche Schlammhöhenmessung“ im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 d) Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 erfolgt sei. Nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 Randnummer 27 Satz 2, 3 Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 habe für technisch unbelüftete Anlagen wie für die des Klägers umschichtig zu der aufgrund des „normalen“ Wartungsvertrages erfolgenden zweijährigen Schlammhöhenmessung alle zwei Jahre eine zusätzliche Messung zu erfolgen. Diese zusätzliche Messung sei unabhängig davon erforderlich, ob derjenige Fachkundige, der die Messung der konkreten Anlage im Zuge des Wartungsvertrages durchführe, eine zusätzliche Messung für erforderlich halte. Im Übrigen gehöre es zum (weiten) Ermessen des Einrichtungsträgers, die Häufigkeit der Schlammhöhenmessungen bei der Bedarfsabfuhr generell und nicht für jede einzelne Anlage festzulegen. Vorliegend sei die nach § 7 Abs. 2 Satz 1 d) Kleinkläranlagensatzung vom 10. August 2015 erforderliche zusätzliche Messung nicht erfolgt, weil der Kläger dem Beauftragten am 27. Oktober 2016 telefonisch den Zutritt zu seinen Grundstücken untersagt habe. Die letzten für die beiden betreffenden klägerischen Kleinkläranlagen vorgenommenen Abfuhren hätten bereits mehr als zwei Jahre zurückgelegen. Randnummer 28 Die hilfsweise erhobene Widerklage sei nicht nach § 89 Abs. 2 VwGO unzulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bedürfe die Vorschrift einer einschränkenden Auslegung. Mit der hilfsweise erhobenen Widerklage mache er – der Beklagte – in der Hauptforderung Ersatz der Kosten für die durch das beauftragte Abfuhrunternehmen vergeblich vorgenommenen Grundstücksanfahrten in entsprechender Anwendung des § 304 Alt. 1 BGB geltend. Randnummer 29 Der Kläger trägt zur hilfsweise erhobenen Widerklage vor, diese sei nach § 89 Abs. 2 VwGO unzulässig. Die Beteiligten stünden sich in einem Über- Unterordnungsverhältnis gegenüber. Randnummer 30 Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 28. Mai 2020 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Randnummer 31 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die Gerichtsakte verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Baden-Württemberg
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1 Die Parteien streiten darüber, ob der als Leiharbeiter von der Zweitbeklagten eingestellte und bei der Erstbeklagten eingesetzte Kläger im Arbeitsverhältnis zur Erstbeklagten steht und wie er zu vergüten ist. 2 Die Erstbeklagte betreibt mehrere Krankenhäuser im Landkreis L., die Zweitbeklagte als 100%-ige Tochter der Erstbeklagten unterhält Arbeitsverhältnisse mit knapp 450 Mitarbeitern von denen etwa 10 % als Stammbelegschaft in der Gebäudereinigung eingesetzt sind, alle anderen aber auf der Grundlage von Arbeitnehmerüberlassungsverträgen in den drei Kliniken der Erstbeklagten sowie in drei Heimen in Trägerschaft des Landkreises L., der wiederum alleiniger Gesellschafter der Erstbeklagten ist. Der Geschäftsführer der Zweitbeklagten ist zugleich Geschäftsbereichsleiter Personal und Finanzen der Beklagten zu 1 und deren Prokurist. Die Zweitbeklagte verfügt über eine Erlaubnis gemäß § 1 AÜG. 3 Der Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 25.02.2008 von der Zweitbeklagten eingestellt und ausschließlich in Einrichtungen der Erstbeklagten eingesetzt. In § 1 (1) des Arbeitsvertrags heißt es insoweit 4 „Der Arbeitgeber überlässt als Personaldienstleistungsunternehmen seinen Kundenbetrieben Beschäftigte im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung. … 5 § 1 (2) lautet: 6 Die Rechte und Pflichten der Arbeitsvertragsparteien bestimmen sich nach den zwischen dem Arbeitgeberverband IGZ und den DGB Gewerkschaften geschlossenen Tarifverträge für die Zeitarbeitsbranche, … 7 In § 2 (1) heißt es: 8 Der Mitarbeiter wird entsprechend der Tätigkeit im Einsatzbetrieb eingestellt als IT-Sachbearbeiter. 9 § 3 (1a) liest sich folgendermaßen: 10 Die tariflich mindestens garantierte individuelle wöchentliche Arbeitszeit des Mitarbeiters beträgt 35 Stunden. Gemäß § 3.1.3 des Manteltarifvertrages wird die Arbeitszeit an die des Entleihers angepasst. 11 und § 3 (1 b) wie nachstehend): 12 Die tatsächliche Arbeitszeit beim Entleiher (Kliniken des Landkreises L. GmbH) oder Eigenbetrieb Heime des Landkreises L.) beträgt als individuelle wöchentliche Arbeitszeit 39 Stunden. 13 Der ursprünglich bis 30.09.2008 befristete Arbeitsvertrag wurde am 21.11.2008 bis 31.10.2009 verlängert und am 09.11.2009 in einen unbefristeten Arbeitsvertrag umgewandelt. Seit 15.09.2010 ist der Kläger ordentliches Betriebsratsmitglied, seit März 2011 sein Vorsitzender, aufgrund Beschlusses vom 15.12.2011 ist er mit 40 % der Arbeitszeit freigestellt. 14 Der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag zwischen der Beklagten zu 1 und der Beklagten zu 2 bezüglich des Klägers lief zum 31.08.2012 aus. Die Anfrage der Zweitbeklagten an die Erstbeklagte bezüglich einer Verlängerung beantwortete Letztere am 02.08.2012 ablehnend. Unter dem 06.09.2011 richtete die Zweitbeklagte darauf hin ein Schreiben nachstehenden Inhalts an den Kläger: 15 „Kündigung des Arbeitnehmerüberlassungsvertrages 16 Sehr geehrter Herr H., 17 am 02.08.2011 habe ich Sie darüber informiert, dass die Kliniken des Landkreises L. GmbH den Arbeitnehmerüberlassungsvertrag (Gestellung Ihrer Person) unter Einhaltung der vertraglichen Kündigungsfrist auf den 31.10.2011 gekündigt haben. Die Kündigung betrifft die Teilzeitstelle als IT-Sachbearbeiter. 18 Wie Ihnen bekannt ist und auch besprochen wurde, hat die Fa. D. außer dem Bereich Gebäudereinigung selbst keine Stammbelegschaft, für die Mitarbeiter in der Arbeitnehmerüberlassung sind wir darauf angewiesen, dass die Kundenunternehmen entsprechenden Bedarf haben und die von uns gestellte Person auch beschäftigen wollen. 19 Im IT-Bereich gibt es momentan und wahrscheinlich auch auf absehbare Zeit keinen erkennbaren Bedarf, aus meiner Sicht ist daher eine Vermittlung Ihrer Person ab 01.11.2011 sehr fraglich. 20 Es wäre sehr hilfreich wenn Sie mir mitteilen würden, in welchen Bereichen Sie sich wiederfinden würden und was Sie sich als weitere Beschäftigungsmöglichkeit vorstellen. 21 Mit freundlichen Grüßen“ 22 Ab 01.11.2011 erfolgte kein Einsatz des Klägers mehr. Anders als während der bisherigen Beschäftigung bei der Erstbeklagten im dortigen Umfang von 39 Wochenstunden wurde er nunmehr nur noch für 35 Wochenstunden vergütet. 23 Die Erstbeklagte schaltete im Internet in den Monaten November und Dezember 2011 mehrfach Stellenangebote für IT-System-Administratoren für den Bereich EDV/IT mit Sitz im Kreiskrankenhaus L., bot ein unbefristetes Arbeitsverhältnis in Vollzeitbeschäftigung mit leistungsgerechter Vergütung, wies darauf hin, dass ihr Klinikverbund mit drei Häusern zu den größten Arbeitgebern im südwestlichen Dreiländereck gehöre, gab als Bewerbungsanschrift ihren Personalservice und als Anspruchspartner ihren Leiter EDV/IT an, wies allerdings auch darauf hin, dass die Einstellung in ihrem Tochterunternehmen, der Beklagten zu 2, erfolge. 24 Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Zweitbeklagte betreibe verbotene Arbeitsvermittlung und werde lediglich als Strohmann für die Erstbeklagte tätig, weil sie ansonsten keinerlei Marktaktivitäten entfalte. Im Hinblick auf die Scheinverleihereigenschaft der Zweitbeklagten sei von einem Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten wegen verdeckter Arbeitsvermittlung auszugehen. Ein solches sei deshalb gerichtlich festzustellen. Im Rahmen des bestehenden Arbeitsverhältnisses zur Erstbeklagten müsse diese ihn wie die dort beschäftigten vergleichbaren Arbeitnehmer in Entgeltgruppe E 9 TVÖD vergüten und zwar auf der Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden unter Berücksichtigung einer tariflichen Zulage von 59,35 EUR. Für November 2011 jedenfalls habe er eine Differenzvergütung im Hinblick auf die nur abgerechnete 35 Stundenwoche von 192,46 EUR zu beanspruchen. 25 Der Kläger hat beantragt: 26 1. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) ein Arbeitsverhältnis mit einer Beschäftigung des Klägers als IT-Sachbearbeiter besteht, das nicht zum 31.10.2011 beendet wurde; 27 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, den Kläger seit 01.03.2008 entsprechend der Entgeltgruppe E 9 TVöD zu vergüten, Abrechnungen hierüber abzüglich der von der Beklagten zu 2) geleisteten Vergütung zu erteilen sowie die monatlich angefallenen Differenzbeträge nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 01. des jeweiligen Folgemonats auszuzahlen hat. 28 Hilfsweise: 29 3.a) Es wird festgestellt, dass die monatliche Vergütung des Klägers durch die Beklagte zu 2) auf Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden und unter Berücksichtigung der tariflichen einsatzbezogenen Zulage in Höhe von monatlich EUR 59,35 (brutto) zu berechnen ist. 30 b) Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger für November 2011 die Differenzvergütung in Höhe von EUR 192,46 (brutto) zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2011 zu zahlen. 31 Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt und bestritten, dass die Zweitbeklagte lediglich Strohmann für die Erstbeklagte sei und unzulässige Arbeitsvermittlung betreibe. Der Kläger sei wie die weiteren Leiharbeitnehmer auf der Grundlage eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages bei ihr beschäftigt, alle Arbeitnehmer würden besser bezahlt als im IGZ-Tarifvertrag vorgeschrieben, sie hätten Kündigungsschutz und einen Betriebsrat gewählt, eine Beschäftigung zu Billigtarifen liege nicht vor. Die Konstruktion der Zweitbeklagten als Personaldienstleistungsgesellschaft entspreche geltendem Recht. Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe E 9 TVÖD habe der Kläger gegen keine der Beklagten die vereinbarte Arbeitszeit betrage auf der Grundlage des vereinbarten Tarifvertrages 35 Stunden. Da ein Einsatz bei der Erstbeklagten auf der Basis einer 39 Stundenwoche nicht mehr möglich sei, könne er auch nur für 35 Stunden vergütet werden. 32 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es kam zum Ergebnis, ein Arbeitsverhältnis sei aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 25.02.2008 mit einer individuellen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden alleine zur Zweitbeklagten zustande gekommen, nicht aber zur Erstbeklagten. Zwar sei davon auszugehen, dass die von den Beklagten gewählte rechtliche Konstruktion überwiegend der Kostensenkung dienen dürfte, dies stelle aber keine unzulässige Vermeidungsstrategie bzw. Umgehung des Gesetzes dar. Dagegen spreche, dass die Zweitbeklagte nicht nur mit Arbeitnehmerverleihung an ihre Muttergesellschaft beschäftigt sei, sondern, wenn auch im geringen Umfang, Arbeitnehmer auch an Dritte verleihe und auch einen weiteren Geschäftszweck habe, nämlich Dienstleistungen anzubieten. Da der Kläger nicht Arbeitnehmer der Erstbeklagten sei, müsse er von dieser auch nicht in irgendeiner Form eingruppiert werden, bei der Zweitbeklagten aber sei er richtig vergütet. Insbesondere gelte auch die wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden, weil er nicht mehr bei der Erstbeklagten eingesetzt werden könne. 33 Gegen das ihm am 09.05.2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 08.06.2012 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist vor deren Ablauf am 01.08.2012 begründet. Mit ihr verfolgt er sein erstinstanzliches Begehren weiter, verweist darauf, dass die Erstbeklagte das erste und einzige Unternehmen sei, bei dem er bereits seit 01.03.2008 als IT-Sachbearbeiter zum Einsatz gekommen sei, weshalb eine vorübergehende Überlassung zur Arbeitsleistung durch die Beklagte zu 2 an die Beklagte zu 1 nicht vorliege, sondern vielmehr eine verdeckte Arbeitsvermittlung im Sinne des § 1 Abs. 2 AÜG mit der Rechtsfolge, dass tatsächlich ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten bestehe. Das Arbeitsgericht habe bei der Rechtsfindung die nötige Sorgfalt vermissen lassen, die bei der Abgrenzung von verdeckter Arbeitsvermittlung und Arbeitnehmerüberlassung erforderlich sei. So habe das Arbeitsgericht unbeachtet gelassen, dass die Zweitbeklagte weder die üblichen Arbeitsgeberpflichten noch das uneingeschränkte Arbeitgeberrisiko als Verleiher übernommen habe, was sich aus der engen persönlichen Verflechtung der Leitungsebene der beiden Beklagten ebenso ergebe, wie aus der fehlenden ernsthaften Marktaktivität der Beklagten zu 2, die allein eine realistische Chance mit sich bringen würde, den Klägern anderen Entleihern zu überlassen. Tatsächlich sei von vornherein beabsichtigt gewesen, den Kläger nicht über das Ende der Überlassung an die Beklagte zu 1 hinaus zu beschäftigten. Da ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1 geschlossen worden sei, folge auch der Vergütungsanspruch des Klägers dieser gegenüber in der Entgeltgruppe E 9 wie der eines jeden anderen direkt bei der Beklagten zu 1 Beschäftigten auch und auf Auszahlung der Vergütungsdifferenz. Schließlich folge daraus ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten zu 1 als IT-Sachbearbeiter und ein Anspruch darauf nicht nur 35, sondern 39 Wochenstunden beschäftigt zu werden. 34 Der Kläger stellt die Anträge: 35 Es wird beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 24.04.2012 zu Az. 2 Ca 384/11 abzuändern und 36 1. festzustellen, dass zwischen dem Berufungskläger und der Berufungsbeklagten zu 1) ein Arbeitsverhältnis mit einer Beschäftigung des Klägers als IT-Sachbearbeiter besteht, das nicht zum 31.10.2011 beendet wurde. 37 2. festzustellen, dass die Berufungsbeklagte zu 1) verpflichtet ist, den Berufungskläger seit 01.03.2008 entsprechend der Entgeltgruppe E 9 TVöD zu vergüten, Abrechnung hierüber abzüglich der von der Beklagten zu 2) geleisteten Vergütung zu erteilen sowie die monatlich angefallenen Differenzbeträge nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten jeweiligen über dem Basiszinssatz ab dem 01. des jeweiligen Folgemonats auszuzahlen. 38 Hilfsweise: 39 3. festzustellen, dass die monatliche Vergütung des Berufungsklägers durch die Berufungsbeklagte zu 2) auf Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden und unter Berücksichtigung der tariflichen einsatzbezogenen Zulage in Höhe von monatlich EUR 59,35 (brutto) zu berechnen ist. 40 4. Die Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Berufungskläger für November 2011 die Differenzvergütung in Höhe von EUR 192,46 (brutto) zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.12.2011 zu zahlen. 41 Außerdem wird beantragt, 42 den Zeugen N. zu vernehmen mit dem Ziel, festzustellen, dass der Arbeitsplatz des Klägers bei der Beklagten zu 1) nicht wegfiel, sondern auch weiterhin ein Bedarf der Beklagten zu 1) an Arbeitskräften im Bereich IT besteht. 43 Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. 44 Unrichtig sei die Unterstellung des Klägers, der Geschäftsführer der Beklagten zu 2 habe in seiner Doppelrolle auch als Geschäftsbereichsleiter Personal und Finanzen der Beklagten zu 1 die angebliche Kündigung des Entleihervertrages in Reaktion darauf ausgesprochen, dass bei der Beklagten zu 2 ein Betriebsrat gebildet worden sei. Die Kündigung des Entleihervertrages habe vielmehr Herr L. ausgesprochen, weil die Beklagte zu 1 mit den Leistungen des Klägers nicht zufrieden gewesen sei. Die gesellschaftsrechtliche Verbindung zwischen Verleihbetrieb und Entleihbetrieb sei nicht zu beanstanden, der Kläger werde u. a. der Beklagten zu 1 von der Beklagten zu 2 im Rahmen der vorliegenden Genehmigung nach AÜG überlassen und im Betrieb des Krankenhauses vollständig eingegliedert, was kein Zeichen der Arbeitsvermittlung, sondern prägender Ausdruck der für ein Entleiharbeitsverhältnis typischen Konstellation sei. Dass die Beklagte zu 2 als Arbeitgeberin des Klägers das typische Arbeitgeberrisiko trage, zeige das übernommene Entgeltfortzahlungsrisiko was sich gerade beim Kläger zeige und die Tatsache, dass es bei der Zweitbeklagten einen agilen Betriebsrat gebe. Der Kläger übersehe, dass es selbst in den Fällen der nach § 1 Abs. 2 AÜG vermuteten Arbeitsvermittlung keine gesetzliche Grundlage mehr für die Begründung eines Arbeitsverhältnisses zwischen Leiharbeitnehmer und Entleiher gebe. Da deshalb kein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 1 zustande gekommen sei, habe das Arbeitsgericht die Folgeansprüche zu Recht als unbegründet zurückgewiesen. Nichts Anderes gelte hinsichtlich der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu 2. 45 Bezüglich weiterer Einzelheiten des Parteienvorbringens in der Berufung wird auf deren Begründung die Erwiderung der Beklagten hierauf und den weiteren Schriftsatz des Klägers vom 30.10.2012 verwiesen.
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 24.04.2012 - Az. 2 Ca 384/11 - abgeändert. 2. Es wird festgestellt, dass zwischen dem Berufungskläger und der Berufungsbeklagten zu 1 ein Arbeitsverhältnis mit einer Beschäftigung des Klägers als IT-Sachbearbeiter besteht. 3. Die Berufungsbeklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger für November 2011 die Differenzvergütung i. H. von 192,46 EUR brutto zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2011. 4. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. 5. Der Kläger trägt 1/4, die Beklagte 3/4 der Kosten des Verfahrens. 6. Die Revision wird zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 8. Kammer
Rheinland-Pfalz
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10.04.2013
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes. Randnummer 2 Der 1947 geborene Kläger war bei der Beklagten vom 01.03.1972 bis zum 29.02.2012 als Angestellter beschäftigt. Ab dem 01.01.2009 befand er sich in der passiven Phase der Altersteilzeit. Randnummer 3 Gemäß § 2 des zwischen den Parteien unter dem 27.03.1973 geschlossenen Arbeitsvertrages, hinsichtlich dessen Inhalts im Einzelnen auf Blatt 6 f. der Akte Bezug genommen wird, bestimmte sich das Arbeitsverhältnis "nach dem Bundes-Angestellten-Tarif (BAT) vom 23.02.1961 und dem diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen in der für das Land Rheinland-Pfalz jeweils geltenden Fassung". Mit Beschluss der Bistums-Kommission zur Ordnung des Diözesanen Arbeitsvertragsrechts (KODA) C-Stadt zur Übernahme von Regelungen des neu gestalteten Tarifrechts des öffentlichen Dienstes vom 07.06.2006 (Bl. 8 ff. d.A.) wurden die Regelungen des TVöD (VKA) dem kirchlichen Arbeitsvertragsrecht zugrunde gelegt, soweit die Bistums-KODA keine abweichenden Beschlüsse fasst. Im Hinblick darauf sind beide Parteien übereinstimmend der Auffassung, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers (zuletzt) die Vorschriften des TVöD (VKA) in der KODA-Fassung Anwendung fanden. Randnummer 4 Mit seiner am 05.06.2012 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch Zahlung eines Jubiläumsgeldes gemäß § 23 Abs. 2 TVöD (VKA) KODA-Fassung in Höhe von 1.000,00 Euro geltend gemacht. Randnummer 5 Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung eines Jubiläumsgeldes sei begründet, da er die erforderliche Beschäftigungszeit von 40 Jahren bei der Beklagten vollendet habe. Randnummer 6 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 7 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2012 zu zahlen. Randnummer 8 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 9 die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Die Beklagten hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, dem Kläger stehe kein Jubiläumsgeld zu, da das Arbeitsverhältnis gleichzeitig mit Vollendung der erforderlichen Beschäftigungszeit geendet habe. Randnummer 11 Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 15.11.2012 (Bl. 68 f. d.A.) Bezug genommen. Randnummer 12 Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.11.2012 abgewiesen. Wegen der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 f. dieses Urteils (= Bl. 70 f. d.A.) verwiesen. Randnummer 13 Gegen das ihm am 20.11.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.12.2012 Berufung eingelegt und diese am Montag, dem 21.01.2013, begründet. Randnummer 14 Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, der Ansicht des Arbeitsgerichts, Voraussetzung für die Zahlung des Jubiläumsgeldes sei, dass an dem Tag, der der Vollendung der vierzigjährigen Dienstzeit nachfolge, das Arbeitsverhältnis noch bestehen müsse, könne bei richtiger Auslegung des § 23 Abs. 2 TVöD (VKA) nicht gefolgt werden. Insoweit sei nämlich ausschließlich die in der Tarifnorm enthaltene Formulierung "bei Vollendung einer Beschäftigungszeit von 40 Jahren" maßgebend. Soweit das Arbeitsgericht angenommen habe, es fehle vorliegend nicht die letzte Sekunde an der Vollendung der erforderlichen Dienstzeit, sondern an der ersten Sekunde des Jubiläumstages, so sei nicht ersichtlich, woraus sich dies ergeben solle. Der Wortlaut der Tarifnorm liefere diesbezüglich keinerlei Anhaltspunkte. Im Übrigen führe das vom Arbeitsgericht gefundene Ergebnis auch nicht zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung. Der unbefangene Arbeitnehmer, der eine derart lange Beschäftigungszeit von 40 Jahren in einem Arbeitsverhältnis erreicht habe, könne nicht nachvollziehen, weshalb ihm nur deshalb das Jubiläumsgeld nicht zustehen solle, weil am Tag nach Vollendung der Beschäftigungszeit kein Arbeitsverhältnis mehr bestehe. Randnummer 15 Zur Darstellung aller Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 21.01.2013 (Bl. 94 - 98 d.A.) Bezug genommen. Randnummer 16 Der Kläger beantragt, Randnummer 17 das erstinstanzliche Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.000,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2012 zu zahlen. Randnummer 18 Die Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 20 Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 25.02.2013 (Bl. 110 - 113 d.A.), auf die Bezug genommen wird.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 15.11.2012 - 8 Ca 954/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.
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Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Landesdisziplinarsenat
Rheinland-Pfalz
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15.06.2020
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Randnummer 1 Der Kläger betreibt die Entfernung der Beklagten aus dem Dienst. Randnummer 2 Die im Jahr 1963 geborene Beklagte trat im Jahr 1998 als Justizvollzugsobersekretäranwärterin in den Dienst des Landes Rheinland-Pfalz ein. Im Jahr 2011 wurde sie unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zur Justizvollzugsobersekretärin ernannt und im gleichen Jahr zur Justizvollzugshauptsekretärin befördert. Randnummer 3 Disziplinarrechtlich ist die Beklagte nicht vorbelastet. Ein wegen desselben Sachverhaltes geführtes strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Gefangenen ist derzeit gegen sie bei der Staatsanwaltschaft A anhängig. Hier steht die Abschlussentscheidung noch aus. Randnummer 4 Ab dem 20. April 2000 war die Beklagte in der Justizvollzugsanstalt – JVA – A, zunächst als Wohnbereichsbeamtin in der offenen Vollzugsabteilung, später als Sachbearbeiterin in die Arbeitsverwaltung, eingesetzt. Ab 2016 war sie in den Arbeits- und Wirtschaftsbetrieben tätig. In dieser Funktion wurde sie auch regelmäßig zu Wochenend-, Feiertags- und Nachtdiensten herangezogen. Die ihr auf diesem Dienstposten zuletzt erteilte dienstliche Beurteilung endete mit der Note „Durchschnittlich“. Gegen diese Beurteilung legte die Beamtin Widerspruch ein, über den bislang nicht entschieden wurde. Randnummer 5 Im Dezember 2017 fiel im Rahmen einer Postkontrolle des seinerzeit in der JVA A inhaftierten und wegen schwerer räuberischer Erpressung in drei tatmehrheitlich begangenen Fällen verurteilten Zeugen B ein an ihn gerichteter Brief auf, den eine Bedienstete der Justizvollzugsanstalt aufgrund von Fotos, die dem Brief beilagen, der Beklagten zuordnete. Der Brief enthielt Hinweise auf eine intime Beziehung der Beklagten zu dem Gefangenen. Bei der Postkontrolle wurde des Weiteren ein Brief des Gefangenen an die Nachbarin der Beklagten, die Zeugin C, gefunden. Randnummer 6 Der Gefangene wurde separiert und seine Sachen wurden durchsucht. In dessen Verteidigerpost wurden u.a. 34 Briefe, ein Basiswörterbuch Spanisch und ein Taschenkalender mit der Eintragung der Privatadresse der Beklagten und einem mit „Estupendo Noches“ (großartige Nächte) beschriebener Termineintrag vom 23. September 2017 sichergestellt. Zudem fanden sich Postkarten, Fotos vom Wohnhaus und vom Grundstück der Beamtin, fünf Fotos mit der Darstellung der unbekleideten Beklagten sowie ein Foto von einer Zeichnung, welche offensichtlich die Beklagte darstellt. Der Gefangene B wurde am nächsten Tag in die Justizvollzugs- und Sicherungsverwahranstalt – JVSA – G verlegt. Randnummer 7 Im Anschluss hieran leitete der Kläger gegen die Beklagte das vorliegende Disziplinarverfahren ein. Bei Übergabe der Einleitungsverfügung an die Beklagte wurde ihre zum Dienst mitgeführte Tasche durchsucht. Dabei wurde in einem als Verteidigerpost beschrifteten Briefumschlag ein Brief des inhaftierten B, der an die Zeugin C adressiert war, gefunden. Randnummer 8 Am 11. Juni 2018 gab der Kläger der Beklagten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen bekannt und informierte sie über die Möglichkeit, vor einer Klageerhebung die Mitbestimmung des Personalrats zu beantragen. Nachdem die Beklagte hiervon keinen Gebrauch gemacht hatte, erhob der Kläger am 29. Oktober 2018 Disziplinarklage mit dem Ziel ihrer Entfernung aus dem Dienst. Er legt der Beamtin zur Last, mit dem inhaftierten Untersuchungsgefangenen B während des Dienstes intime sexuelle Kontakte gehabt, ein T-Shirt und ein Armband an sich genommen sowie ihm unerlaubt Gegenstände aus ihrem persönlichen Besitz überlassen zu haben. Ferner habe sie es pflichtwidrig unterlassen, ihre Vorgesetzten von der Beziehung zu dem Gefangenen in Kenntnis zu setzen, und gegen datenschutzrechtliche und die Anstaltssicherheit betreffende Bestimmungen verstoßen. Randnummer 9 Der Kläger hat beantragt, die Beklagte aus dem Dienst zu entfernen. Randnummer 10 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Sie hat im Wesentlichen vorgetragen, dass es zu keinen sexuellen Handlungen mit dem Gefangenen B gekommen sei. Die in den Briefen enthaltenen Aussagen stellten lediglich Phantasien und keine Tatsachen dar. Sie sei diesbezüglich auch nicht erpressbar geworden. Die ihr vorgeworfenen Handlungen beruhten im Übrigen auf einer temporären, krankheitsbedingten Labilität. Sie befinde sich seit längerem in psychiatrischer, psychologischer und psychotherapeutischer Behandlung. Es sei eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Reaktion auf eine schwere Belastung und eine Anpassungsstörung festgestellt worden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die ihr vorgeworfenen Verhaltensweisen durch die damals bestehende Lebenssituation und ihre entsprechende Erkrankung beeinflusst worden seien. Bereits 2016 habe sie sich einer stationären Therapie in einer psychiatrischen Klinik unterzogen. Sie habe seinerzeit die Trennung von ihrem langjährigen Lebensgefährten und die Versetzung von der Arbeitsverwaltung der Justizvollzugsanstalt A in den normalen Vollzugsdienst zu verarbeiten gehabt, was ihr schwergefallen sei. Wegen dieser psychischen Belastungen bestünden erhebliche Zweifel an ihrer damaligen Steuerungsfähigkeit. Eine Gefahr für die Sicherheit der Anstalt habe des Weiteren zu keinem Zeitpunkt bestanden. Schließlich bestehe keinerlei Wiederholungsgefahr. Randnummer 12 Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte durch Urteil vom 18. April 2019 aus dem Dienst entfernt. Nach Auffassung der Vorinstanz stehe fest, dass sie sich eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht habe, das unter angemessener Berücksichtigung ihres Persönlichkeitsbildes sowie des Umfangs der von ihr verletzten Pflichten und der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit die Entfernung aus dem Dienst erforderlich mache. Sie sei eine Liebesbeziehung zu dem Gefangenen B mit „gewissen körperlichen Kontakten“, dem Austausch von Gegenständen und umfangreichem Briefverkehr – zum Teil mit Offenbarung sexueller Vorlieben und Phantasien – eingegangen und habe versucht, dies zu verschleiern. Damit habe sie das als Kernpflicht von Bediensteten im Strafvollzug ausgestaltete Zurückhaltungsgebot verletzt. Zugleich habe sie sowohl gegen ihre Gehorsamspflicht als auch gegen ihre Pflicht zur vollen Hingabe an den Beruf und zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten innerhalb des Dienstes verstoßen. Darüber hinaus habe die Beklagte auch den Melde- und Offenbarungspflichten gegenüber der Anstaltsleitung sowie dem Verbot, von Gefangenen Sachen entgegenzunehmen oder an sie auszuhändigen zuwidergehandelt. Schließlich habe sie ihre innerdienstliche Pflicht zur Beratung und Unterstützung ihrer Vorgesetzten verletzt. Randnummer 13 Gegen dieses, der Beklagten am 11. Juni 2019 zugestellte, Urteil richtet sich ihre am 10. Juli 2019 eingelegte Berufung, mit der sie nach wie vor eine Abweisung der Disziplinarklage zu erreichen sucht. Sie wiederholt im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag und weist insbesondere nochmals darauf hin, dass sie keine sexuelle Beziehung zu dem Zeugen B unterhalten habe. Die ihr vorgeworfene Verletzung des Distanzgebotes habe sie unter einem besonderen psychischen Belastungsdruck begangen, der ihre Steuerungsfähigkeit seinerzeit eingeschränkt habe. Im Jahr 2016 sei sie für vier Wochen stationär in eine psychiatrische Klinik zur Behandlung eingewiesen worden. Auch heute stehe sie noch in ärztlicher Behandlung. Die sie behandelnde Ärztin Dr. D habe eine Posttraumatische Belastungsstörung attestiert. Es sei es nicht ausgeschlossen, dass die ihr vorgehaltenen Verhaltensauffälligkeiten im Rahmen der psychischen Belastungssituationen aufgetreten seien. Randnummer 14 Die Beklagte beantragt, das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier aufzuheben und die Disziplinarklage abzuweisen. Randnummer 15 hilfsweise auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Randnummer 16 Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 17 Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, die er auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der Beklagten für zutreffend hält. Randnummer 18 Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juni 2020 Beweis erhoben durch Verlesung von Auszügen der zwischen der Beklagten und dem Zeugen B gewechselten Briefe sowie durch Vernehmung der Zeugen C, E und B. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag verwiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18. April 2019 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Trier wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
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Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern 6. Senat
Mecklenburg-Vorpommern
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14.06.2018
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Klägers auf Erstattung der ihm durch die Selbstbeschaffung einer dopplergestützten Hämorrhoidalarterienligatur (DG-HAL) im Mai 2012 entstandenen Kosten. Randnummer 2 Der im Jahre 1941 geborene, bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte Kläger, beantragte mit Schreiben vom 24. April 2012 bei der Beklagten eine „Zuzahlungsbeteiligung“ für eine am 30. Mai 2012 geplante operative Behandlung seines Hämorrhoidalleidens. Nachdem er sich bereits im Jahr 1979 einer Hämorrhoiden-OP unterzogen habe, sei jetzt erneut eine Operation erforderlich. Sein Chirurg habe ein Verfahren empfohlen, für welches Kosten in Höhe von 933,35 € entstünden. Dem beigefügten Arztbrief des Herrn Dipl.-med. D. vom 04. April 2012 nebst Anlagen lässt sich entnehmen, dass bei Hämorrhoiden II. Grades eine privat abzurechnende DG-HAL beabsichtigt war, welche der alternativen Hämorrhoidektomie nach PARKS vorzuziehen sei, da letzteres Verfahren traumatisierender und schmerzhafter sei. Randnummer 3 Mit Bescheid ohne Rechtsbehelfsbelehrung vom 30. April 2012 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten mit der Begründung ab, die Behandlung könne nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung als Sachleistung erbracht werden, weshalb auch ein Vertrag über eine Privatbehandlung abgeschlossen worden sei. Randnummer 4 Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 25. Juni 2012 mit der Begründung Widerspruch, dass es sich um eine anerkannte neue Behandlungsmethode handele, die von anderen Kassen durchaus bezuschusst bzw. übernommen werde. Hätte er sich nicht für die schonendere Methode der ambulanten DG-HAL entschieden, wären Kosten in Höhe von mindestens 2.000 € angefallen. Ausweislich der beigefügten Privatabrechnungen (667,03 € Chirurg, 266,32 € Anästhesist) ist der Eingriff, wie geplant am 30. Mai 2012 durchgeführt worden. Randnummer 5 Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2013 zurück. Da kassenärztlich zugelassene alternative Operationsmethoden zur Verfügung stünden und die nicht im EBM enthaltene, tatsächlich durchgeführte Behandlungsmethode vom Gemeinsamen Bundesausschuss nicht zugelassen worden sei, sei die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt worden, womit ein Anspruch auf Kostenerstattung ausscheide. Der Beklagten sei insoweit auch keine Ermessensentscheidung möglich. Randnummer 6 Hiergegen hat der Kläger am 08. Februar 2013 bei dem Sozialgericht Rostock Klage erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Antrags- und Vorverfahren wiederholt und zudem die Frage aufgeworfen, weshalb trotz jahrelanger erfolgreicher Anwendung der streitigen Methode noch keine Bewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erfolgt sei. Randnummer 7 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 8 den Bescheid vom 30. April 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Privatbehandlung zu erstatten. Randnummer 9 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Sie hat zur Begründung im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Randnummer 12 Das Sozialgericht hat eine Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vom 23. Mai 2013 eingeholt, wonach man von einem Beratungsantrag beim Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 135 Abs. 1 SGB V mangels ausreichender Studienlage bewusst abgesehen habe. Auch bei einer aktuellen Nachrecherche seien keine veröffentlichten Studien hinreichender Evidenz (randomisierte kontrollierte Vergleichsstudien) feststellbar gewesen, die eine Überlegenheit der DG-HAL im Vergleich zur einfachen Ligatur oder zur Stapler-Hämorrhoidopexie nach Longo nahelegen. Ein Beratungsantrag sei daher nach wie vor nicht gerechtfertigt. Ggf. könne ein Antrag nach § 137e SGB V (Erprobungsregelung) durch einen Hersteller oder Anwender gestellt werden, um eine vom Gemeinsamen Bundesausschuss unterstützte Studie anzuregen, was jedoch nicht durch die KBV möglich sei. Inwieweit einzelne Kassen im Rahmen von Selektivverträgen Kosten für die DG-HAL übernehmen, sei dort nicht bekannt. Randnummer 13 Das Sozialgericht hat ferner einen Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme des Herrn Dipl.-Med. D. ohne Datum, Eingang am 23. Juli 2013, eingeholt. Hierin wird erneut die DG-HAL als empfehlenswert geschildert. Alternative Behandlungen seien entweder wegen der Befundausprägung nicht erfolgversprechend (Gummiband-Ligatur), oder nicht geeignet (Stapler-Hämorrhoidopexie nach Longo), weil beim Kläger unterschiedlich große Knoten vorgelegen hätten, jedoch kein wesentlicher Schleimhautprolaps. Eine chirurgische Entfernung der Hämorrhoiden sei mit einer wesentlich höheren Belastung des Patienten verbunden, bedingt durch die unvermeidliche Entzündung der OP-Wunde (Schmerzen, Analgetika- und Antibiotikaverbrauch, Dauer der Arbeitsunfähigkeit). Schließlich führt Dipl.-Med. D. zu einer Honorarstreitigkeit im Zusammenhang mit der Abrechnung der DG-HAL aus. Randnummer 14 Nachdem der Kläger im Rahmen eines ersten Termins zur mündlichen Verhandlung den Ausdruck einer Studienübersicht zur streitigen Methode zu den Akten gereicht und das Sozialgericht die Verhandlung vertagt hatte, hat es zudem eine Stellungnahme des Spitzenverband Bund der Krankenkassen vom 20. Dezember 2013 eingeholt, wonach für alle Stadien der Hämorrhoidenerkrankung anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung stünden, wie sich aus einem MDS-Grundsatzgutachten aus dem Jahre 2002 ergebe. Randnummer 15 Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Juni 2014 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V, da die selbstbeschaffte Behandlung keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle. Die DG-HAL werde zwar schon seit 1995 angewendet, stelle aber gleichwohl eine neue Behandlungsmethode im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V dar, weil sie im für die vertragsärztliche Versorgung maßgeblichen Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM-Ä) noch nicht vorgesehen sei. Eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 SGB V über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode fehle bislang. Diese Richtlinien legten den Umfang der dem Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KR 11/08 R). Die Nichtaufnahme in den EBM-Ä beruhe auch nicht auf einem Systemmangel bzw. Systemversagen, weil dem Kläger alternative Methoden zur Verfügung stünden und die fehlende Anerkennung auch nicht darauf zurückzuführen sei, dass das Verfahren vor dem Gemeinsamen Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt worden sei, wenn dies auf einer willkürlichen oder sachfremden Verzögerung der Ausschussentscheidung beruhe. Die Stellungnahme der KBV habe vielmehr ergeben, dass die Literaturrecherche keine einen Beratungsantrag rechtfertigenden wissenschaftlichen Unterlagen von dem vom GBA geforderten Evidenzniveau ergeben hätten, welche den Nutzen der Methode im Vergleich zu in der GKV erbringbaren Methoden belegten. Ein Antrag zu dieser Methode sei deshalb vom Vorstand der KBV aufgrund der noch mangelhaften Datenlage bewusst nicht gestellt worden. Da der Kläger nicht an einer Krankheit leide, die mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung wertungsmäßig vergleichbar sei, seien auch die Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch des Klägers nach § 2 Abs. 1a SGB V nicht erfüllt. Randnummer 16 Gegen das ihm am 25. Juni 2014 zugestellte Urteil richtet sich seine Berufung vom 14. Juli 2014, mit der er sein bisheriges Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen seinen erstinstanzlichen Vortrag. Mit Schriftsatz vom 08. Juni 2018 führt er aus, dass die von ihm erstinstanzlich zu den Akten gereichte Studienübersicht nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden habe. Soweit die Stapler-Hämorrhoidopexie nach Longo als alternative Behandlungsmethode angeführt werde, sei dies nicht zutreffend, da auch diese Methode nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abrechenbar sei. Randnummer 17 Der Kläger beantragt, Randnummer 18 das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 18. Juni 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. April 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 933,35 € zu zahlen. Randnummer 19 Die Beklagte beantragt, Randnummer 20 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 21 Sie nimmt zur Begründung im Wesentlichen Bezug auf ihre Ausführungen in den angegriffenen Bescheiden und die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 18. Juni 2014 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Frankfurt 1. Kammer
Hessen
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1
10.10.2007
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Randnummer 1 Der Kläger beantragte am 03.11.2005 bei der Beklagten die Förderung der Errichtung einer Solarflachkollektoranlage zur kombinierten Warmwasserbereitung und Raumheizung mit einer Bruttokollektorfläche von 10,2 m2 nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, die zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Fassung vom 17.06.2005 (BAnz Nr. 120 v. 30.06.2005, S. 9910) in Geltung waren. In dem Formularantrag erklärte er u.a., dass die geplante Solarkollektoranlage nicht aus gebrauchten Teilen besteht. Die Beklagte bewilligte ihm darauf mit Zuwendungsbescheid vom 28.03.2006 einen Zuschuss in Höhe von 1.188,00 EUR, wo sie den in den Richtlinien vorgesehenen Fördersatz für Solarkollektoranlagen zur kombinierten Warmwasserbereitung und Raumheizung von 135 EUR im Hinblick auf die Erschöpfung der Fördermittel um 20 Prozent kürzte. Mit den Verwendungsnachweisen legte der Kläger einen Kaufvertrag vom 05.10.2006 über einen gebrauchten Pufferspeicher vor. Darauf nahm die Beklagte den Zuwendungsbescheid mit Bescheid vom 29.01.2007 zurück. In den Gründen ist ausgeführt, dass es sich bei dem Pufferspeicher um einen wesentlichen Teil der Anlage handele, die deshalb nicht förderfähig sei, weil der Pufferspeicher gebraucht sei. Randnummer 2 Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2007 zurück. Darin ist ausgeführt, der Zuwendungsbescheid sei rechtswidrig gewesen. Er wäre nicht erteilt worden, wenn der Behörde bekannt gewesen wäre, dass der Kläger eine Solarkollektoranlage errichtet habe, die eine wesentliche gebrauchte Komponente enthalte. Nach Nr. 2.2.2 RL würden gebrauchte Anlagen nicht gefördert. Die Beklagte fördere auch solche Anlagen nicht, wenn ein wesentlicher Bestandteil gebraucht sei. Wesentlicher Bestandteil sei auch ein Pufferspeicher. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, weil er unrichtige Angaben gemacht habe. Randnummer 3 Am 05.07.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Auffassung, dass das Erfordernis fabrikneuer Komponenten durch das zugrundeliegende Regelwerk nicht gedeckt sei. Außerdem sei der Pufferspeicher nicht Teil der Solarkollektoranlage. Zwar sei eine Solarkollektoranlage nur förderfähig, wenn ein Pufferspeicher vorhanden sei; dieser werde dadurch aber nicht Teil der Anlage. Die Hinweise zum Verwendungsnachweis zeigten im Übrigen, dass auch ein „vorhandener“, also ein gebrauchter Pufferspeicher nicht förderungsschädlich sei. Randnummer 4 Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 29.01.2007 und den Widerspruchsbescheid vom 01.06.2007 aufzuheben. Randnummer 5 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 6 Die Beklagte verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide. Randnummer 7 Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 04.09.2007 auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Das Gericht hat neben der Gerichtsakte einen Hefter Behördenakten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
1. Der Bescheid vom 29.01.2007 und der Widerspruchsbescheid vom 01.06.2007 werden in Höhe von 924,00 EUR aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu 6/7 und der Kläger zu 1/7 zu tragen. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn der jeweilige Kostengläubiger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Baden-Württemberg
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1 Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin für die Zeit vom 25. Oktober 2010 bis 29. November 2010 Anspruch auf Krankengeld hatte. 2 Die 1950 geborene Klägerin war als Bürokraft bei der Firma C. Verpackungssysteme Vertriebs GmbH in W. versicherungspflichtig beschäftigt und deswegen versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 30. September 2010. Bis zum Zeitpunkt der Beendigung erhielt die Klägerin Arbeitsentgelt. 3 Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie M.-W. bescheinigte der Klägerin Arbeitsunfähigkeit mit der Erstbescheinigung vom 28. September 2010 bis voraussichtlich Sonntag, den 24. Oktober 2010. Als Diagnosen gab sie F 33.1 G (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode; gesicherte Diagnose), F 34.1 G (anhaltende affektive Störung, Dysthymia; gesicherte Diagnose) an. Mit Bescheid vom 19. Oktober 2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin hierauf Krankengeld für die Zeit vom 01. bis 24. Oktober 2010 in Höhe eines täglichen Krankengelds von EUR 47,30. 4 Am Montag, dem 25. Oktober 2010 bescheinigte Ärztin M.-W. der Klägerin mit einem Auszahlschein für Krankengeld Arbeitsunfähigkeit bis auf weiteres. Als Diagnose gab sie wiederum F 33.1 G an. Die Beklagte lehnte es ab, der Klägerin ab 25. Oktober 2010 Krankengeld zu zahlen (Bescheid vom 26. Oktober 2010). Zur Begründung führte sie aus, der Gesetzgeber sehe vor, dass bei Arbeitsunfähigkeit ein Anspruch auf Krankengeld am Tag nach der ärztlichen Feststellung entstehe. Das Bundessozialgerichts (BSG) habe hierzu ergänzend entschieden, dass sich der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich nach dem Versicherungsverhältnis richte, das am Tag nach der ärztlichen Feststellung bestehe (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 37/06 R -, SozR 4-2500 § 46 Nr. 2). Da die Arbeitsunfähigkeit am 25. Oktober 2010 ärztlich festgestellt worden sei, seien die Verhältnisse am 26. Oktober 2010 maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt bestehe für die Klägerin jedoch keine Versicherung mit Anspruch auf Krankengeld mehr, da ihr Arbeitsverhältnis zum 30. September 2010 beendet worden sei. 5 Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch machte die Klägerin, die ab 25. Oktober 2010 Arbeitslosengeld bezog, geltend, bei ihr habe seit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 28. September 2010 ein medizinisch unverändertes Krankheitsbild bestanden, so dass aus ärztlicher Sicht auf Grund der Diagnose und des dabei bestehenden typischen Krankheitsverlaufs die ganze Zeit Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Es handele sich nicht um eine Unterbrechung der Arbeitsunfähigkeit mit den von der Beklagten genannten Folgen, sondern um eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit seit 28. September 2010. Dies habe zum einen zur Folge, dass ein Versicherungsverhältnis mit Anspruch auf Krankengeld aus dem bis zum 30. September 2010 bestehenden Arbeitsverhältnis bestanden habe und zum anderen, dass weiterhin die letzte berufliche Tätigkeit für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit maßgeblich sei und nicht etwa der allgemeine Arbeitsmarkt aufgrund der mittlerweile eingetretenen Arbeitslosigkeit (Verweis auf BSG, Urteil vom 07. Dezember 2004 - B 1 KR 5/03 R -, SozR 4-2500 § 44 Nr. 3). Außerdem werde auf das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Oktober 2007 (L 8 KR 228/06, in juris) hingewiesen, nach welchem gerade bei psychiatrischen Erkrankungen eine persönliche Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) erforderlich sei, wenn der MDK von der eindeutigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den behandelnden Facharzt abweichen wolle. Ohne diese persönliche Untersuchung durch den MDK läge eine völlig unzureichende medizinische Sachverhaltsaufklärung vor, mit der die Beklagte die ihr obliegende Pflicht zur Sachaufklärung von Amts wegen schuldhaft verletze. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Ärztin M.-W. vom 28. Oktober 2010 vor, wonach aus ärztlicher Sicht aufgrund der Diagnose und aufgrund des dabei bestehenden typischen Krankheitsverlaufes davon auszugehen sei, dass für den zwischen beiden Bescheinigungen entstandenen Zeitraum keine Genesung eingetreten sei und aus medizinischer Sicht auch in dieser Zeit Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 15. März 2011). Die Grundsätze, dass erst mit dem Tag nach der ärztlichen Feststellung der Anspruch auf Krankengeld beginne, resultierten aus dem Urteil des BSG vom 26. Juni 2007 - B 1 KR 2/07 R -, in juris. Nach diesem Urteil fänden diese Grundsätze nicht nur bei der erstmaligen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit, sondern auch bei aufeinanderfolgenden Leistungszeiträumen Anwendung. Die ununterbrochene Arbeitsunfähigkeit hätte durch die die Klägerin behandelnden Ärzte nur dadurch dokumentiert werden können, dass eine erneute Untersuchung spätestens am 24. Oktober 2010 hätte durchgeführt werden müssen. Tatsächlich sei der weitere Nachweis der Arbeitsunfähigkeit erst am 25. Oktober 2010 erfolgt. Dieser hätte einen Anspruch auf Krankengeld erst ab 26. Oktober 2010 zur Folge. Die den Anspruch auf Krankengeld erhaltende Mitgliedschaft nach § 192 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) habe am 24. Oktober 2010 mit dem Ende des Krankengeldanspruchs geendet. Ab 25. Oktober 2010 hätte der Versicherungsschutz durch die Familienversicherung sichergestellt werden können, die keinen Anspruch auf Krankengeld beinhalte. 6 Die Klägerin erhob am 14. April 2011 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG) mit dem Begehren auf Zahlung von Krankengeld über den 24. Oktober 2010 hinaus. Über ihr bisheriges Vorbringen hinaus führte die Klägerin aus, seitens der behandelnden Ärztin M.-W. sei die Arbeitsunfähigkeit mit der Erstbescheinigung bis zum 24. Oktober 2010 (einem Sonntag) bescheinigt worden und ihr, der Klägerin, ein Folgetermin zum 25. Oktober 2010 gegeben worden. Sie, die Klägerin, habe aus ihrer Sicht davon ausgehen müssen, dass die entsprechende Untersuchung am 25. Oktober 2010 rechtzeitig gewesen sei. Dass die rechtzeitige Feststellung der selbst seitens der Beklagten nicht mehr bestrittenen objektiv zutreffenden Würdigung der über den 24. Oktober 2010 hinaus bestehenden Arbeitsunfähigkeit durch die behandelnde Ärztin unterblieben sei, liege daher nicht in ihrem Verantwortungsbereich und könne sich daher auch nicht zu ihren Lasten auswirken. Für den Fall, dass die Beklagte doch die objektiv bestehende Arbeitsunfähigkeit bestreiten sollte, sei auf das Urteil des BSG vom 07. Dezember 2004 (B 1 KR 5/03 R a.a.O.) hingewiesen, in dem das BSG ausführe, dass dem Versicherten, der bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Krankengeld gehabt habe, dieses bei unveränderten Verhältnissen bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer bzw. bis zu dem Zeitpunkt zu gewähren sei, zu dem aus er von sich aus eine ihm gesundheitlich zumutbare Beschäftigung aufnehme. 7 Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie verwies ergänzend noch einmal darauf, dass die Klägerin, um den Nachweis der ununterbrochenen Arbeitsunfähigkeit zu erbringen, sich spätestens am 24. Oktober 2010 erneut in ärztliche Behandlung hätte begeben und Arbeitsunfähigkeit bestätigen lassen müssen. Ärztin M.-W. habe in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft (hierzu im Folgenden) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie die Klägerin auf die Möglichkeit der Behandlung und Unterstützung durch den Hausarzt hingewiesen habe. Somit habe die Möglichkeit bestanden, dass die Klägerin sich vor Ablauf des 24. Oktober 2010 die Arbeitsunfähigkeit durch den Hausarzt verlängern lasse. Dies habe sie nicht getan. 8 Das SG zog die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Bundesagentur für Arbeit, wonach der Klägerin unter Zugrundelegung einer Anspruchsdauer von 720 Tagen ab dem 25. Oktober 2010 Arbeitslosengeld bewilligt und gezahlt wurde, bei und hörte Ärztin M.-W. als sachverständige Zeugin. Die Ärztin gab an (Auskunft vom 20. Juni 2011), die Klägerin befinde sich seit Jahren wegen rezidivierender depressiver Episoden in ihrer Behandlung. Am 20. September 2010 habe die Klägerin sie erneut aufgesucht. Am 28. September 2010 sei eine Krankschreibung bis zum 24. Oktober 2010 erfolgt. Nach einem Praxisurlaub sei ihre Praxis dann erst ab 25. Oktober 2010 wieder geöffnet gewesen. Da am 28. September 2010 der schlechte Zustand der Klägerin und die bekannte Latenz des Wirkeintritts bei medikamentöser antidepressiver Behandlung eine rasche Besserung ausgeschlossen habe und ihr Praxisurlaub bevor gestanden habe, habe sie mit der Klägerin die Strategie der weiteren medikamentösen Behandlung besprochen und mit ihr vereinbart, dass sie sich zur Unterstützung der weiteren Behandlung und im Notfall zwischenzeitlich an ihren Hausarzt wenden solle. Weiterhin habe sie die Möglichkeit gehabt, regelmäßig Kontakt zu ihrem Psychotherapeuten aufzunehmen. Am 25. Oktober 2010 sei die Klägerin erneut in ihrer Praxis erschienen. Sie sei insgesamt bezüglich der depressiven Symptomatik etwas gebessert gewesen, es hätten aber weiterhin Symptome der Depression bestanden und eine Arbeitsunfähigkeit sei weiterhin gegeben gewesen. Das Erkrankungsbild sei auch ab 25. Oktober 2010 eindeutig so ausgeprägt gewesen, dass es auch für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsunfähigkeit begründet habe. Geendet habe die Arbeitsunfähigkeit am 29. November 2010. Die Ärztin fügte einen Arztbrief des Diplom-Psychologen Nuber vom 16. November 2009, bei dem sich die Klägerin seit 30. Oktober 2009 in Behandlung befindet, sowie einen eigenen Befundbericht für den Ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit vom 23. November 2010 und „Feststellungen nach dem Schwerbehindertenrecht“ vom 09. April 2010 bei. 9 Mit Urteil vom 13. Dezember 2011 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. März 2011 auf und verurteilte die Beklagte, der Klägerin über den 24. Oktober 2010 hinaus bis zum 29. November 2010 Krankengeld zu gewähren. Im Übrigen wies es die Klage ab. § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V, der zur Kosteneinsparung einen „Karenztag“ beinhalte, stehe dem Anspruch der Klägerin auf Krankengeld nicht entgegen. In mehreren grundlegenden Urteilen vom 26. Juni 2007 (u.a. B 1 KR 37/06 R a.a.O.) vertrete das BSG die Auffassung, dass diese Vorschrift auch dann zur Anwendung komme, wenn ein arbeitsunfähiger Versicherter die Fortdauer seiner Arbeitsunfähigkeit und die (weitere) Auszahlung seines Krankengeldes geltend mache. Nach dem in diesen Urteilen auch in Bezug genommenen Urteil des BSG vom 08. November 2005 (B 1 KR 30/04 R, SozR 4-2500 § 46 Nr. 1) komme ein rückwirkender Anspruch auf Zahlung von Krankengeld in Betracht, wenn der Versicherte ursprünglich alles für die Anspruchsentstehung erforderliche und ihm Zumutbare unternommen habe sowie die Gründe, die zum Anspruchsverlust führten, in den Verantwortungsbereich der Krankenkasse fielen. Bei „strikter“ Anwendung der Grundsätze ergebe sich vorliegend in der Tat, dass die Klägerin ab dem 25. Oktober 2010 unabhängig von ihrem Gesundheitszustand vom Krankengeldbezug ausgeschlossen wäre. Unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben erscheine die „strikte“ Anwendung von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V im vorliegenden Sachverhalt aber unverhältnismäßig. Mit dem Krankengeld bzw. der Aufrechterhaltung des Krankenversicherungsschutzes werde der Kernbereich des Grundrechts auf „Leben und körperliche Unversehrtheit“ berührt. Das „Verschulden“ der Klägerin, von einem Arztbesuch spätestens am 24. Oktober 2010 abgesehen zu haben, könne nur als geringe Obliegenheitsverletzung eingestuft werden. Denn die Notwendigkeit zur Wahrung des Krankengeldanspruchs bzw. zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit spätestens am 24. Oktober 2010 ärztlich attestieren zu lassen, sei für sie nicht erkennbar gewesen. Sie habe vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass es ausreiche, wie mit der Ärztin M.-Wulf vereinbart, am 25. Oktober 2010 erneut die Sprechstunde aufzusuchen. Dies gelte umso mehr als § 5 Abs. 3 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie) bei Ausstellung einer Folgebescheinigung durchaus die Rückdatierung der Arbeitsunfähigkeit um bis zu zwei Tage erlaube. Somit ergebe eine Abwägung der widerstreitenden Interessen, dass zumindest bei der Ausstellung einer Folgebescheinigung unverschuldete, nur einen Tag umfassende Lücken, die zum vollständigen Verlust des Krankengeldes und ggf. des gesamten Krankenversicherungsschutzes führten, eine „strikte“ Anwendung von § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V nicht rechtfertigen könnten. Denn diese Rechtsfolge erscheine zur Erreichung des gesetzlichen Ziels (Karenztag zur Einsparung, Vermeidung von Manipulationen bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit) „übermäßig“ und folge im Übrigen auch nicht zwingend aus dem Wortlaut der Norm. Denn die „Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“ beschränke sich nicht zwangsläufig nur auf das schlichte Ausfüllen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Vielmehr wohne der „Feststellung der Arbeitsunfähigkeit“ stets auch ein wertender Erkenntnisprozess inne, so dass es mit dem Wortlaut der Vorschrift durchaus vereinbar sei, in Einzelfällen auch eine ärztlich begründete rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit mit einzubeziehen. Der Zeugenauskunft der Ärztin M.-W. könne in diesem Zusammenhang entnommen werden, dass sie, die Ärztin, der Klägerin am 28. September 2010 bis zum Ende des Praxisurlaubs am 24. Oktober 2010 Arbeitsunfähigkeit attestiert und für den ersten Öffnungstag der Praxis am 25. Oktober 2010 einen erneuten Behandlungstermin vergeben habe. Dies verdeutliche, dass Ärztin M.-W. offenkundig davon ausgegangen sei, bei diesem Ablauf seien die sozialen Rechte der Klägerin in ausreichender Weise gewahrt. Wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass die erneute Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 25. Oktober 2010 um einen Tag verspätet sein könnte und daher ein Verlust des Krankengeldanspruchs drohen würde, hätte sie sicherlich das Ende der Arbeitsunfähigkeit erst auf den 25. Oktober 2010 datiert. Dass Ärztin M.-W. hiervon abgesehen habe, könne nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Hieran ändere auch der Einwand nichts, dass Ärztin M.-W. der Klägerin ausdrücklich empfohlen habe, sie solle sich während ihres Urlaubs im Notfall an ihren Hausarzt wenden bzw. mit ihrem Psychotherapeuten Kontakt aufnehmen. Diese Empfehlung sei in erster Linie therapeutisch motiviert gewesen und offenkundig nicht ausgesprochen worden, um den Krankengeldanspruch der Klägerin zu sichern. Unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses stehe für es, das SG, fest, dass die Klägerin bis zum 29. November 2010 durchgehend arbeitsunfähig gewesen sei. Dem Krankengeldanspruch bis zum 29. November 2010 stehe nicht entgegen, dass die Klägerin während dieses Zeitraums Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) erhalten habe, denn die Zahlung von Arbeitslosengeld bringe das Krankengeld nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 a SGB V nur dann zum Ruhen, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des laufenden Arbeitslosengeldbezugs eintrete und die Arbeitsagentur für die Dauer von sechs Wochen das Arbeitslosengeld nach § 126 SGB III (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) fortzuzahlen habe. Wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt seien, bewende es bei § 142 Satz 1 Nr. 2 SGB III (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung), wonach das Krankengeld dem Arbeitslosengeld vorgehe. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ergebe sich, dass die Klägerin seinerzeit bis zum 29. November 2010 Arbeitslosengeld zu Unrecht bezogen habe, denn die Arbeitsunfähigkeit sei schon vor dem Einsetzen des Arbeitslosengeldes eingetreten, so dass die Voraussetzungen des § 126 SGB III (in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung) nicht vorgelegen hätten. Dies habe zur Konsequenz, dass der Zeitraum vom 25. Oktober bis zum 29. November 2010 die Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes nicht mindere (vgl. § 128 Abs. 1 Nr. 1 SGB III in der bis 31. März 2012 geltenden Fassung), denn die Arbeitsagentur habe mit der Zahlung des Arbeitslosengeldes in Wirklichkeit den Anspruch der Klägerin auf Krankengeld erfüllt (§ 107 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Den entsprechenden Nachzahlungsbetrag könne die Klägerin nur unter Berücksichtigung etwaiger Erstattungsansprüche der Bundesagentur für Arbeit beanspruchen. 10 Gegen das ihr am 21. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Januar 2012 Berufung eingelegt. Die Auffassung des SG, dass ein Karenztag von Krankenkassen zu tolerieren sei, werde vom BSG in den Urteilen vom 26. Juni 2007 nicht geteilt. In einem weiteren Urteil vom 02. November 2007 (B 1 KR 12/07 R in juris) habe das BSG eindeutig dargestellt, dass die Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit an dem Tag erfolgen müsse, bis zu dem bisher Arbeitsunfähigkeit bescheinigt gewesen sei. Um den Anspruch auf Krankengeld weiter erhalten zu können, hätte die Klägerin spätestens am 24. Oktober 2010 weitere Arbeitsunfähigkeit feststellen lassen müssen. Dies habe sie nicht getan, damit scheide die weitere Zahlung von Krankengeld aus. Unabhängig davon könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein Fehler der Ärztin M.-W. bei der Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 28. September 2010 dazu geführt habe, dass sie, die Ärztin, die Klägerin nur bis 24. Oktober 2010 arbeitsunfähig geschrieben habe. Das SG habe offensichtlich einen Fehler darin gesehen, dass das Ende der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit mit dem Ende des Praxisurlaubs der Ärztin M.-W. zusammengefallen sei. Es habe offengelassen, bis zu welchem Zeitpunkt die Ärztin M.-W. die Klägerin hätte arbeitsunfähig schreiben müssen, ohne dass von einem Fehler der Ärztin auszugehen gewesen wäre. Die Schlussfolgerungen des SG müssten dazu führen, dass in allen Fällen, in denen ein Arzt einem Patienten bis Samstag oder Sonntag Arbeitsunfähigkeit bescheinige, ein Fehler des Mediziners vorliege, wenn der Kläger erst am darauffolgenden Montag wieder in der Praxis erscheine, um die Arbeitsunfähigkeit verlängern zu lassen. Diese Betrachtungsweise stimme mit den Entscheidungen des BSG nicht überein. Einem Vertragsarzt obliege im Zusammenhang mit der Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit die Beurteilung, ob ein Versicherter die zuletzt ausgeübte Beschäftigung wieder aufnehmen könne. Seine Beurteilung habe ausschließlich medizinische Inhalte. Aus den vorliegenden Unterlagen ließen sich keine Hinweise entnehmen, dass Ärztin M.-W. bei der Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit ein Fehler unterlaufen sei. Die Vorgehensweise der Ärztin entspreche der üblichen Praxis. Keinesfalls könne eine Pflichtverletzung der Ärztin festgestellt werden, die ihrem, der Beklagten, Verantwortungsbereich zugerechnet werden könne. Im Gegenteil, sie, die Ärztin, habe der Klägerin von vornherein Arbeitsunfähigkeit für rund vier Wochen bescheinigt. Nicht Aufgabe eines Vertragsarztes könne es hingegen sein, das Versicherungsverhältnis bzw. den Versicherungsschutz eines Patienten zu beurteilen. Deshalb könne von der Ärztin M.-W. nicht gefordert werden, dass sie nach der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit vom 28. September 2010, die Klägerin darüber zu beraten habe, wie der weitere Versicherungsschutz ausschließlich sichergestellt sein könne. Vielmehr wäre es Aufgabe der Klägerin gewesen, sich mit ihr, der Beklagten, in Verbindung zu setzen, um zu klären, ob durch das beendete Versicherungsverhältnis sich Konsequenzen auf den Krankengeldanspruch ergeben würden. 11 Die Beklagte beantragt, 12 das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2011 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. 13 Die Klägerin beantragt, 14 die Berufung zurückzuweisen. 15 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Dies habe die sachverständige Zeugenauskunft der Ärztin M.-W. noch einmal bestätigt (hierzu im Folgenden). 16 Der Senat hat Ärztin M.-W. erneut als sachverständige Zeugin gehört. Sie hat angegeben (Auskunft vom 30. April 2012), dass die Klägerin von ihr vom 28. September bis einschließlich Sonntag, den 24. Oktober 2010, krankgeschrieben worden sei. Ihre Praxis sei nach dem 28. September 2010 wegen Urlaubs geschlossen gewesen. Sie sei davon ausgegangen, dass die Klägerin im Falle einer Besserung eventuell ihre Arbeit am 25. Oktober 2010 wieder aufnehmen könne bzw. sich arbeitsuchend melden könne. Bei Fortbestehen der Erkrankung habe sie ihr zur Klärung und Optimierung der weiteren Therapie am 25. Oktober 2010 einen Termin angeboten und bei Bedarf sollte hierbei auch eine weitere Krankschreibung erfolgen. Weitere Auszahlscheine seien bis zum 29. November 2010 ausgestellt worden. 17 Auf Nachfrage des Senats hat Ärztin M.-Wulf unter dem 05. Juni 2012 ausgeführt, sie sei nicht davon ausgegangen, dass bei einer Krankschreibung, die den Sonntag, den 24. Oktober 2010, einschließe, die erforderliche Folgebescheinigung am Montag, den 25. Oktober 2010, zu solchen Problemen mit der Krankenkasse führe würde, zumal die Klägerin eindeutig über den gesamten Zeitraum erkrankt gewesen sei. Da es sich bei ihrer Krankschreibung um eine Erstbescheinigung gehandelt habe, die einen Zeitraum von unter sechs Wochen umfasst habe, sei sie zum Zeitpunkt der Ausstellung nicht davon ausgegangen, dass sich die Frage des Krankengeldes stelle. Sie habe die Frage, an welchem Tag die Klägerin ggf. die Folgebescheinigung während ihrer Abwesenheit ausstellen lassen solle, mit der Klägerin nicht besprochen. Soweit sie ihren Aufzeichnungen entnehmen könne, habe sie im Gespräch mit der Klägerin in erster Linie betont, dass sie sich im Falle einer Verschlechterung der Erkrankung während ihrer, der Ärztin, Abwesenheit an ihren Hausarzt, der die Klägerin auch schon sehr lange kenne, wenden solle. Dabei habe sie weniger formelle Fragen, sondern krankheitsbedingte Notwendigkeiten betont. 18 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. 19 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor des Urteils des Sozialgerichts wie folgt neu gefasst wird: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 26. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 15. März 2011 verurteilt, der Klägerin vom 25. Oktober bis 29. November 2010 Krankengeld unter Anrechnung bereits gezahlten Arbeitslosengelds zu gewähren. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.
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LG Frankfurt 7. Zivilkammer
Hessen
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17.03.2005
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Randnummer 1 Der 1940 geborene Kläger war als Masseur selbständig. Er ließ sich seit Anfang der 90iger Jahre von der Beklagten in finanziellen Dingen beraten. 1993 erbte er 100.000,- DM. Er hatte erfahren, dass die ihm bekannte Beklagte zu 1) für die Beklagte zu 2) tätig war und wechselte im allseitigen Einverständnis zum Beklagten zu 1) als Berater. Beratungsgespräche über die Anlage des ererbten Geldes fanden im September/Oktober 1993 statt. Am 12.10.1993 zeichnete der Kläger eine Beteiligung über 100.000,- DM nebst 5.000,- DM Abwicklungsgebühr an der „SchweizDeutschland-USA Dreiländer-Beteiligung Objekt DLF 93/04 …", kurz DLF 93/14. 1997 erhielt der Kläger seine Lebensversicherung ausgezahlt. Er legte, ebenfalls nach Gesprächen mit dem Beklagten zu 1), 200.000,-- DM davon nebst Abwicklungsgebühr von 10.000,- DM in einem weiteren Dreiländer-Beteiligung-Objekt DLF 97/25 an. Beide Beteiligungen waren keine unmittelbaren Gesellschafterbeteiligungen, sondern jeweils eine mittelbar über eine zwischen geschaltete Treuhand-Kommanditistin, die B GmbH, die einen Teil ihres Kommanditanteiles für Rechnung und im Interesse des Klägers hielt. Der Kläger erhielt bis 2002 Ausschüttungen aus beiden Fonds. Er geriet im Jahr 2000 in wirtschaftliche Schwierigkeiten, weil sein Massagebetrieb nicht mehr genügend abwarf, die soweit gingen, dass das Finanzamt seine Beteiligungen pfändete. Er wendete sich an die Verwalterin der Gesellschaft, die A KG, der von der Beklagten zu 2) der Streit verkündet wurde, und verlangte die Rückzahlung seiner Einlagen. Ihm wurde mitgeteilt, dass er die Beteiligung nur auf einem sogenannten Zweitmarkt verkaufen könne. Der Verkauf schlug fehl, da der Kläger zunächst eine nicht erreichbare Marge von 83 % gesetzt hatte und die Beteiligungen danach laufend an Wert verloren, bis schließlich die B mit Schreiben vom 24.7.2003 mitteilte, dass der Abfindungswert sich auf rund 20 % der Beteiligungssumme belaufe, nachdem für den DLF 93/14 mit Schreiben vom 18.3.2003 (Bl. 76 d. A.) der Ausschluss des Klägers erklärt worden war. Randnummer 2 Der Kläger verlangt Ersatz seines Schadens von den Beklagten. Randnummer 3 Er behauptet, er habe immer betont, dass er die Anlage als Altersversorgung brauche, weil er nicht rentenversichert sei. Ihm sei durch den Anlagenberater nicht erklärt worden, dass er am Ende des Vertrages noch weniger als eingezahlt erhalten könne. Die Prospekte der Beklagten zu 2) seien ihm nur gezeigt, nicht aber ausgehändigt worden (Beweis: Zeugnis der Ehefrau des Klägers). Dass er im Beteiligungsangebot jeweils bestätigt habe, den Prospekt erhalten zu haben, sei nur darauf zurückzuführen, dass er dem befreundeten Beklagten zu 1) nicht misstraut habe. Er sei in Geschäftsdingen nicht erfahren, das Finanzielle habe immer seine Frau erledigt. Wie sich aus den von der Beklagten zu 2) zitierten Urteilen ergebe, hätten offenbar deutschlandweit viele Anleger die Prospekte nicht erhalten. Die Kleinanleger unterschrieben eben dort, wo ihre Bekannten hindeuteten, so sei es auch dem Kläger gegangen. Die Beratungsgespräche hätten jeweils maximal jeweils 30 Minuten gedauert. Von der Beklagten zu 2) habe er irgendwann den Prospekt 97/25 erhalten, wobei er nicht mehr wisse, ob vor oder nach der Zeichnung; die Beteiligungssumme sei aber bereits angelegt worden. Er habe den Prospekt nicht gelesen, weil ihm das Video zu 97/22 gezeigt worden sei und er von einer Identität ausgegangen sei. Dem Beklagen zu 1) hätte auffallen müssen, dass der Kläger bei Ablauf der Verträge schon weit im Rentenalter sein werde und die Steuerlast ohnehin gering sein werde. Der Kläger habe vor den Verträgen nur über ein Festgeldkonto bei seiner Bank verfügt. Randnummer 4 Er beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 103.526,81 EUR, nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 18.6.2002 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übernahme des DLF 97/25 und festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, den dem Kläger aus seiner Beteiligung an dem DLF 93/14 entstandenen Schaden zu ersetzen. Randnummer 5 Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Randnummer 6 Der Beklagte zu 1) behauptet, er habe für den Kläger vor der Vermittlung der Anlage eine Analyse gemacht, um Anlageziele, Risikobereitschaft und Interessen des Klägers zu erkunden und seinen wirtschaftlichen Ist-Zustand zu ermitteln. Er habe dem Kläger nicht erklärt, dass er am Ende jedenfalls seine Investition zurückerhalte. Er habe die Fonds dem Kläger auch nicht als perfekte Alterssicherung angeboten, auch nicht erklärt, dass der Kläger jederzeit auf die Anlage zurückgreifen könne. Er habe den Kläger vielmehr darauf hingewiesen, dass der früheste Rückgabezeitpunkt nach 15 Jahren sei und bei früherer Veräußerung der Erlös auch unter 100 % der Einlage liegen könne. Er habe dem Kläger jeweils die Verkaufsprospekte ausgehändigt, aus denen sich die Risiken ergäben. Der Kläger sei nicht unerfahren gewesen, er habe selbst zugegeben, über die Beklagte zu 2) Anlagegeschäft gemacht zu haben. Der Kläger sei auf eine Anlageempfehlung aus gewesen, die höhere Erträge bringe als festverzinsliche Anlagen. Er habe auch Steuern sparen wollen, auch die Zinsabschlagssteuer. Die Ehefrau des Klägers sei zwar anwesend gewesen, habe sich aber nicht am Gespräch beteiligt, sondern mit anderen Dingen beschäftigt. Den zweiten Vertrag habe der Kläger u. a. deswegen abgeschlossen, weil er mit dem ersten sehr zufrieden gewesen sei. Damals hätten die von der Bank angebotenen Konditionen den Vorstellungen des Klägers nicht entsprochen, er habe die höheren Erträge durch eine DLF Beteiligung haben wollen. Auch hierbei habe der Kläger weder auf eine Alterssicherung noch auf eine jederzeitige Abrufbarkeit Wert gelegt. Er habe sich zunächst am DLF 97/22 beteiligen wollen, da dieser aber überzeichnet gewesen sei, sei ihm der DLF 97/25 angeboten worden, den er dann auch gezeichnet habe. Randnummer 7 Es stimme nicht, dass der Kläger nur 20 % seine Einlage erhalten werde, das sei nur die Lage 2003 gewesen. Der Wert auf dem zweiten Markt sei nicht repräsentativ für den tatsächlichen Wert der langfristigen Anlage. Die Schadensberechnung des Klägers stimme nicht, die Angabe zu Steuervor- und Nachteilen bestreite er. Der Beklagte zu 1) sei nur als Anlagenvermittler, nicht als Berater aufgetreten. Randnummer 8 Die Beklagte zu 2) ist der Ansicht, die Prospekte seien an Klarheit und Deutlichkeit kaum zu überbieten. Der Kläger habe die Prospekte auch jeweils vor seiner Entscheidung erhalten, den Prospekt DLF 97/25 mit der Zusicherung, dass er sich entscheiden könne, ob er die Anlage, die er in DLF 97/22 habe tätigen wollen, aufrechterhalte. Dem Kläger sei die Anlage nicht zur Altersversorgung empfohlen worden. Ihm sei nicht gesagt worden, dass die Anlage völlig sicher sei. Die Anlage sei nur vermittelt worden, es habe keine Anlageberatung stattgefunden. Randnummer 9 Auf die schlechte Fungibilität sei im Prospekt hingewiesen. Aus der Lage im Jahr 2003 könne nicht darauf geschlossen werden, dass die Anteile am Ende der Vertragsdauer kaum etwas wert seien. Randnummer 10 Die Streithelferin beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Sie trägt vor, die Streitverkündete zu 2) sei Initiator des Projekts gewesen. Beim Beitritt 1997 habe der Kläger das Konzept gekannt. Aus der Beteiligung DLF 97/24 habe der Kläger Ausschüttungen von 37.240,84 EUR erhalten. Randnummer 12 Für den weiteren Vortrag der Parteien wird, auf die gewechselten Schriftsätze, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Streithilfe zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages.
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Hessisches Landessozialgericht 8. Senat
Hessen
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12.12.1984
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger auch für die Zeit vom 14. Oktober 1982 bis 10. Mai 1983 Krankengeld zu zahlen hat. Randnummer 2 Der 1930 geborene Kläger betrieb zusammen mit seinem Bruder einen Steinmetzbetrieb. Die manuellen Arbeiten wurden von ihm ausgeführt; die kaufmännischen Arbeiten erledigte sein Bruder. Seit dem 25. Juni 1951 war er als Selbständiger bei der Beklagten mit sofortigem Anspruch auf Krankengeld freiwillig versichert. Im November 1981 wurde er wegen eines Kehlkopftumors operiert. Seit dem 10. November 1981 war er arbeitsunfähig geschrieben und erhielt ab 11. November 1981 von der Beklagten Krankengeld. Randnummer 3 Am 6. August 1982 beantragte der Kläger bei der beigeladenen Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit. Als Ergebnis einer vertrauensärztlichen Untersuchung und Begutachtung vom 30. August 1982 wurde festgestellt, daß der Kläger vorübergehend nur noch unter zwei Stunden täglich arbeiten könne. Durch Bescheid vom 5. Oktober 1982 bewilligte ihm die Beigeladene Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit vom 12. Mai 1982 bis 29. Februar 1984. Die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit lehnte sie unter Hinweis auf § 1247 Abs. 2 Satz 3 Reichsversicherungsordnung (RVO) ab, weil der Kläger noch eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübe. Die Beklagte stellte daraufhin die Zahlung des Krankengeldes zum 14. Oktober 1982 mit der Begründung ein, daß beim Kläger nach medizinischer Einschätzung Erwerbsunfähigkeit vorliege und es deshalb gerechtfertigt sei, ihn entsprechend § 183 Abs. 3 RVO so zu stellen, als ob er eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beziehe (Bescheid vom 20. Oktober 1982; Widerspruchsbescheid vom 19. April 1983). Randnummer 4 Am 3. Mai 1983 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Fulda Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat er bei der Beigeladenen mit am 19. September 1983 eingegangenen Schreiben die Umwandlung seiner Rente wegen Berufsunfähigkeit in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beantragt. Er hat dazu ein an die Beklagte gerichtetes Schreiben der Buchstelle der Kreishandwerkerschaft … vom 08. August 1983 vorgelegt, wonach er zum 31. Dezember 1982 aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts … ausgeschieden sei und der Bruder … den Steinmetzbetrieb ab 1. Januar 1983 als Einzelunternehmer weiterführe. Die Beigeladene hat daraufhin mit Bescheid vom 7. November 1983 aus Anlaß des am 31. Dezember 1982 eingetretenen Versicherungsfalls die Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Zeit vom 1. September 1983 bis 29. Februar 1984 umgewandelt. Seit 1. März 1984 erhält der Kläger diese Rente als Dauerrente (Bescheid der Beigeladenen vom 19. Juni 1984). Randnummer 5 Durch Urteil vom 9. Januar 1984 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger vom 14. Oktober 1982 bis 10. Mai 1983 Krankengeld zu zahlen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Anwendung des § 183 Abs. 3 RVO sei nicht gerechtfertigt. Daß der Kläger das Vorliegen der Erwerbsunfähigkeit im Hinblick auf § 1247 Abs. 2 Satz 3 RVO beeinflussen könne, sei eine gesetzlich vorgesehene erlaubte Gestaltungsmöglichkeit, für die es gute Gründe geben könne, z.B. den, für die Dauer einer nur vorübergehenden Erwerbsunfähigkeit die Existenzgrundlage zu erhalten. Der Krankengeldanspruch sei auch nicht mit Ablauf des Monats Dezember 1982 entfallen, da der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung glaubhaft versichert habe, daß sein Bruder die Erklärung über sein Ausscheiden aus der Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegenüber der Kreishandwerkerschaft Fulda nachträglich abgegeben habe. Infolgedessen könne dahinstehen, ob der Kläger mit der Entscheidung über die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit einen Antrag auf Umwandlung der Rente wegen Berufsunfähigkeit in eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hätte stellen oder die Folgen des § 183 Abs. 7 RVO hätte tragen müssen. Randnummer 6 Gegen das ihr am 1. März 1984 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. März 1984 Berufung eingelegt. Sie trägt vor: § 183 Abs. 3 RVO enthalte für Fälle der vorliegenden Art eine Regelungslücke, die durch entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens aus § 183 Abs. 7 und Abs. 8 RVO zu schließen sei. Bei Einfügung des Satzes 3 des § 1247 Abs. 2 RVO Habe der Gesetzgeber offensichtlich nur die Folgen für die Rentenversicherung im Auge gehabt und die Auswirkungen des dem Selbständigen bezüglich des Eintritts seiner Erwerbsunfähigkeit eingeräumten Dispositionsrechts auf die gesetzliche Krankenversicherung übersehen, die er, da sie systemwidrig und ungerecht seien, nicht gewollt haben könne. Denn durch dieses Dispositionsrecht erfahre der selbständig Erwerbstätige gegenüber dem unselbständigen Arbeitnehmer eine ungerechtfertigte Besserstellung, weil die Krankengeldzahlung an ihn nach § 183 Abs. 3 RVO trotz medizinischer Erwerbsunfähigkeit nicht eingestellt werden könne, solange er die selbständige Erwerbstätigkeit beibehalte. Das stelle eine Umgehung des § 183 Abs. 3 RVO dar und kollidiere auch mit dem Grundgedanken aus § 183 Abs. 7 RVO, die in § 183 Abs. 3 RVO gesetzlich vorgesehene Entlastung der Krankenkasse in den Fällen herbeizuführen, in denen der Versicherte tatsächlich erwerbsunfähig sei. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei demnach keine Rentenantragstellung zuzulassen, aufgrund derer der Rentenversicherungsträger nur eine Rente wegen Berufsunfähigkeit gewähren könne. Vielmehr handele derjenige funktionswidrig und rechtsmißbräuchlich, der die Möglichkeit, eine Erwerbsunfähigkeitsrente zu beziehen, zugunsten einer Berufsunfähigkeitsrente ausschlage, um sich auf diese Weise einen Dauerbezug von Krankengeld unter Anrechnung der Berufsunfähigkeitsrente quasi als Aufstockungsbetrag zu dieser Rente zu sichern. Bei anderer Betrachtung werde auch die vom Gesetzgeber im Rentenrecht gewollte Einschränkung für selbständige Erwerbstätige, daß sie neben einer für das Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bestimmten Rente nicht Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit erzielen sollen, unterlaufen. Daß ein Dispositionsrecht des Versicherten nicht in Frage kommen könne, beweise auch die Regelung des § 183 Abs. 8 RVO. Zumindest sei der Anspruch im vorliegenden Fall über den 31. Dezember 1982 hinaus nicht anzuerkennen, weil der Kläger seither eine selbständige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt habe und im Rechtssinne erwerbsunfähig gewesen sei. Randnummer 7 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 9. Januar 1984 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 9 Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Randnummer 10 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Randnummer 11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Verwaltungsakte der Beklagten und der Beigeladenen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen. Randnummer 12 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz– SGG –).
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 9. Januar 1984 wird zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten; im Übrigen sind keine Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz 5. Senat
Rheinland-Pfalz
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15.11.2010
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Randnummer 1 Zwischen den Beteiligten ist einmal streitig, ob die Kläger der Entfernungspauschale die verkehrsgünstigere Straßenverbindung zwischen ihrer Wohnung und ihrer jeweiligen Arbeitsstätte zugrunde legen konnten und ob der Kläger für den Besuch der CeBIT Werbungskosten geltend machen konnte. Randnummer 2 Im Streitjahr 2006 wurden die Kläger zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Kläger wohnten im Streitjahr in der J-Straße  in I. Der Kläger arbeitete bei der Z Versicherung in der S-Straße in F. Die Klägerin arbeitete in der Kindertagesstätte E in der H-Straße in W. Kläger und Klägerin erzielten jeweils Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Randnummer 3 In der Einkommensteuererklärung für 2006 vom 22. Februar 2007 machte der Kläger Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 4.636,80 € (= 224 Tage x 69 km x € 0,30) geltend. Zudem setzte er - neben unstreitigen Werbungskosten in Höhe von 542,- € - für den Besuch der Computermesse CeBIT in Hannover am 11. März 2006 Werbungskosten in Höhe von 255,30 € an, die sich aus Fahrtkosten in Höhe von 237,30 € (= 791 km x 0,30 €), von 6,- € (Tagesparkschein) und von 12,- € (Verpflegungspauschale) zusammensetzten. Die Klägerin machte für ihre Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine Entfernungspauschale in Höhe von 1.908,- € (= 212 Tage x 30 km x 0,30 €) geltend. Randnummer 4 Mit Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 8. März 2007 berücksichtigte der Beklagte bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit eine Entfernungspauschale in Höhe von 3.696,- € (= 224 Tage x 55 km x 0,30 €). Die übrigen vom Kläger geltend gemachten Werbungskosten berücksichtigte der Beklagte in Höhe eines Betrages von 542,- €. Bei der Klägerin ging er bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit von einer Entfernungspauschale in Höhe von 1.400,- € (= 212 Tage x 22 Km x 0,30 €) aus (EStA, Bl.16). In den Erläuterungen führte er aus, dass „Aufwendungen für den Besuch von Publikumsmessen (CeBIT) nicht berücksichtigt werden konnten, da diese keinen ausschließlichen beruflichen Charakter haben. Nach den Feststellungen des Finanzamts beträgt die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte des Ehemannes nicht mehr als 55 km. Nach den Feststellungen des Finanzamts beträgt die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte der Ehefrau nicht mehr als 22 km“. Randnummer 5 Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein. Seine täglich gefahrene Strecke, die die verkehrsgünstigere und schnellere Strecke sei, betrage 69 km. Die Verkehrslage im Berufsverkehr habe sich nicht verbessert, sondern sei insbesondere durch ständige Staus um die ... (Autobahn A 01) und abends durch Dauerstaus am ... (A 02) bis auf die A 01 sowie vermehrten Stauaufkommens auf der A 03 verschärft. Die CeBIT besuche er als Fachbesucher regelmäßig seit 1987. Diese Aufwendungen seien ihm bisher stets anerkannt worden. Zudem sei der Besuch der CeBIT für ihn beruflich erforderlich. Als Bankbetriebswirt, der Firmenkunden zu betreuen habe sowie mit der Warenkreditsicherung befasst sei, besuche er heute hauptsächlich das Angebot des „Mittelstandsforums", das insbesondere Software-Lösungen für Risiko- und Debitorenmanagement anbiete. Bei ihr betrage die einfache Strecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte nach ihren Tachoangaben 24 km. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 19. September 2007 wies der Beklagte auf die gesetzliche Regelung gemäß § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG hin. Hiernach sei die kürzeste Straßenverbindung zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte maßgebend; eine andere als diese Straßenverbindung könne nur dann zu Grunde gelegt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger sei und vom Arbeitnehmer regelmäßig für die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt werde. Wann eine Straßenverbindung offensichtlich verkehrsgünstiger sei, sei gesetzlich nicht geregelt. Der BFH habe mit Urteil vom 10. Oktober 1975 (VI R 33/74) entschieden, dass eine Strecke dann verkehrsgünstiger sei, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsstätte - trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen - in der Regel schneller und pünktlicher erreiche. Das Finanzgericht Düsseldorf habe entschieden, dass eine Zeitersparnis von 20 Minuten ausreichend, aber auch erforderlich sei, um davon ausgehen zu können, dass die Arbeitstätte in der Regel schneller erreicht werde. Zudem bat er um die genaue Routenbeschreibung, die Angabe der Routenoptionen sowie um die Angabe der Fahrtzeit (EStA, Bl.29f.). Randnummer 7 Mit weiteren Schreiben vom 14. Januar 2008 führten die nunmehr anwaltlich vertretenen Kläger aus, dass bei ihr - der Klägerin - ein Ansatz von 25 km und bei ihm – dem Kläger -ein solcher von 69 km berechtigt sei. Unbestritten sei, dass der Steuerpflichtige bei der Auswahl der Route nicht die kürzeste zu wählen habe, wenn diese, wie hier auf den in Frage kommenden Autobahnen A 01, A 02 und A 04 infolge von Überlastung und Staus, zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen führen würde. So habe das Finanzgericht Düsseldorf einen Umweg von 20 Kilometern toleriert, wenn dieser stressfreier und angenehmer empfunden werde. Die vom Beklagten angesetzte kürzere Strecke führe über die neuralgischen Baustellen der ... (A 01) und des ... (A 01 auf die A 02), bei denen in den Hauptverkehrszeiten, zu denen der Kläger unterwegs sei, kilometerlange Staus mit zeitweiligem Stillstand vorlägen. Dies bestätigten die beigefügten Verkehrsmeldungen aus dem Jahr 2007. Der Besuch der CeBIT sei durch seine berufliche Stellung bedingt und zu seiner Fortbildung notwendig gewesen (EStA, Bl.37-159). Randnummer 8 Mit Schreiben vom 28. Januar 2008 bat der Beklagte die Kläger nochmals, um die genaue Routenbeschreibung aus dem Shell-Atlas und um Mitteilung der Fahrtzeit. Hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Wegstrecke von 24,5 km wies der Beklagte darauf hin, dass nur volle km anzusetzen seien, während angefangene Kilometer unberücksichtigt blieben (EStA, Bl.160). Randnummer 9 Mit Schreiben vom 4. März 2008 legten die Kläger die Routenplanung nach dem Shell-Atlas nach W und nach F vor (EStA, Bl.176 und 181). Die Fahrzeitangaben der Shellroute gingen von normalen Verkehrsverhältnissen aus. Das heiße, sie berücksichtigten nicht die auf der A 02 über die ganze Zeit vorliegenden Staus durch Baustellen und die kilometerlangen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf 60 km/h. Dies allein führe zu einer Verlängerung der Fahrzeit von bis zu 30 Minuten, manchmal sogar noch länger. Der Umweg über M lohne sich also. Randnummer 10 Mit Einspruchsentscheidung vom 12. März 2008 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück (EStA, Bl.183). Auf die Einspruchsentscheidung wird verwiesen. Randnummer 11 Mit ihrer bei Gericht am 11. April 2008 eingegangenen Klage machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass der Beklagte zu Unrecht davon ausgehe, dass er aus Zeitersparnisgründen die um 14 km längere Umwegstrecke nicht ansetzen dürfe. Über das Internet werde immer nur die Strecke über die A 60 und A 66 mit unterschiedlichen Fahrzeiten zwischen 41 Minuten (reiseplanung.de) und 32 Minuten (klicktel) angezeigt, obwohl auf dieser Strecke im Streitjahr durch ihren Ausbau mit langen Baustellen und Geschwindigkeitsbeschränkungen in der Hauptverkehrszeit Staus die Regel gewesen seien. Die in den Routenplanern angegebenen Fahrzeiten von 32 bis 41 Minuten berücksichtigten nicht, dass die tatsächliche Fahrtdauer durchschnittlich erheblich über einer Stunde liege. Daher rechtfertige sich der gewählte Umweg über M, der zwar zu einer um 14 Kilometer längeren Fahrtstrecke führe, aber zugleich ohne Verkehrsbehinderung eine Fahrtzeitverkürzung zur Folge habe. Überdies habe er - der Kläger - die von ihm beantragten 69 km einwandfrei von seinem Tacho abgelesen. Der Besuch der CeBIT sei durch seine berufliche Stellung bedingt und auch zu seiner Fortbildung notwendig gewesen. Randnummer 12 Schließlich betrage die von ihr - der Klägerin - von ihrem Tacho abgelesene Entfernung zwischen ihrer Wohnung und Arbeitsstätte 25,2 km und liege über den vom Beklagten anerkannten 22 km. Randnummer 13 Die Kläger beantragen sinngemäß, den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 8. März 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 12. März 2008 dahin gehend zu ändern, dass bei den Einkünften des Klägers aus nicht selbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 1.196,10 € und bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 190,80 € berücksichtigt werden. Randnummer 14 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 15 Der Beklagte tritt der Klage entgegen und trägt im Wesentlichen vor, dass ihm die Verkehrssituation auf der A 01 und A 02 bekannt sei. Nicht weniger problematisch sei jedoch die Verkehrssituation auf der A 05. So sei die Anschlussstelle ... auf der A 05 am 4. Oktober 2005 im Zuge der Baumaßnahmen am ... gesperrt worden. Am 28. August 2006 sei der Startschuss für den Bau des Autobahntunnels auf der A 05 erfolgt. Daher könne er nicht nachvollziehen, warum die Benutzung der längeren Straßenverbindung über die A 05 offensichtlich verkehrsgünstiger sein solle, als die kürzeste Straßenverbindung. Insbesondere hätten die Kläger nicht nachweisen können, dass mit der Benutzung der längeren Strecke eine erhebliche Zeitersparnis verbunden sei. Es sei auch nicht damit getan, das je nach Verkehrslagemeldung aus dem Internet oder dem Radio eine der beiden Strecken für die täglichen Fahrten ausgewählt werde. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 2. Halbsatz EStG sei für die Anerkennung einer längeren Straßenverbindung Voraussetzung, dass diese vom Arbeitnehmer regelmäßig für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt werde. Einen entsprechenden Nachweis hätten die Kläger bislang nicht erbracht. Im Übrigen sei auffällig, dass die Kläger in ihrem Einspruch vom 27. März 2007 angegeben hätten, zur Ermittlung der Entfernung das PC-Programm „Shell-Atlas Routenplaner Vers. 5.06" verwendet zu haben. Im Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 4. März 2008 sowie auf Seite 4 der Klagebegründung sei davon die Rede, dass die beantragten 69 km einwandfrei vom Tacho des Fahrzeugs abgelesen worden seien. Randnummer 16 Hier sei die kürzeste Straßenverbindung (55 km) der Besteuerung zu Grunde zu legen. Der Kläger habe nicht nachweisen können, dass die längere Straßenverbindung offensichtlich verkehrsgünstiger sei und dass diese zudem regelmäßig genutzt worden sei. Hinsichtlich der Entfernung der Wohnung zur Arbeitsstätte der Ehefrau habe er wiederum mittels Routenplaner map.24 eine Entfernung von 22,66 km ermittelt. Nach der Klagebegründung ergebe sich aus dem Routenplaner Shell-Atlas eine Entfernung von 23,2 km nach dem abgelesenen Tacho des Fahrzeugs der Klägerin betrage die Entfernung genau 25,2 km. Auch hier sei die kürzeste Straßenverbindung maßgeblich. Sie betrage nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 4 EStG 22 km. Randnummer 17 Hinsichtlich der vom Kläger für die CeBIT geltend gemachten Kosten verweise er auf die Entscheidung des FG Hamburg mit Urteil vom 14. März 2002 (VI 147/00). Hierin habe es entschieden, dass der Besuch der CeBIT der privaten Sphäre zuzuordnen sei, wenn der Steuerpflichtige einen über das allgemeine Informationsinteresse hinaus gehenden konkreten beruflichen Anlass nicht nachweise. Diesen habe der Kläger nicht nachgewiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
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LArbG Berlin-Brandenburg 8. Kammer
Berlin
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11.12.2015
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und im Rahmen eines Hilfsantrags über Ansprüche der Klägerin auf Zahlung eines Nachteilausgleichs. Randnummer 2 Die Klägerin war mit einer zu berücksichtigenden Betriebszugehörigkeit seit dem 01.10.1981 zuletzt bei der Beklagten als Mitarbeiterin im Bereich Ticketschalter, der zu den Fluggastabfertigungsdienstleistungen gehört, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden zu einem Bruttomonatseinkommen von 2.422,00 EUR beschäftigt. Randnummer 3 Die Beklagte erbrachte mit zuletzt noch ca. 190 Arbeitnehmern Fluggastabfertigungsdienstleistungen auf dem Flughafen Berlin-T.. Zuvor sind die Fluggastabfertigungsdienstleistungen auf den Flughäfen Berlin-T…l und Berlin-Sch. jahrelang von der G. G. Berlin GmbH & Co. KG (im Folgenden: GBB) erbracht worden. Die Gesellschaftsanteile an diesem Unternehmen übernahm im Jahr 2008 die W.-Gruppe. Seitdem fanden mehrere gesellschaftsrechtliche Umorganisationen statt, die zu einer Trennung in vier Geschäftsbereiche, u.a. den Geschäftsbereich „Passage“ führten. Die Arbeitsverhältnisse der in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer gingen im Jahr 2012 im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Im Juli 2014 gingen die Arbeitsverhältnisse der bei der Beklagten am Flughafen Berlin-Sch. beschäftigten Arbeitnehmer im Wege eines Betriebsübergangs auf die P. S. Sch. GmbH & Co. KG (PSS) über. Die Arbeitsverhältnisse der am Flughafen T. beschäftigten Arbeitnehmer verblieben überwiegend bei der Beklagten, wobei ein Teil der dortigen Flugabfertigungsdienstleistungen seit Juli 2013 von einem anderen Unternehmen, der Fa. A. P. S. GmbH & Co. KG, erbracht wurden. Randnummer 4 Komplementärin der Beklagten ist die P. S. B. Beteiligungs-GmbH, einzige Kommanditistin die GGB, deren Kommanditanteile von einem Unternehmen der W.-Gruppe gehalten werden. Randnummer 5 Die GGB als einzige Auftraggeberin der Beklagten kündigte mit den Schreiben vom 09.09.2014 und vom 22.09.2014 (Anlagen B-K 2,3, Bl. 168 – 170 d. A.) alle noch vorhandenen Aufträge der Beklagten zum 30.09.2014, 07.10.2014 und 03.11.2014 und zum 31.03.2015, darunter auch den Bereich „Check-in“, zu dem die Klägerin gehörte. Die beiden Gesellschafter der Beklagten, von denen nur die GGB stimmberechtigt ist, beschlossen am 22.09.2014, dass beabsichtigt sei, den Betrieb zum 31.03.2015 stillzulegen und beauftragten den Geschäftsführer der Komplementärin, alle zur Vorbereitung erforderlichen Maßnahmen durchzuführen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Gesellschafterbeschlusses vom 22.09.2014 wird auf die Anlage B-K 4 (Bl. 171 d. A.) verwiesen. Randnummer 6 Nachdem die Beklagte die mit dem Betriebsrat am 25.09. und 07.10.2014 geführten Verhandlungen über einen Interessenausgleich als gescheitert ansah, einigten sich die Betriebsparteien in dem Beschlussverfahren bei dem Arbeitsgericht Berlin (8 BV 14223/14) auf die Einrichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand: „Geplante Betriebsschließung sowie dazugehöriger Interessenausgleich und Sozialplan“. Wegen der Einzelheiten des Vergleichs wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.10.2014 (Anlage 2 zur Klageschrift, Bl.7 f d. A.) Bezug genommen. Die Einigungsstelle tagte am 28.11., 02.12., 04.12.2014, wobei an der Sitzung vom 02.12.2014 zeitweise mehrere Mitarbeiter der Agentur für Arbeit teilnahmen. In der weiteren Sitzung vom 18.12.2014 erklärten die Beisitzer der Beklagten das Scheitern der Interessenausgleichsverhandlungen. Randnummer 7 Mit Schreiben vom 02.01.2015, das dem Betriebsrat an diesem Tag per Fax und per E-Mail übermittelt wurde und wegen dessen Inhalt im Einzelnen auf die Anlage B-K15 (Bl. 212 - 220 d. A.) verwiesen wird, sandte die Beklagte dem Betriebsrat eine „Information gemäß § 17 Abs. 2 KSchG“ und teilte ihm mit, dass sie beabsichtige, den Betrieb wegen der Kündigung sämtlicher Aufträge zum 31.03.2015 stillzulegen und die gesamte Belegschaft von 192 Arbeitnehmern im Januar 2015 zu kündigen. Am Ende dieses Schreibens heißt es: Randnummer 8 „Im Rahmen der Verhandlungen und insbesondere im Rahmen der Einigungsstelle haben wir ja bereits über die Möglichkeiten zur Vermeidung von Entlassungen mit Ihnen beraten, insbesondere die Möglichkeit der Errichtung einer Transfergesellschaft. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank, dass der Betriebsrat eine Information durch die Transfergesellschaft für die nächste Einigungsstellensitzung am 13.01.2015 möglich gemacht hat. Wir freuen uns, die Beratungen über die Vermeidung von Entlassungen an dieser Stelle fortsetzen zu können. Gerne stehe ich natürlich auch für Beratungen außerhalb der Einigungsstelle zur Verfügung.“ Randnummer 9 Mit dem Schreiben vom 14.01.2015 wandte sich der Betriebsrat wie folgt an den Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der Beklagten: Randnummer 10 „Betr.: Ihre Massenentlassungsanzeige vom 02.01.2015 Randnummer 11 Sehr geehrter Herr A., Randnummer 12 die Folgen für die Belegschaft werden noch in der Einigungsstelle beraten, so dass wir Sie bitten, von der Massenentlassungsanzeige zunächst abzusehen. Außerdem verweisen wir auf die Stellungnahme von RA K. vom 15.12.2014 an den Einigungsstellenvorsitzenden, die wir vorsorglich nochmals beifügen. Randnummer 13 Sollten Sie gleichwohl Ihre Anzeige an die Arbeitsagentur absenden, senden Sie uns bitte eine Abschrift derselben, nebst Ihrer Anlagen zu.“ Randnummer 14 Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens und der Stellungnahme von RA K. wird auf die Anlagen II a, b zum Schriftsatz der Klägerin vom 06.05.2015 (Bl. 349 – 352 d. A.) verwiesen. Randnummer 15 Nach weiteren Sitzungen der Einigungsstelle am 13.01.2015 und am 16.01.2015 wurde in der Sitzung vom 21.01.2015 gegen die Stimmen des Betriebsrates durch Spruch der Einigungsstelle ein Sozialplan aufgestellt, der Regelungen für die Errichtung einer Transfergesellschaft sowie Abfindungsleistungen und Sozialzuschläge vorsieht. Das Beschlussverfahren, in dem der Betriebsrat den Spruch der Einigungsstelle angefochten hat, befindet sich derzeit im Beschwerdeverfahren beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg zum Geschäftszeichen 9 TaBV 1519/15 . Randnummer 16 Nachdem die Gesellschafter der Beklagten, unter dem 20.01.2015 beschlossen hatten, den Betrieb der Beklagten in T. und Sch. zum 31.03.2015 stillzulegen und vollständig aufzulösen (Anlage B-K 5, Bl. 172 d. A.), hörte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 20.01.2015 (Anlage B-K 12, Bl. 196 – 203 d. A.) zu den beabsichtigten Kündigungen aller zum damaligen Zeitpunkt noch im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, auch der Klägerin an. Mit Schreiben vom 27.01.2015 (Anlage B-K 14, Bl. 206 – 211 d. A.) widersprach der Betriebsrat den beabsichtigten Kündigungen. Randnummer 17 Mit dem Schreiben vom 28.01.2015 (Anlage B-K 18 Bl. 223 – 238 d. A.) übersandte die Beklagte per Fax sowohl an die Agentur für Arbeit Berlin-Nord als auch an die Agentur für Arbeit Cottbus eine Massenentlassungsanzeige gem. § 17 KSchG, nebst verschiedener Anlagen wie das Schreiben an den Betriebsrat vom 02.01.2015 nebst Faxprotokoll sowie das Protokoll über die Sitzung der Einigungsstelle vom 21.01.2015. Zur Beteiligung des Betriebsrates heißt es unter Ziffer 6 in diesem Schreiben: Randnummer 18 „Mit dem bei der APSB gebildeten Betriebsrat wurden Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen geführt. Weiterhin wurde der Betriebsrat noch einmal gesondert mit dem beigefügten Schreiben vom 02. Januar 2015 gemäß § 17 Abs. 2 KSchG unterrichtet. Ich – B. A. ... – versichere hiermit an Eides statt, dass ich das beigefügte Unterrichtungsschreiben dem Betriebsrat am 02. Januar 2015 per Fax und E-Mail gegen 13:40 Uhr übersandt habe. Das Faxprotokoll ist ebenfalls als Anlage beigefügt. Randnummer 19 Eine gesonderte Stellungnahme hat der Betriebsrat nicht abgegeben. Im Rahmen der Sozialplanverhandlungen wurden jedoch mit dem Betriebsrat am 13., 16. Und 21. Januar 2015 über die Einrichtung einer Transfergesellschaft iSd. § 111 SGB III verhandelt. Das Einigungsstellenverfahren wurde am 21. Januar 2015 beendet (s. Protokoll). Weitere, gesonderte Beratungen hat der Betriebsrat nicht verlangt.“ Randnummer 20 Mit dem Bescheid vom 10.02.2015 (Anlage B-K19, Bl. 239 d. A.) teilte die Agentur für Arbeit Cottbus der Beklagten mit, dass diese bezüglich 188 Arbeitnehmern/-innen die Anzeige nach § 17 KSchG rechtswirksam erstattet habe. Randnummer 21 Die Beklagte erklärte gegenüber allen Arbeitnehmern - mit Ausnahme zunächst der Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz - jeweils mit Schreiben vom 29.01.2015 wegen der Schließung des Betriebes zum 31.03.2015 die Kündigung des Arbeitsverhältnisses ordentlich zum nächstmöglichen Termin, gegenüber der Klägerin zum 31.08.2015 (Bl. 6 d. A.). Randnummer 22 Mit der am 04.02.2015 bei dem Arbeitsgericht Berlin eingegangenen und der Beklagten am 12.2.2015 zugestellten Klage hat sich die Klägerin gegen die Kündigung gewandt, die ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG und § 17 KSchG gerügt, sowie für den Fall der Abweisung des Feststellungsantrags die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Nachteilsausgleichs nach §§ 113 Abs.3 BetrVG, 9, 10 KSchG, dessen Höhe sie in das Ermessen des Gerichts gestellt, mit mindestens 43.600,00 EUR für angemessen gehalten hat, beantragt. Randnummer 23 Die Beklagte hat Klageabweisung, hilfsweise den Ausschluss der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beantragt, die Kündigung für rechtswirksam und einen Nachteilsausgleichsanspruch für nicht gegeben gehalten. Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen. Randnummer 24 Durch das Urteil vom 28.05.2015 hat das Arbeitsgericht die Klage kostenpflichtig abgewiesen, den Wert des Streitgegenstandes auf 50.855,00 EUR festgesetzt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kündigung sei weder wegen fehlender sozialer Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 1 –3 KSchG unwirksam, weil der Arbeitsplatz der Klägerin wegen der beschossenen Stilllegung des Betriebs, die zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bereits greifbare Formen angenommen habe, bereits zum 31.03.2015 weggefallen, eine Sozialauswahl entbehrlich gewesen und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht gegeben sei. Die Kündigung sei auch weder nach § 102 Abs.1 BetrVG noch nach § 17 KSchG unwirksam, insbesondere habe die Beklagte das Konsultationsverfahren durchgeführt, den Betriebsrat ausreichend informiert und – da in dem Schreiben des Betriebsrats vom 14.01.2015 keine Stellungnahme i.S.d. § 17 Abs 3 Satz 2 KSchG zu sehen sei – die Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß unter Darstellung des Stands der Beratungen mit dem Betriebsrat erstellt. Der Klägerin stehe auch kein Nachteilsausgleichsanspruch nach § 113 Abs. 3 BetrVG zu, denn die Beklagte habe den Abschluss eines Interessenausgleichs mit dem Betriebsrat hinreichend – auch ohne Hinzuziehung eines Mitarbeiters der Bundesagentur für Arbeit – versucht, bevor sie die Kündigung ausgesprochen habe. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 440 – 445 d. A.) verwiesen. Randnummer 25 Gegen das der Klägerin am 22.06.2015 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.06.2015 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung, die die Klägerin mit einem nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 22.09.2015 am 21.09.2015 eingegangenen Schriftsatz begründet. Randnummer 26 Die Klägerin und Berufungsklägerin bestreitet die faktische Stilllegung des Betriebs und die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats nicht mehr, hält aber weiterhin eine rechtsmissbräuchliche Unternehmerentscheidung für gegeben, weil kurz vor der Planung der endgültigen Schließung des T. Bereichs der Sch. Bereich aufgrund eines einheitlichen Vorgangs abgespalten worden sei. Der Schwerpunkt der Berufung liege, so trägt die Klägerin vor, darin, dass das Arbeitsgericht mehrere deutliche Fehler des Massenentlassungsverfahrens nicht berücksichtigt habe. Die Massenentlassungsanzeige sei bei der örtlich unzuständigen Arbeitsagentur Cottbus eingereicht worden. Die Beklagte sei ihren Informations- und Beratungspflichten nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht nachgekommen, denn es seien nie Beratungen darüber, ob und wie Entlassungen vermieden oder eingeschränkt werden könnten, - insbesondere nicht unter Mitteilung der erforderlichen Informationen über die u.U. bis zur Konzernspitze reichenden Hintergründe - angeboten worden. Ferner habe die Beklagte der Agentur für Arbeit die inhaltliche Stellungnahme des Betriebsrats mit Schreiben vom 14.01.2015 nebst Anlage vorenthalten und den Stand der Beratungen unzutreffend mitgeteilt. Jedenfalls bestehe ein Anspruch auf Nachteilsausgleich, denn die Beklagte habe die Verhandlungen zu einem Zeitpunkt für gescheitert erklärt, als ergebnisoffene Verhandlungen zur Vermeidung der Betriebsschließung noch gar nicht begonnen hätten, da dem Betriebsrat ohne Überlassung sämtlicher Kalkulationsgrundlagen der Verträge mit den Fluggesellschaften und deren Weiterreichung innerhalb des Konzerns bis hinunter zur Beklagten die grundlegenden Informationen für Interessenausgleichsverhandlungen gefehlt hätten. Überdies sei entgegen der Regelung im Vergleich vom 28.10.2014 die Bundesagentur nicht zur Vermittlung hinzugezogen worden, insbesondere könnten die Tätigkeiten der Arbeitsagentur im Zusammenhang mit der Erörterung von Förderungsmöglichkeiten für Transfergesellschaften nach § 112 Abs. 5 Nr. 2a BetrVG nicht mit den Vermittlungsbemühungen nach § 112 Abs. 2 BetrVG gleichgesetzt werden. Randnummer 27 Die Klägerin beantragt, Randnummer 28 unter Aufhebung des Urteils des Arbeitsgerichts Berlin vom 28.05.2015 – 1 Ca 1628/15 - festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 29.01.2015 nicht aufgelöst worden ist, Randnummer 29 hilfsweise, Randnummer 30 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin als Schadensersatz nach den §§ 113 Abs.3 BetrVG, 9, 10 KSchG einen Betrag zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird. Randnummer 31 Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, Randnummer 32 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 33 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags und verweist u.a. darauf, dass sie – was unstreitig ist - die Massenentlassungsanzeige sowohl bei der Arbeitsagentur Cottbus als auch vorsorglich bei der Arbeitsagentur Berlin-Nord eingereicht habe. Randnummer 34 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 21.09.2015 (Bl. 458 – 471 d. A.), der Berufungsbeantwortung vom 19.11.2015 (Bl. 550 – 596 d. A.) und des Schriftsatzes der Klägerin vom 10.12.2015 (Bl. 619 – 630 d. A.) nebst Anlagen verwiesen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. Mai 2015 - 1 Ca 1628/15 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. II. Die Revision wird zugelassen.
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Hessisches Landessozialgericht 3. Senat
Hessen
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07.11.2006
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Randnummer 1 Streitig ist, ob die Beklagte einen Unfall des Klägers vom 10. Januar 1996 als Arbeitsunfall zu entschädigen hat. Randnummer 2 Der 1953 geborene Kläger war zurzeit des Unfalls in C-Stadt bei ZU. wohnhaft und bei der Firma X. und Y. AG, Tiefbauabteilung, A-Stadt, als Bauingenieur/Bauleiter beschäftigt. Im August 1995 erfolgte sein Einsatz als Bauleiter auf einer Baustelle in B-Stadt, der bis April 1996 geplant war. Ab 28. August 1995 bis Mitte Dezember und ab Januar 1996 wohnte der Kläger deshalb in der Woche jeweils von Montag bis Freitag in der Hotelpension „B.“ in B-Stadt, B-Straße. Dort stürzte er am 10. Januar 1996 zwischen 21.00 Uhr und 21.20 Uhr beim Begehen der Treppe zu seinem im zweiten Stock gelegenen Zimmer und fiel die Treppe herunter. Hierbei zog er sich eine schwere Kopfverletzung zu. Von den Ärzten wurde am Unfalltag ein Fötor alcoholicus bemerkt. Eine Blutprobe wurde nicht entnommen. Randnummer 3 Am Unfalltag hatte der Kläger zwischen 18.00 Uhr und 19.00 Uhr seine Arbeit beendet und im Baubüro mit einem Kollegen noch zwei bis drei Cognac getrunken. Anschließend fuhr er mit öffentlichen Verkehrsmitteln in Richtung seines Hotels (Fahrtzeit ca. 30 bis 45 Minuten). Zur Einnahme des Abendessens suchte er jedoch zunächst ein in der Nähe der „Z.“ gelegenes italienisches Restaurant auf, wo er gegen 19.30 Uhr eintraf. Nach dem Abendessen, bei dem er auch drei Glas Wein trank, begab er sich zur Hotelpension „B.“, in der er dann auf dem direkten Weg zu seinem Zimmer auf der Treppe stürzte und herunterfiel. Die Inhaberin der Hotelpension konnte sich laut Mitteilung an die Beklagte vom 25. April 1996 den Unfall nicht erklären. Die Treppe sei gut zu begehen, sehr gut beleuchtet und dem Kläger genau bekannt gewesen. Seit Aufnahme des Betriebes 1967 sei es noch zu keinem weiteren Sturz gekommen. Randnummer 4 Durch Bescheid vom 21. Oktober 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1998 lehnte die Beklagte die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab, weil es sich bei dem Unfall vom 10. Januar 1996 nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Für die Beurteilung des Versicherungsschutzes sei die Vorschrift des § 550 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) maßgebend mit der Folge, dass der unter Versicherungsschutz stehende Weg an der Außentür der Unterkunft beginne und ende. Randnummer 5 Auf die am 25. März 1998 erhobene Klage hat das Sozialgericht Marburg (SG) durch Urteil vom 30. März 1999 die Beklagte verurteilt, das Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen und in gesetzlichem Umfang zu entschädigen. Auch bei einem längeren auswärtigen Aufenthalt seien die Grundsätze der Rechtsprechung zum Versicherungsschutz auf Wegen von und zur Nahrungsaufnahme während einer Dienst- oder Geschäftsreise anzuwenden, da eine zuverlässige Abgrenzung des sog. häuslichen Wirkungskreises nicht möglich sei. Randnummer 6 Gegen das ihr am 29. April 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. Mai 1999 beim Hessischen Landessozialgericht (HLSG) Berufung eingelegt. Randnummer 7 In einer vom Senat eingeholten Auskunft vom 1. November 2001 hat die Firma X. und Y. Ingenieurbau AG u.a. mitgeteilt, dass der Kläger seit seinem Wiedereintritt in den Betrieb im April 1987 immer nur auf Baustellen außerhalb von A-Stadt eingesetzt gewesen sei und dies auch für die Zukunft geplant gewesen sei. Auch bei dem Einsatz in B-Stadt habe es sich nicht um eine Dienstreise, sondern um einen Baustelleneinsatz gehandelt. Dem Kläger seien Unterkunft, tarifvertragliche Auslösung und Familienheimfahrten gezahlt worden. Randnummer 8 Durch Urteil vom 24. Juli 2002 hat der Senat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil der Kläger sich zurzeit seines Unfalls in der Hotelpension „B.“ nicht auf einer vom Versicherungsschutz gemäß § 548 Abs. 1 RVO umfassten Dienst-/Geschäftsreise befunden habe. Sein Versicherungsschutz beurteile sich vielmehr nach § 550 Abs. 1 RVO mit der Folge, dass er mit dem Durchschreiten der Außentür der Hotelpension geendet habe, in der der Kläger seine Unterkunft im Sinne von § 550 Abs. 3 RVO gehabt habe. Randnummer 9 Gegen dieses seinen Prozessbevollmächtigten am 7. August 2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30. August 2002 Revision beim Bundessozialgericht (BSG) eingelegt und u.a. mangelnde Sachaufklärung gerügt. Er habe in der Hotelpension keine Unterkunft im Sinne des § 550 Abs. 3 RVO gehabt, sondern sein Zimmer freitags für andere Vermietungen immer komplett räumen müssen, und es sei nicht garantiert gewesen, dass er montags sein altes Zimmer wieder bekommen hätte. Während einer Messe sei er aus der Hotelpension in ein benachbartes Hotel ausquartiert worden. Zum Zeitpunkt des Unfalls am 10. Januar 1996 habe er nach dem Weihnachtsurlaub ab 21. Dezember 1995 erst wieder seit dem 8. Januar 1996 in der Hotelpension gewohnt. Vor seinem Einsatz in B-Stadt habe er in den Jahren 1994 und 1995 längere Zeit in der Hauptverwaltung seines Beschäftigungsunternehmens in A-Stadt gearbeitet, so z.B. vom 5. Juni bis zum 27. August 1995. Randnummer 10 Durch Urteil vom 19. August 2003 hat das BSG das Urteil des Senats vom 24. Juli 2002 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Eine Dienstreise liege vor, wenn der Versicherte sich von der Betriebsstätte seines Beschäftigungsunternehmens entferne oder diese zu Beginn seiner Reise gar nicht aufsuche, weil er z.B. die Reise unmittelbar von zuhause aus antrete, und – im Unterschied zu den sog. Betriebswegen – den Ort, in dem die Betriebsstätte liege, verlasse. Die Definition des HLSG, das eine Dienstreise nur annehmen wolle, wenn der Versicherte sich aus betrieblichen Gründen auf Anordnung oder Ermächtigung seines Beschäftigungsunternehmens an einen anderen Ort außerhalb seines regelmäßigen Beschäftigungsortes begebe, greife zu kurz, weil viele Reisende z.B. überhaupt keinen regelmäßigen Beschäftigungsort hätten. Entsprechend der versicherten Tätigkeit und dem Auftrag des Unternehmens könne eine solche Reise nur einige Stunden, aber auch mehrere Tage, Wochen oder gar Monate dauern, mit privaten Besuchen verknüpft oder unterbrochen werden. Die Festlegung einer bestimmten zeitlichen Höchstgrenze scheide aufgrund der Vielgestaltigkeit der versicherten Tätigkeiten aus. Aus dem vom HLSG verwandten steuerrechtlichen Begriff („Einsatzwechseltätigkeit“) seien keine Folgerungen aufgrund der unterschiedlichen Regelungszwecke der Rechtsmaterien ableitbar. Eine Dienstreise liege nicht mehr vor, wenn der Versicherte bei einem durch die versicherte Tätigkeit bedingten längeren zeitlichen Aufenthalt an einem Ort in diesem oder in dessen Nähe eine Wohnung oder bei Beibehaltung der Familienwohnung eine Unterkunft im Sinne des § 550 Abs. 3 RVO beziehe. Eine Unterkunft setze in Abgrenzung zu einem nur vorübergehenden Aufenthalt in einem Hotel während einer Dienstreise eine gewisse Dauerhaftigkeit des Aufenthaltes und einen gewissen häuslichen, privaten Wirkungskreis voraus, damit der zuvor zu Beginn der Dienstreise fremde Ort nicht mehr fremd sei. Ob der Kläger nach diesen Voraussetzungen am 10. Januar 1996 bei seinem Sturz auf der Treppe in der von ihm bewohnten Hotelpension und beim direkten Weg vom Abendessen in sein Zimmer auf einem versicherten Weg im Rahmen einer Dienstreise aufgrund seiner versicherten Tätigkeit nach § 548 Abs. 1 RVO gewesen sei oder ob er sich auf einem unversicherten Teil seines Weges von der Arbeit zu seiner Unterkunft nach § 550 Abs. 1, 3 RVO befunden habe, könne nach den derzeitigen Feststellungen des HLSG nicht abschließend beurteilt werden. Denn das HLSG habe nur ohne weitere Feststellungen ausgeführt, dass der Kläger seit dem 28. August 1995 in der Hotelpension „gewohnt“ habe. Aus diesem rein zeitlichen Element könne jedoch nach dem oben Gesagten nicht gefolgert werden, dass der Kläger nicht mehr auf einer Dienstreise gewesen sei, als sich der Unfall ereignet habe. Vielmehr seien weitere Feststellungen dahingehend erforderlich, ob das „Wohnen“ des Klägers in der Hotelpension dazu geführt habe, dass diese aufgrund der Dauerhaftigkeit des Aufenthalts und eines gewissen häuslichen, privaten Wirkungskreises als Unterkunft im Sinne des § 550 Abs. 3 RVO anzusehen sei, woran angesichts des Revisionsvorbringens des Klägers (kein festes Zimmer, komplettes Räumen des jeweiligen Zimmers an jedem Freitag, zeitweise Unterbringung in einem anderen Hotel) Zweifel bestünden. Randnummer 11 Der Senat hat im neu eröffneten Berufungsverfahren eine weitere Auskunft der B. vom 26. März 2004 zum Revisionsvortrag des Klägers eingeholt. Diese hat mitgeteilt, dass sie das Hotel 1996 verkauft habe und daher nur noch aus dem Gedächtnis Angaben machen könne. Nach ihrer Erinnerung habe der Arbeitgeber des Klägers für diesen seinerzeit für längere Zeit – mehrere Monate – zu ihren Bedingungen jeweils von montags bis freitags (morgens) ein Zimmer gemietet. Demgemäß sei der Kläger jede Woche am Freitagmorgen ausgezogen. Wenn er dann am Montagabend zurückgekommen sei, habe ihm jeweils nur ein frei gewordenes Zimmer wieder bis zum Freitagmorgen vermietet werden können. Wegen der anderen Gäste habe ihm nicht zugesagt werden können, dass er jeweils dasselbe Zimmer bekomme. Das „Wohnen“ des Klägers habe sich ihrer Erinnerung nach nicht von dem anderer Gäste unterschieden. Die Firma X. und Y. Ingenieurbau AG hat sich auf Vorhalt des Revisionsvortrags des Klägers, 1994 und 1995 jeweils mehrere Monate in der Hauptverwaltung in A-Stadt tätig geworden zu sein, mit Schreiben vom 27. Juli 2004 auf ihre frühere Antwort zur gerichtlichen Anfrage Nr. 1 bezogen (= „Herr C. war seit seinem Wiedereintritt im April 1987 immer auf Baustellen außerhalb K-Stadt eingesetzt.“); andere Informationen habe sie nicht. Randnummer 12 Die Beklagte ist der Ansicht, dass die durchgeführten Ermittlungen zur abschließenden Beurteilung des Falles des Klägers nicht ausreichten. Es müsse doch feststellbar sein, ob die Angaben des Klägers bezüglich seiner Tätigkeit bei der Firma X. und Y. zutreffend seien oder nicht. Auch die Anfrage der ehemaligen Pensionsinhaberin B. seien unzureichend und keine erschöpfende Antwort auf die Frage, ob das Wohnen des Klägers in der Pension dazu geführt habe, dass eine gewisse Dauerhaftigkeit des Aufenthalts und ein gewisser häuslicher, privater Wirkungskreis vorgelegen habe, der den zu Beginn der Dienstreise fremden Ort zu einem nicht mehr fremden gemacht habe. Insbesondere sei nichts dazu gesagt worden, welche Änderung bezüglich des Wohnkomforts und der im Hotel zurückzulegenden Wege (z.B. Ausgang) für den Kläger mit einem Zimmerwechsel verbunden gewesen sei. Randnummer 13 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. März 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise, die ehemalige Pensionsinhaberin B. als Zeugin zu hören und Fotos des damaligen Zustandes der Pension beizuziehen. Randnummer 14 Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. März 1999 wird zurückgewiesen. II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aller Instanzen zu erstatten. III. Die Revision wird zugelassen.
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VG Hamburg 16. Kammer
Hamburg
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03.04.2023
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt eine Förderung in Höhe von … Euro im Rahmen der 3. Förderphase des Bundesprogrammes „Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen“ von November 2020 bis Juni 2021 (im Folgenden: Überbrückungshilfe III). Randnummer 2 Die Klägerin ist eine in der Reisebranche tätige Kapitalgesellschaft, die nach eigenen Angaben am … 2016 gegründet und im Jahr 2017 erstmalig steuerlich erfasst wurde. Ihr Gegenstand ist der Bau und Betrieb eines Segel-Kreuzfahrtschiffes, der …. Randnummer 3 Am 6. Oktober 2021 (Antragsnummer UBH3R-…) beantragte die Klägerin online eine Förderung in Höhe von … Euro für die Monate November 2020 bis Juni 2021 im Rahmen des Förderprogrammes Überbrückungshilfe III. In dem elektronischen Antragsprogramm gab sie u.a. an, dass mit der Geschäftstätigkeit vor dem 1. Januar 2019 begonnen worden sei und dass außergewöhnliche Umstände im Sinne von Ziffer 5.5 der gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten „Frequently Asked Questions“ (FAQ) zur Überbrückungshilfe III (im Folgenden: FAQ Überbrückungshilfe III) vorlägen. In einer dem Antrag zur Begründung beigefügten Anlage teilte sie u.a. mit, dass mit der spanischen Werft … am … ein Schiffsbauvertrag über den Neubau eines Segel-Kreuzfahrtschiffes abgeschlossen worden sei. Dieser Bauvertrag sei durch diverse Nachträge ergänzt worden und am … in Kraft getreten. Die Ablieferung der … sei für … 2020 geplant gewesen, aufgrund der COVID-19 Pandemie und den damit einhergehenden Einschränkungen habe sich die Ablieferung des Schiffes verzögert. Die Ablieferung sei erst … 2021 erfolgt. Nach Ablieferung der … sei durch die pandemische Lage sowie eine vom Auswärtigen Amt ausgesprochene Reisewarnung für internationale Kreuzfahrten die Aufnahme des Kreuzfahrtbetriebs nicht möglich gewesen. Die erstmalige Ingangsetzung des Kreuzfahrtbetriebes habe … 2021 stattgefunden. Da keine der in den FAQ Überbrückungshilfe III beschriebenen Varianten zum Referenzumsatz zutreffe, würden als Referenzumsätze die Umsätze des vorgelegten Geschäftsplans, der als Grundlage zur Baufinanzierung der … durch die … Bank gedient habe, in Höhe von monatlich … Euro herangezogen. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 5. November 2021 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin wegen mangelnder Antragsberechtigung ab. Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin überhaupt im Sinne der FAQ Überbrückungshilfe III wirtschaftlich am Markt tätig gewesen sei, sei die grundsätzliche Voraussetzung eines Umsatzrückgangs vorliegend nicht gegeben. Die Klägerin sei 2016 gegründet worden und könne sich daher nicht auf die für neu gegründete Unternehmen geltenden Ausnahmen zur Ermittlung des notwendigen Referenzumsatzes berufen. Maßgeblicher Zeitraum für die Beurteilung eines Umsatzrückgangs sei somit ausschließlich das Jahr 2019. Die Umsätze lägen ausweislich der eingereichten Unterlagen im maßgeblichen Referenzzeitraum des Jahres 2019 bei 0,00 Euro. Zwar hätten Antragsteller gemäß Ziffer 5.5 Absatz 1 FAQ Überbrückungshilfe III bei begründeten außergewöhnlichen betrieblichen Umständen ausnahmsweise die Möglichkeit, den monatlichen Durchschnittsumsatz eines Quartals von 2019 als Vergleichsumsatz heranzuziehen, jedoch gingen die FAQ Überbrückungshilfe III auch an dieser Stelle davon aus, dass überhaupt einmal Umsätze erzielt worden seien, die aufgrund besonderer Umstände nicht als repräsentativ für die Ermittlung des Referenzzeitraums angesehen werden könnten. Auf den seitens der Klägerin vorgelegten Businessplan könne somit für die Bildung eines Umsatzrückgangs nicht abgestellt werden. Gemäß Ziffer 5.5 Absatz 2 Satz 1 FAQ Überbrückungshilfe III könnten aufgrund des Programmumfangs und im Sinne einer Gleichbehandlung der Unternehmen bei der Überbrückungshilfe III keine darüber hinausgehenden Einzellösungen vorgesehen werden. Gründe, die eine ausnahmsweise Abweichung von der regelmäßigen Entscheidungspraxis begründeten, seien nicht ersichtlich. Der Grundsatz der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung von Haushaltmitteln gebiete daher die Ablehnung des Antrages in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 29. November 2021 legte die Klägerin Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Die Beklagte übersehe bei ihrer Ermessensausübung die Besonderheiten des vorliegenden Sachverhaltes, den Sinn und Zweck der Überbrückungshilfe sowie den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Der streitgegenständliche Sachverhalt stelle einen atypischen Fall dar, den die FAQ Überbrückungshilfe III nicht explizit abbildeten. Das Atypische sei in der Tatsache begründet, dass es sich um einen Fall der Kreuzschifffahrt handele, welche viele Besonderheiten mit sich bringe. Folge in anderen Bereichen der Beginn der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens direkt mit oder kurz nach der Gründung, so dauere es bei einem Kreuzschifffahrtsunternehmen, welches das Schiff nicht erwerbe, sondern erst bauen lasse, mehrere Jahre, bis die wirtschaftliche Tätigkeit aufgenommen werden könne. Dies sei in der Kreuzschifffahrt branchenüblich und nicht ungewöhnlich, stelle jedoch im Vergleich zu anderen Branchen eine Besonderheit dar. Das Unternehmen sei als Gesellschaft gegründet, verbleibe jedoch bis zur Fertigstellung des Schiffes im Aufbau und damit wirtschaftlich „im Gründungsstadium“. Die frühe Gründung der Gesellschaft sei erforderlich, um Verträge und die notwendigen Finanzierungen mit den Banken abzuschließen. Bis zur geplanten Aufnahme der wirtschaftlichen Tätigkeit sei das Unternehmen daher mit einem neu gegründeten Unternehmen vergleichbar und stelle ein „junges Unternehmen“ im Sinne von Ziffer 5.5 Abs. 4 FAQ Überbrückungshilfe III dar. Nach der Rechtsprechung müsse Spielraum für die Besonderheiten solch atypischer Fälle gelassen und müssten diese Besonderheiten im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens durch die Behörde beachtet werden. Randnummer 6 Weiterhin müssten die Neugründungsbestimmungen in der Fußnote 3 zu Ziffer 1.1 sowie in Ziffer 5.4 FAQ Überbrückungshilfe III, wonach ein zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Oktober 2020 gegründetes Unternehmen wahlweise auch den Vergleich zum monatlichen Durchschnittswert des geschätzten Jahresumsatzes 2020 der erstmaligen steuerlichen Erfassung als Referenzumsatz wählen könne, auch für den hier vorliegenden Fall Geltung haben. Das Stadium der wirtschaftlichen Gründung sei mindestens genauso zu behandeln wie das Stadium einer formalen Gründung. Sinn und Zweck der Neugründungsbestimmungen sei es, genau diese Unternehmen zu schützen und zu fördern und ihnen eine Hilfestellung aufgrund coronabedingten Umsatzrückgangs – und folgerichtig auch aufgrund kompletten Umsatzausfalles – zu gewährleisten und damit ihre wirtschaftliche Existenz zu sichern. Die Zweckbestimmung der Überbrückungshilfe III müsse auch solche Unternehmen erfassen, die sich ohne eigenes Verschulden pandemiebedingt weiterhin in einer Phase befänden, die der Phase nach einer Neugründung ähnele. Pandemie- und politisch bedingte „Zwangspausen“ im geplanten Geschäftsablauf und die damit einhergehende zeitlich nicht unbeachtliche Verzögerung dürften nicht zu ihren Lasten ausgelegt werden. Dass der im Jahr 2017 abzugebende Fragebogen zur steuerlichen Erfassung der Gesellschaft nur auf den geschätzten Zahlen der Jahre 2017 und 2018 habe basieren können, sodass der Umsatz folgerichtig nur mit 0,00 Euro habe angegeben werden können, ergebe sich aus der Tatsache, dass das Schiff zunächst über mehrere Jahre habe gebaut werden müssen, was aber im Rahmen der dargelegten Atypik zu berücksichtigen und daher in die Würdigung einzubeziehen sei. Randnummer 7 Zudem sei eine Differenzierung zwischen einem Unternehmen, welches im Jahr 2019 oder 2020 komplett neu gegründet werde und seine Tätigkeit in diesem Zeitrahmen erstmalig aufnehmen wolle, jedoch allein durch die Pandemie bedingt nicht aufnehmen könne, und ihrem Unternehmen, das ebenfalls den für das Jahr 2020 geplanten Betrieb coronabedingt nicht habe aufnehmen können, weder sachgerecht noch von dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG gedeckt. Denn beide Fälle seien von ihrer Situation und den Folgen vergleichbar. Einen sachlichen Grund darin zu sehen, dass das eine Unternehmen branchenbedingt vor 2019 gegründet worden sei, widerspreche dem gewollten Sinn der Bundesförderung im Rahmen der Überbrückungshilfe zur Unterstützung von Unternehmen, die aufgrund von COVID-19 ihren Betrieb nicht wie gewohnt hätten ausführen können. Auch stehe ein gesamter Umsatzwegfall einem gravierenden Umsatzrückgang gleich. Randnummer 8 Darüber hinaus könne die branchenübliche Bauzeit eines Kreuzfahrtschiffes im Vergleich zu klassischen Neugründungsfällen auch als ein außergewöhnlicher betrieblicher Umstand im Sinne von Ziffer 5.5. FAQ Überbrückungshilfe III gewertet werden, der zur Schätzungsmöglichkeit nach Ziffer 5.4 Überbrückungshilfe III führe. Darin sei auch keine „Einzellösung“ zu sehen, die aufgrund des Programmumfangs und im Sinne einer Gleichbehandlung der Unternehmen bei der Überbrückungshilfe III nicht vorgesehen sei. Denn die Erfassung des vorliegenden Sachverhaltes erfolge gerade im Sinne einer Gleichbehandlung der Unternehmen, da sachliche Gründe für die Schlechterstellung ihres Unternehmens nicht ersichtlich seien. Randnummer 9 Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die entscheidende Frage im Kontext von Ziffer 1.1. FAQ Überbrückungshilfe III nicht lauten dürfe, wann das Unternehmen wirtschaftlich tätig gewesen sei, sondern – da es pandemiebedingt an der wirtschaftlichen Ausübung gehindert worden sei – wann es wirtschaftlich hätte tätig werden können. Es könne keinen Unterschied machen, ob ein Unternehmen nach Gründung für kurze Zeit am Markt tätig sei und daraufhin coronabedingt seine Tätigkeit nicht im gewohnten Maße oder gänzlich nicht ausüben könne, oder ob es bereits von Beginn an coronabedingt an der Ausübung gehindert werde. Umsatzeinbußen lägen auch im letzten Falle vor, indem nicht wie geplant Umsätze erzielt werden könnten. Randnummer 10 Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2022 wies die Beklagte den Widerspruch – nach vorheriger Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 18. Januar 2022, auf das hier ebenso Bezug genommen wird wie auf das Antwortschreiben der Klägerin vom 3. Februar 2022 – zurück. Die Klägerin sei mangels Vorliegens der in Ziffer 1.1 FAQ Überbrückungshilfe III genannten Voraussetzungen nicht antragsberechtigt. Sie habe keinen coronabedingten Umsatzeinbruch von mindestens 30 Prozent nachweisen können, da sie im aufgrund des Gründungsjahres 2016 allein maßgeblichen Referenzzeitraum 2019 nicht wirtschaftlich am Markt tätig gewesen sei und somit noch keine Umsätze erzielt habe. Die im Antrag als „monatlicher Durchschnitt des Jahresumsatzes 2019 als Vergleichsumsatz'' angegebenen Umsätze in Höhe von … Euro pro Monat seien nicht tatsächlich von ihr umgesetzt worden. Vielmehr handele es sich lediglich um die geschätzten Umsätze aus einem Geschäftsplan. Die Ausnahmeregelung nach Ziffer 5.5 FAQ Überbrückungshilfe III sei nicht einschlägig. Es lägen keine der dort grundsätzlich abschließend genannten außergewöhnlichen betrieblichen Umstände vor. Die im Jahr 2016 gegründete Klägerin sei auch nicht als junges Unternehmen zu qualifizieren. Ein atypischer Fall liege bereits deshalb nicht vor, weil die durch die Klägerin geschilderten Umstände bereits nach ihrem eigenen Vortrag üblich in der Kreuzfahrtschiffsbranche seien. Dass vor dem Bau eines Kreuzfahrtschiffes vertraglich bereits ein Zeitpunkt festgelegt werde, welcher von der Vertragsunterzeichnung einige Jahre entfernt liege, sei hierbei gerade der typische Fall. Im Übrigen sei eine solche Ausweitung vom Sinn und Zweck der Förderrichtlinien nicht umfasst. Es existierten neben der Kreuzfahrtschiffsbranche noch diverse andere Branchen mit langen Herstellungszeiträumen, die unter Zugrundelegung der durch die Klägerin vertretenen Ansicht ebenfalls die Fördervoraussetzungen erfüllten. Die Ablehnung verletze auch nicht das Willkürverbot, sondern sei insbesondere damit begründet worden, dass die Fördervoraussetzungen, die eindeutig einen Umsatzrückgang erforderten, nicht erfüllt seien. Hierbei seien die FAQ Überbrückungshilfe III zugrunde gelegt worden, ohne dass sachfremde Erwägungen herangezogen worden seien. Anhaltspunkte dafür, zu Gunsten der Klägerin von diesen Grundsätzen abzuweichen, seien nicht ersichtlich, zumal hierdurch die Zuwendungspraxis verletzt und gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs. 1 GG zu Lasten anderer Antragsteller verstoßen werden würde. Randnummer 11 Am 20. April 2022 hat die Klägerin Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft. Ergänzend führt sie aus, dass es für die Beurteilung eines atypischen Falles nicht, wie die Beklagte entgegenhalte, darum gehe, dass längere Bauzeiten in der Kreuzfahrtbranche selbst üblich seien. Es gehe nicht um einen Vergleich innerhalb der Kreuzfahrtbranche, sondern darum, dass die Kreuzfahrtbranche im Vergleich zu anderen Unternehmen, die mit formaler Gründung ihre wirtschaftliche Tätigkeit am Markt aufnähmen, einen speziellen Fall darstelle. Eine solche Fallkonstellation, dass nach Gründung der Gesellschaft die wirtschaftliche Tätigkeit planmäßig erst einige Jahre später aufgenommen werden könne und dann der geplante Tätigkeitszeitpunkt in den Pandemiezeitraum falle, der konkret bevorstehende Eintritt in den Markt also coronabedingt verwehrt worden sei, finde sich wörtlich nicht in den FAQ Überbrückungshilfe III. Deren Ausgestaltung sehe keinen erheblichen Spielraum für die Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände vor. Zwar würden gewisse Branchen ausdrücklich erwähnt, jedoch enthielten die Ausführungen hierzu nichts über komplexe Unternehmensstrukturen oder komplexe Ausnahmefälle, wie es beispielsweise bei ihr der Fall sei. Erfasst würden vielmehr nur die üblichen Fälle, die sich die Zuwendungsgeberin im Rahmen der FAQ habe vorstellen können. Ihre Fallkonstellation sei damit nicht hinreichend in den ermessenslenkenden Vorschriften erfasst. Den besonderen Umstand, dass der Gegenstand (Schiff), der die geplante wirtschaftliche Tätigkeit erst ermögliche, noch langjährig habe fertiggestellt werden müssen, übersehe die Beklagte. Die Berücksichtigung dieses atypischen Falles würde auch nicht zu einer unsachgemäßen „Ausweitung“ oder gar einer „Ausuferung“ führen. Denn Sinn und Zweck der Überbrückungshilfen sei es, die wirtschaftliche Existenz von Unternehmen zu sichern. Wenn nunmehr offensichtlich unterstützungsbedürftige Unternehmen aufgrund ihrer branchenspezifischen Besonderheit aus der Überbrückungshilfe herausfielen, obwohl sie von ihrer wirtschaftlichen Situation und Not her mit Unternehmen vergleichbar seien, die im genannten Zeitraum i.S.d. FAQ Überbrückungshilfe III formal neu gegründet worden seien, so sei die Anwendung der Förderungshilfe auf diese Unternehmen keine „Ausuferung“, sondern die einzig richtige Konsequenz. Zudem führe nicht die Ausweitung auf besondere Fälle zu einer Ungleichbehandlung im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG, sondern der Ausschluss solcher Fälle. Während sich ein formal im Zeitraum 1. Januar 2019 bis 31. Oktober 2020 neu gegründetes Unternehmen auf geschätzte Jahresumsätze 2020 für die Förderhilfe berufen könne, werde ihr die Berufung auf ihre geschätzten Umsätze verwehrt. Dies sei im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht begründbar. Randnummer 12 Zudem stelle ein gesamter Umsatzausfall (100 %), wie sie ihn erfahren habe, gegenüber einem Umsatzrückgang (30 %) ein „Mehr“ dar, zumindest stehe er diesem gleich. Dass es sich hierbei um noch nicht erwirtschaftete Einnahmen handele, könne dem nicht entgegenstehen. Denn der von den FAQ Überbrückungshilfe III genannte Umsatzrückgang um 30 % bilde einen anhand von Zahlen messbaren Nachteil ab. Sofern, wie vorliegend, pandemiebedingt bereits kein Umsatz habe erzielt werden können und der Umsatz damit zwangsläufig vor und nach Fertigstellung des Schiffes EUR 0,00 betragen habe, könne dieser Umsatz selbstverständlich nicht in einem „Rückgang“ gemessen werden. Dies bedeute jedoch nicht, dass kein coronabedingter wirtschaftlicher Nachteil vorliege. Ohne Corona wären Umsätze erzielt worden, mit Corona hätten keine Umsätze erzielt werden können. Bei den geltend gemachten Umsatzausfällen handele es sich auch nicht bloß um „vorgestellte und erhoffte Umsätze“, wie die Beklagte meine, sondern um Umsätze auf Basis eines fundierten und von sachverständigen Dritten geprüften Geschäftsplanes. Randnummer 13 Schließlich sei die Aufzählung in Ziffer 5.5 FAQ Überbrückungshilfe III gerade nicht abschließend. Die FAQ sprächen eindeutig von „zum Beispiel“. Eine beispielhafte Aufzählung solle gerade nicht abschließend oder „grundsätzlich abschließend“ sein, sondern Fälle erfassen, die mit den genannten Umständen vergleichbar seien. Vorliegend sei der Umstand der langen Herstellungszeit und des Baus des Schiffes nach Sinn und Zweck mit dem Umstand des „Umbaus“ vergleichbar und unterfalle somit den außergewöhnlichen betrieblichen Umständen der FAQ Überbrückungshilfe III. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt, Randnummer 15 1. die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2022 sowie unter Aufhebung des zugrundeliegenden Ablehnungsbescheides vom 5. November 2021 (Antragsnummer UBH3R-…) zu verpflichten, ihr die mit Antrag vom 6. Oktober 2021 beantragte „Corona-Überbrückungshilfe III“ in Höhe von … Euro zu gewähren, Randnummer 16 2. hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über den vorgenannten Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, Randnummer 17 3. die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 18 Die Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Klage abzuweisen. Randnummer 20 Zur Begründung wiederholt und vertieft sie im Wesentlichen ihre Ausführungen aus den abschlägigen Entscheidungen. Ergänzend trägt sie vor, dass die Klägerin mangels wirtschaftlicher Tätigkeit am Markt bereits nicht den „Unternehmensbegriff“ im Sinne der FAQ Überbrückungshilfe III erfülle. Es ergebe sich auch keine Privilegierung der Klägerin über Ziffer 5.5 FAQ Überbrückungshilfe III. Sowohl die dortige Aufzählung als auch der Sinn und Zweck der Regelung erforderten zunächst, dass überhaupt eine betriebliche Tätigkeit bestanden habe, aus der Umsätze generiert würden, woran es hier fehle. Die Nichtfertigstellung eines Schiffes, das nie Umsätze erwirtschaftet habe, könne nicht mit einer Schließung eines laufenden Betriebes gleichgesetzt werden. Ungeachtet dessen verbleibe es auch nach dieser Vorschrift bei einem Referenzzeitraum aus dem Jahr 2019, sodass kein Umsatzeinbruch vorliegen könne. Randnummer 21 Überdies habe die Zuwendungsgeberin neu gegründete Unternehmen nicht unter einen besonderen Schutz stellen wollen. Insbesondere lasse sich ein solcher nicht den Vollzugshinweisen entnehmen. Auch aus den Neugründungsbestimmungen in Ziffer 5.4 und 5.5 FAQ Überbrückungshilfe III gehe dies nicht hervor. Deren Ziel sei es allein, auch für solche Unternehmen einen Referenzzeitraum festzulegen, die erst kurz vor Beginn der Pandemie gegründet worden seien und daher im normalerweise heranzuziehenden Referenzzeitraum noch keine Umsätze hätten erwirtschaften können. Die Bestimmungen ermöglichten den Unternehmen also lediglich, alternative Zeiträume für die Referenzumsätze zu wählen. Es bleibe jedoch dabei, dass ein Vergleichsumsatz überhaupt existieren müsse, damit von einem coronabedingten Umsatzeinbruch die Rede sein könne. Die Neugründungsbestimmungen sollten hingegen nicht dazu führen, dass junge Unternehmen völlig unabhängig vom Vorliegen coronabedingter Umsatzeinbußen eine Förderung erhielten. Randnummer 22 Im Übrigen fehle es an einer Vergleichbarkeit der Klägerin mit einem jungen Unternehmen im Sinne von Ziffer 5.4 FAQ Überbrückungshilfe III auch über das Gründungsdatum hinaus. Denn neu gegründete Unternehmen i.S.d. FAQ Überbrückungshilfe III seien nach der Logik der Förderrichtlinien regelmäßig darauf ausgelegt, unmittelbar nach der Unternehmensgründung am Markt tätig zu werden. Die Zuwendungsgeberin habe zwischen dem 1. Januar 2019 und dem 31. Oktober 2020 gegründete Unternehmen – insoweit ohne Unterschied zu sämtlichen anderen Zuwendungsberechtigten – nur unter der Bedingung eines coronabedingten Umsatzeinbruchs in die Förderung aufgenommen. Da der Ausbruch der Coronapandemie bei jungen Unternehmen in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Unternehmensgründung stehe, sei die Zuwendungsgeberin ersichtlich von einem Markteintritt direkt nach der Gründung ausgegangen. Selbst wenn man entgegen der eindeutigen Regelung der FAQ davon ausginge, dass die Klägerin unter den Begriff des neu gegründeten Unternehmens fiele, folgte hieraus keine Antragsberechtigung, da sie die entsprechenden Antragsvoraussetzungen nicht erfülle. Insbesondere habe sie selbst eingeräumt, dass sie die Umsätze im abgegebenen Fragebogen zur steuerlichen Erfassung in den Jahren 2017 und 2018 mit jeweils „EUR 0,00“ angegeben habe. Randnummer 23 Auch ansonsten liege keine Ungleichbehandlung vor. Sie sei an die von der Zuwendungsgeberin vorgegebene – von ihr tatsächlich ständig geübte – Verwaltungspraxis gebunden. Es sei allein Sache der Zuwendungsgeberin, die Fördermodalitäten festzulegen und den Förderzweck zu bestimmen sowie ihre Förderpraxis durch Gestaltung der FAQ nach ihren Vorstellungen auszurichten und auch zu ändern. Dementsprechend sei ihr, der Beklagten, ein Konkretisierungsspielraum im Hinblick auf die Entscheidung über die Gewährung der streitgegenständlichen Überbrückungshilfe III bereits nicht eröffnet gewesen. Auch das von der Zuwendungsgeberin aufgesetzte Fördermittelprogramm enthalte keine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung. Insbesondere sei eine willkürliche Ausgestaltung des Förderprogrammes durch die Zuwendungsgeberin in keiner Weise ersichtlich. Randnummer 24 Schließlich sei kein atypischer Fall anzunehmen. Das Fördermittelprogramm Überbrückungshilfe III der Zuwendungsgeberin lasse ihr, der Beklagten, bereits einen erheblichen Spielraum für die Berücksichtigung außergewöhnlicher Umstände. So enthielten die FAQ Überbrückungshilfe III Sonderregelungen für besonders betroffene Branchen wie die Reise-, Veranstaltungs-, Kultur- oder Pyrotechnikbranchen. In den FAQ Überbrückungshilfe III werde dies an verschiedenen Stellen bezüglich Ausnahmeregelungen oder zusätzlicher Förderungen für diese Branchen zum Ausdruck gebracht (vgl. Ziffer 2.5 bis 2.7 und Anhang 1 bis 3). Die große Bandbreite der in den FAQ Überbrückungshilfe III berücksichtigten Fallgestaltungen reduziere die Möglichkeiten zur Annahme eines atypischen Falls von vornherein. Denn je detaillierter die Zuwendungsgeberin außergewöhnliche Sachverhalte in den FAQ selbst geregelt habe, desto weniger Raum bestehe, um neben den FAQ noch weitere atypische Fälle anzuerkennen. Im vorliegenden Fall scheide die Annahme eines atypischen Falles bereits dem Grundsatz nach aus, da generell nach dem Willen der Zuwendungsgeberin nur natürliche und juristische Personen antragsberechtigt seien, welche wirtschaftlich am Markt tätig seien und diese Tätigkeit coronabedingt eingeschränkt werde. Dies treffe auf die Klägerin jedoch weder für das Referenzjahr 2019 noch – ohne dass es darauf ankäme – zum Zeitpunkt der Antragstellung zu. Vorgestellte oder erhoffte Umsätze seien vom Förderzweck nicht erfasst. Folgte man dagegen der Auffassung der Klägerin, führte dies zum einen zu einer massiven Ungleichbehandlung mit anderen Antragstellern, bei denen die tatsächlichen – und nicht die lediglich erhofften – Umsätze für die Bestimmung der Antragsberechtigung und Förderhöhe herangezogen worden seien. Zum anderen müssten Fördermittel auf der Grundlage von Schätzungen durch private Dritte und deren damit verbundenen Interessen vergeben werden, ohne dass dem ein messbarer volkswirtschaftlicher Beitrag gegenüberstünde. Darüber hinaus fehle es im vorliegenden Fall an etwaigen Besonderheiten von solchem Gewicht, dass sie eine von der im Regelfall vorgesehenen Rechtsfolge abweichende Behandlung geböten. Denn es habe sich vorliegend lediglich das dem Geschäftsmodell der Klägerin inhärente Risiko verwirklicht. Beim Bau eines Schiffes, der von einer Vielzahl an Gewerken und Materialien unterschiedlicher Zulieferer abhängig sei, sei es nicht ungewöhnlich, dass sich die Fertigstellung verzögere. Ebenso wie die Hoffnung auf Gewinnchancen sei die Klägerin dieses Risiko bewusst durch Finanzierung und Gründung eingegangen. Randnummer 25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Sachakte der Beklagten sowie der Sitzungsniederschrift verwiesen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Finanzgericht Berlin-Brandenburg 1. Senat
Berlin
1
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28.11.2013
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten, ob der aus der Verbrennung von Klärschlamm gewonnene Strom steuerbefreit ist. Randnummer 2 Die Klägerin nutzt den in dem von ihr betriebenen Klärwerk C… bei der Abwasserbehandlung anfallenden Klärschlamm zur Stromerzeugung, indem sie den zuvor getrockneten Schlamm unter Zufuhr von Heizöl („Zünd- und Stützfeuer“) verbrennt, mit der so gewonnenen Wärme Dampf erzeugt und damit wiederum eine Turbine antreibt. Der auf diese Weise erzeugte Strom wird ausschließlich zum Betrieb der Kläranlage verwendet. Das in C… entsorgte Abwasser besteht aus Kommunalabwasser aus Haushalten sowie kleineren Gewerbebetrieben, Industrieabwasser, soweit es den Allgemeinen Bedingungen für die Entwässerung in C… -ABE- entspricht und in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage eingeleitet werden darf, sowie Regenwasser. Der Klärschlamm entsteht im Klärwerk C… zum einen in den Vorklärbecken, in denen sich im Abwasser ungelöste oder grobe Stoffe, die nicht bereits zuvor abgefiltert worden waren, bei der Durchleitung mit geringer Fließgeschwindigkeit absetzen („Primärschlamm“). Zum anderen entsteht Schlamm bei der sich daran anschließenden biologischen Reinigung des vorgeklärten Abwassers, wenn die im Wasser gelösten organischen Verbindungen durch Mikroorganismen abgebaut werden, dabei jedoch zugleich neues Zellmaterial entsteht. Um die Zellproduktion nicht unkontrolliert zunehmen zu lassen, wird ein Teil dieses als „Sekundärschlamm“ bezeichneten Abbauprodukts entnommen. Der Sekundärschlamm wird wiederum der Vorklärung zugeführt und dort mit dem Primärschlamm abgezogen. Der Mischschlamm wird mit einem Flockungsmittel angereichert und nachfolgend entwässert. Es entsteht der sodann verfeuerte „Schlammkuchen“. Randnummer 3 Die Klägerin meldete am 30. Mai 2006 für das Jahr 2005 8.926 MWh auf die vorgenannte Weise im Wasserwerk selbst erzeugte Menge Strom an, für die eine Steuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Stromsteuergesetz -StrStG- zu gewähren sei. Gleichzeitig sei die für 2006 geschuldete Stromsteuervorauszahlung zu reduzieren. Der Beklagte lehnte mit Verfügung vom 6. Juni 2006 die Anerkennung einer Steuerbefreiung ab, denn der Klärschlamm sei im Hinblick auf § 3 Nr. 6 Biomasseverordnung -BioMV- keine Biomasse. Die Vorauszahlung für 2006 könne demzufolge nicht reduziert werden. Mit weiterer Verfügung vom 7. Juni 2006 setzte der Beklagte die Stromsteuer 2005 ausgehend von der angemeldeten Strommenge auf nunmehr 182.983 € fest, so dass sich abzüglich der bereits geleisteten Vorauszahlung eine Zahllast von 59.983 € ergab. Randnummer 4 Die Klägerin legte am 28. Juni 2006 gegen beide Verfügungen Einspruch ein. Im Verlauf des Einspruchsverfahrens reduzierte der Beklagte die für 2005 festgesetzte Stromsteuer um 28.144,45 €, denn für Teilmengen komme die Stromsteuerbefreiung nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 StromStG zur Anwendung. Randnummer 5 Der Beklagte wies die Einsprüche mit Einspruchsentscheidungen vom 20. und 22 Januar 2009 zurück. Zur Begründung führte er jeweils aus, der von der Klägerin verbrannte Klärschlamm sei keine Biomasse. Zwar gebe es weder im Stromsteuergesetz noch in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung eine Definition des Begriffs Biomasse, doch finde sich ein solcher in der Biomasseverordnung. Diese sei zur Konkretisierung des Begriffs im Gesetz für den Vorrang erneuerbarer Energie -EEG- ergangen und könne auch vorliegend zur Begriffsdefinition herangezogen werden. Danach sei Klärschlamm keine Biomasse. Randnummer 6 Die Klägerin hat am 24. Februar 2009 Klage erhoben. Sie macht geltend, bei dem von ihr eingesetzten Klärschlamm handele es sich um Biomasse im Sinne von § 2 Nr. 7 StromStG. Insofern lägen die Voraussetzungen von § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG vor. Eine spezifisch stromsteuerliche Definition des Biomassebegriffs gebe es nicht, so dass der Begriff nach dem allgemeinen Sprachverständnis auszulegen sei. Demnach handele es sich um eine Masse an organischem Material und organischen Stoffwechselprodukten. Dazu gehöre auch der Klärschlamm. Diese Auslegung entspreche auch Art. 16 Abs. 1 UAbs. 3 Richtlinie (EG) 2003/96 des Rates zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom  -EnergiesteuerRL-, wonach zur Biomasse auch biologisch abbaubare Anteile von Abfällen aus Industrie und Haushaltungen rechneten. Demzufolge sei im Weißbuch der Kommission auch der Klärschlamm als Biomasse behandelt worden. Zudem erfasse auch das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien im Wärmebereich ausdrücklich den Klärschlamm (§ 2 Abs. 1 Nr. 4e) EEWärmeG). Sinn und Zweck der stromsteuerlichen Vorschriften stehe der Berücksichtigung des Klärschlamms nicht entgegen. Auch bei historischer Auslegung ergebe sich nichts anderes. Bei Inkrafttreten des Stromsteuergesetzes 1999 sei noch das Stromeinspeisungsgesetz gültig gewesen, auf dessen Regelung in der Gesetzesbegründung zu § 2 Nr. 7 StromStG ausdrücklich verwiesen worden sei. Nach § 1 Stromeinspeisungsgesetz in der damals geltenden Fassung habe aber Klärschlamm als Biomasse gegolten. Ein Rückgriff auf die später in Kraft getretene Biomasseverordnung komme nicht in Betracht. Zum einen bestimme § 1 BioMV, dass sie ausschließlich für den Regelungsbereich des EEG gelte. Anders als etwa im früheren Mineralölsteuerrecht oder im Energiesteuergesetz gebe es im Stromsteuergesetz keine Verweisung auf die Biomasseverordnung. Zudem handele es sich bei Klärschlamm nach der Systematik der Biomasseverordnung um Biomasse, die nur aufgrund der Fiktion in § 3 Nr. 6 BioMV nicht als solche behandelt werde. Auf die konkrete Zusammensetzung des Klärschlamms komme es im Hinblick auf diese gesetzlichen Regelungen nicht an. Zudem beruhe der Heizwert des Klärschlamms letztlich ausschließlich auf dessen organischen Inhaltsstoffen. Die anorganischen Bestandteile blieben nach Verbrennung im Wesentlichen unverändert zurück. Allerdings sei es im Hinblick auf die Schwankungsbreiten nicht möglich, alle eingeleiteten Stoffe vollständig zu ermitteln. Der Klärschlamm enthalte letztlich Kleinstmengen, die nicht Biomasse seien. Diese ließen sich jedoch nicht mit den üblichen Analysemethoden feststellen. Die üblichen Verunreinigungen bzw. Restbestandteile von Fremdstoffen seien stromsteuerlich unschädlich. Insofern müsse davon ausgegangen werden, dass ein gewisser Toleranzbereich eröffnet sei, wie dies auch in anderem Zusammenhang in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt werde. Die ABE sorgten für eine annähernd konstante Qualität der Abwässer und damit des Klärschlamms. Soweit der Verordnungsgeber nunmehr am 24. Juli 2013 in der Stromsteuer-Durchführungsverordnung einen Verweis auf die Biomasseverordnung aufgenommen habe, handele es sich nicht um eine schlichte Klarstellung. Vielmehr werde dadurch erstmals geregelt, dass Klärschlamm nicht mehr als Biomasse behandelt werden dürfe. Die Anwendung des neuen § 1b StromStV führe vorliegend zu einer echten Rückwirkung. Überhaupt überzeuge die Neuregelung nicht, denn die Intention des Stromsteuergesetzes weiche von derjenigen der Biomasseverordnung ab, wie sich schon daran zeige, dass die Stromerzeugung aus Deponie- oder Klärgas steuerbefreit möglich sei, obwohl es sich gerade nicht um Biomasse im Sinne der Verordnung handele. Randnummer 7 Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 6. Juni 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2009 aufzuheben sowie den Bescheid vom 7. Juni 2006 in der Fassung des Bescheides vom 30. Juli 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2009 aufzuheben. Randnummer 8 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Klärschlamm sei keine Biomasse. Nach einem Erlass des Bundesministers der Finanzen seien Biomasse nur solche Substanzen, die nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 - 8 1. BImSchV in Verbrennungsanlagen verbrannt werden dürften. Der zu verbrennende Schlammkuchen erfülle die Anforderungen nicht. Mangels eigener stromsteuerlicher Definition müsse für die Auslegung des Begriffs Biomasse auf Art. 16 Abs. 1 EnergiesteuerRL zurückgegriffen werden. Danach sei Biomasse u.a. der biologisch abbaubare Anteil an Abfällen. Da der Schlammkuchen jedoch auch nicht biologisch abbaubare Produkte enthalte, unterfalle er dieser Regelung nicht, zumal er zudem mangels anderer Möglichkeiten auch aus abfallrechtlichen Gründen verbrannt werden müsse. Allenfalls der Anteil des Klärschlamms, der biologisch abbaubar sei, könne Biomasse sein. Tatsächlich enthalte der Klärschlamm nach Darstellung des Umweltbundesamtes auch Bestandteile nicht biogenen Ursprungs, die gleichfalls brennbar seien. Soweit auf der Kläranlage C… auch Industrieabwässer behandelt würden, sei unklar, welche Qualität die Abwässer hätten. Dies habe jedoch unter Umständen Auswirkungen auf den Brennwert. Insofern trage die Klägerin die Beweislast. Hinzu komme, dass der Strom mit Rücksicht auf die Zusammensetzung des Klärschlamms entgegen dem Wortlaut des Gesetzes nicht ausschließlich aus Biomasse erzeugt worden sein könne. § 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG setze voraus, dass der steuerbefreite Strom ausschließlich aus Biomasse erzeugt worden sei, also das eingesetzte Material ausschließlich Biomasse sei. Daran fehle es. Der Klärschlamm enthalte auch nicht biogene brennbare Bestandteile, wie die Klägerin selbst einräume. Zudem gebe es im Anwendungsbereich von § 9 StromStG keine Toleranzregelung. Die von der Klägerin gezogene Parallele etwa zu den Biokraftstoffvorschriften verkenne, dass die dortigen Regelungen vor dem Hintergrund getroffen worden seien, dass der Kraftstoff in jedem Fall biogenen Ursprung sei, jedoch Verunreinigungen durch tierische Fette teilweise unvermeidlich seien und die Privilegierung nicht ausschließen sollten. Dass die Auslegung des Begriffs Biomasse unter Anwendung der Biomasseverordnung zutreffend sei, zeige schließlich die zum 1. August 2013 in Kraft getretenen Neuregelung in § 1b StromStV, die nunmehr ausdrücklich auf die Biomasseverordnung verweise. Randnummer 10 Dem Senat haben sechs Hefte Akten des Beklagten vorgelegen.
Der Bescheid vom 6. Juni 2006 und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juni 2009 sowie der Bescheid vom 7. Juni 2006 in der Fassung des Bescheides vom 30. Juli 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Januar 2009 werden aufgehoben. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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LG Flensburg 3. Zivilkammer
Schleswig-Holstein
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19.11.2021
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen behaupteter unrechtmäßiger Zugriffe auf seine Patientendaten. Randnummer 2 Der Kläger war als Chefarzt der Inneren Abteilung des Krankenhauses in N… leitender Angestellter bei der Beklagten, einem Krankenhausträger. Wegen eines Herzinfarkts wurde der Kläger im Jahr 2015 selbst in der kardiologischen Abteilung der Klinik der Beklagten in H… behandelt. Während des Behandlungsverhältnisses griffen Mitarbeiter der Beklagten etwa 150-mal auf die Patientendaten des Klägers zu. In Streit stehen konkret vier Zugriffe, nämlich durch die Assistenzärztin L. P. am 21.05.2015 um 01:39 Uhr, den Chefarzt Dr. L. M. am 18.05.2015 um 09:28 Uhr, den Chefarzt Dr. C. R. am 18.05.2015 um 09:31 Uhr und den Pfleger F. N. am 18.05.2015 um 14:12 Uhr. Randnummer 3 Nach Wiederaufnahme seiner Tätigkeit erfuhr der Kläger hiervon. In einem Gespräch mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten der Beklagten, Herrn O. F., im Jahr 2015 analysierte der Kläger die erfolgten Zugriffe und identifizierte die Berechtigung u.a. der vier oben genannten Zugriffe als fraglich. Der Leiter des Geschäftsbereichs Personal bei der Beklagten, Herr B., holte Stellungnahmen der vier Beschäftigten ein, nämlich aus November 2015 (L. P.), vom 21.10.2015 (Dr. L. M.), 23.10.2015 (Dr. C. R.) und 26.10.2015 (F. N.). Diese entsprechen inhaltlich der Begründung der Beklagten für die erfolgten Zugriffe im hiesigen Rechtsstreit, wegen ihres Inhalts wird auf die Anlagen zum Schreiben des Klägers vom 22.06.2018 an den ULD (Sonderband) Bezug genommen. Mit E-Mail vom 14.12.2015 teilte Herr B. dem Kläger mit, dass er ihm die bis 30.09.2015 reichenden Zugriffsprotokolle sowie per Post den Schriftverkehr mit den Mitarbeitern, d.h. die eingeholten Stellungnahmen, zukommen lassen werde. Zu dem am Ende dieser E-Mail beabsichtigten Gesprächstermin kam es in der Folge nicht. Mit E-Mail vom 15.12.2015 übersandte Herr B. dem Kläger eine ergänzende Liste von Zugriffen ab dem 23.06.2015 bis zum 15.12.2015 und teilte mit, Kopien des Schriftverkehrs mit den Personen, die vor dem 23.06.2015 „einen auf dem (sic) ersten Blick nicht plausiblen Zugriff“ genommen hatten, am Vortrag an den Kläger abgesandt zu haben. Diese Post mit den Stellungnahmen der o.g. Beschäftigten, deren Zugriffsberechtigungen in Streit stehen, erhielt der Kläger auch. Randnummer 4 Mit anwaltlichem Schreiben vom 27.06.2017 (Anlage K1, Blatt 8 der Akte) forderte der Kläger die Beklagte auf, Auskunft über unberechtigte Zugriffe und den zukünftigen Schutz seiner Daten zu erteilen. Eine Neubewertung der Vorgänge lehnte der seit Juni 2016 neue Geschäftsführer der Beklagten durch Schreiben vom 19.02.2018 ab (Anlage K2, Blatt 10 der Akte). Randnummer 5 Mit Schreiben vom 16.03.2018 wandte sich der Kläger an das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), u.a. mit der Bitte um Überprüfung des Sachverhalts (siehe Sonderband). Im Rahmen dieses Verfahrens gaben der Kläger und die Beklagte verschiedene Stellungnahmen ab. In der Stellungnahme der Beklagten vom 10.08.2018 heißt es u.a. Randnummer 6 „Das Ergebnis der Prüfung der Zugriffe hat ergeben, dass die vier genannten Zugriffe zum Zwecke der Behandlung von Dr. S. nicht erforderlich waren. Aus datenschutzrechtlicher Sicht wurden alle vier Zugriffe von unserem Datenschutzbeauftragten als nicht zulässig bewertet. Dieser Sachverhalt wurde jedoch von der zum Zeitpunkt des aufgenommenen Verstoßes verantwortlichen Geschäftsführung z.T. anders bewertet. … Die Zugriffe waren aus meiner heutigen Sicht nicht zulässig.“ Randnummer 7 Wegen dieser eingeräumten Unzulässigkeit der Zugriffe unterließ der ULD eine vertiefende datenschutzrechtliche Prüfung und stellte durch Schreiben vom 10.08.2018 (Sonderband) fest, dass die … Zugriffe einen Verstoß gegen die … Vorschriften (Art. 5, 25, 32 DSGVO bzw. des § 22 BDSG) darstellten. Randnummer 8 Mit anwaltlichem Schreiben vom 15.01.2019 (Anlage K6, Blatt 18 der Akte) forderte der Kläger die Beklagte nochmals und erfolglos auf, zu den gerügten Datenschutzverletzungen, zu ergriffenen Maßnahmen und dem Vorwurf weiterer unberechtigter Zugriffe Stellung zu nehmen. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.04.2019 forderte der Kläger von der Beklagten erfolglos Schadensersatz in Höhe der Klageforderung. Randnummer 9 Zudem war es bis Mai 2019 an mehreren Computern der Beklagten möglich, ohne Zugriffsdokumentation auf das installierte Radiologie-Programm PACS zuzugreifen und dort durch einfache Eingabe etwa des Namens des Klägers dessen Koronarfilm und die bei diesem durchgeführte Dilatation der Herzkranzgefäße einzusehen, ohne dass Zugriff und Berechtigung hätten nachvollzogen werden können. Randnummer 10 Der Kläger begehrt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen unberechtigter Zugriffe auf seine Patientendaten. Randnummer 11 Er meint, ein Schadensersatzanspruch folge dem Grunde nach aus Art. 5, 25, 32 DSGVO bzw. § 22 BDSG iVm. Art. 82 Abs. 1 DSGVO und § 823 Abs. 1 BGB. Er bestreitet die Gründe für eine Rechtfertigung der gerügten Datenzugriffe: Randnummer 12 Hinsichtlich des Zugriffs der Assistenzärztin L. P. bestreitet der Kläger, dass es sich lediglich um einen Bedienfehler und keinen tatsächlichen Zugriff gehandelt habe. Der Kläger bestreitet weiter, dass der Chefarzt Dr. L. M. nur deshalb auf die Patientendaten zugegriffen habe, um ihm einen Krankenbesuch abzustatten. Jedenfalls läge hierin ebenso wenig eine Rechtfertigung des Zugriffs wie eine auch nur mutmaßliche Einwilligung vorliege. Der Kläger bestreitet, dass der Chefarzt Dr. C. R. DRG-Beauftragter des Klinikums N. gewesen und der Zugriff im Rahmen dieser Tätigkeit erfolgt sei. Schließlich bestreitet der Kläger, dass Herr N. auf die Patientendaten zugegriffen habe, um mit Mitarbeitern die Abläufe der Notfallversorgung zu besprechen. Randnummer 13 Der Kläger begehrt Ersatz seiner außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.897,53 € und hält ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000 € für angemessen. Wegen der Bemessung des Schmerzensgelds verweist der Kläger darauf, dass mit ca. 150 Zugriffen in einem bedeutenden Ausmaß auf seine Gesundheitsdaten zugegriffen worden sei. Durch deren Bekanntwerden im eigenen beruflichen Umfeld sei die Intim- und Individualsphäre des Klägers schwerwiegend verletzt worden. Wegen der beruflichen Beeinträchtigung, der psychischen Belastung und der langen und noch immer teilweise erfolglosen Aufarbeitung sei ein Schmerzensgeld in der begehrten Höhe zur Abschreckung, v.a. aber der Genugtuung angemessen. Randnummer 14 Der Kläger tritt der Einrede der Verjährung entgegen. Randnummer 15 Er meint, in dem Gespräch mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragten im Jahr 2015 seien nur Personen identifiziert worden, deren Zugriffsberechtigung fraglich gewesen sei und näher habe untersucht werden sollen. Eine Kenntnis von der fehlenden Berechtigung habe der Kläger erst durch den ULD im Jahr 2018 erlangt. Randnummer 16 Zudem sei die Verjährung gehemmt worden. Randnummer 17 Zum einen hätten der Kläger und die Beklagte über die den Anspruch begründenden Umstände verhandelt. Diese Verhandlungen hätten mit dem Gespräch mit dem betrieblichen Datenschutzbeauftragen begonnen und angedauert, weil nähere Untersuchungen vereinbart worden seien, die dann aber nicht durchgeführt worden seien. Dann sei es 2017 und am 29.01.2018 zu Gesprächen über die anspruchsbegründenden Umstände gekommen. Schließlich seien die Verhandlungen nach Abschluss der Untersuchungen des ULD zuletzt mit den anwaltlichen Schreiben vom 15.01.2019 (Anlage K6, Blatt 18 der Akte) und 16.04.2019 (Anlage K7, Blatt 21 der Akte) fortgeführt worden. Randnummer 18 Zum anderen habe die Hinzuziehung des ULD am 20.03.2018 zu einer weiteren Hemmung geführt, weil dieser als staatlich anerkannte Streitbeilegungsstelle iSd. § 204 Nr. 4 Buchst. a BGB zu qualifizieren sei. Randnummer 19 Der Kläger beantragt, Randnummer 20 1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.897,53 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.05.2019 zu zahlen; Randnummer 21 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld (in Höhe von mindestens 20.000,00 €) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.05.2019 zu zahlen. Randnummer 22 Die Beklagte beantragt, Randnummer 23 die Klage abzuweisen. Randnummer 24 Die Beklagte tritt dem Begehren des Klägers vollumfänglich entgegen. Randnummer 25 Sie meint, ein Schadensersatzanspruch bestehe bereits dem Grunde nach nicht. Die Beklagte weist zunächst darauf hin, dass der zeitliche Anwendungsbereich der DSGVO nicht eröffnet sei. Auch die Voraussetzungen der Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB lägen nicht vor: Die gerügten Zugriffe auf die Behandlungsdokumentation des Klägers seien gerechtfertigt gewesen. Randnummer 26 Hierzu behauptet die Beklagte, die Assistenzärztin L. P. habe die Patientendaten des Klägers nicht bewusst eingesehen. Der Zugriff könne allenfalls aufgrund eines Bedienungsfehlers erfolgt sein, an welchen sich Frau P. nicht erinnere. Herr Dr. L. M. hingegen habe einen „freundschaftlichen Zugriff“ vorgenommen, um zu erfahren, wo sich der Kläger befinde, um diesen dann zu besuchen. Insoweit sei von einer zumindest mutmaßlichen Einwilligung auszugehen. Der Zugriff des Dr. C. R. wiederum sei im Rahmen seiner Tätigkeit als DRG-Beauftragter des Klinikums N. und damit aus dienstlichen Gründen erfolgt. Gleiches gelte für den Zugriff des Pflegers F. N. – dieser sei erfolgt, um mit den Mitarbeitern die Abläufe der Notfallversorgung zu besprechen. Randnummer 27 Letztlich komme eine Geldentschädigung des Klägers auch deshalb nicht in Betracht, weil dessen Persönlichkeitsrecht nicht derart schwerwiegend verletzt worden sei, dass dies nicht anders ausgeglichen werden könne. Die Zugriffe stellten schon keine schwerwiegenden Verletzungen des Persönlichkeitsrechts des Klägers dar, weil sie innerbetrieblich und z.T. im Rahmen kollegialen Verhaltens erfolgt seien, ohne dass weitere Personen im und außerhalb des Unternehmens Kenntnis von sensiblen Daten erlangt hätten. Zudem sei das Personal der Beklagten im Anschluss an die Bewertungen des Datenschutzbeauftragten und des ULD intensiv geschult worden. Randnummer 28 Die Beklagte erhebt zudem die Einrede der Verjährung. Hierzu trägt sie vor, die gerügten Datenzugriffe seien bereits im Jahr 2015 erfolgt, in diesem Jahr habe der Kläger sie auch als fraglich identifiziert. Dies genüge, um die regelmäßige Verjährung beginnen zu lassen, welche dann mit Ablauf des Jahres 2018 abgelaufen gewesen sei. Randnummer 29 Eine Hemmung sei nicht erfolgt. Verhandlungen über eine außergerichtliche Streitbeilegung habe es zwischen 2015 und 2018 nicht gegeben, was sich aus den vom Kläger eingereichten Anlagen K1 und K2 selbst ergäbe. Zu keiner Zeit hätten Verhandlungen über den Anspruch stattgefunden, die zu einer Hemmung der Verjährung führen könnten. Im Juni 2017 habe es zwar Gespräche zwischen den Parteien gegeben, diese hätten allerdings keine Verhandlungen über einen behaupteten Anspruch oder die den Anspruch begründenden Umstände zum Gegenstand gehabt – es sei vielmehr um das Ansinnen des Klägers gegangen, dass seine Daten zukünftig zuverlässig geschützt seien. Auch die Einschaltung des ULD habe nicht zu einer Hemmung der Verjährung geführt. Das ULD sei nicht als staatlich anerkannte Streitbeilegungsstelle tätig geworden, ein Streitbeilegungsverfahren sei nicht durchgeführt worden. Ausweislich des Schreibens des ULD vom 23.03.2018 habe der Kläger das ULD um eine „entsprechende datenschutzrechtliche Prüfung und Bewertung“ gebeten. Das daraufhin eingeleitete Beschwerdeverfahren sei ein öffentlich-rechtliches Verfahren nach § 74 LVwG , als dessen Ergebnis das ULD eine Verwarnung aussprechen oder ein Bußgeld verhängen könne. Eine Hemmung zivilrechtlicher Ansprüche gehe mit einem solchen öffentlich-rechtlichen Verfahren nicht einher, dessen Zielrichtung sei eine völlig andere als die einer Streitbeilegungsstelle im Sinne des § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Randnummer 30 Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Randnummer 31 Die Klage ist am 03.07.2019 bei Gericht eingegangen. Die Kammer hat die Akten des ULD LD24-71.41/18.010 beigezogen, den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen O. F.; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2021 Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
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LG Schwerin 4. Zivilkammer
Mecklenburg-Vorpommern
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04.05.2015
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt als Nichtraucher von dem beklagten Land die Zahlung von Schmerzensgeld wegen seiner Unterbringung in einem Haftraum mit zwei Rauchern. Randnummer 2 Der Kläger befand sich vor seiner strafrechtlichen Verurteilung in der Zeit vom 27.02.2010 bis zum 12.04.2011 in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Stralsund. Er hatte am Aufnahmetag und auch danach darauf hingewiesen, dass er Nichtraucher ist und aufgrund gesundheitlicher Probleme nicht mit Rauchern in eine Zelle gelegt werden wolle. Gleichwohl wurde er vom 27.02.2010 bis zum 03.03.2010 in einem 3-Personen-Haftraum zusammen mit zwei rauchenden Mitgefangenen untergebracht. Bei den Mitgefangenen handelte es sich um starke Raucher, die auch während der Nacht mehrmals geraucht haben. Randnummer 3 Trotz Lüftung durch Öffnen des Fensters - soweit möglich - war ein ständiger Rauchgeruch vorhanden und der Kläger war nach der ersten Nacht wegen Beschwerden in ärztlicher Behandlung. Randnummer 4 Mit am 29.11.2010 beim Landgericht Stralsund gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hatte der Kläger die Feststellung begehrt, dass die „Zulassung der Zufügung von körperlichen Schmerzen durch gesundheitsgefährdende Stoffe“ rechtswidrig gewesen sei. Das Landgericht hatte seinen Antrag zurückgewiesen und mit Beschluss vom 03.03.2011 hatte das Oberlandesgericht Rostock (AZ: I Ws 45/11) die vom Kläger eingelegte Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Randnummer 5 Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 28.10.2012 (Anlage K1, Bl. 15 d.A.) die Beschlüsse des Landgerichts Stralsund und des Oberlandesgerichts Rostock wegen der Verletzung von Grundrechten des Klägers aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht Stralsund zurückverwiesen. Randnummer 6 Das Landgericht Stralsund hat mit Beschluss vom 17.12.2013 festgestellt, dass die Unterbringung des Beschwerdeführers mit zwei rauchenden Gefangenen vom 27.02.2010 bis zum 03.03.2010 rechtswidrig gewesen ist (vgl. Anlage K 2, Bl. 19 d.A.). Randnummer 7 Der Kläger gibt an, er habe aufgrund des Rauches bereits nach der ersten Nacht starke Kopfschmerzen bekommen, die trotz Schmerztabletten angehalten hätten. Er habe während der ganzen fünf Tage verstärkt unter Kopfschmerzen und Atembeschwerden gelitten. Randnummer 8 Weiterhin trägt der Kläger vor, dass es auch nach der Umverlegung der rauchenden Gefangenen aus dem Haftraum am 03.03.2010 noch mehrere Tage gedauert habe, bis die Luft im Haftraum halbwegs akzeptabel gewesen sei. Randnummer 9 Der Kläger ist insoweit der Auffassung, dass das beklagte Land ihm gegenüber seine Amtspflichten verletzt habe und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes, das er mit zumindest 3.000,00 € beziffert, verpflichtet sei. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 12 Das beklagte Land beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Das beklagte Land behauptet, dass es zur Unterbringung des Klägers mit zwei Rauchern zum damaligen Zeitpunkt keine Alternative gegeben hätte. Aufgrund der Einstufung des Klägers zum damaligen Zeitpunkt als suizidgefährdet, habe keine Möglichkeit der Abhilfe bestanden. Die Möglichkeit der Zusammenlegung des Klägers in eine Zweierzelle mit einem Nichtraucher sei, sobald dies möglich gewesen sei, dann auch durchgeführt worden. Das beklagte Land ist insoweit der Auffassung, dass die Unterbringung des Klägers rechtmäßig gem. § 13 Abs. 1 Satz 3 UVollzG M-V rechtmäßig gewesen sei. Randnummer 15 Weiterhin ist das beklagte Land der Auffassung, dass der Kläger nicht hinreichend zu von ihm erlittenen und einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld rechtfertigenden körperlichen Beeinträchtigungen vorgetragen habe. Randnummer 16 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
1. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von € 500,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2015 zu zahlen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 83 % und das beklagte Land zu 17 %. 3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar; für das beklagte Land ohne Sicherheitsleistung. Der Kläger kann die Vollstreckung des beklagten Landes wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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LG Gießen 5. Zivilkammer
Hessen
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12.12.2007
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten. Randnummer 2 Am 10.01.2006 kam die Klägerin auf dem Gewerbegelände X-Passage (eingetragen in dem Grundbuch von Y, Bl. …) zu Fall. Der Sturz ereignete sich nicht innerhalb der Passage, sondern auf einem gepflasterten Fußgängerweg im Freien. Dieser Weg liegt neben einer betonierten Fahrbahn, die von der Straße Z zu einem Parkplatz führt. Zur Fahrbahn hin ist der Weg teilweise durch Beete abgegrenzt. Er führt an der Südseite der X-Passage vorbei; hier befinden sich nach oben führende Treppenstufen, die vor einer Doppeltür enden. Weitere Einzelheiten zur Beschaffenheit des Unfallortes stehen zwischen den Parteien im Streit. Randnummer 3 In Folge des Sturzes erlitt die Klägerin einen Trümmerbruch des linken Knies sowie eine Mehrfragment-Fraktur im Gelenkbereich der rechten Tibia. Nach einer Operation noch am Unfalltage blieb die Klägerin bis zum 19.01.2006 in stationärer Behandlung und war insgesamt für sechs Wochen arbeitsunfähig krank. Da sich der Heilungsverlauf kompliziert gestaltete, musste sich die Klägerin bis Ende Dezember 2006 weiteren Behandlungen unterziehen. In den ersten drei Monaten erfolgte allwöchentlich eine Schmerztherapie; bis Ende August 2006 war wöchentliche Krankengymnastik erforderlich. Erst seit September 2006 vermag die Klägerin wieder einigermaßen schmerzfrei zu gehen. Randnummer 4 Weiter verlor die Klägerin wegen des Sturzes zwei Zähne ihres Zahnersatzes. Die Versorgung des Oberkiefers mit einer Totalprothese verursachte Kosten von insgesamt 779,32 €, die von der Klägerin selbst zu tragen waren. Ferner musste sie aus eigener Tasche Krankenhaus- und Attestkosten von insgesamt 110,–€ tragen. Auf Grund der Beschädigung ihrer Kleidung macht die Klägerin einen Betrag von 170,–€ geltend. Wegen der Einzelheiten hinsichtlich des mit der Klage verfolgten materiellen Schadens wird Bezug genommen auf den Vortrag Bl. 6 d. A. Randnummer 5 Im Unfallzeitpunkt stand das streitgegenständliche Grundstück unter Zwangsverwaltung. Beteiligte des ZVG-Verfahrens war insbesondere die Beklagte zu 2.), die den Beklagten zu 1.) – seinerzeit bei ihr angestellt – als Institutsverwalter im Sinne von § 150a ZVG vorschlug. Das Amtsgericht Y entsprach diesem Vorschlag. Im Vorfeld hatte die Beklagte zu 2.) gegenüber dem Beklagten zu 1.) am 18.11.2003 eine Freistellungserklärung mit dem nachstehenden Inhalt abgegeben: Randnummer 6 Die Bank wird im Falle seiner Bestellung als Instituts-Zwangsverwalter gegenüber dem Vollstreckungsgericht im einzelnen Fall die sonst dem Zwangsverwalter gemäß § 154 Abs. 1 ZVG obliegende Haftung übernehmen. Randnummer 7 Wir stellen ihn hiermit von etwaigen Ansprüchen Dritter im Rahmen ihrer Tätigkeit [als] Instituts-Zwangsverwalter frei. Diese Freistellung bezieht sich auch auf eine etwaige Haftung gegenüber der Bank aus dieser Tätigkeit. Eine Haftung wegen Vorsatzes – sei es im Verhältnis zu Dritten, sei es im Verhältnis zur Bank – bleibt von dieser Freistellung jedoch ausgenommen. Randnummer 8 Durch Anwaltsschreiben vom 15.02.2007 forderte die Klägerin die Haftpflichtversicherung des Beklagten zu 1.) zum Ausgleich ihrer Schadensersatzansprüche auf. Durch Schreiben vom 21.02.2007 wies die Versicherung dieses Ansinnen zurück. Randnummer 9 Die Klägerin hat den Unfallhergang im Laufe des Prozesses unterschiedlich schildern lassen. Anfänglich hat sie behauptet, sich mit ihrem Begleiter, dem Zeugen C, unmittelbar vor dem Schadensereignis die Auslagen eines Geschäftslokals in der X-Passage angeschaut zu haben. Die Unfallstelle befinde sich auf einem Fußgängerweg, der von einer zu dem Grundstück X-Passage gehörenden Verbindungsstraße zu eben diesem Geschäftsschaufenster führe. Die Klägerin habe mit dem Zeugen C von dem Schaufenster zurück zu ihrem Parkplatz gehen wollen. Kurz vor der Stelle, an welcher der Fußgängerweg auf die Verbindungsstraße münde, habe sich am Unfalltag ein etwa drei Zentimeter aus dem Boden ragendes Metallstück befunden, offenbar der Rest eines abgebrochenen Pfostens. Dieses Metallstück sei für Fußgänger nicht wahrnehmbar gewesen, zumal es durch altes Laub und weggeworfene Papierreste verdeckt worden sei. Randnummer 10 Die Unfallstelle sei auch für den allgemeinen Verkehr eröffnet. Die Verbindungsstraße führe von der Hauptverkehrsstraße Z zu dem A-Parkplatz. Für Fußgänger, die von diesem Parkplatz aus zur X-Passage wollten, sei die Benutzung des gepflasterten Fußgängerweges erforderlich, auf dem sich die Unfallstelle befinde. Darüber hinaus sei das Ladenlokal B-Markt nur von diesem Fußgängerweg aus zu erreichen, wenn man nicht die von Autos befahrene Verbindungsstraße zum Parkplatz benutzen wolle. An den Türen des B-Markts hätten sich am Unfalltage zwei Schilder mit dem Aufdruck „Eingang“ befunden; hiernach sei für Fußgänger klar gewesen, dass man durch diese Türen zu den Geschäftsräumen der Firma B gelange. Randnummer 11 Wegen der Einzelheiten zu dem Vortrag hinsichtlich der Ortsverhältnisse wird ergänzend Bezug genommen auf die Skizze Bl. 75 d. A. Randnummer 12 In ihrer Anhörung als Partei hat die Klägerin eine in einzelnen Punkten abweichende Schilderung getätigt. Hiernach behauptet sie, sie habe sich mit dem Zeugen C nach dem Einkaufen in der Innenstadt die Parkmöglichkeiten auf dem A -Parkplatz anschauen wollen. Auf dem Rückweg von dem Parkplatz sei ihnen das gelb-blaue Firmenemblem des B-Marktes aufgefallen. Sie seien daraufhin von der Verbindungsstraße auf den gepflasterten Fußgängerweg gegangen, der zu der Doppeltür des B-Markts geführt habe. Dort habe es aber nicht nach einem Eingang ausgesehen, da alles sehr schmutzig gewesen sei; es habe Spinnweben und jede Menge Abfall gegeben. Sie seien dann zurück zur Verbindungsstraße gegangen. Auf dem Fußgängerweg dorthin sei alles voller Blätter gewesen, und hier sei die Klägerin dann über den Metallpfostenrest gestolpert. Randnummer 13 Auf Grund dieser berichtigenden Darlegungen hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 07.11.2007 unstreitig gestellt, dass das Ladenlokal des B-Markts nicht über die Doppeltür am Ende der Treppe betreten werden kann. Randnummer 14 Die Klägerin vertritt die Rechtsauffassung, dass sich eine Haftung des Beklagten zu 1.) unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht ergebe. Denn ersichtlich habe der Institutsverwalter nicht für eine hinreichende Instandhaltung des fraglichen Wegstücks gesorgt. Randnummer 15 Die Beklagte zu 2.) hafte auf Grund von § 150a i. V. m. § 154 ZVG unmittelbar gegenüber der Klägerin. Darüber hinaus folge ihre Einstandspflicht aus der Freistellungserklärung vom 18.11.2003 sowie unter dem Gesichtspunkt der Arbeitgeberhaftung. Ferner begründe § 831 BGB eine Einstandspflicht der Beklagten zu 2.), da der Beklagte zu 1.) seinerzeit als ihr Verrichtungsgehilfe anzusehen gewesen sei. Randnummer 16 Die Klägerin meint, dass ihr ein Schmerzensgeld von mehr als 6.000,–€ zuzusprechen sei. Schmerzensgelderhöhend sei unter anderem der langwierige Rechtsstreit zu berücksichtigen; dabei falle namentlich ins Gewicht, dass trotz längerer außergerichtlicher Korrespondenz keinerlei Zahlung wegen des bereits im Januar 2006 erfolgten Sturzes erfolgt sei. Randnummer 17 Die Klägerin beantragt , 1.) den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin wegen des Unfalls vom 10.01.2006 ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2007 zu zahlen; 2.) den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin 1.084,32 € nebst Zinsen mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2007 zu zahlen; 3.) den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an die Klägerin 201,41 € nebst Zinsen mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2007 zu zahlen; 4.) die Beklagte zu 2) neben dem Beklagten zu 1) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin wegen des Unfalls vom 10.01.2006 ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2007 zu zahlen; 5.) die Beklagte zu 2) neben dem Beklagten zu 1) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.084,32 € nebst Zinsen mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2007 zu zahlen; 6.) die Beklagte zu 2) neben dem Beklagten zu 1) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 201,41 € nebst Zinsen mit einem Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.02.2007 zu zahlen. Randnummer 18 Die Beklagten beantragen die Klageabweisung. Randnummer 19 Sie behaupten, dass der Fußgängerweg, auf dem sich der Unfall ereignete, nicht für den allgemeinen Personenverkehr freigegeben sei. Vielmehr handele es sich um eine durch die Bordsteinkante abgegrenzte Hoffläche, die nicht als Zugang zur Passage diene. Das habe sich auch ohne weiteres erkennen lassen: Die Doppeltür zum B-Markt sei nicht durchsichtig; ihre Beschriftung gebe, durch Pfeile verdeutlicht, den Hinweis, dass sich der Geschäftseingang innerhalb der X-Passage befinde. Randnummer 20 Die Beklagten bestreiten das Vorhandensein eines Metallteils sowie eine Sichtbeeinträchtigung durch Laub und Abfall. Randnummer 21 Ferner vertreten sie die Rechtsauffassung, dass eine Haftung der Beklagten zu 2.) lediglich gegenüber Beteiligten am ZVG-Verfahren im Sinne von § 9 ZVG in Betracht komme. Aus der Freistellungserklärung folge kein anderes, zumal diese nur im Innenverhältnis der Beklagten untereinander beachtlich sei. Ferner sei der Beklagte zu 1.) in seiner Eigenschaft als Zwangsverwalter auch nicht als Verrichtungsgehilfe der Beklagten zu 2.) anzusehen, da er nicht für diese, sondern im Auftrag des Vollstreckungsgerichts tätig gewesen sei. Randnummer 22 Zur Vervollständigung des Tatbestandes nimmt das Gericht ergänzend Bezug auf den Vortrag der Klägerin in der Klageschrift vom 16.03.2007 (Bl. 1 ff. d. A.) beziehungsweise in den Schriftsätzen vom 24.04.2007 (Bl. 18 ff. d. A.), 22.05.2007 (Bl. 24 ff. d. A.), 14.06.2007 (Bl. 42 d. A.), 06.08.2007 (Bl. 66 f. d. A.), 24.08.2007 (Bl. 71 ff. d. A.) und 08.10.2007 (Bl. 92 ff. d. A.), ferner auf das Protokoll vom 07.1.2007 bezüglich der Anhörung der Klägerin als Partei (Bl. 96 f. d. A.) sowie auf den Vortrag der Beklagten in den Schriftsätzen vom 03.08. 2007 (Bl. 57 ff. d. A.), 05.08.2007 (Bl. 54 ff. d. A.), 06.08.2007 (Bl. 62 f. d. A.), 10.08.2007 (Bl. 68 f. d. A.), 30.08.2007 (Bl. 77 ff. d. A.) und 18.09.2007 (Bl. 90 d. A.). Randnummer 23 Der Rechtsstreit ist zunächst bei dem Amtsgericht Y anhängig gemacht worden. Dieses hat sich – noch im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens – für sachlich unzuständig erklärt und die Sache an das erkennende Gericht verwiesen. Durch Beschluss vom 04.09.2007 hat die Kammer der Klägerin Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihr Rechtsanwalt F zu den kostenrechtlichen Bedingungen eines bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet. Randnummer 24 Das erkennende Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen C, D und E und durch die Einnahme richterlichen Augenscheins. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll vom 07.11.2007, Bl. 96 ff. d. A.
I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 2.452,40 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.02.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu einem Drittel, die Klägerin zu zwei Dritteln zu tragen. III. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagten ist es wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar; die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in gleicher Höhe leisten. IV. Der Streitwert wird auf 7.084,32 € festgesetzt.
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AG Kassel 435. Zivilabteilung
Hessen
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20.04.2021
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Die Klägerin begehrt Stornokosten wegen einer abgesagten Hotelübernachtung. Die Klägerin betreibt das Hotel „A“ in B. Die Beklagte reservierte für eine Mitarbeiterfortbildungstagung mit Bestellung vom 21./31.01.2019 (Anlage K1, Bl. 19 f.d.A., ergänzt um die AGB der Klägerin, Anlage K2, Bl. 21 f. d.A.) in diesem Hotel für den Zeitraum 31.03.2020 bis 02.04.2020 sieben Einzelzimmer und für den Zeitraum 01./02.04.2020 weitere 11 Einzelzimmer zu jeweils 99,00 € pro Nacht und Zimmer sowie einen Tagungs- und einen Gruppenraum für den 01./02.04.2020 für eine Tagungspauschale von 54,50 € pro Person und Tag. Gegenstand der Reservierung waren u.a. die Stornobedingungen, die bei einer Absage der Reservierung im Zeitraum von 14 bis 28 Tagen vor der Anreise Stornokosten i.H.v. 70 % der vereinbarten Entgelte vorsehen. Aufgrund der kurz vor der beabsichtigten Tagung ausgebrochenen Corona-Pandemie erließ das Land Hessen unter dem 14.03.2020 eine Verordnung, die u.a. Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen untersagte. Am 16.03.2020 wurde eine Pressemitteilung verlautbart, derzufolge sich Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der Länder darauf verständigt hatten, soziale Kontakte im öffentlichen Bereich weiter einzuschränken. Am selben Tag schrieb die Beklagte der Klägerin per E-Mail, sie sage die Tagung wegen der Pandemie schon jetzt ab, damit nur 70 % der Entgelte als Stornokosten anfallen (Anlage K3, Bl. 23 d.A.). Am 17.03.2020 erließ das Land Hessen eine Verordnung zur Änderung der vorgenannten Verordnung, u.a. mit dem Inhalt, dass nunmehr Übernachtungsangebote nur noch zu notwendigen Zwecken erlaubt seien. Unter dem 18.03.2020 berechnete die Klägerin der Beklagten Ausfallkosten i.H.v. 2.436,70 €. Mit Landesverordnung vom 20.03.2020 wurden Veranstaltungen mit mehr als sechs Teilnehmern untersagt. Eine weitere Verordnung vom 22.03.2020 gebot die Reduzierung von persönlichen Kontakten außerhalb des eigenen Hausstandes auf das absolut nötige Minimum. Mit der Klage verfolgt die Klägerin die Geltendmachung des genannten Betrages. Sie ist der Ansicht, zum Stornierungszeitpunkt sei die Veranstaltung der Beklagten noch uneingeschränkt zulässig gewesen, ein Fall höherer Gewalt habe noch nicht vorgelegen. Zur Beurteilung der Rechtslage sei auf diesen Zeitpunkt abzustellen. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.436,70 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.03.2020 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Ansicht, nach den Landesverordnungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sei die Tagung am 01./02.04.2020 nicht mehr erlaubterweise durchzuführen gewesen. Deswegen sei der Klägerin kein Schaden entstanden. Die vertraglichen Abreden der Parteien erlaubten der Beklagten, einen geringeren Schaden als die vereinbarten Stornokosten nachzuweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 5. Senat
Berlin
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21.08.2023
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt ihre Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Beklagten im ersten Fachsemester außerhalb der festgesetzten Aufnahmekapazität nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2015/2016. Randnummer 2 Nachdem die Beklagte letztmalig zum Sommersemester 2010 Studierende in den sog. Regelstudiengang der Humanmedizin immatrikuliert hatte, führte sie mit dem Beginn des Wintersemesters 2010/2011 einen sog. Modellstudiengang Humanmedizin ein. Die Beklagte immatrikulierte in diesem Studiengang über die in der Zulassungszahlensatzung für das Wintersemester 2015/2016 für Studienanfänger festgesetzte Zulassungszahl von 324 Studienplätzen (Amtliches Mitteilungsblatt der Charité Nr. 151 vom 14. Juli 2015) hinaus 326 Studierende, von denen einer am 20. Oktober 2015 wieder exmatrikuliert wurde; die Klägerin wurde nicht berücksichtigt. Auch den Antrag der Klägerin auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin an der Beklagten außerhalb der festgesetzten Kapazität lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 11. September 2015 ab. Randnummer 3 Das hiergegen von der Klägerin angestrengte Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes blieb in beiden Instanzen erfolglos (vgl. Beschluss des VG Berlin vom   30. März 2016 - VG 30 L 265.15 - sowie Beschluss des Senats vom 26. September 2016 - OVG 5 NC 21.16 -, juris). Die Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 21. November 2018 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Randnummer 4 Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zulassung zum Studium der Humanmedizin im ersten Fachsemester an der Beklagten nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2015/2016, da über die in der Zulassungszahlensatzung für das genannte Semester festgesetzte Zulassungszahl für Studienanfänger von 324 Studienplätzen bzw. über die Zahl der im Vergabe- und Auswahlverfahren letztlich vergebenen 325 Studienplätze hinaus keine weiteren Studienplätze zur Verfügung stünden. Randnummer 5 Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 StV i.V.m. § 17a KapVO i.d.F. der 23. Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung vom 26. Juni 2015, also seit dem Wintersemester 2015/2016, richte sich die Berechnung der Aufnahmekapazität für den Modellstudiengang an der Beklagten ausschließlich nach patientenbezogenen Einflussfaktoren. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift bestünden jedenfalls während der Dauer des ursprünglich achtjährigen Erprobungszeitraums des Modellstudiengangs, der bis einschließlich des Sommersemesters 2018 angedauert habe, nicht. Die im Verlauf des Sommersemesters 2018 in Kraft getretene Änderung des § 17a Satz 2 Nr. 1 KapVO vom 19. Juni 2018 sei vorliegend nicht anwendbar, da sie erst für ihr nachgelagerte Berechnungszeiträume - und daher nicht für das streitgegenständliche Semester - Gültigkeit beanspruche. Die Berechnung der Beklagten auf der Grundlage von § 17a KapVO a.F. sei nicht zu beanstanden. Danach sei zur Ermittlung der Aufnahmekapazität der Hochschule als patientenbezogene jährliche Aufnahmekapazität zunächst 15,5 vom Hundert der Gesamtzahl der tagesbelegten Betten des Klinikums anzusetzen ( § 17a Satz 2 Nr. 1 KapVO a.F.). Die so ermittelte Zahl erhöhe sich je 1.000 poliklinische Neuzugänge im Jahr um die Zahl Eins, wobei die Zahl nach Nr. 1 höchstens um 50 vom Hundert erhöht werde ( § 17a Satz 2 Nr. 2 KapVO a.F.). Soweit in außeruniversitären Krankenanstalten Lehrveranstaltungen vereinbarungsgemäß und auf Dauer durchgeführt würden, erhöhe sich die patientenbezogene Aufnahmekapazität entsprechend ( § 17a Satz 2 Nr. 3 KapVO ). Bei den tagesbelegten Betten habe die Beklagte beanstandungsfrei nur die vollstationären Patienten auf der Grundlage der Mitternachtszählung berücksichtigt, ohne Einbeziehung von medizinischen Versorgungszentren und auch ohne Betten des Deutschen Herzzentrums Berlin (DHZB) und des Evangelischen Geriatriezentrums Berlin (EGZB), da diese Einrichtungen nach wie vor rechtlich und organisatorisch von der Charité getrennt seien. Die Zahl der tagesbelegten Betten habe die Beklagte für das Jahr 2012 mit 2.501, für 2013 mit 2.334 und für 2014 mit 2.338 angegeben und glaubhaft gemacht. Von den danach durchschnittlich 2.391 tagesbelegten Betten seien gemäß § 17a Satz 2 Nr. 1 KapVO a.F. 15,5 v.H., also 370,605 als für die patientenbezogene Ausbildung zur Verfügung stehend anzusetzen. Diese Zahl sei gemäß § 17a Satz 2 Nr. 2 KapVO a.F. je 1.000 poliklinische Neuzugänge um Eins (Satz 1), höchstens jedoch um 50 v.H. (Satz 2) zu erhöhen. Die Zahl der poliklinischen Neuzugänge beziffere die Beklagte auf 426.775, woraus sich ein Erhöhungswert von 426,775 ergäbe, der auf 50 v.H. der Zahl nach Nummer 1, also (370,605 ÷ 2 =) 185,3025 zu begrenzen sei, so dass sich ein Gesamtwert von (370,605 + 185,3025 =) 555,9075 ergebe. Die Ausbildungskapazität erhöhe sich gemäß § 17a Satz 2 Nr. 3 KapVO wegen der Lehrveranstaltungen in außeruniversitären Krankenanstalten um 19,366 Studienplätze, so dass sich insgesamt eine jährliche Basiszahl von 575,2735 ergebe. Diese erhöhe sich um einen Schwundausgleichsfaktor auf 613,756 (575,2735 : 0,9373), gerundet 614 Studienplätze, so dass bei halbjährlicher Zulassung je 307 Studienplätze für das Wintersemester 2015/2016 und das Sommersemester 2016 zur Verfügung stünden. Die Beklagte habe demgegenüber - ausgehend von einer höheren Kapazität - im streitgegenständlichen Wintersemester 2015/2016 insgesamt 326 bzw. 325 Bewerber eingeschrieben, so dass weitere Studienplätze nicht zur Verfügung stünden. Randnummer 6 Gegen dieses Urteil hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt und Berufungszulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 VwGO geltend gemacht. Sie trägt u.a. vor, sie sehe den bisher angesetzten Erprobungszeitraum des Modellstudiengangs als zu lang an. Ferner sei vorliegend nicht § 17a KapVO i.d.F. der 23. Verordnung zur Änderung der Kapazitätsverordnung vom 26. Juni 2015, der gegen höherrangiges Recht verstoße, anzuwenden, sondern § 17a Satz 2 Nr. 1 KapVO vom 19. Juni 2018. Darüber hinaus sei die Mitternachtszählung veraltet, es müsse auch der Patient einer Tagesklinik in die Berechnung einbezogen werden. Ebenso müssten bei der Ermittlung der tagesbelegten Betten Patienten an den Medizinischen Versorgungszentren und am Herzzentrum berücksichtigt werden. Randnummer 7 Die Klägerin beantragt sinngemäß, Randnummer 8 das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. November 2018 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides der Charité Universitätsmedizin Berlin vom 11. September 2015 zu verpflichten, die Klägerin zum Studium der Humanmedizin an der Beklagten im ersten Fachsemester außerhalb der festgesetzten Aufnahmekapazität nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2015/2016 zulassen. Randnummer 9 Die Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 11 Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Randnummer 12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten des Klage- sowie des Eilverfahrens und die im Leitverfahren des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens - VG 30 L 242.15 - enthaltenen Kapazitätsunterlagen verwiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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LG Darmstadt 2. Zivilkammer
Hessen
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22.12.2017
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Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Auskehr des Erlöses aus der von der Beklagten betriebenen Zwangsversteigerung in das streitgegenständliche Grundstück in der X Straße in […]. Gegen die Betreibung der Zwangsvollstreckung durch die Beklagten hatte sich die Klägerin bereits im Wege der Vollstreckungsabwehrklage in einem Verfahren vor dem Landgericht in Darmstadt zum Aktenzeichen 22 O 390/11 gewandt. Diese Klage wies das Landgericht mit Urteil vom 11.07.2012 ab. Die Grundschuld, aus der die Beklagte die Zwangsvollstreckung betrieben hatte, war zunächst von der […] GmbH (A) zugunsten der […] GmbH (B) eingetragen worden. Zu dieser Zeit war die A Eigentümerin dieses Grundstücks, bevor sie es im Jahr 2007 an die Klägerin veräußerte. Die Grundschuld wurde im Jahr 2005 von der A zugunsten der B mit dem Sicherungszweck der Sicherung aller bestehenden, künftigen und bedingten Ansprüche der B GmbH gegenüber A in Höhe von 740.000,-- Euro bestellt. Hintergrund war, dass die A auf den Grundstücken des B in der […] Straße in […] ein Immobilienprojekt entwickeln wollte. Im Zuge dessen bestellte der B für die A ein Erbbaurecht an diesen Grundstücken im Jahr 2003 mit einem jährlichen Erbbauzins in Höhe von 240.000,-- Euro. Das Immobilienentwicklungsprojekt zog sich hin und die A geriet in Schwierigkeiten auch mit den Zahlungen der Erbbauzinses. Ab dem Jahre 2007 veräußerte die A das Erbbaurecht zunächst an die C GmbH. Dieses Geschäft wurde jedoch im darauf folgenden Jahr 2008 wieder rückabgewickelt. Im Jahre 2008 veräußerte die B GmbH sodann die Grundstücke in der […] Straße für 4,8 Millionen Euro an die Beklagte. Die Grundschuld über 740.000,-- Euro an dem Grundstück in der X Straße in […] und die dieser Grundschuld zugrunde liegende Forderung veräußerte die B GmbH gleichfalls an die Beklagte. Zwischen der Klägerin und der C GmbH war zunächst unter dem Aktenzeichen 14 O 360/12 vor dem Landgericht Darmstadt und sodann unter dem Aktenzeichen 22 U 155/14 vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main ein Rechtsstreit geführt, dem zufolge nach dem Urteil des OLG Frankfurt am Main die C GmbH rechtskräftig verurteilt wurde, die Klägerin gegenüber der hiesigen Beklagten von den Ansprüchen aus der streitgegenständlichen Grundschuld auf dem Grundstück in […], hinsichtlich dessen die streitgegenständliche Zwangsvollstreckung erfolgte, bis zu einem Betrag in Höhe von 740.000,-- Euro freizustellen. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte verpflichtet sei, die Firma A, die ursprünglich die streitgegenständliche Grundschuld über 740.000,-- Euro zugunsten der B GmbH auf dem streitgegenständlichen Grundstück in […] eingeräumt hatte, von ihren Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 740.000,-- Euro gegenüber dem B freizustellen. Sie behauptet, dass die Geschäftsführer der C GmbH, die auch zugleich die Geschäftsführer der Beklagten sind, bei ihren Verhandlungen im Namen der C GmbH auch immer die Beklagte mit vertreten hätten. Sie behauptet, es sei vereinbart gewesen, dass die Beklagte, die dieser Grundschuld zugrunde liegenden Forderungen der rückständigen Erbpachtzinsen übernehmen sollen, weshalb ihr, der Beklagten, kein Erlös aus der wegen dieser Grundschuld durchgeführten Zwangsversteigerung zustehe. Die Klägerin beantragt, Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 654.936,41 Euro nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 04.12.2014 zu bezahlen. Die Beklagte beantragt, Die Klage abzuweisen. Sie beruft sich darauf, dass zwischen allen Beteiligten umfangreiche schriftliche Vereinbarungen über den oben genannten Sachverhalt getroffen worden seien in schriftlicher Form, so dass nicht anzunehmen sei, dass daneben noch Raum gewesen sei für irgendwelche mündlichen Vereinbarungen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, insbesondere zu den Umständen der Einräumung und Veräußerung der streitgegenständlichen Grundschuld und dem Schicksal der dieser zugrunde liegenden Forderungen und zu diesbezüglichen Vereinbarungen zwischen allen Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den dazugehörigen Anlagen verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen: 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen: 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
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LArbG Berlin-Brandenburg 4. Kammer
Berlin
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19.10.2022
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Randnummer 1 Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Schadensersatz bzw. Entschädigung in Anspruch. Randnummer 2 Die Klägerin ist selbstständige Parlamentsstenografin und selbstständige Rechtsanwältin. Sie arbeitete von 1996 bis 2003 im Landtag Schleswig-Holstein als angestellte Parlamentsstenografin und Ausschussgeschäftsführerin. Seit 2003 ist sie als freiberufliche Parlamentsstenografin im Wesentlichen in Landesparlamenten tätig. Von 2001 bis 2009 arbeitete sie als Gaststenografin für die Beklagte. Unter dem 02.01./10.01.2019 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Rahmenvertrag über die Protokollierung in Ausschuss- und Gremiensitzungen in der 19. Wahlperiode. Im Rahmen dieses Rahmenvertrages wurde die Klägerin bis zum Zeitpunkt des vorliegenden Verfahrens nicht herangezogen. Randnummer 3 Die Beklagte schrieb für das Referat PD 3 – Stenografischer Dienst – (PD 3) in der Verwaltung des Deutschen B. mit Bewerbungsschluss 28. Februar 2020 Stellen als Stenografen (w/m/d), Besoldungsgruppe A 13 BBesO/14 bzw. Entgeltgruppe 13/14 TVöD aus. In der Stellenausschreibung heißt es unter der Überschrift Anforderungsprofil auszugsweise wörtlich: Randnummer 4 „Qualifikationserfordernisse Randnummer 5 · Bewerberinnen und Bewerber müssen zwingend Randnummer 6 o ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium (Diplom, Master oder vergleichbarer Abschluss) und Randnummer 7 o die Fertigkeit in der Deutschen Einheitskurzschrift von mindestens 200 Silben/Minute sowie Randnummer 8 o mehrjährige berufspraktische Erfahrungen in der stenografischen Sitzungsprotokollierung Randnummer 9 nachweisen. Randnummer 10 · Es werden Bewerberinnen und Bewerber bevorzugt berücksichtigt, die Randnummer 11 o die mehrjährigen berufspraktischen Erfahrungen in der stenografischen Sitzungsprotokollierung in der stenografischen Protokollierung von Parlamentssitzungen Randnummer 12 nachweisen.“ Randnummer 13 Weiter heißt es: Randnummer 14 „Die genannten Qualifikationserfordernisse müssen zum Bewerbungsschluss vorliegen und nachgewiesen sein. Unvollständige und nicht aussagefähige Bewerbungsunterlagen können nicht berücksichtigt werden.“ Randnummer 15 Wegen des weiteren Inhalts der Stellenausschreibung im Einzelnen wird auf die Blatt 171 – 173 d. A. verwiesen. Randnummer 16 Die Klägerin, die mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehindert ist, bewarb sich mit Schreiben vom 24. Februar 2020 bei dem beklagten Land. Als Nachweis für die zwingenden stenografischen Fertigkeiten von 200 Silben pro Minute legte sie ihre Urkunde über eine stenografische Schreibleistung von 350 Silben pro Minute bei den Deutschen Meisterschaften vor und verwies auf Kenntnisse in englischer Kurzschrift von 80 Silben pro Minute, die sie während ihrer Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin erworben hatte. Hinsichtlich ihrer zwingenden mehrjährigen berufspraktischen Erfahrungen in der stenografischen Sitzungsprotokollierung führte sie an ihre Tätigkeit im Selbstverwaltungsbüro einer gesetzlichen Krankenkasse, ihre Tätigkeit als Parlamentsstenografin und Ausschussgeschäftsführerin im Schleswig-Holsteinischen Landtag von 1996 bis 2003, für den sie neben Plenarsitzungen auch Untersuchungsausschüsse, ständige Ausschusssitzungen, Enquetekommissionen, Anhörungen stenografisch aufgenommen und sprachlich in Form scheinwörtlicher, wörtlicher oder analytischer Protokolle ausgearbeitet hatte. Ferner führte sie an ihre Tätigkeit als Gaststenografin für den Beklagten von 2001 bis 2009, den Abschluss eines Rahmenvertrages als Gaststenografin von Januar 2019 mit dem Beklagten, ohne bislang in das Vergabeverfahren einbezogen worden zu sein, sowie ihre freiberufliche Tätigkeit als Parlamentsstenografin seit 2003 in verschiedenen Landesparlamenten, in Wirtschaft und Einrichtungen des öffentlichen Rechts auf. Hinsichtlich des genauen Inhalts des Bewerbungsschreibens wird auf Bl. 174 ff. d. A. verwiesen. Randnummer 17 Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 23. April 2020 mit, dass aufgrund Nichterfüllung der zwingend geforderten Kriterien der Ausschreibung, die Bewerbung der Klägerin nicht weiter im Auswahlverfahren habe berücksichtigt werden können und man sich für andere Bewerberinnen bzw. Bewerber entschieden habe. Hinsichtlich des genauen Wortlauts des Schreibens wird auf Bl. 180 d. A. verwiesen. Randnummer 18 Zwischen den Parteien ist streitig, wann dieses Schreiben der Klägerin zuging. Unstrittig ist aber, dass die Schwerbehindertenvertretung bis zur Fertigung des Absageschreibens der Beklagten vom 23. April 2020 ebenso wie der Personalrat nicht beteiligt wurde. Randnummer 19 Mit E-Mail vom 12. Mai 2020 bat die Klägerin die Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen beim Deutschen B. um Auskunft im Zusammenhang mit ihrem Bewerbungsverfahren. Diese teilte der Klägerin per E-Mail vom 12. Mai 2020 (Anlage K 17, Blatt 201 d. A.) das Folgende mit: Randnummer 20 „… ich habe erst heute Ihre Unterlagen sichten können. Eine Beteiligung meiner Person zu dem von Ihnen genannten Zeitpunkt ist leider versäumt worden. … Somit wurde die Entscheidung auch nicht in Absprache mit mir vorgenommen. Allerdings darf ich Ihnen mitteilen, dass ich nach Durchsicht der Unterlagen keine andere Entscheidung treffen kann. Die Gründe sind bereits über Herrn T. mitgeteilt worden.“ Randnummer 21 Auf die Nachfrage der Klägerin über die Gründe ihrer Ablehnung teilte die Beklagte per E-Mail vom 11. Mai 2020 (Anlage K 14, Blatt 181 f. d. A.) mit, dass sich aus ihren Bewerbungsunterlagen nicht ergeben habe, dass sie über mehrjährige berufspraktische Erfahrungen in der stenografischen Sitzungsprotokollierung verfüge. In ihrem Bewerbungsschreiben sei zwar erwähnt worden, dass sie als Stenografin tätig gewesen sei. Entsprechende Nachweise in Form von Zeugnissen, Referenzen o. ä. seien den Bewerbungsunterlagen jedoch nicht zu entnehmen gewesen. Damit sei eine der drei zwingend geforderten Qualifikationsanforderungen nicht erfüllt. Abschließend teilte die Beklagte in dem Schreiben vom 11. Mai 2020 folgendes mit: Randnummer 22 „Mit der Bekanntgabe des Ergebnisses des Auswahlverfahrens durch Schreiben vom 23. April 2020 ist dieses Auswahlverfahren grundsätzlich abgeschlossen. Von den ausgeschriebenen Stellen konnte nur eine Stelle besetzt werden. Eine verbindliche Einstellung ist bislang nicht erfolgt.“ Randnummer 23 Die Klägerin strengte daraufhin beim Arbeitsgericht Berlin am 13. Mai 2020 zum Geschäftszeichen 58 Ga 6211/20 ein einstweiliges Verfügungsverfahren an, welches auf vorläufige Nichtbesetzung der ausgeschriebenen Stellen Stenografen (w/m/d) im Referat PD 3, Stenografischer Dienst des Deutschen Bundestages gerichtet war. Des Weiteren erhob sie am 14. Mai 2020 Klage beim Arbeitsgericht Berlin zum Geschäftszeichen 58 Ca 8409/20, mit welcher sie die Beklagte u.a. auf Neuentscheidung ihrer Bewerbung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts in Anspruch nahm. Randnummer 24 Unter dem 26. Mai 2020 sicherte die Beklagte der Klägerin zu, dass sie eine der drei noch nicht besetzten Stellen bis zum Abschluss des Rechtsstreits im Hauptsacheverfahren 58 Ca 8409/20 nicht besetzen werde. Gleiches erklärte die Beklagte am 30. Juni 2020 zu Protokoll im Kammertermin der einstweiligen Verfügung (58 Ga 6211/20). Mit Urteil vom 30. Juni 2020 wies das Arbeitsgericht Berlin die einstweilige Verfügung der Klägerin mangels Vorliegen eines Verfügungsgrundes zurück. Wegen des Inhalts der Entscheidung wird auf die Anlage K 23a (Blatt 347 ff. d. A.) verwiesen. Das Urteil ist rechtskräftig. Randnummer 25 Mit Schreiben vom 4. Juli 2020, das die Klägerin vorab am 4. Juli 2020 an die Beklagte per Fax übermittelte, machte sie Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gegenüber der Beklagten geltend. Die Beklagte wies die Ansprüche mit Schreiben vom 25. August 2020, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Anlage K 16a, Blatt 191 ff. d. A.), zurück. Randnummer 26 Mit Schreiben vom 17. August 2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie mit ihr ihre Bewerbung als Stenografin im Referat PD 3 gerne persönlich besprechen wolle. Sie lud die Klägerin zu einem Praxistest (Erstellung eines Protokolltextes auf der Grundlage einer Audiodatei) am 27. August 2020 in das Referat PD 3 ein und wies darauf hin, dass am 28. August 2020 das Vorstellungsgespräch beim Personalreferat der Verwaltung des Deutschen Bundestages stattfinden werde. Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 18. August 2020, auf dessen Inhalt im Einzelnen verwiesen wird (Anlage K 25a, Blatt 359 ff. d. A.), mit, dass sie an dem Vorstellungsgespräch gerne teilnehmen möchte. Sie bat aufgrund beruflicher Verpflichtungen um Verschiebung des Termins und erbat weitere Informationen. Die Beklagte lud die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 25. August 2020 zu einem Vorstellungsgespräch am 24. und 25. September 2020 ein. Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 29. August 2020 mit, dass sie der Einladung gerne nachkommen möchte, es aber erneut eine Terminüberschneidung mit einem Auftrag als Gaststenografin gäbe. Unter Umständen könne sie am 25. September 2020 eine Teilnahme ermöglichen. Die Klägerin bat darum, ihr die Möglichkeit einzuräumen, den Praxistest und das Vorstellungsgespräch am 25. September 2020 zu absolvieren. Die Beklagte kam der Bitte der Klägerin nach und lud sie für den 25. September 2020 ein. Mit E-Mail vom 24. September 2020 sagte die Klägerin das Vorstellungsgespräch und den Praxistest unter Berufung darauf ab, dass sie Erkältungssymptome habe, die sich momentan nicht eindeutig zuordnen ließen. Sie bat wiederum um einen Ausweichtermin. Daraufhin lud die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 5. Oktober 2020 zu einem Auswahlverfahren am 11. November 2020 in Form eines Praxistests und eines Vorstellungsgesprächs ein. Randnummer 27 Zwischenzeitlich hatte die Beklagte am 23. September 2020 erneut zwei Stellen als Stenografen im Referat PD – 3 mit Bewerbungsfrist bis zum 9. Oktober 2020 ausgeschrieben und hatte sich die Klägerin am 30. September 2020 auf diese Stellenausschreibung beworben. Aufgrund ihrer erneuten Bewerbung nahm die Klägerin am 30. September 2020 ihre Klage zum Geschäftszeichen 58 Ca 8409/20 zurück und unterrichtete die Beklagte noch am selben Tag hierüber. Randnummer 28 Mit Schreiben vom 11. Oktober 2020 teilte die Klägerin der Beklagten sodann auszugsweise Folgendes mit: Randnummer 29 „… ich danke Ihnen für die Einladung vom 05.10.2020 zu einem Auswahlverfahren am 11.11.2020 in Form eines Praxistests und eines Vorstellungsgesprächs im Zusammenhang mit meiner Bewerbung vom 24.02.2020. Randnummer 30 Ich möchte Sie höflich daran erinnern, dass ich mich nach Rücknahme meiner Klage vom 30.09.2020 im Zusammenhang mit dieser Bewerbung, über die ich Sie per E-Mail vom 30.09.2020 informiert habe, ebenfalls am 30.09.2020 online auf eine neu ausgeschriebene Stenografenstelle beim Deutschen B. beworben habe. Randnummer 31 Damit habe ich, nachdem ich Ende September d. J. Corona-bedingt nicht an dem für den 25.09.2020 vorgesehenen Auswahlverfahren teilnehmen konnte und noch keinen Ausweichtermin für ein Vorstellungsgespräch erhalten hatte, konkludent meine Bewerbung vom 24.02.2020 zurückgenommen. Ich entschuldige mich dafür, dass dies nicht explizit geschehen ist. Der Grund für dieses Vorgehen ist, dass ich mir einen unvoreingenommenen Neuanfang für das Stellenbesetzungsverfahren erhoffe. Randnummer 32 Dem Wortlaut Ihres Einladungsgesprächs vom 05.10.2020 zufolge und mit Blick darauf, dass zu dem Zeitpunkt die Bewerbungsfrist 09.10.2020 für die neuen Stenografenstellen noch nicht abgelaufen war, darf ich wohl davon ausgehen, dass die Einladung zum dem Auswahlverfahren am 11.11.2020 mit dem aktuellen Bewerbungsverfahren und damit mit meiner neuen Bewerbung nicht im Zusammenhang steht. Ich bitte Sie also um eine Einbeziehung meiner aktuellen Bewerbung in das neue Bewerbungsverfahren. …“ Randnummer 33 Mit ihrer am 5. Oktober 2020, einem Montag, bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 22. Oktober 2020 zugestellten Klage macht die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von jedenfalls drei Bruttomonatsvergütungen der Entgeltgruppe 14, Stufe 3 TVöD geltend und begehrt die Feststellung, dass ihr die Beklagte als Schadensersatz sämtliche ihr entstehenden Kosten der Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit ihrer Bewerbung vom 24. Februar 2020 zu zahlen habe. Randnummer 34 Die Klägerin hat darauf verwiesen, dass die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß bei ihrer Stellenbewerbung beteiligt worden sei. Eine Heilung durch Nachholung sei nicht möglich. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des § 178 Abs. 2 Satz 2 SGB IX nicht vor. Die Klägerin hält auch eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats nicht für gegeben. Die Klägerin meint, aufgrund der fehlenden Einladung zum Vorstellungsgespräch sei eine Benachteiligung aufgrund ihrer Schwerbehinderung indiziert. Eine fachliche Ungeeignetheit liege nicht vor. Sie habe im Bewerbungsanschreiben und in ihrem Lebenslauf genügend Tatsachen hinsichtlich ihrer beruflichen Erfahrungen vorgetragen. Die Vorlage von Zeugnissen bzw. Referenzen sei kein zwingendes Qualifikationserfordernis. Im Übrigen verhalte sich die Beklagte widersprüchlich. Bei ihrer Bewerbung im Jahr 2018 auf eine ausgeschriebene Stelle als Stenograf*in im Referat PD 3 (Stenografischer Dienst) sei sie zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden, obwohl sie weder Zeugnisse noch Bescheinigungen vorgelegt habe. Im Übrigen habe sie in der Bewerbung und im Lebenslauf auf den mit der Beklagten bestehenden Rahmenvertrag hingewiesen. Die Beklagte habe vor Abschluss dieses Rahmenvertrages das Vorliegen mehrjähriger berufspraktischer Erfahrungen in stenografischer Sitzungsprotokollierung geprüft und bejaht. Zudem müsse sich die Beklagte die Kenntnis von der Klägerin als Gaststenografin von 2001 bis 2009/2011 mit wiederholter erweiterter Sicherheitsüberprüfung zurechnen lassen. Randnummer 35 Die Klägerin hat beantragt, Randnummer 36 1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Schmerzensgeld nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Arbeitsgerichts gestellt wird, jedoch über drei Bruttomonatsgehälter TVöD E 14, Stufe 3, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, und das berücksichtigt, dass die schwerbehinderte Klägerin bei diskriminierungsfreier Auswahl für die vakante Position erhalten hätte; Randnummer 37 2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin als Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG sämtliche ihr entstehende Kosten der Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit der Bewerbung vom 24.02.2020 zu zahlen hat. Randnummer 38 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 39 die Klage abzuweisen. Randnummer 40 Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Entschädigung nicht gegeben sei. Die Klägerin habe die Frist zur Geltendmachung des Entschädigungs-/Schadensersatzanspruchs versäumt. Das Ablehnungsschreiben sei am 23. April 2020 versandt worden, so dass von einem Zugang bei der Klägerin spätestens am 2. Mai 2020 auszugehen sei. Eine Benachteiligung sei nicht deshalb zu vermuten, weil die Schwerbehindertenvertretung zunächst nicht beteiligt worden sei. Die Beteiligung sei nachgeholt worden. Im Übrigen habe die Klägerin ihrer Bewerbung keine Nachweise hinsichtlich der beruflichen Qualifikation beigefügt. In der Ausschreibung sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Qualifikationserfordernisse zum Bewerbungsschluss nachgewiesen vorliegen müssten. Damit habe auch die fachliche Eignung nach § 165 Satz 4 SGB IX nicht vorgelegen. Der Vorwurf der Benachteiligung der Klägerin sei dadurch entkräftet, dass die Beklagte zwischenzeitlich mehrfach versucht habe, die Klägerin zu einem Vorstellungsgespräch – auch in einem weiteren Bewerbungsverfahren – einzuladen. Die Klägerin sei zu keinem der vorgeschlagenen Vorstellungstermine erschienen und habe schließlich sogar ihre Bewerbung vom 24. Februar 2020 zurückgezogen. Randnummer 41 Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. November 2021 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei bereits der persönliche Anwendungsbereich des § 6 AGG nicht eröffnet. Die Klägerin habe ihre Bewerbung vom 24. Februar 2020 unmissverständlich zurückgezogen und die Beklagte hierauf mit Schreiben vom 11. Oktober 2020 ausdrücklich hingewiesen. Damit habe die Klägerin ihren Bewerberstatus nach § 6 Abs. 1 AGG verloren, mit der Folge, dass ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG nicht mehr geltend gemacht werden könne. Randnummer 42 Gegen das am 17. November 2021 verkündete und der Klägerin am 22. April 2022 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18. April 2022, einem Montag, Berufung eingelegt und diese am 17. Juni 2022 begründet. Randnummer 43 Die Klägerin ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe den Bewerberbegriff iSv. § 6 Abs. 1 AGG nicht richtig erkannt. Zum anderen habe das Gericht seinem Urteil entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht zugrunde gelegt. Das Bewerbungsverfahren sei nicht durch Rücknahme der Bewerbung durch die Klägerin beendet worden und sie dadurch auch nicht ihres Bewerberstatus verlustig geworden. Die Beklagte habe in ihrer Eigenschaft als öffentlicher Arbeitgeber das Bewerbungsverfahren in Bezug auf die Klägerin bereits mit Bekanntgabe seiner Absage vom 23.04.2020 beendet. Eine gebotene Auslegung des Schreibens der Klägerin vom 11.10.2020 nach den allgemeinen Auslegungsregeln des Zivilrechts ergebe, dass das Schreiben einerseits im Zusammenhang mit der Rücknahme der Klage auf Neubescheidung nach ihrem Ausschluss aus dem Bewerbungsverfahren durch die Absage des Beklagten zu sehen ist. Andererseits sei der Wortlaut des Schreibens der Klägerin vom 11.10.2020 – wie sie darin betont – im Lichte ihrer neuen Bewerbung vom 30.09.2020 auf eine mit Bewerbungsfrist zum 09.10.2020 ausgeschriebene Vakanz als Parlamentsstenografin zu sehen. In der Sache sei auch eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung indiziert. Neben der Nichteinladung zum Vorstellungsgesprächs sowie der Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung und des Personalrats liege auch ein weiteres Indiz iSv § 22 AGG für eine Ungleichbehandlung der Klägerin wegen ihrer Schwerbehinderung gegenüber dem nicht schwerbehinderten Mitbewerber Herrn K. vor. Herr K. sei am 01.10.2020, obwohl er in dem vorherigen Bewerbungsverfahren ausgeschlossen wurde, in den Stenografischen Dienst eingestellt, obwohl er die stenografische Schreibleistung von 200 Silben pro Minute nicht erfüllte und im Oktober 2020 immer noch keine mehrjährigen berufspraktischen Erfahrungen in stenografischer Sitzungsprotokollierung haben konnte. Hätte die Beklagte der Klägerin Aufträge als Gaststenografin übertragen, hätte die Klägerin genauso wie Herr K. – und andere – den Zugang zum öffentlichen Amt eines Stenografen im Stenografischen Dienst der Beklagten erhalten, ohne dass es zu irgendwelchen rechtlichen oder gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen wäre. Von einer solchen freiberuflichen Tätigkeit als Gaststenografin als dem Eintrittstor zu einem öffentlichen Amt als Stenografin im Stenografischen Dienst des B. sei die schwerbehinderte Klägerin trotz Rahmenvertrags vom Januar 2019 konsequent ausgeschlossen worden. Des Weiteren habe die Beklagte die Klägerin gegenüber der nicht schwerbehinderten Bewerberin M. Sch. benachteiligt, denn auch diese habe nicht die gebotenen, sachdienlichen Arbeitszeugnisse vorgelegt. Neben dem Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG bestehe auch ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG für sämtliche Kosten der Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit der Bewerbung vom 24.02.2020 und zwar auch dann, wenn eine Diskriminierung nach §§ 1, 3, 7 AGG verneint werde. Ein schwerbehinderter Bewerber, der geltend mache, in einem Bewerbungsverfahren wegen eines Merkmals nach § 1 AGG diskriminiert worden zu sein, dürfe von der Geltendmachung eines solchen immateriellen Schadens nicht dadurch abgehalten werden, dass er mit einem öffentlichen Arbeitgeber einer finanzstarken Partei gegenübersteht, die ihre finanzielle Leistungsfähigkeit dem Steuerzahler verdanke. Aus diesem Grund müsse § 15 Abs. 1 AGG in Form von Schadenersatz für die Rechtsverfolgung bereits auf einem niederschwelligen Niveau greifen, nämlich auch dann, wenn ein Gericht eine Diskriminierung nach §§ 1, 3, 7 AGG verneine. Die Prüfungsintensität des Gerichts sei insoweit geringer. Entscheidend sei, dass die gerichtliche Geltendmachung des Schmerzensgeldanspruchs nicht mutwillig geschieht oder offensichtlich unbegründet ist. Randnummer 44 Die Klägerin beantragt, Randnummer 45 1. unter Abänderung des am 17.11.2021 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Berlin, Az. 56 Ca 12978/20, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Schmerzensgeld nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch nicht unter 3 Bruttomonatsgehältern TVöD E 14, Stufe 3, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, das berücksichtigt, dass die schwerbehinderte Klägerin bei diskriminierungsfreier Auswahl die vakante Position erhalten hätte; Randnummer 46 2. festzustellen, dass die Beklagte der Klägerin als Schadenersatz nach § 15 Abs. 1 AGG sämtliche ihr entstehenden und entstandenen Kosten der Rechtsverfolgung im Zusammenhang mit ihrer Bewerbung vom 24.02.2020 zu zahlen hat. Randnummer 47 Die Beklagte beantragt, Randnummer 48 die Berufung der Klägerin zurückzuweisen. Randnummer 49 Die Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin sei nicht zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen gewesen, weil sie Nachweise zur berufspraktischen Qualifikation nicht eingereicht habe, obwohl dies in der Stellenausschreibung explizit gefordert worden sei. Die Klägerin habe entsprechend die formellen Voraussetzungen, die in der Stellenausschreibung beschrieben waren, nicht eingehalten. Allein deshalb sei sie (zunächst) nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Dies stehe in keinerlei Verbindung zur vorliegenden Schwerbehinderung. Aber selbst wenn man davon ausgehe, die Klägerin hätte sofort zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen werden müssen, ergebe sich weder ein Anspruch der Klägerin auf Entschädigung gem. § 15 Abs. 2 AGG, noch ein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 15 Abs. 1 AGG. Die Klägerin habe nämlich ihre Bewerbung im laufenden Bewerbungsprozess zurückgezogen und so völlig losgelöst von jeglicher Art von Diskriminierung in eigener Entscheidung die Ursache dafür gesetzt, dass sie im weiteren Bewerbungsprozess unberücksichtigt blieb. Es bestehe gar keine Kausalität zwischen der Nichteinladung der Klägerin und der Nichteinstellung. Insoweit sei darauf zu verweisen, dass die Klägerin unstreitig zu Vorstellungsgesprächen am 27./28. August, 24./25. September 2020, 25. September 2020 und 11. November 2029 eingeladen wurde, aber sämtliche Termine nicht wahrgenommen wurden. Auch eine fehlende Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung sei in keiner Weise ursächlich dafür, dass die Klägerin im hier streitgegenständlichen Bewerbungsverfahren nicht zum Zuge gekommen sei. Irrelevant seien auch die Behauptungen der Klägerin im Hinblick auf eine unterlassene Beteiligung des Personalrats. Randnummer 50 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätzen, nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. November 2021 - 56 Ca 12978/20 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert: Das beklagte Land wird verurteilt, an die Klägerin 7.236,90 EUR (siebentausendzweihundertsechsunddreißig 90/100) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23. Oktober 2020 zu zahlen. II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben bei einem Gerichtskostenstreitwert von 22.487,00 EUR die Klägerin 68 Prozent und das beklagte Land 32 Prozent zu tragen. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht für das Saarland 11. Senat
Saarland
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12.01.2017
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt von der Beklagten die (Rück)Zahlung von 28.000,-- Euro, die an diese nach einem Grundstücksverkauf aufgrund darlehensweiser Gewährung von Sozialhilfeleistungen ausgezahlt wurden. Randnummer 2 Der 1960 geborene Kläger war - wie jeweils seine vier Geschwister - gemäß Erbschein vom 20.06.1997 zu 1/5 Miterbe seines 1996 verstorbenen Vaters. Zum Nachlass gehörte ein im Grundbuch von Ü. (Flurstück 1.../.7) eingetragenes Grundstück. Randnummer 3 Der Kläger, seine Ehefrau Ch. (geb. 1957) und sein Sohn P. (geb. 1984) erhielten zunächst in der Zeit vom 02.10.1996 bis 30.11.1999 vom Sozialamt der Gemeinde Ü. (durch Satzung herangezogene Gemeinde für den Landkreis Sa. als örtlicher Träger der Sozialhilfe) darlehensweise Leistungen in Form von laufender Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von insgesamt 27.859,23 DM (= 14.244,20 Euro) nach dem bis zum 31.12.2004 geltenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Zur Sicherung des Darlehens wurde eine Erbteilsverpfändung vereinbart und diese aufgrund notariellen Vertrages vom 20.04.1999 im Grundbuch in Abteilung II unter laufender Nr. 4 eingetragen. Randnummer 4 Nachdem der Kläger und seine Familie im Dezember 1999 nach S. verzogen waren, wurden ihnen auf ihren Antrag und auf Grundlage eines mit dem Kläger als Darlehensnehmer abgeschlossenen Darlehensvertrages vom 01.12.1999 nunmehr durch die Beklagte ab Dezember 1999 bis einschließlich 31.12.2004 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt und durch entsprechende Bescheide - erstmals vom 15.12.1999 - iHv insgesamt 35.000,88 Euro bewilligt. Dabei wurden u.a. die vom Kläger zunächst bezogene Arbeitslosenhilfe und die ab 01.03.2003 erhaltene Erwerbsminderungsrente angerechnet. Der Darlehensvertrag vom 01.12.1999 lautet: Randnummer 5 „Darlehensvertrag nach § 89 Bundessozialhilfegesetz – BSHG – Randnummer 6 zwischen dem Stadtverband S., vertreten durch den Herrn Oberbürgermeister der Landeshauptstadt S. Randnummer 7 Darlehensgeber Randnummer 8 und Randnummer 9 Herr J. H., geb. 60 wohnhaft in 66... S., St. Str. .. Randnummer 10 Darlehensnehmer Randnummer 11 wurde heute folgender Vertrag geschlossen: Randnummer 12 § 1 Darlehensgewährung: Randnummer 13 Der Darlehensgeber gewährt dem Darlehensnehmer als Leistung nach dem Bundessozialhilfegesetz ein Darlehen. Rechtsgrundlage, Leistungsbeginn, Leistungshöhe und Leistungsdauer werden durch Bewilligungsbescheid festgelegt. Randnummer 14 § 2 Darlehenshöhe: Randnummer 15 Das Darlehen beträgt zurzeit monatlich 519,96 DM. Die endgültige Höhe des Darlehensbetrages errechnet sich aus der Summe aller bisher schon und künftig noch zu gewährenden Sozialhilfeleistungen des Darlehensgebers. Randnummer 16 § 3 Dingliche Sicherung: Randnummer 17 Der Darlehensnehmer verpflichtet sich als Eigentümer des im Grundbuch von Ü. Flur 4, Parzelle Nr. 1.../.7 eingetragenen Grundbesitzes, zur Sicherung des vom Stadtverband S. gewährten Darlehens eine Grundschuld in Höhe von 20.000,00 DM auf diesen Grundbesitz eintragen zu lassen. Randnummer 18 § 4 Fälligkeit und Rückzahlung: Randnummer 19 Das Darlehen wird fällig: Randnummer 20 a) mit Ablauf des Monats fällig, in dem das Grundstück veräußert oder an Dritte weitergegeben wird. Randnummer 21 b) durch fristlose Kündigung, wenn unrichtige Angaben zur Gewährung der Sozialhilfe geführt haben. Randnummer 22 Die Geltendmachung der Forderung aus diesem Vertrag obliegt der Landeshauptstadt S., Sozialamt. Sämtliche Zahlungen aus diesem Vertrag sind an die Landeshauptstadt S., Sozialamt, zu leisten. Das Darlehen ist mit Fälligkeit in voller Höhe rückzahlbar. Auf besonderen Antrag kann ratenweise Rückzahlung vereinbart werden. Randnummer 23 § 5 Löschung der Grundschuld: Randnummer 24 Der Stadtverband S., verpflichtet sich, zur Löschung der in § 4 bezeichneten Grundschuld, sobald das Darlehen zurückgezahlt ist. Randnummer 25 § 6 Verzinsung: Randnummer 26 Der Darlehensbetrag ist unverzinslich. Kommt der Darlehensnehmer jedoch mit der Zahlung einer fälligen Rate länger als einen Monat in Verzug, so ist der gesamte Darlehensrest zur Zahlung fällig und vom Fälligkeitstag an mit 4 v.H. (§ 288 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB gelten entsprechend) jährlich zu verzinsen. Randnummer 27 § 7 Gesamtschuldner: Randnummer 28 Wird der Darlehensbetrag mehreren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft gewährt, haften die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft für die Rückzahlung als Gesamtschuldner. Randnummer 29 § 8 Vollstreckung: Randnummer 30 Der Darlehensnehmer unterwirft sich der sofortigen Vollstreckung aus diesem Vertrag (§ 60 SGB X).“ Randnummer 31 Die in § 3 des Darlehensvertrages vereinbarte Sicherung wurde auf Vorschlag des Notars R. Le. (Schreiben vom 13.01.2000) gemäß notariellem Vertrag vom 08.02.2000 zwischen dem Kläger und der Beklagten geändert und durch eine Verpfändung des Anteils des Klägers am Nachlass seines verstorbenen Vaters zur Sicherung aller gegenwärtigen und künftigen Forderungen zugunsten der Beklagten ersetzt. Diese Erbteilsverpfändung wurde in Abteilung II unter laufender Nr. 5 zu Gunsten der Beklagten im Grundbuch eingetragen. Randnummer 32 Im Jahr 2001 wurde das Nachlassgrundstück (Flurstück 1.../.7) in zwei Flurstücke (Nr. 97/1 und 97/2) geteilt und durch notariellen Vertrag vom 23.11.2001 zunächst das Flurstück 97/1 zum Preis von 178.000,-- DM veräußert, nachdem sowohl der Landkreis Sa. (für die Flurstücke 97/1 und 97/2) als auch die Beklagte (für das Flurstück 97/1) jeweils ihre Zustimmung zur Löschung der für sie im Grundbuch eingetragenen Rechte gegen Auszahlung des auf den Kläger entfallenden Verkaufserlöses zugestimmt hatten. Der nach Abzug von Aufwendungen und Kosten verbliebene Gesamtverkaufserlös iHv 154.404,78 DM wurde zugunsten der 5 Erben zu jeweils 30.880,96 DM aufgeteilt. Der auf den Kläger entfallende Kaufpreisanteil wurde iHv 27.859,23 DM (= 14.244,20 Euro) an den vorrangig gesicherten Landkreis Sa. und der Restbetrag iHv 1.423,10 Euro an die Beklagte zur Ablösung der im Grundbuch jeweils eingetragenen Pfandrechte am veräußerten Grundstück ausgezahlt. Randnummer 33 Am 14.04.2004 wurde im Auftrag des Landkreises Sa. gemäß § 107 BSHG - aufgrund der Verzögerung bei der Verwertung des noch vorhandenen Grundvermögens - der Beklagten ein Betrag iHv 10.568,28 Euro für die in der Zeit vom 01.12.1999 bis 30.11.2001 darlehensweise geleistete Sozialhilfe gezahlt. Randnummer 34 Gemäß notariellem Vertrag vom 30.12.2008 wurde schließlich - nach Zustimmung der Beklagten zur Löschung des für sie im Grundbuch zum Flurstück 97/2 eingetragenen Pfandrechts am Erbanteil des Klägers gegen Auszahlung des auf diesen entfallenden Verkaufserlöses - das weitere Grundstück (Flurstück 97/2) zum Preis von 140.000,- Euro verkauft und der auf den Kläger entfallende Erlösanteil iHv 28.000,-- Euro direkt an die Beklagte ausgezahlt. Randnummer 35 Nach verschiedenen Anträgen auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht für das Saarland (SG) bzw. beim Landgericht S. - LG - (4 O 26/09 = S 25 SO 3/09 ER) und Einreichung eines Klageentwurfs beim LG auf Zahlung von 28.000,-- Euro (4 O 7/10 = 4 W 1242/10-24), der nach Ablehnung seines Antrags auf Prozesskostenhilfe (PKH) nicht zugestellt wurde, hat der Kläger am 27.11.2013 beim SG die vorliegende Klage erhoben. Er hat die Rückzahlung des nach Abwicklung des Grundstückskaufvertrages bezüglich des Flurstücks 97/2 an die Beklagte ausgezahlten Betrages von 28.000,-- Euro nebst Zinsen begehrt und hierzu im Wesentlichen vorgetragen, er sei von der Beklagten zum Abschluss des Darlehensvertrages vom 01.12.1999 bestimmt worden, obwohl nicht er selbst, sondern lediglich seine Ehefrau und sein Sohn im Leistungsbezug der Beklagten gestanden hätten. Er selbst sei nicht Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen, so dass er letztlich auch nicht verpflichtet sei, von seinem Erbe die an seine Frau und seinen Sohn erbrachten Sozialhilfezahlungen zu tragen. Der Darlehensvertrag sei ausschließlich mit ihm geschlossen worden, so dass es allein darauf ankomme, welche Leistungen er selbst erhalten habe. Eine gesamtschuldnerische Haftung bestehe nicht. Randnummer 36 Die Beklagte hat geltend gemacht, auch der Kläger sei Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewesen. Dieser habe zwar Arbeitslosenhilfe bzw. Rente bezogen. Dies habe aber nicht ausgereicht, um seinen Lebensunterhalt und den seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen zu sichern. Die Bedarfsgemeinschaft sei daher auf die Gewährung von Sozialhilfe angewiesen gewesen. Der Darlehensvertrag sei abgeschlossen worden, weil sich die Verwertung des nicht zum Schonvermögen gehörenden ererbten Grundbesitzes des Klägers verzögert habe. Die Rückzahlungsverpflichtung hinsichtlich der darlehensweisen Sozialhilfezahlungen sei dabei durch eine Erbteilverpfändung gesichert worden. Der Darlehensvertrag sei mit dem Kläger als Haushaltsvorstand geschlossen, die Leistungsbescheide über die Gewährung von laufenden Leistungen der Sozialhilfe an ihn gerichtet und auch auf sein Konto überwiesen worden. Das Darlehen sei auch gemäß § 4 des Vertrages mit Ablauf des Monats, in dem das Grundstück veräußert worden sei, fällig gewesen. Eine Rückzahlungspflicht bestehe nicht, wie sich auch aus dem Beschluss des Saarländischen Oberlandesgerichts (OLG) vom 06.04.2010 (4 W 142/10-24) ergebe. Randnummer 37 Mit Beschluss vom 12.05.2014 (L 11 SO 4/14 B) hat der erkennende Senat - unter Aufhebung des Beschlusses vom 04.03.2014 und entgegen der Ansicht des SG - den Sozialrechtsweg für zulässig erachtet. Durch Gerichtsbescheid vom 07.05.2015 hat das SG daraufhin die Klage unter Verweis auf einen Beschluss des Senats vom 03.05.2010 in dem Verfahren L 11 SO 3/10 B (= S 25 SO 4/10) PKH abgewiesen. Randnummer 38 Gegen den ihm am 18.05.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 28.05.2015 Berufung eingelegt. Er trägt hierzu unter Verweis auf sein erstinstanzliches Vorbringen und insbesondere eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07.11.2006 (B 7b AS 8/06) im Wesentlichen ergänzend vor, eine Rechtsgrundlage zum Behaltendürfen der 28.000,-- Euro liege nicht vor. Die vertragliche Vereinbarung über eine Darlehensgewährung könne ausschließlich zwischen den Vertragsparteien Geltung erlangen. Der Darlehensvertrag sei jedoch nicht mit der „Bedarfsgemeinschaft H.“, sondern ausschließlich mit ihm selbst abgeschlossen worden. Er sei insoweit aus rechtlichen Gesichtspunkten gehindert gewesen, die Bedarfsgemeinschaft, auch in Vertretung, zu verpflichten, da es sich hierbei um einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter gehandelt habe. Der Vertrag könne daher ausschließlich Wirkungen zwischen den Vertragsparteien haben, so dass er nicht für die von der Beklagten erbrachten Sozialhilfeleistungen, die im Wesentlichen nicht für ihn, sondern für seine Frau und seinen Sohn erbracht worden seien, einzustehen habe. Randnummer 39 Der Kläger beantragt, Randnummer 40 die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts für das Saarland vom 07.05.2015 zu verurteilen, ihm 28.000,-- Euro zuzüglich 5% Zinsen ab Zustellung der Klage zu zahlen. Randnummer 41 Die Beklagte beantragt, Randnummer 42 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 43 Sie tritt dem Anspruch des Klägers entgegen und trägt im Wesentlichen vor, Hilfe zum Lebensunterhalt sei den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft, die aus dem Kläger, seiner Ehefrau und seinem Sohn bestanden habe, gewährt worden. Der Kläger sei auch nach § 11 Abs. 1 BSHG verpflichtet gewesen, den Gegenwert des ererbten Grundbesitzes zur Bestreitung des Lebensunterhalts der Familie einzusetzen. Da eine Verwertung des Grundbesitzes zunächst nicht möglich gewesen sei, sei der Darlehensvertrag abgeschlossen und dinglich gesichert worden. Sowohl der Darlehensvertrag als auch die Erbteilsverpfändung hätten sich - was sich auch aus dem Beschluss des Saarländischen OLG vom 04.06.2010 (4 W 142/10-24) ergebe - auf die an die Bedarfsgemeinschaft gewährte Sozialhilfe bezogen. Nach Veräußerung des Grundstücks sei das Darlehen gemäß § 4 des Darlehensvertrages vom 01.12.1999 fällig geworden. Durch den vom Landkreis Sa. gemäß § 107 BSHG im Jahr 2004 erhaltenen Betrag iHv 10.568,28 Euro für die geleistete darlehensweise Sozialhilfe sei eine Überzahlung nicht erfolgt, da sie ihrerseits verpflichtet sei, die Mittel, die sie aufgrund anschließender Verwertung der gewährten Sicherheiten erhalten habe, an den Kostenträger der Sozialhilfe, nämlich die Gemeinde Ü. bzw. den Regionalverband S., zurückzugewähren. Randnummer 44 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der beigezogenen Gerichtsakten (S 25 SO 7/09 ER, S 25 SO 3/09 ER, L 11 SO 18/12 B, L 11 SO 6/13 B und Akten des Landgerichts S. - 4 O 7/10 = 4 W 142/10-24) sowie der vorliegenden Gerichtsakten Bezug genommen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für das Saarland vom 07.05.2015 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 2. Kammer
Rheinland-Pfalz
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01.12.2011
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um die Beendigung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses durch Fristablauf bzw. Kündigung. Die Klägerin wurde von der Beklagten ab 01.10.2010 als Mitarbeiterin im Verkauf/Lager eingestellt. Der von der Klägerin und von der Personalbearbeiterin der Beklagten, Frau N. E., am 21.09.2010 unterzeichnete Arbeitsvertrag sieht eine Stundenvergütung von 8,55 EUR vor. In einer Zusatzvereinbarung vom 21.09.2010 vereinbarten die Parteien abweichend von den Regelungen des Manteltarifvertrags eine tägliche Arbeitszeit von vier Stunden und eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Sunden. Vereinbarungsgemäß sollte die Festlegung der Arbeitszeit mindestens vier Tage im Voraus mitgeteilt werden. Während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses leistete die Klägerin mehr als diese bezeichneten Arbeitsstunden. Randnummer 2 Im schriftlichen Arbeitsvertrag, der dem von der Beklagten bundesweit verwendeten Muster entspricht, ist unter § 1, der fettgedruckt überschrieben ist mit Einstellung, Probezeit und Befristung, folgendes geregelt: Randnummer 3 "Der/die Arbeitnehmer/in wird mit Wirkung vom 01.10.10 bis 30.06.11 (zulässig höchstens 24 Monate) als MA Verkauf/Lager eingestellt. Randnummer 4 Der Arbeitsvertrag endet durch Zeitablauf, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Randnummer 5 Das Arbeitsverhältnis darf nach dessen Zeitablauf ein weiteres Mal befristet werden. Randnummer 6 Das Arbeitsverhältnis wird vorläufig zur Probe für die Zeit vom 01.10.10 bis 31.12.10 abgeschlossen und endet durch Zeitablauf, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Randnummer 7 Während der Probezeit kann das Arbeitsverhältnis mit der kürzesten Kündigungsfrist beendet werden, die der jeweils geltende Tarifvertrag im Einzelhandel zulässt. Das Recht zur fristlosen Kündigung bleibt unberührt. Randnummer 8 Wird das Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Probezeit hinaus fortgesetzt oder war keine Probezeit vereinbart, so endet das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vereinbarten Befristung, ohne dass es einer Kündigung bedarf." Randnummer 9 Im Arbeitsvertrag handschriftlich von der Mitarbeiterin E. eingesetzt sind die Daten der Befristung, der Probezeit und der Tätigkeit der Klägerin. Im Übrigen sind die Formulierungen vorgedruckt. Über die Kündigung ist in § 5 geregelt dass, wenn das Arbeitsverhältnis über den Ablauf der Probezeit hinaus fortgesetzt oder keine Probezeit vereinbart war, für beide Seiten eine Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende gilt. Randnummer 10 Mit Schreiben vom 20.12.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, das Arbeitsverhältnis ende mit Ablauf der Probezeit zum 31.12.2010. Mit am 21. Januar 2011 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Klage erhoben zunächst mit dem Antrag, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 21.09.2010 nicht am 31.12.2010 endet, sondern auf unbestimmte Zeit fortbestehe. Außerdem hat sie beantragt, sie über den 31.12.2010 hinaus als Textilwarenverkäuferin weiter zu beschäftigen. Randnummer 11 Ein nicht unterzeichnetes Schreiben vom 22.02.2011 mit Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2011 ging der Klägerin ebenfalls zu. Randnummer 12 Die Klägerin hat zuletzt nur noch den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.06.2011 verfolgt. Sie hält die Probezeitbefristung zum 31.12.2010 angesichts der im Arbeitsvertrag vorangestellten Befristung für überraschend, jedenfalls aber für intransparent. Die Kündigungserklärung vom 22.02.2011 habe das Arbeitsverhältnis nicht beendet, weil sie nicht unterzeichnet war. Randnummer 13 Die Klägerin hat zuletzt beantragt, Randnummer 14 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 21.09.2010 nicht am 31.12.2010 endet, sondern bis zum 30.06.2011 fortbesteht. Randnummer 15 festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis weder durch das Schreiben vom 22.02.2011 beendet ist noch aufgrund anderer Beendigungstatbestände endet, sondern bis zum 30.06.2011 fortbesteht. Randnummer 16 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 17 die Klage abzuweisen. Randnummer 18 Sie hat die Wirksamkeit der Befristungsregelung im Arbeitsvertrag verteidigt. Es sei keine überraschende oder intransparente Regelung. Jedenfalls sei die Nichtverlängerungsmitteilung vom 20.12.2010 in eine Kündigungserklärung umzudeuten, die das Arbeitsverhältnis zum 04.01.2011 beende. Schließlich habe die Klägerin die hilfsweise ausgesprochene Kündigung vom 22.02.2011 nicht rechtzeitig angegriffen. Randnummer 19 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 11.07.2011 verwiesen. Randnummer 20 In diesem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage vollumfänglich entsprochen. Das Arbeitsverhältnis endete weder durch Befristungsablauf noch durch Kündigung vor dem 30.06.2011. Die Probezeitbefristung habe das Arbeitsverhältnis nicht beendet, weil diese Regelung als überraschende Klausel nicht Vertragsbestandteil geworden sei. Die Probezeitbefristung sei allgemeine Geschäftsbedingung und trage einen überraschenden Charakter. Dem stehe nicht entgegen, dass beide Regelungen optisch gleichrangig im Vertrag auftauchten, also keine von ihnen besonders hervorgehoben oder extra kleingedruckt sei. Die beiden Befristungen stünden nicht unabhängig voneinander, vielmehr nehme die Probezeitbefristung der anderen erstgenannten längeren Befristung deren Anwendungsbereich. Der Vertrag regele nicht, dies sei auch sonst zwischen den Parteien nicht klar, wie eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 31.12.2010 hinaus begründet werde also etwa durch bloße Weiterbeschäftigung oder gesonderte Vereinbarung. Selbst wenn die Probezeitbefristung Vertragsbestandteil geworden wäre, könnte die Beklagte sich nicht auf sie berufen. Die Klausel wäre wegen Verstoß gegen das Transparenzgebot unwirksam. Damit sei das Arbeitsverhältnis nicht wirksam zum 31.12.2010 befrist gewesen sondern habe bis zum 30.06.2011 fortbestanden. Auch habe die Beklagte dieses nicht durch eine ausgesprochene oder umgedeutete Kündigung beendet. Die Kündigung vom 22.02.2011 sei formunwirksam, weil sie nicht unterzeichnet sei. Die Mitteilung der Beklagten vom 20.12.2010 habe das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.12.2010 beendet. Es handele sich nicht um eine Kündigungserklärung. Die Rüge der Beklagten, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin sei kein ordnungsgemäßer Vertreter, sei nicht durchschlagend. Zum einen sei unerklärlich, aus welchem Grunde sie Herrn Rechtsanwalt D. als nicht bevollmächtigt ansehe, da die Klägerin die gesamte Verhandlung über persönlich anwesend sei, mit ihm zusammen Vergleichsüberlegungen angestellt habe und er zudem auch bereits im Gütetermin als ihr Prozessbevollmächtigter aufgetreten war. Der bloße Umstand, dass er seinerzeit als Assessor der Kanzlei K. erschienen und zwischenzeitlich seinen Briefkopf geändert habe, sei nicht beachtlich. Das Arbeitsgericht hat den Wert des Streitgegenstandes auf die von der Klägerin angegebenen durchschnittlichen Bezüge von 841,66 EUR gestützt. Randnummer 21 Wegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die vorbezeichnete Entscheidung verwiesen. Randnummer 22 Das Urteil wurde der Beklagten am 15.07.2011 zugestellt. Die Beklagte hat am 12.08.2011 Berufung eingelegt und ihre Berufung, nachdem die Frist zur Begründung bis 14.10.2011 verlängert worden war, mit am 12.10.2011 eingegangenem Schriftsatz begründet. Randnummer 23 Die Beklagte greift das arbeitsgerichtliche Urteil aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen an. Die Annahme sei falsch, dass ein durchschnittlicher Arbeitnehmer keine endbefristete Probezeit erwarten könne. Zum einen sei die Klägerin auf die Probezeitendbefristung ausdrücklich von der Leiterin der Filiale, Frau E., die den Vertrag auch unterzeichnet habe, hingewiesen worden. Zum anderen müsse sowohl das Datum des Beginns als auch das Ende der Probezeit konkret eingetragen werden. Die Befristung sei nicht vorgegeben. Der durchschnittliche Arbeitnehmer müsse sich also mit der Probezeitbefristung zwangsläufig auseinandersetzen. Die Regelung einer endbefristeten Probezeit in unbefristeten Verträgen sei überhaupt nicht ungewöhnlich und komme sehr häufig vor. Die Beklagte wirft die Frage auf, weshalb der durchschnittliche Arbeitnehmer von einer endbefristeten Probezeit in eine unbefristete Probezeit weniger überrascht sein soll als von einer endbefristeten Probezeit in einem befristeten Arbeitsverhältnis. Die Doppelbefristung in einem Arbeitsvertrag sei für einen Arbeitnehmer weniger überraschend als eine endbefristete Probezeit in einem unbefristeten Arbeitsvertrag. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, auf die sich das Arbeitsgericht stütze, sei deswegen ergangen, weil eine ausschließlich drucktechnische Hervorhebung der Befristung des Arbeitsvertrages im Vergleich zur Befristung des Probearbeitsvertrages die Regelung den überraschenden Charakter verliehen habe. Hier liege aber keine kleingedruckte Probezeitendbefristung vor, auch nicht eine drucktechnisch hervorgehobene Endbefristung des Arbeitsverhältnisses. Es bestehe keine optische Ungleichheit zwischen den beiden Befristungen. Beide seien absolut gleichrangig und müssten auch eingetragen werden. Außerdem deute bereits die Überschrift auf die Befristung der Probezeit hin. Der Vertrag regele auch sehr wohl, wie eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über den 31.12.2010 hinaus begründet werden sollte. Es werde ausdrücklich geregelt, dass bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses über die Probezeit hinaus das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der vereinbarten Befristung ende ohne dass es einer Kündigung bedürfe. Es werde also klar festgelegt, dass bei einer bloßen Weiterbeschäftigung die Probezeitendbefristung nicht zum Tragen komme, sondern dann automatisch die zeitlich zweite Befristung zum 30.06.2011. Es dürfte unstreitig sein, dass bei einem bloßen Weiterarbeiten über den 31.12.2010 hinaus das Arbeitsverhältnis als fortgesetzt gelte. Ein entgegenstehender Wille müsste dann schon vorher ausdrücklich oder in dem Moment des Weiterarbeitens zum Ausdruck gekommen sein. Eine Doppelbefristung mache auch in der Arbeitswelt absolut Sinn. Die Parteien müssten nicht nochmals gesondert eine Befristung vereinbaren, wie es das TzBfG zum Beispiel bei Verlängerungen vorsehe, sondern die zeitlich zweite Befristung sei praktisch die vorweggenommene Verlängerung des Arbeitsverhältnisses. Randnummer 24 Auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot liege nicht vor. Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts überzeuge nicht, dass die Regelungen nicht ohne Weiteres einen vernünftigen Sinn ergäben. Die vorliegende Regelung habe sehr wohl einen vernünftigen Sinn, wie bereits dargestellt. Es treffe auch nicht zu, dass durch die endbefristete Probezeit der zeitlich zweiten Befristung die Grundlage entzogen werde. Beide Regelungen hätten ihren Sinn, wie auch die vielfache Anwendung dieser Doppelbefristung bei der Beklagten in der Vergangenheit gezeigt habe. Werde über die endbefristete Probezeit hinaus einfach weitergearbeitet, komme automatisch die zeitlich zweite Befristung zum Tragen. Randnummer 25 Die Nichtverlängerungsmittelung vom 20.12.2010 habe nicht nur deklaratorischen Charakter, da erst mit ihr der Klägerin unmissverständlich deutlich gemacht wurde, dass auch ein bloßes Weiterarbeiten nicht zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führe. Der Mitteilung nur deklaratorischen Charakter zuzusprechen sei daher falsch. Über eine Nichtbeteiligung des Betriebsrats hätten die Parteien nicht gestritten, entsprechenden Vortrag habe die Klägerin auch nicht gehalten. Randnummer 26 Es sei auch weiter legitim, die Prozessbevollmächtigung in Frage zu stellen. Sie habe lediglich einen weiteren Gerichtstermin angeregt, um die Frage der Prozessbevollmächtigung zu klären. Randnummer 27 Zumindest hinsichtlich der Streitwertentscheidung sei das Urteil deswegen fehlerhaft, weil die Zusatzvereinbarung, die bereits mit der Klageschrift vorgelegt wurde, vom Gericht nicht beachtet worden ist. Randnummer 28 Die Beklagte beantragt, Randnummer 29 das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11.07.2011 - 3 Ca 96/11 - aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen. Randnummer 30 Die Klägerin beantragt, Randnummer 31 die Berufung wird zurückgewiesen. Randnummer 32 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Randnummer 33 Wegen der weiteren Einzelheiten des umfangreichen Sach- und Streitstandes im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter wird verwiesen auf die Feststellungen zum Sitzungsprotokoll vom 01.12.2011.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 11.07.2011 - 3 Ca 96/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Der Streitwert wird auf 1.110,00 € festgesetzt. Die Revision wird zugelassen.
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Thüringer Landessozialgericht 9. Senat
Thüringen
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27.09.2012
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Randnummer 1 Die Kläger wenden sich gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide des Beklagten. Randnummer 2 Auf ihren Fortzahlungsantrag vom Oktober 2006 bewilligte der Beklagte den miteinander verheirateten Klägern u. a. für die Monate Februar und März 2007 Leistungen in Höhe von jeweils 390,21 EUR bzw. 390,20 EUR (vgl. Änderungsbescheid vom 13. Februar 2007). Mit bestandskräftigem Änderungsbescheid vom 10. April 2007 wurden die Leistungen abermals geändert (Februar 2007: Klägerin 386,58 EUR, Kläger 386,57 EUR; März 2007: für beide Kläger jeweils 382,95 EUR). Grund dafür war ein Krankenhausaufenthalt des Klägers vom 27. Februar 2007 bis 4. März 2007. Mit Änderungsbescheid vom 27. April 2007 wurden die Leistungen für Februar 2007 nach Vorlage der Verdienstabrechnung des Klägers erneut geändert (Klägerin: 403,78 EUR; Kläger: 403,77 EUR). Randnummer 3 Nach einem im Januar 2008 erfolgten Datenabgleich mit dem Bundeszentralamt für Steuern über Kapitalerträge in Höhe von 341,- EUR im Jahre 2006 forderte der Beklagte den Kläger zur Vorlage der diesbezüglichen Unterlagen auf, worauf dieser mitteilte, dass es sich um Zinsen aus einem festangelegten Sparplan für den Zeitraum 1992 bis 2007 handle, die nicht ausgezahlt würden und somit nicht als Einkommen anzurechnen seien. Auf Anforderung übersandten die Kläger den Abschlusskontoauszug zum 31. Januar 2007. Darin finden sich folgende Eintragungen: Randnummer 4 Bonus 31.01.07 1.288,46 Zinsen 31.01.07 31,83 Auflösung 01.02.07 12.534,63 Randnummer 5 Mit gesonderten Schreiben vom 4. August 2008 wurde den Klägern mitgeteilt, dass sie im Zeitraum Februar und März 2007 Leistungen in Höhe von jeweils 630,- EUR zu Unrecht bezogen hätten, weil sie Einkommen aus Kapitalvermögen gehabt hätten. Es werde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Randnummer 6 Mit gesonderten Bescheiden vom 10. Dezember 2008 teilte der Beklagte den Klägern mit, dass "die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II)" vom 1. Februar bis 31. März 2007 teilweise in Höhe von 630,- EUR aufgehoben werde. Die im einzelnen spezifizierten Leistungen seien zu erstatten. Auf Bl. 303 und 304 der Verwaltungsakte wird Bezug genommen. Randnummer 7 Die Widersprüche dagegen (W 108/09 und 109/09) blieben erfolglos (Widerspruchsbescheide vom 2. Februar 2009). Randnummer 8 Die anschließenden Klagen hat das Sozialgericht zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Die Kläger haben vorgetragen, dass zum Sparplan je vollendetes Jahr eine Anwartschaft von 1/15 der Bonussumme entstanden sei. Vor dem SGB II-Leistungsbezug ab 1. Januar 2005 seien bereits 12/15 des Bonus entstanden, so dass lediglich der auf den übrigen Zeitraum entfallende Bonus - also 102,- EUR - angerechnet werden dürfe. Mit Gerichtsbescheid vom 31. März 2011 ist die auf teilweise Aufhebung der angegriffenen Bescheide (soweit ein Betrag von 102,- EUR überstiegen wird) gerichtete Klage abgewiesen worden, weil die den Klägern im Februar 2007 zugeflossene Bonussumme sowie die zum Vertragsende realisierten Zinszahlungen für die Jahre 2004 bis 2006 in voller Höhe als Einkommen anzurechnen seien. Die angegriffenen Bescheide seien auch formell rechtmäßig, insbesondere hinreichend bestimmt. Randnummer 9 Mit der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Mit einem außerhalb einer nach § 106a SGG gesetzten Frist bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vertreten sie die Ansicht, dass die Bescheide schon deshalb rechtswidrig seien, weil die aufzuhebenden Bewilligungsbescheide nicht genannt würden. Im Übrigen sei die Bonuszahlung wegen der anwartschaftsähnlichen Vereinbarung als Vermögen anzusehen und daher nicht verwertbar. Randnummer 10 Die Kläger beantragen, Randnummer 11 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nordhausen vom 31. März 2011 aufzuheben und die Bescheide vom 10. Dezember 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Februar 2009 insoweit abzuändern, wie die Aufhebung und Erstattung den Betrag von 102,- EUR übersteigt. Randnummer 12 Der Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 14 Er hält die angegriffene Entscheidung für rechtmäßig. Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Die Akte S 18 AS 592/09 des Sozialgerichts Nordhausen und die Verwaltungsakte des Beklagten lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nordhausen vom 31. März 2011 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre gab die Klägerin als „Art des Unternehmens“ „Finanzdienstleistung“ an. Die für 2004 ermittelte Umsatzsteuer betrug 1.154,80 EUR und die für 2005 760,59 EUR. Nach § 4 Nr. 11 Umsatzsteuergesetz in der für die Streitjahre geltenden Fassung (UStG) steuerfreie Umsätze hatte die Klägerin in Höhe von 6.831,- EUR (2004) und 3.719,- EUR (2005) angegeben. Die beim Beklagten am 31. Mai 2005 (2004) und 24. Februar 2006 (2005) eingegangenen Umsatzsteuererklärungen galten gemäß § 168 Satz 1 Abgabenordnung (AO) als Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. 2 Nach einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung in 2005 (s. Bericht vom 27. Juni 2005; Betriebsprüfungsakten - Bp-Akten - Blatt 3) änderte der Beklagte die Umsatzsteuerfestsetzung für 2004 gemäß § 164 Abs. 2 AO, ohne den Vorbehalt der Nachprüfung aufzuheben. Mit Umsatzsteuerbescheid vom 1. August 2005 setzte er Umsatzsteuer 2004 in Höhe von 1.507,63 EUR fest. Unentgeltliche Wertabgaben (private Kfz-Nutzung) berücksichtigte er in Höhe von 114,- EUR. Abziehbare Vorsteuerbeträge kürzte er von 509,65 EUR auf 174,93 EUR (s. Tz. 20 des Berichts; Bp-Akten Blatt 5). 3 Auch die Umsatzsteuerfestsetzung für 2005 wurde gemäß § 164 Abs. 2 AO geändert, ohne dass der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde. Mit Umsatzsteuerbescheid vom 11. Januar 2007 setzte der Beklagte Umsatzsteuer 2005 in Höhe von 919,68 EUR fest. Unentgeltliche Wertabgaben („umsatzsteuerpflichtiger Anteil am Pkw-Eigenverbrauch für den XXX“) berücksichtigte er in Höhe von 170,- EUR. Abziehbare Vorsteuerbeträge kürzte er von 385,97 EUR auf 254,08 EUR („Aufteilung im Verhältnis steuerfreie zu steuerpflichtigen Umsätzen“). 4 Am 8. Februar 2006 ging beim Beklagten eine anonyme Anzeige eines „erlichen Bürgers“ ein (Ermittlungsakten Band I Blatt 2). Dieser führte u.a. aus, ihm sei aufgefallen, dass die Klägerin und ihr Ehemann in den letzten Jahren „in Internet (ebay) unter verschiedenen Internetnamen (N 1, N 2, N 3, N 4) mehrere Hundert Pelzware verkauft hat“. Der Beklagte bat aufgrund dessen die Steuerfahndung (Steufa) um Prüfung. Diese ermittelte Folgendes: 5 In den Jahren 2005 und 2006 wurden über das ebay-Konto N 2 Umsätze in Höhe von 54.166,06 EUR erzielt (2005: 21.862,06 EUR und 2006: 32.304,- EUR), in den Jahren 2003-2006 über das ebay-Konto N 5 Umsätze in Höhe von 8.148,40 EUR (2003: 188,50 EUR, 2004: 3.311,02 EUR, 2005: 4.433,38 EUR und 2006: 215,50 EUR), in den Jahren 2005 und 2006 über das ebay-Konto N 4 Umsätze in Höhe von 15.568,72 EUR (2005: 3.653,25 EUR und 2006: 11.915,47 EUR), in den Jahren 2004 und 2005 über das ebay-Konto N 6 Umsätze in Höhe von 87.383,57 EUR (2004: 33.032,41 EUR und 2005: 54.351,16 EUR) und in 2005 über das ebay-Konto N 7 Umsätze in Höhe von 2.716,52 EUR (Ermittlungsakten Band I Blatt 5 ff., 17 ff.). Die Umsätze, die aus Verkäufen über die ebay-Konten N 2, N 5 und N 4 resultierten, rechnete der Beklagte dem Ehemann der Klägerin zu, die, die über die Konten N 6 und N 7 erfolgten, der Klägerin (Ermittlungsakten Band I Blatt 15). Die Klägerin war mit ihrem Namen bei ebay mit den Mitgliedsnamen N 6 und N 7 angemeldet. Verkauft wurden über die Konten N 6 und N 7 im Wesentlichen Nerzmäntel und -jacken, insgesamt 140 Stück (s. einzelne Anzeigen; Ermittlungsakten Band I Blatt 38 ff.). Auch über die ebay-Konten des Ehemannes der Klägerin sind, neben anderen Haushaltsgegenständen (Vasen, Teegläser, Kerzenständer, Kleidung, Modellautos), Parfum und Spielzeug, Pelzmäntel (79 Stück) verkauft worden. In den Streitjahren liefen bei der X-Bank folgende Konten auf den Namen der Klägerin (s. Schreiben der X-Bank vom 17. Oktober 2008; Ermittlungsakten Band I Blatt 82 ff.): Konto 1, Konto 2, Konto 3 (Verfügungsberechtigter: der Ehemann der Klägerin) und Konto 4. Ansonsten liefen folgende Konten auf ihren Namen: Kto. I bei der Y-Bank und Nr. 1 bei der Z-Bank (Ermittlungsakten Band I Blatt 30). Bei ebay gespeichert waren für alle ebay-Konten, auch die des Ehemannes der Klägerin, auf den Namen der Klägerin lautende Konten bei der X-Bank (Konto 1 und Konto 3; Ermittlungsakten Band I Blatt 37 und Rechtsbehelfsakten Blatt 19). 6 Am 22. Mai 2007 wurde gegenüber der Klägerin das Strafverfahren u.a. wegen des Verdachts der Verkürzung von Umsatzsteuer 2004 und 2005 eingeleitet (Ermittlungsakten Band I Blatt 25). Im Laufe des Strafverfahrens äußerte sich der Ehemann der Klägerin dahingehend, dass es sich bei den Gegenständen, die über die ebay-Konten        N 2, N 5 und N 4 verkauft worden seien, um solche aus seinem privaten Besitz und der umfangreichen Auflösung seines privaten Haushalts gehandelt habe. Die Umsätze daraus unterlägen keiner Steuerpflicht. Die Verkaufsobjekte seien ab 1,- EUR angeboten und mit hohem Wertverlust abgegeben worden. 7 Die Straf- und Bußgeldsachenstelle (StraBu) schrieb verschiedene Käufer von Pelzmänteln als Zeugen an (Ermittlungsakten Band I Blatt 85 ff.) und stellte ihnen folgende Fragen: 8 „1. Trifft es zu, dass Sie im [Monats- und Jahresangabe] bei ebay einen Nerzmantel für [Betragsangabe in EUR] ersteigert haben? 2. Falls ja, haben Sie über diesen Kauf eine Rechnung erhalten? […] 3. Ist über diesen Kauf noch Schriftwechsel (evtl. e-mails) vorhanden? […] 4. Mit wem hatten Sie Kontakt? 5. Handelte es sich bei dem Pelzmantel um Neuware? Falls nein, wie alt war der Mantel bei Erwerb? 6. Von welchem Hersteller stammt der Pelzmantel?“ 9 Hierzu gingen sechs Antworten bei der StraBu ein. Zu den einzelnen Fragen wird Folgendes ausgeführt: 10 zu 2. - keine Erinnerung an eine Rechnung - keine Rechnung erhalten zu 3. - kein Schriftwechsel vorhanden zu 4. - Kontakt mit Klägerin und deren Ehemann - Mantel persönlich in einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in P bei der Klägerin abgeholt - die Wohnung hatte den Eindruck eines Warenlagers auf ihn gemacht - Kontakt mit der Klägerin - Kontakt mit einem Herren - undefinierbar zu 5. - Mantel erschien als fast neu oder als fast nicht getragen - er war aber keine Neuware, sondern 2-3 Jahre alt - gebrauchte Ware in gutem Zustand - gebrauchte Ware - Alter schwer zu schätzen - als gebrauchter Mantel in Anzeige angeboten - Mantel war extrem neuwertig zu 6. - eingenähte Banderole „xxx“ im Mantel - Label von XXXX - Reklamation bei Verkäufer ist angebracht worden - Kürschnerei aus R - kein Etikett im Mantel 11 Außerdem ermittelte die StraBu, dass die Schwiegermutter der Klägerin am 18. März 2004 in S verstorben war und den Ehemann der Klägerin zu ½ als Erben eingesetzt hatte (Ermittlungsakten Band I Blatt 138). Sie war bis zu ihrem Tode im Pflegeheim St. ..., S betreut worden (Ermittlungsakten Band I Blatt 142). 12 Mit Schreiben vom 27. März 2007 beantragte die Klägerin die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für 2005 und die Berücksichtigung weiterer Vorsteuerbeträge. Dem Antrag war eine Rechnung der Firma F (Fahrzeugzentrum ...) vom 24. November 2005 mit einem Umsatzsteuerausweis in Höhe von 83,24 EUR beigefügt. Dem Vorschlag des Beklagten, lediglich 43,66% (= Verhältnis der steuerpflichtigen zu den steuerfreien Ausgangsumsätzen) der angefallenen Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen (= 36,34 EUR), stimmte die Klägerin zu (s. ihr Schreiben vom 25. Mai 2007; Umsatzsteuerakten Blatt 17). 13 Mit Änderungsbescheiden vom 4. Juli 2007 rechnete der Beklagte der Klägerin Umsätze aus ebay-Verkäufen zu. Die Änderungen erfolgten jeweils nach § 164 Abs. 2 AO. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde nicht aufgehoben. Umsätze zu 16% erhöhten sich für 2004 von 10.402,- EUR auf 38.878,- EUR und für 2005 von 7.166,- EUR auf 56.362,- EUR. Zugleich reduzierte der Beklagte die abziehbaren Vorsteuerbeträge für 2005 von   254,08 EUR auf 241,20 EUR. Umsatzsteuer 2004 setzte der Beklagte in Höhe von 6.603,79 EUR und Umsatzsteuer für 2005 in Höhe von 8.803,92 EUR fest. 14 Die dagegen eingelegten Einsprüche begründete die Klägerin, vertreten durch ihren Bevollmächtigten, wie folgt: Die vom Beklagten ihr zugerechneten Umsätze seien ihrem Ehemann zuzurechnen. Im Zusammenhang mit der Auflösung des umfangreichen Junggesellenhaushalts ihres Mannes (mehrere Garagen und Kellerlager) und seiner verstorbenen Mutter sei eine große Anzahl privat gebrauchter Haushaltsgegenstände über ebay verkauft worden. Sie sei ihrem Mann bei der Verkaufsabwicklung über das Internet behilflich gewesen und habe alle Auktionen mit dem Hinweis „im Auftrag“ versehen. Ihr Mann sei als Franchise-Nehmer der T zunächst selbständig tätig gewesen und habe wegen einer langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzung mit dieser Insolvenz anmelden müssen (Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens: 11. April 2007 und Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens: 4. Mai 2007; Prozesskostenhilfeakten Blatt 34 ff.). In 2005 sei seine Penthousewohnung in P (... straße; Rechtsbehelfsakten Blatt 56 ff.) versteigert worden. Zu dieser hätten ein Tiefgaragenparkplatz und ein Kellerraum gehört. Ein zweiter Tiefgaragenparkplatz im Haus sowie eine weitere Garage in der Stadt (... platz, gemietet von der Stadt P) seien angemietet gewesen. In diesen habe ihr Ehemann u.a. seine Spielsachen aus der Jugend sowie Erbstücke seiner Mutter aufbewahrt, bspw. 7 Schrankmeter Pelze. Wegen des Auszugs aus der Wohnung und der der Insolvenz folgenden Knappheit habe man den Entschluss gefasst, den nicht benötigten Haushalt, das Spielzeug sowie die Pelze über ebay zu veräußern. Dies habe zum Einen das Lagerproblem und zum Anderen das Liquiditätsproblem gelöst. Schließlich seien die Sachen bereits vorhanden gewesen und hätten nicht vorfinanziert werden müssen. Die Abwicklung über das gemeinschaftlich genutzte Konto sei deswegen erfolgt, weil zu diesem Zeitpunkt nur sie, die Klägerin, eine Bankverbindung gehabt habe. Wegen des Insolvenzverfahrens sei ihr Mann nicht Inhaber eines Girokontos gewesen. Die Sachen seiner Mutter seien zwischen 1960 und 1985 angeschafft worden. Wegen des Auszugs ihrer Schwiegermutter aus ihrem Haus in P und des Umzugs in das räumlich begrenzte Altersheim D in 1991 seien diese Gegenstände an ihn übergeben worden. Auf Grund der lange vergangenen Zeit und dreier weiterer Umzüge habe sie, die Klägerin, hierfür keine Unterlagen mehr. 15 Im Rahmen des Einspruchsverfahrens reichte sie folgende Bestätigung ihres Ehemannes vom 29. Juli 2007 ein (Rechtsbehelfsakten Blatt 12): „bestätige ich hiermit, dass ich Frau A damit beauftragt hatte, den Großteil der Gegenstände meines privaten Haushaltes für mich bei ebay zu verkaufen und bei der Verkaufsabwicklung behilflich zu sein“. Zudem versicherte der Ehemann der Klägerin am 17. Februar 2008 an Eides statt (Rechtsbehelfsakten Blatt 53): „dass ich Frau A damit beauftragt hatte, den Großteil der Gegenstände meines privaten Haushaltes für mich über ebay zu verkaufen und bei der Verkaufsabwicklung behilflich zu sein“. 16 Die Einspruchsverfahren waren zum Teil erfolgreich. Der Beklagte kam zu dem Ergebnis, dass der Klägerin nicht sämtliche Verkäufe über ebay zuzurechnen seien, sondern nur die Verkäufe der Pelzmäntel (s. Berechnung; Rechtsbehelfsakten Blatt 73 f.). Für 2004 reduzierten sich die Umsätze zu 16% daher auf 38.625,- EUR und die festgesetzte Umsatzsteuer auf 6.023,31 EUR (s. Änderungsbescheid vom 29. Januar 2010; Umsatzsteuerakten Blatt 16). Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde nicht aufgehoben. Für 2005 erging „wegen Anwendung der Kleinbetragsverordnung“ kein Änderungsbescheid. Umsätze zu 16% sollten nur noch in Höhe von 56.355,- EUR berücksichtigt werden (s. Berechnungsblatt vom 22. Januar 2010; Umsatzsteuerakten Blatt 22). 17 Im Übrigen wies der Beklagte die Einsprüche der Klägerin mit Einspruchsentscheidungen vom 1. Februar 2010 als unbegründet zurück (Rechtsbehelfsakten Blatt 98 ff.). Zur Begründung führte er aus, es sei nicht glaubhaft, dass die veräußerten Pelzmäntel aus  dem Besitz der Schwiegermutter der Klägerin stammten. Insbesondere die Angaben, die Pelzmäntel seien zwischen 1960 und 1985 angeschafft worden und somit beim Verkauf in den Streitjahren zwischen 20 und über 40 Jahre alt gewesen, seien angesichts des Umstands, dass sie im Internet häufig als „neu“ bzw. „wie neu“ angeboten worden waren, nicht nachvollziehbar. Auch könnten Kellerräume und Garagen sicherlich nicht als geeigneter Aufbewahrungsraum für Pelze angesehen werden, zumal diese dort an die 13 Jahre gelagert haben sollen. Bei einer solchen Lagerung dürften die Pelze Schaden genommen haben. Ein muffiger Geruch der Pelze sei bei einer derartigen Lagerung nicht zu vermeiden gewesen. Ein solcher Zustand hätte bei den Käufern sicherlich zu Reklamationen geführt. Über die Internet-Bewertung hätte sich schnell die schlechte Qualität der Pelze herumgesprochen, so dass der Verkauf einer solchen Vielzahl von Pelzen nicht möglich gewesen wäre. Auch lasse der Umstand, dass Pelze in unterschiedlichen Größen veräußert worden seien, den Schluss zu, dass es sich nicht um den privaten Besitz der Schwiegermutter gehandelt hat. Das Gleiche gelte für die Anzahl von über 200 veräußerten Pelzen. Die Umsätze seien der Klägerin zuzurechnen. Nachweise dafür, dass sie lediglich im Auftrag gehandelt hatte, seien nicht vorgelegt worden. Die Bestätigung ihres Ehemannes hierfür überzeuge nicht. Der Vortrag der Klägerin hierzu sei als Schutzbehauptung einzustufen. Aufgrund des Insolvenzverfahrens des Ehemannes wären Steuerforderungen der Finanzverwaltung ihm gegenüber uneinbringlich. 18 Am 18. Februar 2010 erhob die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Klage. Zur Begründung verweist sie auf ihren Vortrag im außergerichtlichen Verfahren. Daneben führt sie aus, die Pelze seien fachgerecht (dunkel, jeweils in einer separaten Manteltasche verpackt, hängend und mit Antimottenpackungen versehen) eingelagert gewesen. Keller und Garagen seien ausreichend gelüftet gewesen. Sie hätten nicht unangenehm gerochen. Auch sonst hätten sie keine schädigenden Eigenschaften auf die Pelze gehabt. Die Mäntel seien sehr wenig getragen gewesen. Ihre Schwiegermutter habe sehr gerne Pelze getragen (s. Kopien von Photos; Finanzgerichtsakte - FG-Akte - Blatt 63 ff.). Die unterschiedliche Größe der Pelze resultiere aus der unterschiedlichen Kleidergröße ihrer Schwiegermutter. Diese könne sich in einem Zeitraum von 1960 bis 1985 schon mal ändern. Im Übrigen fielen, je nach Firma, Kleidungsstücke unterschiedlich groß aus. Die zahlreichen Gegenstände seien auf sie und ihren Ehemann aufgeteilt worden, um sie schnell veräußern zu können. Arbeiteten zwei Personen gleichzeitig unter demselben ebay-Namen, störten sie sich gegenseitig beim Einstellen und Bearbeiten von Angeboten. Sie sei lediglich als Erfüllungsgehilfin ihres Ehemannes tätig gewesen. Diese Verkaufstätigkeit sei im Übrigen nicht nachhaltig gewesen. Beim Verkauf der Haushaltsgegenstände ihrer Schwiegermutter habe es sich um eine einmalige und unwiederholbare Angelegenheit gehandelt. Die Pelze seien im Zeitraum Mai 2004 bis Oktober 2005 verkauft worden. Auch habe nicht sie am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen, sondern ihr Ehemann. Schließlich habe sie, nach außen erkennbar, im Auftrag ihres Mannes gehandelt. Bei einem Angebot von 1,- EUR/Pelzmantel liege des Weiteren keine Gewinnerzielungsabsicht vor. Auf den jeweils erzielten Verkaufspreis habe sie keinen Einfluss gehabt. Im Übrigen sei die vom Beklagten ermittelte Höhe der Umsätze aus ebay-Verkäufen nicht korrekt. 19 Die Klägerin beantragt, 1. die Umsatzsteuerbescheide für 2004 vom 29. Januar 2010 und für 2005 vom 4. Juli 2007, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2010, dahingehend zu ändern, dass die Umsätze zu 16% für 2004 um 28.223,- EUR und für 2005 um 49.196,- EUR reduziert werden und 2. die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. 20 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. 21 Zur Begründung verweist er auf seine Einspruchsentscheidungen vom 1. Februar 2010. Ergänzend führt er aus, die Klägerin hätte auch unter dem ebay-Namen ihres Mannes tätig werden können. Schließlich habe dieser mehrere ebay-Konten gehabt. Nachhaltigkeit liege bei Wiederholungen vor. Es sei nicht glaubhaft, dass die Schwiegermutter der Klägerin 219 Pelzmäntel besessen hat. 22 Am 24. November 2011 fand ein Erörterungstermin statt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen (FG-Akte Blatt 185). In diesem bekräftigte die Klägerin, sie habe ihre beiden ebay-Konten im Zusammenhang mit der Auflösung des Haushalts ihres Ehemannes einrichten lassen. Ihr Mann habe seine Eigentumswohnung aufgeben müssen. Sie seien dann in eine Mietwohnung gezogen. Deswegen und um an weitere liquide Mittel zu kommen, um den Lebensunterhalt zu finanzieren, hätten sie verschiedene Dinge veräußern müssen. 2002 sei sie nach Deutschland gekommen. Die Texte für die Angebote bei ebay habe ihr Mann geschrieben, weil sie noch nicht so gut Deutsch habe sprechen können. Die Beklagtenseite unterstrich, man habe lediglich die Veräußerung der Pelzmäntel über ebay der unternehmerischen Tätigkeit der Klägerin zugerechnet. Alle anderen Veräußerungen, die die Klägerin über ebay getätigt habe, seien ihrer unternehmerischen Tätigkeit nicht zugerechnet worden. Entscheidend sei für ihn, den Beklagten, wer am Markt aufgetreten ist, die Klägerin oder ihr Mann. 23 In der Folge führte die Klägerin aus, die über das ebay-Konto N 6 erzielten Umsätze seien nicht ihr zuzurechnen. Ebay habe bestätigt, dass dieses ebay-Konto weder von ihr noch von ihrem Ehemann angemeldet worden sei (s. E-Mail von ebay vom 30. Dezember 2011; FG-Akte Blatt 194). Allerdings gelte das nicht für das ebay-Konto N 7. Zudem reichte die Klägerin eine undatierte Bestätigung des Bruders ihres Ehemannes ein (FG-Akte Blatt 198), der erklärt, seine Mutter habe eine Vorliebe für Pelzmäntel und -jacken gehabt und „daher davon eine stattliche Sammlung“ besessen. Diese sei in mehreren Schränken im Haus untergebracht gewesen, bspw. in einer langen Schrankwand im Schlafzimmer seiner Eltern. Er habe seit seinem Abitur nicht mehr zu Hause gewohnt und könne nur sagen, dass seine Mutter ihre Mäntel „immer sehr gut hütete und sorgsam in einzelnen Mantelhüllen aufbewahrte“. Anlässlich ihres Umzugs aus ihrem Haus in P in das Wohnheim in D habe sie die Pelze seinem Bruder, dem Ehemann der Klägerin, geschenkt. 24 Der Beklagte erwiderte hierauf, das ebay-Konto N 6 sei der Klägerin zuzurechnen. Es sei am 4. April 2004 unter der ebay-Nummer xxx eröffnet und inzwischen wieder gelöscht worden. Am 26. Oktober 2008 sei ein Konto mit dem gleichen Namen, allerdings unter der ebay-Nummer yyy eröffnet worden. Dieses sei nicht der Klägerin zuzurechnen (s. E-Mail von ebay vom 14. März 2012; FG-Akte Blatt 207). 25 Mit Beschluss vom 3. April 2012 ordnete der Senat die Vernehmung von B (Ehemann der Klägerin) und C (Schwager der Klägerin) als Zeugen an. Letzterer machte mit Schreiben vom 5. Juli 2012 von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. B wurde in der mündlichen Verhandlung am 18. Juli 2012 vor dem Senat vernommen. Wegen des Inhalts der Sitzung wird auf die Niederschrift, wegen des Inhalts der Zeugenaussage sowie der ergänzenden, auf Tonträger aufgezeichneten Ausführungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf die Tonaufnahme Bezug genommen.
1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2004 vom 29. Januar 2010 und für 2005 vom 4. Juli 2007, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Februar 2010, werden dahingehend geändert, dass die Nettoumsätze zu 16% für 2004 um 28.223,- EUR und für 2005 um 49.196,- EUR reduziert werden. 2. Die Neuberechnung der Umsatzsteuer 2004 und 2005 wird dem Beklagten übertragen. 3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 4. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt. 5. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der noch zu erlassende Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500,- EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit zu leisten. Liegt der vollstreckbare Kostenerstattungsanspruch im Wert bei 1.500,- EUR oder darunter, ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar. In diesem Fall kann der Beklagte der Vollstreckung widersprechen, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leistet.
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Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern 8. Senat
Mecklenburg-Vorpommern
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23.09.2019
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Randnummer 1 Die Berufungskläger wenden sich gegen eine vollständige Leistungsaufhebung für die Monate Mai bis Juli 2010 und begehren höhere Grundsicherungsleistungen für die Zeit von Februar bis Juli 2010 unter Berücksichtigung der nach einem Umzug anfallenden Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) und ohne Anrechnung von Einkommen der von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossenen Klägerin. Randnummer 2 Der .... geborene Kläger zu 1 und seine .... geborene Partnerin – die Klägerin – bewohnten zusammen mit dem Kläger zu 2 – ihrem .... geborenen Sohn – eine 3-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von ca. 63 m² in der K.-str. 27 in A-Stadt zu einer Gesamtmiete von 338,61 Euro. Randnummer 3 Nach dem erfolgreichen Abschluss seiner Ausbildung zum Metallbauer im Februar 2009 schloss sich für den Kläger zu 1 bis September 2010 eine berufliche Weiterbildung nach §§ 77, 80, 81 SGB III an, für die die Bundesagentur für Arbeit die Lehrgangskosten übernahm und für die ihm mit Bescheid vom 17. März 2009 laufend Fahrkosten und Kinderbetreuungskosten gewährt wurden. Mit Bescheid vom gleichen Tage bewilligte die Bundesagentur für Arbeit dem Kläger zu 1 außerdem Arbeitslosengeld I vom 16. März 2009 bis auf Weiteres in Höhe von 173,40 Euro monatlich. Weiterhin bezog der Kläger zu 1 von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Nord eine Hinterbliebenenrente mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 181,30 Euro. Außerdem erhielt er eigenes Kindergeld in Höhe von 184 Euro monatlich. Randnummer 4 Die Klägerin absolvierte von September 2008 bis August 2010 eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe beim Berufsförderungszentrum (BfZ) e.V. B-Stadt und erhielt eine monatliche Vergütung in Höhe von 325,50 Euro. Außerdem bezog sie eine Halbwaisenrente seitens der DRV Nord mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 83,11 Euro. Die Bundesagentur für Arbeit gewährte ihr zudem Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) nach §§ 59 ff. SGB III, vom 1. Januar bis 31. August 2010 in Höhe von 428,00 Euro monatlich. Sie erhielt weiterhin eigenes Kindergeld in Höhe von 202,57 Euro monatlich. Randnummer 5 Zudem wurde ihr für den Kläger zu 2 von der Familienkasse Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro monatlich gezahlt. Für diesen bestand seit 1. Dezember 2007 eine Kinder-Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung zu einem monatlichen Beitrag in Höhe von 25,08 Euro. Randnummer 6 Für das Kraftfahrzeug des Klägers zu 1 waren Beiträge zur Haftpflichtversicherung zu zahlen; der Kläger zu 1 und die Klägerin leisteten Beiträge zu einem sog. Riester-Rentenvertrag in Höhe von monatlich jeweils 20,00 Euro. Randnummer 7 Die Berufungskläger standen im laufenden Leistungsbezug bei dem Beklagten. Zuletzt hatte ihnen dieser für den vorhergehenden Bewilligungsabschnitt mit Bescheid vom 20. Juli 2009 Leistungen für August bis Dezember 2009 in Höhe von 174,98 Euro monatlich und für Januar 2010 in Höhe von 100,18 Euro bewilligt. Randnummer 8 Am 26. Oktober 2009 beantragten der Kläger zu 1 und die Klägerin die Zustimmung des Beklagten zu einem Umzug, da sie mit dem Wohnumfeld und dem Eingang große Schwierigkeiten hätten. Der Aufgang sei sehr schmutzig. Die dort wohnenden Hunde würden vor ihre Tür machen. Nachts sei Lärm im Treppenhaus und laute Musik in der Nachbarwohnung. Da sie beide in der Ausbildung seien und früh mit ihrem Sohn aufstehen müssten, fühlten sie sich sehr gestört. Da die Wohnungsbaugesellschaft keine andere passende Wohnung für sie habe, hätten sie sich bei privaten Vermietern bemüht und eine Wohnung in E. gefunden, die sie aus diesem Wohnumfeld bringe. Da sie dort Verwandte hätten, passe das auch. Die Klägerin müsse in ihrer Ausbildung auch Praktika machen, wo sie abends und am Wochenende tätig sein müsse. So hätten sie Unterstützung bei der Betreuung ihres Sohnes. Beigefügt war u.a. ein Mietangebot eines H. über eine 75 m² große, seit 2009 bezugsfertige Wohnung in der B.-str. 16 in E. zu einer Gesamtmiete von 460,00 Euro, in welcher ein Betrag von 90,00 Euro für Heizung/Warmwasser und von 80,00 Euro für sonstige Nebenkosten enthalten sei. Randnummer 9 Mit Bescheid vom 17. November 2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da für den Umzug keine Notwendigkeit vorliege. Probleme, die aus dem bestehenden Mietvertrag resultierten bzw. die sie mit den Mitbewohnern hätten, seien direkt mit dem Vermieter zu klären. Es lägen keine schwerwiegenden Gründe vor, die einen Umzug rechtfertigen könnten. Randnummer 10 Hiergegen erhob die nunmehr hinzugezogene Prozessbevollmächtigte der Kläger am 17. Dezember 2009 Widerspruch. Randnummer 11 Mit am 28. Dezember 2009 bei dem Beklagten eingegangener Veränderungsmitteilung zeigte die Klägerin an, dass sie und die mit ihr in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zum 1. Januar 2010 nach E. in die B.-str. 16 umziehen würden. Beigefügt war ein Mietvertrag über eine 75 m² große Wohnung mit drei Zimmern, Küche, Flur, Bad und Garage zu einer monatlichen Gesamtmiete von 510,00 Euro (290,00 Euro Grundmiete + Vorauszahlungen: 80,00 Euro Betriebskosten + 55,00 Euro Heizung + 35,00 Euro Warmwasser + 50,00 Euro Strom). Randnummer 12 Der Beklagte stellte daraufhin das Widerspruchsverfahren ein, da sich der Streit um die Erteilung der Zusicherung mit dem Umzug erledigt habe. Randnummer 13 Gleichfalls am 28. Dezember 2009 beantragten die Kläger die Weiterbewilligung der Leistungen ab 1. Februar 2010. Randnummer 14 Mit Bescheid vom 15. Januar 2010 bewilligte der Beklagte den Berufungsklägern daraufhin Leistungen in Höhe von 60,70 Euro monatlich für Februar bis Juli 2010 (Kläger zu 1 45,91 Euro KdU + Kläger zu 2 14,79 Euro KdU), wobei er um Einreichung der neuen Kfz-Beitragsrechnung ab Januar 2010 sowie um Erstellung einer Wohngeldkalkulation für die Bedarfsgemeinschaft ab Februar 2010 bat. Randnummer 15 Hiergegen erhob die Prozessbevollmächtigte der Kläger am 15. Februar 2010 Widerspruch. Randnummer 16 Im Februar 2010 legten die Kläger dann auszugsweise die aktuelle Police für die Kfz-Haftpflichtversicherung sowie eine Vorkalkulation zum Antrag auf Wohngeld vor, wonach ab Februar 2010 für die Klägerin Wohngeld in Höhe von 183,00 Euro gezahlt werden würde, woraufhin der Beklagte den Kläger zu 1 mit Bescheid vom 10. März 2010 zu einer Beantragung von Wohngeld binnen zwei Wochen aufforderte. Randnummer 17 Nachdem der Kläger zu 1 mitgeteilt hatte, am 23. Februar 2010 einen Antrag auf Wohngeld gestellt zu haben, hob der Beklagte mit Bescheiden vom 26. März 2010 die Leistungsbewilligung gegenüber den Berufungsklägern vom 1. Mai bis 31. Juli 2010 wegen fehlender Hilfebedürftigkeit ganz auf. Randnummer 18 Außerdem stellte er im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens gegen eine teilweise Aufhebung und Erstattung der für Januar 2010 gewährten Leistungen Ermittlungen zur Höhe des dem Kläger zu 1 und der Klägerin gezahlten eigenen Kindergeldes und zur Höhe der der Klägerin gewährten BAB an und fragte bei dem vorherigen Vermieter zum Mietverhältnis nach. Die dortige Mitarbeiterin konnte sich ausweislich eines Aktenvermerkes nicht speziell an Unstimmigkeiten zwischen den Klägern und anderen Mietern erinnern. Es sei wohl mal ruhestörender Lärm vorgekommen. Darauf habe der Vermieter aber entsprechend reagiert. Es sei jedoch nicht so gravierend gewesen, dass man hätte ausziehen müssen. Bei so vielen Mietern könne sie sich aber nicht konkret an jedes Vorkommnis erinnern. Es könne durchaus sein, dass sie von den Klägern mal wegen Unstimmigkeiten angesprochen worden sei. Hinsichtlich der Praktika der Klägerin ergab eine Nachfrage beim BfZ, dass das erste Praktikum im Februar/März 2010 in E. und das zweite Praktikum im Mai/Juni 2010 in A-Stadt stattgefunden habe. Randnummer 19 Mit Bescheiden vom 1. April 2010 bewilligte das Amt S. der Klägerin eine monatliche Wohngeldzahlung von 300,00 Euro für die Zeit vom 1. Februar bis 31. August 2010, wobei im April 2010 eine Zahlung von 900,00 Euro (für Februar bis April) und ab Mai dann monatlich eine Zahlung von 300,00 Euro erfolgte. Eine bei der Wohngeldstelle eingegangene Anmeldung eines Erstattungsanspruchs des Beklagten für Februar bis April 2010 in Höhe von 182,10 Euro leitete diese mit Schreiben vom 6. April 2010 an den Kläger zu 1 weiter, da bereits der volle Betrag von 900.00 Euro ausgezahlt worden sei. Randnummer 20 Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2010 wies der Beklagte sodann den Widerspruch der Kläger zurück. Zur Begründung führte er aus, zur Bedarfsgemeinschaft gehörten die Klägerin als erwerbsfähige Hilfebedürftige, der Kläger zu 1 als ihr nicht dauernd getrennt lebender Lebenspartner sowie der minderjährige Kläger zu 2. Die Klägerin sei als BAB-Bezieherin jedoch von Grundsicherungsleistungen ausgeschlossen, § 7 Abs. 5 Satz 1 Var. 2 SGB II. Die monatliche Regelleistung für den Kläger zu 1 betrage 323,00 Euro und für den Kläger zu 2 215,00 Euro. Zusätzlich seien als Bedarf auch noch die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen, § 22 Abs. 1 SGB II. Erhöhten sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, würden nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II aber die Leistungen weiterhin nur in der Höhe der bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen erbracht. Nach § 22 Abs. 2a SGB II würden bei Personen, die – wie die Kläger - das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und umziehen, Leistungen für Unterkunft und Heizung nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages über die Unterkunft zugesichert habe. Dabei sei die Zusicherung nur zu erteilen, wenn der Betroffene aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern oder eines Elternteils verwiesen werden könne, der Bezug der Unterkunft zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich sei oder ein sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund vorliege. Die Klägerin sei mit ihrem Lebensgefährten und dem gemeinsamen Sohn zum 1. Januar 2010 in eine 3-Raum-Wohnung nach E. gezogen, obwohl die Zusicherung zum Umzug aufgrund der fehlenden Notwendigkeit nicht erteilt worden sei. Es habe keine Pflicht zur Erteilung der Zusicherung bestanden, da die Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 Satz 2, Abs. 2a Satz 2 SGB II nicht vorlägen. Der Umzug sei offensichtlich nicht zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich gewesen. Auch habe die Klägerin schon vor dem Umzug gemeinsam mit den Klägern in einer eigenen Wohnung gelebt. Schließlich habe die Klägerin auch keine schwerwiegenden Gründe vorgetragen, die den Umzug rechtfertigen könnten. Zum einen sei nicht ersichtlich, dass es tatsächlich zu unzumutbaren Lärmbelästigungen gekommen sei, gegen die die Klägerin im Übrigen ggf. auch unter Zuhilfenahme der Polizei hätte vorgehen können. Zudem hätte sie auch die Möglichkeit einer Mietminderung gegenüber dem Vermieter gehabt. Zum anderen stelle auch die angeblich bessere Kinderbetreuung während der Praktikumszeiten keinen ausreichend wichtigen Grund dar, da es sich lediglich um 40 Praktikumstage pro Ausbildungsjahr handele und die Klägerin befinde sich auch bereits im 2. Ausbildungsjahr, so dass nicht erkennbar sei, warum die Absicherung der Kinderbetreuung erst jetzt einen Umzug erforderlich machen sollte. Nach Abzug der Warmwasserpauschale hätten die KdU für die alte Wohnung 322,86 Euro betragen, so dass ein Betrag von 107,62 Euro auf jede Person entfalle. Der Gesamtbedarf betrage daher 753,24 Euro (430,62 Euro Kläger zu 1 + 322,62 Euro Kläger zu 2). Randnummer 21 Auf diesen Bedarf sei das zu berücksichtigende Einkommen anzurechnen. Dies sei bei dem Kläger zu 2 das monatliche Kindergeld in Höhe von 184,00 Euro. Randnummer 22 Auch erhalte der Kläger zu 1 noch Kindergeld in gleicher Höhe, eine Waisenrente in Höhe von 181,30 Euro sowie Arbeitslosengeld bei Weiterbildung in Höhe von 173,40 Euro monatlich, mithin insgesamt 538,70 Euro. Davon abzusetzen seien die Versicherungspauschale von 30,00 Euro sowie der berücksichtigungsfähige Betrag für die Riesterrente, dessen Berechnung näher dargelegt wurde, in Höhe von 10,51 Euro. Weitere Absetzungen könnten nicht erfolgen, eine Kfz-Versicherung sei nicht nachgewiesen und die Fahrkosten während der Weiterbildung würden im Rahmen der Maßnahme erstattet. Mithin verbleibe ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 498,19 Euro. Randnummer 23 Die Klägerin schließlich verfüge über monatliches Einkommen aus der BAB in Höhe von 428,00 Euro, der Halbwaisenrente in Höhe von 80,17 Euro sowie eigenem Kindergeld in Höhe von 202,57 Euro monatlich. Von der BAB sei der darin enthaltene Anteil für Fahrkosten und Arbeitskleidung in Höhe von 7,89 % nach § 1 Abs. 1 Nr. 10 Arbeitslosengeld II-Verordnung (Alg II-V) nicht als Einkommen zu berücksichtigen, hier mithin 33,70 Euro. Da die Klägerin bereits im Rahmen der beruflichen Weiterbildung die Kinderbetreuungskosten in Höhe von 130,00 Euro monatlich erhalte, seien die an dieser Stelle nicht zu berücksichtigen. Damit sei von der BAB ein Betrag in Höhe von 394,23 Euro zu berücksichtigen. Randnummer 24 Von ihrer Ausbildungsvergütung in Höhe von 325,50 Euro seien dann zunächst der Grundfreibetrag von 100,00 Euro sowie der weitere Freibetrag von 45,10 Euro abzusetzen, so dass ein Einkommen in Höhe von 180,40 Euro verbleibe. Nach § 11 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Satz 1 SGB II werde aber anstatt des Grundfreibetrages ein höherer Betrag abgesetzt, wenn die berücksichtigungsfähigen Aufwendungen den Betrag von 100,00 Euro überstiegen, was bei der Klägerin der Fall sei. Diese setzten sich aus der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro, der Werbungskostenpauschale von 15,33 Euro, der Kfz-Haftpflichtversicherung von 43,74 Euro, dem berücksichtigungsfähigen Beitrag zur Riesterrente von 5,00 Euro sowie den Fahrtkosten (§ 6 Abs. 1 Nr. 3b Alg II-V) zusammen, die allerdings nur insoweit berücksichtigungsfähig seien, als sie den in der BAB dafür enthaltenen Betrag in Höhe von 47,00 Euro monatlich überstiegen, was nur im Mai und Juni 2010 der Fall sei, in denen 57,40 bzw. 63,88 Euro zu berücksichtigen seien. In diesen Monaten werde der Grundfreibetrag von 100,00 Euro daher überstiegen und es sei ein zusätzlicher Betrag von 51,47 Euro bzw. 57,95 Euro abzusetzen. Insgesamt ergäbe sich damit aus der Ausbildungsvergütung anzurechnendes Einkommen in Höhe von 180,40 Euro monatlich für Februar bis April und Juli 2010 sowie 128,93 Euro für Mai und 122,45 Euro für Juni 2010. Randnummer 25 Das gesamte anrechenbare Einkommen der Klägerin betrage danach in den Monaten Februar bis April und Juli 2010 857,37 Euro, im Mai 2010 805,90 Euro und im Juni 2010 799,42 Euro. Randnummer 26 Nach Abzug ihres fiktiven eigenen Bedarfs verbleibe ein überschießendes Einkommen von 426,75 Euro in den Monaten Februar bis April und Juli 2010 sowie von 375,28 Euro im Mai und 368,80 Euro im Juni 2010, welches auf den Bedarf der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft angerechnet werde. Randnummer 27 Nach alledem belaufe sich das monatliche Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft auf 1.108,94 Euro in den Monaten Februar bis April und Juli 2010 sowie 1.057,47 Euro im Mai und 1.050,99 Euro im Juni 2010, was den monatlichen Gesamtbedarf in Höhe von 753,24 Euro übersteige. Der Bedarfsgemeinschaft seien demzufolge zu Unrecht Leistungen nach dem SGB II bewilligt worden. Eine Rücknahme für die Zeit von Februar bis April 2010 komme nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X aber wegen Vertrauensschutzes nicht in Betracht. Hingegen sei die Aufhebung nach § 48 SGB X ab Mai 2010 rechtmäßig. Im März 2010 sei bekannt geworden, dass die Bedarfsgemeinschaft seit Februar 2010 Wohngeld in Höhe von 300,00 Euro erhalte. Durch diese vorrangige Leistung in Sinne von § 12a SGB II habe für die Bedarfsgemeinschaft ohnehin kein Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II bestanden. Randnummer 28 Bereits zuvor hatten die Kläger mit ihrem Vermieter ab Juni 2010 eine Erhöhung der Vorauszahlung für Heizung/Warmwasser auf 140,00 Euro und damit eine Gesamtmiete von 560,00 Euro vereinbart. Randnummer 29 Am 5. Juli 2010 hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Neubrandenburg erhoben und geltend gemacht, dass den Klägern höhere Leistungen zuständen. Bei der Ermittlung des fiktiven Bedarfs sei bis Mai 2010 von der Miete von 460,00 Euro auszugehen. Der Umzug sei notwendig gewesen, da die Wohnverhältnisse, insbesondere auch im Hinblick auf den Kläger zu 2, unzumutbar gewesen seien. In dem Aufgang, in dem sich die Wohnung in A-Stadt befand, hätten überwiegend Alkoholiker gelebt, die ständig Lärm verursacht und sich des Öfteren im Flur erbrochen hätten, so dass die Wände des Flures mit Erbrochenem einschließlich Blut befleckt gewesen seien. Die KdU seien auch angemessen und nach Kopfteilen auf drei Personen aufzuteilen. Ab Juni 2010 sei die volle Grundmiete zu berücksichtigen, während die Heizkosten auf die angemessenen Kosten im Sinne des Bundesweiten Heizspiegels zu kappen seien. Randnummer 30 Bei dem Kläger zu 1 und bei der Klägerin sei kein anrechenbares Einkommen zu berücksichtigen. Dieses gelte insgesamt als zweckbestimmte Einnahme. Nach den einschlägigen Vorschriften des SGB III würden das Ausbildungsgeld und die Halbwaisenrente auf das BAB angerechnet. Sämtliche Bezüge zusammen stellten das für die Ausbildung erforderliche Einkommen dar. Das Kindergeld bleibe nach den BAB-Vorschriften unberücksichtigt und solle dem Auszubildenden voll zustehen. Spreche jedoch ein SGB dem Betroffenen ein bestimmtes Einkommen für einen bestimmten Zweck zu, stelle es einen Wertungswiderspruch dar, wenn dieses nach einem anderen SGB dem Lebensunterhalt von Haushaltsmitgliedern dienen solle. Das eigene Einkommen des Klägers zu 1 sei nach § 30 Abs. 2 SGB II zu bereinigen, wobei die Versicherungspauschale, die Riesterrente in gesetzlicher Höhe und die Kfz-Haftpflichtversicherung zu berücksichtigen seien. Auf den Kläger zu 1 seien im Jahre 2010 hintereinander drei Fahrzeuge zugelassen gewesen, bis 30. April 2010 ein Fiat mit einem Versicherungsbeitrag von 43,74 Euro, vom 30. April bis 6. September 2010 ein Opel zu einem Beitrag von 52,10 Euro (davon Haftpflichtversicherung: 37,72 Euro) und ab 7. September 2010 ein Seat für 40,97 Euro. Das so bereinigte Einkommen sei nach der Horizontalmethode auf beide Kläger zu verteilen. Beim Kläger zu 2 sei sein Kindergeld bedarfsmindern zu berücksichtigen, wobei dieses aber wegen der für ihn bestehenden Unfallversicherung um die Versicherungspauschale zu bereinigen sei. Randnummer 31 Die Kläger haben beantragt, Randnummer 32 den Beklagten unter Abänderung seines Bescheides vom 15. Januar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2010 zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II in der gesetzlichen Höhe zu bewilligen. Randnummer 33 Der Beklagte hat beantragt, Randnummer 34 die Klage abzuweisen. Randnummer 35 Die Kürzung der Wohnkosten sei nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. erfolgt, denn eine Zusicherung zum Umzug sei mit Bescheid vom 17. November 2009 mangels Erforderlichkeit abgelehnt worden. Die dargestellte extreme Belastung durch Lärm und Schmutz im Umfeld der damaligen Wohnung sei durch den Vermieter nicht bestätigt worden. Randnummer 36 Der Kläger zu 1 habe entgegen der Darstellung der Prozessbevollmächtigten der Kläger das im Widerspruchsbescheid dargestellte Einkommen erzielt. Auch sei das Einkommen der Klägerin aus der Ausbildungsvergütung und der Berufsausbildung im Hinblick auf den gezahlten Bedarf für den Lebensunterhalt nach dem SGB III nicht zweckgebunden. Die Ausbildungsvergütung stelle Arbeitsentgelt dar und die Vorschriften des SGB III würden ausdrücklich den Grundbedarf als Bedarf für den Lebensunterhalt benennen (Hinweis auf § 65 SGB III). Nach § 9 SGB II sei auch das Einkommen des Partners zu berücksichtigen, also auch das der Klägerin. Randnummer 37 Für den Kläger zu 2 sei erst im September 2009 eine Unfallversicherung nachgewiesen worden. Ein Abzug der Versicherungspauschale werde aber weiterhin abgelehnt, da angesichts des Monatsbeitrages von 25,08 Euro die Angemessenheit bezweifelt werde (Hinweis auch auf BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 139/10). Randnummer 38 Auch unter Berücksichtigung der jetzt für den streitigen Zeitraum nachgewiesenen Kfz-Haftpflichtversicherung übersteige das anzurechnende Einkommen den Bedarf, so dass kein Leistungsanspruch bestehe. Randnummer 39 Mit Urteil vom 10. Januar 2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der hier maßgebende Ausgangsbescheid vom 15. Januar 2010 unter Einbeziehung der beiden Änderungsbescheide vom 26. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2010 sei rechtmäßig. Den Klägern stünden für die hier allein streitgegenständlichen Monate Februar bis Juli 2010 keine höheren SGB II-Leistungen zu, wobei das SG gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid verweise, die hinsichtlich der Absetzbarkeit der Kfz-Haftpflichtversicherungsbeiträge beim Kläger zu 1 aufgrund der dazu erst während des Klageverfahrens eingereichten Nachweise durch den Beklagten zutreffend modifiziert worden seien. Ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, dass eine Übernahme von höheren Unterkunftskosten ausscheide, da für den zum 1. Januar 2010 erfolgten Umzug von A-Stadt nach E. ein hier allein denkbarer sonstiger, ähnlich schwerwiegender Grund i.S.v. § 22 Abs. 2a Satz 2 Nr. 3 SGB II nicht ersichtlich sei. Laut Gesprächsnotiz des Beklagten vom 26. Mai 2010 habe sich die Beauftragte des ehemaligen Vermieters der Kläger wegen der Vielzahl der Mieter nicht speziell an Unstimmigkeiten zwischen den Klägern und anderen Hausbewohnern erinnern können, es aber durchaus für möglich gehalten, von den Klägern wegen Unstimmigkeiten angesprochen worden zu sein. Ruhestörender Lärm sei wohl mal vorgekommen; darauf habe die Wohnungsbaugesellschaft aber entsprechend reagiert. Die Situation sei nicht so gravierend gewesen, dass man hätte ausziehen müssen. Im Übrigen falle auf, dass die in der Klagebegründung geltend gemachten Argumente für die angeblich unzumutbaren Wohnverhältnisse weder im zugrundeliegenden Umzugsantrag vom 5. November 2009 noch im nachfolgenden Widerspruchsverfahren explizit erwähnt worden seien. Sollten sie gleichwohl zutreffen und damit nicht als sog. gesteigertes Vorbringen unbeachtlich sein, gebe es aber weiterhin keinerlei Belege dafür, dass sich insoweit die Kläger gegenüber ihrem Vermieter bzw. der Polizei erfolglos um Abhilfe bemüht hätten, obwohl sie dazu aus dem in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II verankerten Selbsthilfegrundsatz verpflichtet gewesen seien. Grundlage für die Übernahme der KdU sei damit nicht der aktuelle Mietvertrag mit einer Bruttowarmmiete von 460,00 Euro/mtl. bzw. von 510,00 Euro/mtl. ab Juni 2010 (jeweils ohne Vorauszahlung für Strom), sondern der vorherige Mietvertrag mit einer Bruttowarmmiete von 338,38 Euro/mtl. Randnummer 40 Auch gehe die Auffassung der Klägerin, ihr Einkommen aus Ausbildungsvergütung, BAB, Halbwaisenrente und Kindergeld habe als zweckbestimmte Einnahme insgesamt anrechnungsfrei zu bleiben, fehl. Zwar seien nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a, 1. HS SGB II a.F. Einnahmen, soweit sie als zweckbestimmte Einnahmen einem anderen Zweck als die Leistungen nach diesem Buch dienen, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Dies bedeute aber nicht, dass eine beispielsweise im SGB III verankerte Bedarfskalkulation automatisch auf das SGB II „durchschlage“. Vielmehr habe das BSG den noch in der Vorinstanz vertretenen Ansatz, wonach aus den in § 22 Abs. 7 SGB II a.F. enthaltenen Worten „…Auszubildende,…deren Bedarf sich nach § 65 SGB III…bemisst“, zu schließen sei, dass die Bedarfsberechnung sich allein nach den Vorschriften der Ausbildungsförderung bemesse, ausdrücklich abgelehnt (Hinweis auf Urteil vom 22. März 2010 – B 4 AS 69/09 R -, Rdnr. 23). Das vorgenannte Gericht habe selbst erkannt, dass bei SGB II- und Ausbildungsförderungsleistungen das Einkommen in unterschiedlicher Weise angerechnet werde. Dies sei aber im System bereits so angelegt, da es beim SGB II allein auf den tatsächlichen Zufluss von Einkommen ankomme, das bedarfsdeckend einzusetzen sei (Hinweis auf BSG, a.a.O., Rdnr. 28). Das ergebe sich auch im Umkehrschluss zu § 1 Abs. 1 Nr. 10, 1. HS Alg II-V, wonach (nur) Leistungen der Ausbildungsförderung, soweit sie für Fahrtkosten zur Ausbildung oder für Ausbildungsmaterial verwendet werden, nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Randnummer 41 Danach habe der Beklagte - wie im angefochtenen Widerspruchsbescheid zutreffend darlegt -, die zweckbestimmten Anteile der BAB, nämlich für Fahrtkosten und Arbeitskleidung, nicht als anzurechnendes Einkommen betrachtet, sondern nur den verbleibenden Grundbedarf. Letzterer sei mit dem in den §§ 65 und 66 SGB III angeführten Begriff „Bedarf für den Lebensunterhalt“ identisch. Im Unterschied zur BAföG-Leistung sei die BAB daher nicht um einen ausbildungsbedingten Bedarf als sog. zweckbestimmte Einnahme i.S.v. § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F. zu bereinigen, zumal das SGB III Sonderregelungen zum ausbildungsbedingten Bedarf enthalte, wie die Übernahme von Fahrt- oder Lehrgangskosten gemäß §§ 67 und 69 SGB III (Hinweis auf BSG, a.a.O., Rdnr. 31). Randnummer 42 Schließlich sei das Kindergeld des Klägers zu 2 nicht um die Versicherungspauschale zu bereinigen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-V a.F. seien vom Einkommen Minderjähriger 30,00 €/mtl. als Versicherungspauschale abzuziehen, wenn diese eine nach Grund und Höhe angemessene Versicherung abgeschlossen haben. Diese Vorschrift solle den in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II a.F. enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriff der „Angemessenheit“ ausfüllen; insoweit werde auf die Üblichkeit von Vorsorgeaufwendungen bei knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze lebenden Bürger abgestellt (Hinweis auf BSG, Urteil vom 16. Februar 2012 – B 4 AS 89/11 R -, Leitsatz, Rdnrn. 19 u. 27 m.w.N.). Nach dieser Maßgabe sei eine Angemessenheit hier zu verneinen. Laut der in der Akte befindlichen Bescheinigung gehe es bei der zugunsten des Klägers zu 2 abgeschlossenen Versicherung um eine Kinder-Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung, wobei die sog. Erlebensfallleistung am 1. Dezember 2015 4.457,40 € betrage. Eine solche Kapitallebensversicherung würde – außerhalb der Freibeträge - nicht als geschütztes Vermögen i.S.v. § 12 Abs. 3 SGB II gelten. Entscheidend komme hinzu, dass etwaige Unfälle des Klägers zu 2 während des Kindergarten- bzw. Schulbesuches einschließlich Hin- und Rückweg über die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt seien (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 8a und b sowie § 8 Abs. 2 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII). Sollte der - im streitgegenständlichen Zeitraum erst dreijährige - Kläger zu 2 bereits einem Sportverein angehören, seien dortige Unfälle üblicherweise über eine gesonderte Versicherung, deren Beiträge über den Vereinsbeitrag finanziert würden, abgesichert. Besondere Umstände des Einzelfalls beim Kläger zu 2, z.B. aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung oder sonstige besondere Gefährdungen hervorrufende Lebenssituationen (Hinweis auf BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 – B 4 AS 139/10 R -, Rdnr. 23), seien weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich. Randnummer 43 Gegen das ihr am 14. Mai 2014 zugestellte Urteil hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger am Montag, dem 16. Juni 2014, (nur) für die Kläger zu 1 und 2 Berufung bei dem Landessozialgericht erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass sich der Bedarf der Klägerin nach dem SGB III bemesse und nicht durch eine fiktive Bedarfsberechnung nach dem SGB II unterschritten werden dürfe. Entgegen der Auffassung des SG sei das Einkommen der Klägerin vollständig bei ihr zu belassen und nicht in die Bedarfsberechnung der Kläger einzubeziehen. Die Entscheidung des SG lasse sich nicht auf die Entscheidung des BSG vom 22. März 2010 – B 4 69/09 R – stützen, da der Fall, dass ein Auszubildender selbst Zuschussleistungen nach dem SGB II beantragt, nicht mit dem hier streitigen vergleichbar sei. Das BSG habe sich nicht mit der Frage befasst, ob der nach dem SGB III zu bemessende Bedarf eines Auszubildenden und das ihm danach anrechnungsfrei bleibende Einkommen diesem zu belassen seien. Nach Auffassung der Kläger bemesse sich der Bedarf eines Auszubildenden nach dem SGB III, wo der Gesetzgeber festgelegt habe, dass nur Teile des Einkommens auf das BAB angerechnet werden dürften und das Kindergeld gänzlich anrechnungsfrei bleibe. Damit habe er den Bedarf festgelegt, den ein Auszubildender zur Bedarfsdeckung während seiner Ausbildung benötige. Diese Vorgaben würden unterlaufen, wenn der Bedarf auf das SGB II-Niveau heruntergerechnet werde, wenn der Auszubildende mit Personen zusammenlebe, die nach dem SGB II anspruchsberechtigt sind. Dieses werde durch das Urteil vom 9. Juni 2011 – B 8 SO 20/09 R – bestätigt, mit welchem das BSG für eine gemischte Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II und SGB XII entschieden habe, dass einem SGB II-Leistungsberechtigten der Bedarf nicht auf das SGB XII-Niveau heruntergesetzt werden dürfe. Danach sei der vom Gesetzgeber normierte Wille, wieviel einer Person leistungsrechtlich zustehen solle, zu berücksichtigen, wenn gesetzesübergreifend Ansprüche zu berechnen sind. Randnummer 44 Die Berufungskläger beantragen, Randnummer 45 das Urteil des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 10. Januar 2014 abzuändern, die Bescheide vom 26. März 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen unter Abänderung des Bescheides vom 15. Januar in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2010 für die Zeit von Februar bis Juli 2010 höhere Leistungen nach dem SGB II zu gewähren. Randnummer 46 Der Beklagte beantragt, Randnummer 47 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 48 Er verweist auf die Ausführungen im Urteil erster Instanz.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Parteien streiten im Urkundenprozess um Ansprüche auf Mietzinszahlungen. 2 Zwischen den Parteien bestand vom 01.09.2002 bis zum 30.09.2011 ein Mietverhältnis, für das die Beklagten zu Beginn des Mietverhältnisses eine Kaution in Höhe von 1.650,00 EUR bezahlt haben. Seit 01.11.2006 betrug die Bruttomiete 615,00 EUR. Seit Juli 2011 zahlten die Beklagten keine Miete mehr. 3 Der Kläger behauptet, er habe mit Schreiben vom 03.05.2007 die Nebenkostenvorauszahlung um 5,00 EUR monatlich erhöht, da die monatlichen Vorauszahlungen nicht kostendeckend gewesen seien. Daher stehe ihm ein Anspruch in Höhe von zwei Bruttomonatsmieten à 620,00 EUR zu. 4 Da der Kläger die Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen nicht mit Urkunden nachweisen konnte, hat er seine Klage in Höhe von 2x 5,00 EUR, also 10,00 EUR zurückgenommen. 5 Da die Beklagten auch im September 2011 keine Miete mehr bezahlten, hat der Kläger seine Klage um weitere 615,00 EUR, insgesamt also 1.845,00 EUR, erweitert. 6 Der Kläger ist der Ansicht, die Rückzahlung der Kaution an die Beklagten sei noch nicht fällig, da ihm fällige Gegenansprüche, insbesondere ein Anspruch auf die Durchführung von Schönheitsreparaturen durch die Beklagten zustünden. 7 Der Kläger beantragt, 8 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 1.240,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 620,00 EUR seit dem 05.07.2011 und 04.08.2011 zu bezahlen. 9 Die Beklagten beantragen, 10 die Klage als unbegründet oder unstatthaft abzuweisen, 11 hilfsweise den Beklagten die Ausführung ihrer Rechte im Nachverfahren vorzubehalten. 12 Die Beklagten sind der Ansicht, die Kaution in Höhe von 1.650,00 EUR sei seit dem 01.11.2011, also einen Monat nach Beendigung des Mietverhältnisses, zur Rückzahlung fällig. In dieser Höhe haben sie die Aufrechnung erklärt. In Höhe der dann verbleibenden 195,00 EUR machen sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend, da ihnen für die Kaution auch noch Zinsen in Höhe von mindestens 3,00% zustünden. Zudem sind die Beklagten der Ansicht, die Klage sei im Urkundenprozess unstatthaft, da der Kläger seine angeblich fälligen Gegenansprüche nicht durch Urkunden beweisen könne. 13 Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
1. Die Klage wird als im Urkundenprozess unstatthaft abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.
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1 Die Klägerin macht mit ihrer Klage Zahlungsansprüche aus einem Telefondienstauftragsverhältnis geltend. 2 Die Klägerin hat dem Beklagten unter der ehemaligen Adresse des Beklagten .... einen Telefonanschluss mit der Rufnummer ... betriebsbereit zur Verfügung gestellt. 3 Für diesen Telefonanschluss sind Rechnungen im Zeitraum vom 25.07.06 bis zum 30.01.07 offen. Mit Rechnung vom 23.02.07 erfolgte eine Gutschrift in Höhe von 79,04 EUR. Forderungen aus dem Jahre 2006 ergeben hieraus in Höhe von insgesamt 924,59 EUR zuzüglich Kosten für Sperrungen in Höhe von insgesamt 23,01 EUR. Aus einer Rechnung vom 30.01.07 ist ein Betrag in Höhe von 130,66 EUR offen. 4 Im durchgeführten Mahnverfahren ist unter "I. Hauptforderung" folgender Text aufgenommen: 5 "Entgeltforderung gemäß Telekom-Rechnung gem. Nummer der Rechnung o.ä. - … (hier steht im Urteil die Buchungskontonummer des Beklagten) vom 23.02.07" 6 Als Forderungsbetrag wird dann der auch im Verfahren weiter verfolgte Betrag i.H.v. 953,20 EUR genannt. 7 Die Klägerin ist der Auffassung, der Beklagte sei unter Berücksichtigung der Gutschrift vom 23.02.07 zur Zahlung des gesamten offenen Betrages in Höhe von 976,21 EUR (953,20 EUR Hauptforderung zzgl. 23,01 EUR Nebenkosten / Sperrkosten) verpflichtet. 8 Eine Kündigung des Beklagten sei nicht eingegangen. 9 Die Forderungen seien darüber hinaus nicht verjährt. 10 Im Mahnverfahren sei das Buchungskonto des Beklagten angegeben worden, weshalb davon auszugehen sei, dass sich im Mahnverfahren nicht eine einzelne Rechnungsnummer, sondern unter Bezugnahme auf alle Forderungen zu diesem Buchungskonto, alle offenen Rechnungen geltend gemacht worden seien. Das im Mahnverfahren angegebene Rechnungsdatum beziehe sich somit auf den Zeitpunkt, bis zu welchem die Forderungen geltend gemacht worden seien. Es sei nicht erforderlich, alle einzelnen Rechnungsdaten im Mahnbescheid anzugeben, dies sei auch nicht möglich. 11 Die Klägerin beantragt daher: 12 1. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 953,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.07 sowie 23,01 EUR Nebenkosten zu bezahlen. 13 2. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 130,50 EUR außergerichtliche Rechts-verfolgungskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. 14 Der Beklagte beantragt 15 Klagabweisung. 16 Er trägt vor, er habe mit Geschäftsaufgabe am 30.09.06 die Telefonanschlüsse bei der Klägerin wirksam gekündigt. Er habe den Telefonanschluss ab dem 30.09.06 auch nicht mehr genutzt. 17 Er ist außerdem der Auffassung, die Forderungen aus dem Jahre 2006 seien verjährt. Im Mahnverfahren sei als Forderungsgrund eine Rechnung vom 23.02.07 genannt worden, dies sei jedoch eine Gutschrift in Höhe von 79,04 EUR vor. Forderungen aus dem Jahre 2006 seien daher verjährt, da im Mahnverfahren diese Rechnungen nicht wie erforderlich individualisiert worden seien. 18 Das Gericht hat mündlich verhandelt im Termin vom 10.06.2010. Auf das Sitzungsprotokoll wird hingewiesen. Bezug wird genommen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 130,66 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.03.07 sowie 39,00 EUR außergerichtliche Anwaltskosten nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.09 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 2. Von den Kosten des Verfahrens hat der Beklagte 15 %, die Klägerin 85 % zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Kläger und Beklagtenseite können die Vollstreckung durch die Gegenseite gegen Sicherheitsleistung und Hinterlegung in Höhe von jeweils 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Seite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 7. Kammer
Rheinland-Pfalz
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01.07.2020
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Randnummer 2 Der Kläger ist seit Dezember 1995 bei der Beklagten beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein mit dem Rechtsvorgänger der Beklagten geschlossener „ Arbeitsvertrag gewerbliche Mitarbeiter “ vom 20. Oktober 1995 zugrunde. In dessen Ziffer 1 ist vereinbart: Randnummer 3 „ Der Mitarbeiter wird mit Wirkung vom 07.12.1995 als Lagerarbeiter Randnummer 4 Für Filiale 00 in A., N. beschäftigt. Randnummer 5 Für das Arbeitsverhältnis gelten - soweit im Rahmen dieses Vertrages nichts anderes vereinbart wird - die Bestimmungen des örtlich maßgeblichen Tarifvertrages für den Einzelhandel einschließlich der entsprechenden Zusatzabkommen. Die Rechte des Betriebsrates nach dem Betriebsverfassungsgesetz bleiben unberührt. (...). “ Randnummer 6 Nach Ziffer 3 des Arbeitsvertrags erfolgt die Einstufung „ unter Zugrundelegung des maßgeblichen örtlichen Einzelhandelstarifs in der Lohngruppe L III “. Randnummer 7 Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrags im Übrigen wird auf Blatt 11 f. d. A. Bezug genommen. Randnummer 8 Mit Schreiben vom 16. Oktober 2013, Bl. 13 d. A., teilte die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger folgende „ Lohnänderung “ mit: Randnummer 9 „ mit Wirkung vom 1. Oktober 2013 verändern sich ihre Bezüge auf monatlich brutto Randnummer 10 Tariflohn 2045,00 EUR funktionsbezogenen Leistungszulage 149,00 EUR ______________________________ ____________ Gesamtlohn 2194,00 EUR Randnummer 11 Die Einstufung erfolgt nach Gruppe L III des jeweils für den Betrieb geltenden Tarifvertrages. Randnummer 12 Funktionsbezogenen Leistungszulagen entfallen mit sofortiger Wirkung bei Wegfall der Aufgabenstellung, für die diese Zulage gewährt wird oder wenn die geforderten Leistungen nicht mehr erbracht werden. “ Randnummer 13 Der Betriebsrat in N. bestätigte sein Einverständnis mit der Versetzung/Umgruppierung ausweislich der Bestätigung zum 1. Oktober 2013 (Bl. 14 d. A.). Randnummer 14 Der Kläger war und ist derzeit im Lager zur Überprüfung des Wareneingangs eingesetzt. Dem Kläger ist ein Wareneingangscaddy zugeordnet, auf dem sich ein Computer befindet, mit dem der Kläger arbeitet, das Soredi SH 15 Blackline. Dabei handelte sich um ein etwa hüfthohes Wägelchen, dass der Kläger zur Verrichtung seiner Tätigkeiten stets an den jeweiligen Arbeitsort schiebt. Randnummer 15 Bei einer Palettenkontrolle geht der Kläger wie folgt vor: Auf dem Bildschirm werden grundsätzlich alle vom Wareneingangsbüro eingehenden Bestellungen angezeigt. Die Auswahl eines Auftrags erfolgt durch den Kläger per Doppelklick. Danach werden dem Kläger auf dem Display sämtliche in der Bestellung enthaltenen Artikel angezeigt. Der Kläger scannt einen Palettenaufkleber, woraufhin sich auf dem Display eine Maske öffnet, auf der der dem Palettenaufkleber zugeordnete Artikel angezeigt wird. In der angezeigten Maske muss der Kläger verschiedenste Informationen zur Ware eingeben, die er zuvor geprüft hat. Hierbei muss er zunächst überprüfen, welche Transporteinheit (TE) bzw. Typhöhe vorliegt. Insbesondere muss er dabei die zutreffenden Palettenhöhen eingeben (zum Beispiel die Varianten EP 43, EP 73, CCG1, EP 155, CC G2). Ist eine Artikelnummer nicht korrekt, öffnet der Kläger mittels Tastendruck eine andere Maske. Dann muss erneut den Kolli-Barcode scannen („anschießen“) und nachschauen, ob die Ware im System existiert. Ist dies nicht der Fall hat der Kläger den Karton (Kolli) zu öffnen und den Barcode auf der Ware einzuscannen. Wird dann immer noch keine Ware angezeigt, muss er das Wareneingangsbüro informieren. Sodann muss der Kläger auch den Artikeltext und den Barcode (EAN) auf den Kartons prüfen. Bei einer Fehlermeldung muss er die Daten manuell eingeben. Sodann ist der Kolliinhalt zu prüfen und zu zählen. Im Fall der Anlieferung verderblicher Ware muss er das Mindesthaltbarkeitsdatum eingeben. Sodann muss er den Lager- und Palettenfaktor zählen. Weiterhin muss er die Ware auch auf Beschädigungen oder Bruch prüfen. Falls eine Beschädigung oder Bruch der Ware vorhanden ist, wird die Warenmenge durch den Kläger manuell dahingehend angepasst, so dass nur noch die unbeschädigte Ware gezählt und dann eingegeben wird. Weiter muss der Kläger auch prüfen, ob die Palette staplerfähig ist und die Gesamtmenge einer Palette eingeben. Beim abschließenden Erfassen der Palette ist der Barcode von E. auf der Ware anzubringen und der Barcode in der Maske aufzunehmen. Dann schließt sich in der Regel die nächste Artikelkontrolle mit dem gleichen Vorgang an. Randnummer 16 Bei der Anlieferung von Auspackware muss der Inhalt des Umpacks und der Kolli geprüft werden. Es ist zu prüfen, ob die Palettenaufkleber des EAN von dem Lieferanten fehlen. Die Menge pro Palette muss dann berechnet und anschließend manuell durch den Kläger eingegeben werden (zum Beispiel vier Lagen x sechs Umkartons x sechs Kolli = 144 Kolli). Bei der Vereinnahmung der Artikel, die im Umpack angeliefert werden, muss ein Auspackzettel an dem Umkarton durch den Kläger angebracht werden. Für das Auspackteam wird aus dem Umkarton ein Kolli entnommen und mit einem Kolliaufkleber durch den Kläger versehen. Randnummer 17 Im Fall einer Erstanlieferung werden auf dem Soredi SH 15 Blackline sämtliche vom Wareneingangsbüro eingegangenen Bestellungen angezeigt. Erneut erfolgt die Auswahl eines Auftrags durch den Kläger per Doppelklick. Danach werden sämtliche Artikel angezeigt. Die Prüfung erfolgt dann wie bereits bei der Palettenkontrolle beschrieben. Randnummer 18 Im Fall von Doppelbestellungen erfolgt auch zunächst die Anzeige sämtlicher Bestellungen auf dem Soredi SH 15 Blackline. Nach der Auswahl eines Auftrags per Doppelklick werden erneut sämtliche Artikel angezeigt. Das Einscannen einer Doppelbestellung ist nicht möglich. Deshalb ist in der Folge der Artikel durch den Kläger aus einer Tabellenübersicht manuell von ihm auszuwählen. Dann erfolgt dieselbe Prüfung wie bei einer üblichen Palettenkontrolle. Randnummer 19 Hinsichtlich der im Zeitraum vom 13. Mai bis 15. Mai 2019 vom Kläger im Einzelnen ausgeführten Tätigkeiten wird auf Bl. 114 - 119 d. A. Bezug genommen. Randnummer 20 Mit Schreiben vom 25. Juni 2018 (Bl. 15 d. A.) forderte der Kläger die Beklagte auf, ihn in die Entgeltgruppe G II einzugruppieren und die Differenz zur aktuellen Eingruppierung für die letzten sechs Monate zu zahlen. Randnummer 21 Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 4. Juli 2018 (Bl. 16 d. A.) ab. Randnummer 22 Seine Ansprüche verfolgt der Kläger mit seiner am 24. Oktober 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 6. November 2018 zugestellten und mit Schriftsatz vom 6. Mai 2019 um Hilfsanträge erweiterten Klage weiter. Randnummer 23 Der Kläger war der Ansicht, die Eingruppierung in die Gehaltsgruppe II umfasse einfache kaufmännische und/oder technische Tätigkeiten. Als Beispiele würden dabei insbesondere einfache Tätigkeiten in den Bereichen Lager und Warenannahme benannt. Genau diese Tätigkeiten führe er jedoch aus. Er kontrolliere ankommende Ware mittels eines Scanners auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Dabei verweise die Beklagte zu Unrecht darauf, dass bei dieser Tätigkeit kaufmännische oder technische Kenntnisse nicht erforderlich seien. Dies sei nicht Bestandteil der tarifvertraglichen Eingruppierungskriterien. Randnummer 24 Stelle er bei der Palettenkontrolle größere Beschädigungen an einer Palette fest, werde die Annahme der gesamten Palette durch ihn verweigert. Randnummer 25 Am Ende der Kontrolle einer Erstanlieferung müsse er die Stammdaten erfassen und eingeben. Hierzu gehörten: der Grund der Erfassung, die Einkäufernummer, die Lagernummer, die Artikelnummer, der Artikeltext, die Stück-EAN, die Kolli-EAN, der Umpack-Palettenfaktor sowie Kolli-Inhalt, die Angabe der Kolli pro Lage, die Angabe der Kolli pro Palette, der Inhalt des Umpackkolli, die Anzahl der Umpacks pro Lage und die Anzahl der Umpacks pro Palette. Anschließend erfolge die Quittierung der Palette. Abschließend werde im Fall einer Erstanlieferung der Zettel zur Stammdatenerfassung vom Kläger im Büro abgegeben. Randnummer 26 Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, Randnummer 27 1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn seit dem 1. Dezember 2017 nach der Gehaltsgruppe II des Gehaltstarifvertrags für den Einzel- und Versandhandel für Rheinland-Pfalz zu vergüten und die anfallenden monatlichen Brutto-Differenzbeträge zwischen der Lohngruppe III des Gehaltstarifvertrags für den Einzel- und Versandhandel für Rheinland-Pfalz und der Gehaltsgruppe II des Gehaltstarifvertrags für den Einzel- und Versandhandel für Rheinland-Pfalz beginnend mit dem 1. Dezember 2017 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt hilfsweise seit Rechtshängigkeit mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen; Randnummer 28 2. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Dezember 2017 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2018 zu zahlen; Randnummer 29 3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Januar 2018 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2018 zu zahlen; Randnummer 30 4. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Februar 2018 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2018 zu zahlen; Randnummer 31 5. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat März 2018 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2018 zu zahlen; Randnummer 32 6. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat April 2018 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2018 zu zahlen; Randnummer 33 7. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Mai 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2018 zu zahlen; Randnummer 34 8. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Juni 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2018 zu zahlen; Randnummer 35 9. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Juli 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2018 zu zahlen; Randnummer 36 10. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat August 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2018 zu zahlen; Randnummer 37 11. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat September 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2018 zu zahlen; Randnummer 38 12. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Oktober 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2018 zu zahlen; Randnummer 39 13. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat November 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2018 zu zahlen; Randnummer 40 14. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Dezember 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2019 zu zahlen; Randnummer 41 15. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Januar 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2019 zu zahlen; Randnummer 42 16. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Februar 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2019 zu zahlen; Randnummer 43 17. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat März 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2019 zu zahlen; Randnummer 44 18. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat April 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2019 zu zahlen; Randnummer 45 19. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn nach der Gehaltsgruppe II des Gehaltstarifvertrages für den Einzel- und Versandhandel für Rheinland-Pfalz zu vergüten. Randnummer 46 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 47 die Klage abzuweisen. Randnummer 48 Sie hat vorgetragen, der Kläger arbeite nicht „am PC“. Er kontrolliere ankommende Ware mittels eines Scanners auf Richtigkeit und Vollständigkeit. Das sei eine einfache manuelle Tätigkeit und keine kaufmännische oder technische Tätigkeit. Eine Qualitätsprüfung finde dabei nicht statt. Das Lager in N. führe nur ein Trockensortiment. Prüfungen wie Frische oder Ähnliches habe der Kläger nicht auszuführen. Sei Ware defekt oder stelle er beim Scannen Fehler fest, dann bearbeite er das nicht selbstständig, sondern melde das an seinen Vorgesetzten, der dann die dafür erforderlichen Eintragungen im Warenwirtschaftssystem vornehme. Die Zwischenlagerung sei klassische Kommissioniertätigkeit. Selbstständige Buchungen im Warenwirtschaftssystem nehme der Kläger nicht vor. Das erledige das System durch das Einscannen selbstständig. Im Ergebnis führe der Kläger zu 95 % seiner Arbeitszeit die Annahme und Überprüfung der Ware laut Vorgaben durch und zwar durch Benutzen eines Scanners. Randnummer 49 Im Kompetenzfeld des Klägers liege es nicht, bei größeren Beschädigungen die Annahme zu verweigern. Er melde die Beschädigungen lediglich (systemisch, per Formular oder mündlich) an die zuständigen Sachbearbeiter im Wareneingang (Herr Y. oder Herr P.). Diese setzten sich dann zur weiteren Klärung mit dem Einkauf, mit dem Kunden der Region S. oder der Lagerleitung in Verbindung, die dann über die Warenannahme oder Annahmeverweigerung entschieden. Gleiches gelte bei der „Stapelfähigkeit“ von Paletten, wobei dies nur bedeute, dass der Kläger prüfe, ob die Euro-Palette selbst unversehrt sei und daher in das Hochregallager verbracht werden könne. Bei der Stammdatenerfassung prüfe der Kläger und ergänze lediglich ein Papierformular zur Stammdatenerfassung, wobei die Erfassung und Pflege der Stammdaten durch die IT erfolge, nachdem der Kläger das Formular beim Wareneingangssachbearbeiter abgegeben und dieser es weitergeleitet habe. Randnummer 50 Der Kläger arbeite in allen seinen Schritten nach genauen Vorgaben anhand von Anweisungen, Formularen oder einfachsten EDV-Masken. Er habe in keinster Weise einen eigenen Entscheidungs- und Zeichnungsspielraum und müsse sich bei Unklarheiten an den Wareneingang wenden, welcher die Klärung und weitere Veranlassung übernehme. Außer mit den einfach gestalteten Masken/Systemen zur Wareneingangserfassung arbeite der Kläger mit keinen anderen Systemen (wie zum Beispiel Tabellenkalkulationen). Randnummer 51 Das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen der Lohngruppe L III und der Gehaltsgruppe II sei „kaufmännisch und/oder technisch“. Randnummer 52 Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Urteil vom 18. September 2019 abgewiesen. Es hat - zusammengefasst - zur Begründung ausgeführt, die Antragstellung im Rahmen der Klageschrift sei wie gewählt zulässig. Der Kläger habe aber keinen Anspruch auf Eingruppierung in die Gehaltsgruppe G II. Ihm sei dahingehend beizupflichten, dass seine Tätigkeit, nämlich die Warenannahme bei Anlieferung der Ware im Lager als Merkmal in der Gehaltsgruppe G II genannt werde. Dieses Beispiel erfordere jedoch ferner die Stellung als Angestellter, was aus dem persönlichen Geltungsbereich des Gehaltstarifvertrages für die Angestellten im Einzelhandel Rheinland-Pfalz resultiere. Der Kläger sei jedoch kein Angestellter mit der Folge, dass er nicht in den persönlichen Anwendungsbereich des Gehaltstarifvertrages falle. Auf das Arbeitsverhältnis finde der Lohntarifvertrag Anwendung. Im Gehaltstarifvertrag für den Einzelhandel Rheinland-Pfalz sei keine eigene Definition vorhanden, wer als Angestellter eingeordnet werden solle. Enthalte ein Tarifvertrag keine eigene Definition, wer als Arbeiter oder Angestellter im Sinne des Tarifvertrags eingeordnet werden solle, so sei zu ermitteln, ob im Tarifvertrag der Begriff des Arbeiters oder Angestellten im allgemeinen rechtlichen Sinne verwendet werde. Hierfür bedürfe es der Auslegung. Danach ergebe sich, dass der Begriff des Angestellten im Gehaltstarifvertrag mit der allgemeinen Bedeutung dieses Rechtsbegriffs übereinstimme und sich nicht erst durch die Tätigkeitsmerkmale der einzelnen Gehaltsgruppen erschließe. Es sei daher für die Frage, ob der Kläger unter den persönlichen Geltungsbereich des Gehaltstarifvertrages falle, auf die allgemeinrechtliche Definition des Angestelltenbegriffs abzustellen. Dies werde durch die systematische Stellung des Begriffs im Tarifvertrag untermauert. Grundsätzlich sei für die Abgrenzung von Angestellten und Arbeitertätigkeiten eine mehrstufige Prüfung vorzunehmen, in deren Rahmen § 133 Abs. 2 SGB VI a. F. sowie der Berufsgruppenkatalog des Reichsarbeitsministeriums heranzuziehen sei. Darüber hinaus sei auf die Verkehrsanschauung abzustellen und auf die Frage, ob die Beschäftigung vorwiegend geistig oder vorwiegend körperlich erfolge. Ferner sei der übereinstimmende Wille der Vertragspartner des Beschäftigungsverhältnisses heranzuziehen. § 133 Abs. 2 SGB VI a. F. finde keine Anwendung mehr, der Berufsgruppenkatalog des Reichsarbeitsministeriums vom 8. März 1924 liefere hier keinen Anhaltspunkt. Ein übereinstimmender Wille der vorliegenden Arbeitsvertragsparteien, wonach der Kläger als Angestellter beschäftigt sein solle, sei nicht ersichtlich, im Gegenteil. Aus Ziffer 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages ergebe sich der Wille der Arbeitsvertragsparteien, dass der Kläger als Arbeiter tätig werden sollte. Die seitens des Klägers dargestellten und im Wesentlichen unstreitig gebliebenen Tätigkeiten stellten im Wesentlichen keine Tätigkeiten eines Angestellten, sondern die eines Arbeiters dar. Eine geistige Tätigkeit sei vorliegend nicht prägend. Die Prüfung des Waren- und Palettenzustandes sowie die Prüfung der Ware auf Bruch und Beschädigung sei keine geistige Tätigkeit, sondern eher eine visuelle. Die Überprüfung des Kolli-Inhaltes und dessen Zählung gehörten ebenfalls eher zu den körperlichen Tätigkeiten. Im Übrigen bediene sich der Kläger bei seinen Aufgaben überwiegend eines Scanners und Bildschirms. Dies mache die Tätigkeit nicht bereits zu einer geistigen. Der Kläger führe hier Tätigkeiten am Bildschirm aus, die einfachste Anwendungen darstellten. Fraglich sei dies allein bei der Eingabe bzw. dem Erfassen der Stammdaten. Dies stelle jedoch nur einen kleinen Bereich der Tätigkeit des Klägers dar, der die Tätigkeit nicht deswegen zur geistigen werden lasse. Deutlich werde dies noch mal bei der Aufgabe des Überprüfens, ob die Artikelnummer in der Maske vorhanden sei. Stelle sich heraus, dass dies nicht der Fall sei und auch über das Öffnen anderer Masken diese nicht existiere, gebe der Kläger diese Information an das Wareneingangsbüro weiter, ohne selbst hier weiter tätig zu werden. Die eigentliche geistige Tätigkeit falle hier im Wareneingangsbüro an. Bezüglich der Auffassung des Klägers, eine Differenzierung zwischen Angestellten und Arbeitern sei im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz unzulässig, werde auf die Tarifhoheit der Tarifvertragsparteien nach Art. 9 Abs. 3 GG verwiesen. Wegen der Einzelheiten der erstinstanzlichen Begründung wird ergänzend auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts (Bl. 153 ff. d. A.) Bezug genommen. Randnummer 53 Das genannte Urteil ist dem Kläger am 20. November 2019 zugestellt worden. Er hat hiergegen mit einem am 19. Dezember 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt. Der Kläger hat die Berufung mit einem - innerhalb der durch Beschluss vom 21. Januar 2020 bis einschließlich 20. Februar 2020 verlängerten Berufungsbegründungsfrist - am 20. Februar 2019 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag begründet. Randnummer 54 Zur Begründung der Berufung macht der Kläger nach Maßgabe des genannten Schriftsatzes sowie der Schriftsätze vom 27. April 2020 und 29. Juni 2020, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 185 ff., 219 f., 236 f. d. A.), unter ergänzender Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen zusammengefasst geltend, das Arbeitsgericht habe sich keinerlei Mühe gemacht, den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien und damit den von Ihnen beabsichtigten Zweck der Tarifnorm zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden habe. Hinsichtlich der konkreten Lohn- bzw. Gehaltsgruppen hätten die Tarifvertragsparteien mit einer Regelbeispielstechnik geregelt, welche Tätigkeiten welchen Lohn- bzw. Gehaltsgruppen zugewiesen sein sollten. Insoweit werde der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien nicht durch die Differenzierung zwischen Angestellten und Arbeitern deutlich, sondern vielmehr dadurch, dass bestimmten Tätigkeitsmerkmalen bzw. -gruppen bestimmte Lohn- bzw. Gehaltsgruppen zugewiesen sein sollten. Insoweit sei mitnichten davon auszugehen, dass der Wille der Tarifvertragsparteien nicht in den auf den jeweiligen § 1 Buchst. c folgenden Paragrafen der jeweiligen Tarifverträge Niederschlag gefunden habe. Dies müsse die maßgebliche Auslegungshilfe hinsichtlich des Tarifvertrags darstellen. Auch ohne eine Differenzierung zwischen Angestellten oder Arbeitern verbliebe ein sinnvoller Regelungsgehalt, sodass die Argumentation, § 1 Buchst. c des jeweiligen Tarifvertrags sei ohne die Differenzierung zwischen Angestellten und Arbeitern sinnentleert, schlicht unzutreffend sei. Randnummer 55 Zudem sei zu berücksichtigen, dass die arbeitsvertragliche Eingruppierung zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses nicht maßgeblich sein dürfe. Vielmehr gehe es um die Versetzung, die bezüglich des Klägers zum 1. Oktober 2013 vorgenommen worden sei. Dort sei als Funktion „WE Mitarbeiter“ eingetragen. Tarifgeschichte und Entstehungsgeschichte des jeweiligen Tarifvertrags böten nichts Erhellendes. Es sei auch die praktische Tarifübung zugrunde zu legen. Hierzu sei festzuhalten, dass die Beklagte nahezu und ungeachtet der arbeitsvertraglichen Gegebenheiten beliebig zwischen den einzelnen hier infrage kommenden Tarifverträgen wechselseitig umgruppiere. Die Beliebigkeit sei jedoch insoweit einzuschränken, dass jedes Mal maßgeblich die konkreten Tätigkeiten des jeweiligen Arbeitnehmers herangezogen worden seien und würden. So sei beispielsweise zum 1. April 2019 der Betriebsrat der Beklagten am Standort in N. zur Umgruppierung eines Mitarbeiters bei unveränderter Funktion („SB Wareneinkauf“) von der Lohngruppe L III auf die Gehaltsgruppe G III Stufe 5 unterrichtet worden. Auch sei der Betriebsrat darüber unterrichtet worden, dass man frühestmöglich, spätestens jedoch zum 1. Februar 2019 einen Lagerarbeiter von der Lohngruppe III in die Gehaltsgruppe IVb umgruppieren wolle. Der Betriebsrat sei weiter unterrichtet worden, dass zum 1. Oktober 2018 ein Gruppenleiter im Bereich Wein von L III nach G III umgruppiert werden sollte. Auch zum 1. April 2018 sei der Betriebsrat unterrichtet worden, dass ein Lagerarbeiter, der zuvor in der Lohngruppe L III eingruppiert gewesen sei, nunmehr in der Gehaltsgruppe G III eingruppiert sein solle. So sei aus der praktischen Tarifübung der Beklagten erkennbar, dass diese keine Grenzen hinsichtlich der Tarifverträge berücksichtige oder erkenne. Die Beklagte habe allein die tatsächlich ausgeführten Tätigkeiten zum Maßstab genommen, die jeweiligen Arbeitnehmer in die jeweiligen Tarifverträge einzugruppieren. Auch in den Fällen der Versetzungen mit diversen Umgruppierungen von Herrn P., Frau K., Herrn M., Herrn K. oder Herrn E. sei der persönliche Anwendungsbereich des begehrten Tarifvertrags nicht eröffnet. Es liege eine betriebliche Übung vor, dass Arbeitnehmer, ungeachtet der vertraglichen Vereinbarungen immer nach ihren tatsächlich ausgeübten Tätigkeiten eingruppiert würden. Insofern werde die Beklagte auch im vorliegenden Fall eine Gleichbehandlung vornehmen müssen. Randnummer 56 Auch ein übereinstimmender Wille der Vertragsparteien, dass er nicht als Angestellter habe beschäftigt werden sollen, sei nicht ersichtlich. Zwar sei er zunächst in die Lohngruppe L III eingruppiert worden. Ab 2013 habe sich jedoch ohnehin eine anderweitige Tätigkeitszuweisung ergeben, sodass die seitdem maßgebliche Tätigkeit die Grundlage für die richtige Eingruppierung bilde. Randnummer 57 Wie eine Tätigkeit als wenig komplex bezeichnet werden könne, bei deren kurz gefasster Beschreibung ein Gericht schon über zwei Seiten benötige, entziehe sich jedem vernünftigen Verständnis. Eine erhöhte Komplexität deutet darauf hin, dass eine Qualifizierung der Tätigkeit im Sinne einer Angestelltentätigkeit gegeben sei. Randnummer 58 Der Kläger beantragt, Randnummer 59 1. das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 18. September 2019 zum gerichtlichen Aktenzeichen 2 Ca 1476/18 abzuändern; Randnummer 60 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn seit dem 1. Dezember 2017 nach der Gehaltsgruppe II des Gehaltstarifvertrags für den Einzel- und Versandhandel für Rheinland-Pfalz zu vergüten und die anfallenden monatlichen Brutto-Differenzbeträge zwischen der Lohngruppe III des Gehaltstarifvertrags für den Einzel- und Versandhandel für Rheinland-Pfalz und der Gehaltsgruppe II des Gehaltstarifvertrags für den Einzel- und Versandhandel für Rheinland-Pfalz beginnend mit dem 1. Dezember 2017 ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt hilfsweise seit Rechtshängigkeit mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen; Randnummer 61 3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Dezember 2017 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2018 zu zahlen; Randnummer 62 4. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Januar 2018 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2018 zu zahlen; Randnummer 63 5. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Februar 2018 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2018 zu zahlen; Randnummer 64 6. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat März 2018 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2018 zu zahlen; Randnummer 65 7. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat April 2018 weitere 285,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2018 zu zahlen; Randnummer 66 8. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Mai 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2018 zu zahlen; Randnummer 67 9. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Juni 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2018 zu zahlen; Randnummer 68 10. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Juli 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2018 zu zahlen; Randnummer 69 11. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat August 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2018 zu zahlen; Randnummer 70 12. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat September 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2018 zu zahlen; Randnummer 71 13. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Oktober 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2018 zu zahlen; Randnummer 72 14. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat November 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2018 zu zahlen; Randnummer 73 15. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Dezember 2018 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2019 zu zahlen; Randnummer 74 16. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Januar 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2019 zu zahlen; Randnummer 75 17. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Februar 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. März 2019 zu zahlen; Randnummer 76 18. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat März 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. April 2019 zu zahlen; Randnummer 77 19. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat April 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2019 zu zahlen; Randnummer 78 20. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Mai 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2019 zu zahlen; Randnummer 79 21. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Juni 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juli 2019 zu zahlen; Randnummer 80 22. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Juli 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. August 2019 zu zahlen; Randnummer 81 23. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat August 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. September 2019 zu zahlen; Randnummer 82 24. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat September 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Oktober 2019 zu zahlen; Randnummer 83 25. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Oktober 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2019 zu zahlen; Randnummer 84 26. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat November 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Dezember 2019 zu zahlen; Randnummer 85 27. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Dezember 2019 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2020 zu zahlen; Randnummer 86 28. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Monat Januar 2020 weitere 291,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2020 zu zahlen; Randnummer 87 29. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn nach der Gehaltsgruppe II des Gehaltstarifvertrages für den Einzel- und Versandhandel für Rheinland-Pfalz zu vergüten. Randnummer 88 Die Beklagte beantragt, Randnummer 89 die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Randnummer 90 Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Berufungserwiderungsschriftsatzes vom 19. März 2020 und des Schriftsatzes vom 23. Juni 2020, auf die ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 211 ff., 222 f. d. A.) als rechtlich zutreffend. Es gebe in den hier im Streit stehenden Tarifverträgen keinen Anhaltspunkt, dass eine Eingruppierung allein nach einer „Regelbeispielstechnik“ zu erfolgen habe. Im Gegenteil, gerade durch die voneinander abgegrenzten Geltungsbereiche der zwei Entgelttarifverträge sowie die Vorgabe in der Gehaltsgruppe G II, die nur für „Angestellte“ gelte, sei das Arbeitsgericht mit Recht davon ausgegangen, dass es vorliegend entscheidend darauf ankomme, ob der Kläger für sie als Arbeiter oder als Angestellter tätig sei. Randnummer 91 Es treffe nicht zu, dass sie „keine Grenzen hinsichtlich der Tarifverträge berücksichtige oder kenne“. Die vom Kläger aufgezählten Umgruppierungen hätte nämlich folgenden Hintergrund gehabt: Herr P. (Umgruppierung zum 1. April 2019 sei als Sachbearbeiter im Wareneingang eingesetzt gewesen und eingesetzt und dort mit kaufmännischen Aufgaben betraut. Als solcher sei er bisher nicht korrekt eingruppiert gewesen. Frau K. (Umgruppierung zum 1. April 2019) sei nach erfolgter interner Stellenausschreibung zum 1. April 2019 von der Lagerarbeiterin auf die Position der Gruppenleiterin befördert worden. Dieser Funktions- und Tätigkeitswechsel sei mit einer entsprechenden Umgruppierung einhergegangen. Hinsichtlich dieser Mitarbeiterin habe es ein Beschlussverfahren gegeben (Arbeitsgericht Mainz, Az. 9 BV 19/19, vom 21. November 2019, Bl. 226 ff. d. A.). Herr M. sei nach interner Stellenausschreibung zum 1. Februar 2019 vom Lagerarbeiter auf die Position des Gruppenleiters befördert worden (Schreiben der Beklagten vom 25. Januar 2019, Bl. 232 d. A.). Dieser Funktions- und Tätigkeitswechsel sei mit einer entsprechenden Umgruppierung einhergegangen. Herr K. sei nach erfolgter interner Stellenausschreibung zum 1. Oktober 2018 vom Lagerarbeiter auf die Position des Gruppenleiters befördert worden (Unterrichtung durch die Beklagte vom 28. September 2018, Bl. 233 f. d. A.). Auch dieser Funktions- und Tätigkeitswechsel sei mit einer entsprechenden Umgruppierung einhergegangen. Das entsprechende Beschlussverfahren sei eingestellt worden, nachdem Herr K. in der Probezeit gekündigt habe (Arbeitsgericht Mainz, Az. 3 BV 45/18). Herr E. sei nach erfolgter interner Stellenausschreibung zum 1. April 2018 vom Lagerarbeiter zunächst zur Erprobung befristet auf die Position des Gruppenleiters befördert worden (Formular Bl. 235 d. A.). Dieser Funktions- und Tätigkeitswechsel sei mit einer entsprechenden Umgruppierung einhergegangen. Der Kläger und die von ihm verrichtete gewerbliche Arbeit seien mit keiner der vorgenannten kaufmännisch tätigen Personen vergleichbar. Randnummer 92 Auch im Übrigen wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 1. Juli 2020 (Bl. 238 ff. d. A.) Bezug genommen.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 18. September 2019, Az.: 2 Ca 1476/18, wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt 4. Kammer
Sachsen-Anhalt
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1
15.08.2012
1
Randnummer 1 Die Parteien streiten sowohl in erster als auch in zweiter Instanz über einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer Abfindung aus dem Sozialplan vom 30. Juli 2007, und zwar ausschließlich dem Grunde nach. Randnummer 2 Die ... 1973 geborene Klägerin war seit dem 01. September 1989 als Krankenschwester im Pflegedienst im Krankenhaus N beschäftigt. Träger dieses Krankenhauses war zunächst der Landkreis B, der es im Jahre 2006 an die Beklagte bzw. deren Muttergesellschaft veräußerte. Randnummer 3 Am 30. Juli 2007 unterzeichneten die beklagte Arbeitgeberin, deren Name inzwischen B GmbH lautet, und der dort bestehende Betriebsrat einen Sozialplan. Randnummer 4 Dessen Präambel, dessen § 1 und dessen § 6 lauten auszugsweise wie folgt: Randnummer 5 „Präambel Randnummer 6 Die Situation des Krankenhauses macht ein unternehmerisches Handeln erforderlich, das zum Abbau von Arbeitsplätzen führen wird. Betriebsrat und Unternehmen sind übereingekommen, dass aus heutiger Sicht ein Personalabbau im Umfang von 64 Vollzeitkräften notwendig ist. Randnummer 7 Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern der M... B... gGmbH infolge dieser Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG entstehen, wird folgender Sozialplan vereinbart. Er berücksichtigt sowohl die sozialen Belange der betroffenen Arbeitnehmer als auch die wirtschaftlichen Lage des Unternehmens. ... § 1 Randnummer 8 Geltungsbereich Randnummer 9 (1) Dieser Sozialplan gilt für alle unter das BetrVG fallenden Arbeitnehmer des Unternehmens, die am 01.09.2007 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen und denen aus Anlass der Betriebsänderung (§ 111 BetrVG) wirtschaftliche Nachteile entstehen. Randnummer 10 (2) Der Sozialplan ist unabhängig davon anzuwenden, ob das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt oder im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitgebers endet, sofern Ursache der Beendigung die Betriebsänderung (§ 111 BetrVG ist). Randnummer 11 (3) Die Regelungen dieses Sozialplanes gelten auch für Arbeitnehmer in einem befristeten Arbeitsverhältnis bei Ausscheiden vor dem vereinbarten Fristende aufgrund der Betriebsänderung (§ 111 BetrVG). Randnummer 12 (4) Der Sozialplan findet keine Anwendung auf Beschäftigte, denen aus Verhaltens- oder personenbedingten Gründen gekündigt wird. ... § 6 Randnummer 13 Abfindung Randnummer 14 Jeder Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis entweder durch betriebsbedingte Kündigung oder zur Vermeidung einer solchen Kündigung durch Aufhebungsvereinbarung beendet wird, erhält eine Abfindung. Ein Anspruch auf Abfindung besteht nicht, wenn ein Mitarbeiter einvernehmlich auf einem Arbeitsplatz gemäß § 3 weiterbeschäftigt wird. Randnummer 15 Die Abfindungen errechnen sich wie folgt: Randnummer 16 ...“ Randnummer 17 Wegen des weiteren Inhaltes des vorgenannten Sozialplanes vom 30. Juli 2007 wird auf Blatt 15 - 21 der Akte Bezug genommen. Randnummer 18 Mit Schreiben vom 22. September 2007 sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung zum 31. März 2008 aus. Hiergegen erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage. Dieser wurde vom Arbeitsgericht Magdeburg mit Urteil vom 21. Februar 2008 stattgegeben, während der von der Klägerin gestellte Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung zurückgewiesen wurde. Gegen dieses Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21. Februar 2008 legte die Beklagte Berufung beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt ein (8 Sa 172/08). Dieses wies die Berufung der Beklagten durch Urteil vom 18. November 2008 zurück. Diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen. Randnummer 19 Das Schreiben der Klägervertreter an die Beklagtenvertreter vom 19. Januar 2009 (Bl. 24 - 25 d. A.) lautet: Randnummer 20 „... Randnummer 21 in der vorbezeichneten Angelegenheit nehme ich Bezug auf die mit Ihnen, sehr geehrte Frau Kollegin R..., geführten Telefonate. Randnummer 22 Namens und in Vollmacht unserer Mandanten erklären wir gemäß § 12 KSchG, dass unsere Mandantin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihrer Mandantschaft verweigert. Unsere Mandantin hat mit Frau Dr. med. H, 39... O, ausweislich des in der Anlage beigefügten Arbeitsvertrages vom 29.11.2008 mit Wirkung vom 01.01.2009 ein neues Arbeitsverhältnis begründet. Randnummer 23 Wir bitten, den unserer Mandantin in der Zeit vom 01.04.2008 - 31.12.2008 entgangenen Zwischenverdienst abzurechnen und die hieraus unter Berücksichtigung der der Bundesanstalt für Arbeit zustehenden Entgelte nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auszuzahlen, soweit dieses bisher nicht erfolgt ist. Randnummer 24 Gleichwohl steht unserer Mandantin eine Abfindung nach dem Sozialplan vom 30.07.2007 zu. In diesem Zusammenhang erlauben wir uns den Hinweis auf § 1 Abs. 2 des Sozialplanes, danach ist der Sozialplan unabhängig davon anzuwenden, ob das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt gekündigt oder im gegenseitigen Einvernehmen auf Veranlassung des Arbeitgebers endet, sofern Ursache der Beendigung die Betriebsänderung gemäß § 111 BetrVG ist. Es bedarf keiner vertiefenden Erörterung, dass das Arbeitsverhältnis zunächst betriebsbedingt gekündigt wurde, vor allem, dass unsere Mandantin sich wegen dieser Kündigung aus Anlass der Betriebsänderung um einen sicheren anderweitigen Arbeitsplatz mit Erfolg bemüht hat. Dies wiederum hat für unsere Mandantin eine erhebliche Einkommenseinbuße und einen Verlust von Beschäftigungszeiten zur Folge. Randnummer 25 Abschließend dürfen wir Sie und Ihre Mandantschaft um Mitteilung bitten, wann mit einer Auszahlung der gegebenenfalls ausstehenden Arbeitsentgelte bzw. der Abfindung zu rechnen ist.“ Randnummer 26 Die Beklagte kam dieser Aufforderung zur Zahlung der Abfindung nicht nach. Daraufhin erhob die Klägerin am 01. Juli 2009 Klage gegen die Beklagte mit dem Antrag, diese in der Hauptsache zur Zahlung einer Abfindung in Höhe von 36.069,63 Euro zu verurteilen. Randnummer 27 Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21. Juli 2010 - 5 Ca 2362/09 - auf den Seiten 2 - 5 (Bl. 87 - 91 d. A.) Bezug genommen. Randnummer 28 Der Tenor dieses Urteils lautet: Randnummer 29 1. Die Klage wird abgewiesen. Randnummer 30 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Randnummer 31 3. Der Streitwert wird auf 36.069,63 Euro festgesetzt. Randnummer 32 4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen. Randnummer 33 Wegen der Gründe dieser Entscheidung vom 21. Juli 2010 wird auf deren Seiten 5 bis 7 (Bl. 91 - 93 d. A.) verwiesen. Dieses Urteil wurde der Beklagten am 14. Oktober 2010 und der Klägerin am 27. Dezember 2010 zugestellt. Diese unterschiedlichen Zustellungsdaten wurden in der Berufungsverhandlung vom 15. August 2012 anhand des Vermerks auf Blatt 95 R. der Akte geklärt. Die Berufungsschrift der Klägerin ist am 27. Dezember 2011 und deren Berufungsbegründung - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21. März 2011 - am 08. März 2011 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen. Randnummer 34 Wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens der Klägerin wird auf die Berufungsbegründung vom 08. März 2011 (Bl. 133 - 138 d. A.) Bezug genommen. Randnummer 35 Wegen der zweitinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf die Seite 2 des Protokolls über die Berufungsverhandlung vom 15. August 2012 (Bl. 169 d. A.) verwiesen. Randnummer 36 Bezüglich des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf deren Schriftsatz vom 14. April 2011 (Bl. 146 - 151 d. A.) verwiesen. Randnummer 37 In der Berufungsverhandlung vom 15. August 2012 wurde die Sach- und Rechtslage ausführlich erörtert. Eine vergleichsweise Regelung kam nicht zustande. Am Ende dieser Berufungsverhandlung haben die Prozessbevollmächtigten der Parteien übereinstimmend erklärt: Randnummer 38 Es ist nicht beabsichtigt, im heutigen Termin noch weitere Erklärungen abzugeben.
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 21. Juli 2010 - 5 Ca 2362/09 - wird als unbegründet zurückgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Die Revision wird zugelassen.
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VG Kassel 7. Kammer
Hessen
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17.09.2008
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Randnummer 1 In der Nacht vom 11. zum 12.04.2005 war die Klägerin als Polizeiobermeisterin im Bundesgrenzschutz zur Überwachung von Bahnanlagen eingesetzt. Die Klägerin fuhr ein Dienst-Kraftfahrzeug VW-Kleinbus Typ T4. Mit ihr befanden sich im Fahrzeug ein Polizeihauptmeister als Hundeführer und ein Hund. Gegen Ende der Nachtschicht fuhr die Klägerin auf den Parkplatz für Dienstfahrzeuge der Deutschen Bahn AG am Rande des Fernbahnhofs ..., um auf dem Bahnhofsgelände mit dem Kollegen und dem Hund Streife zu gehen. Bei dem Parkplatz handelt es sich um ein weitläufiges Rechteck, welches sich von Norden nach Süden erstreckt; die Einfahrt befindet sich etwa in der Mitte der westlichen Längsseite. Die Oberfläche ist größtenteils geschottert, so dass dort keine Parkplätze markiert sind. In der Mitte des Parkplatzes befindet sich jedoch in Längsrichtung eine ca. 40 cm hohe Barriere aus Holzbalken, die als Orientierung für ein Aufstellen von Fahrzeugen dient und an deren beiden Enden sich jeweils ein Querbalken befindet. Nach dem Einfahren in den Parkplatz fuhr die Klägerin um das Südende dieser Barriere herum, wendete das Fahrzeug hinter der Barriere und stellte es im rechten Winkel zur östlichen, rückwärtigen Längsseite nahe dem Südende des Parkplatzes ab. Dies geschah, weil die Heckklappe geöffnet werden musste, um den Hund herauszulassen und der Hund nicht zur Parkplatzmitte herausgelassen werden sollte. Beim Wenden und Abstellen des Fahrzeuges war der südliche Teil des Parkplatzes noch völlig leer. Als die Streife um 5:30 Uhr vom Streifengang zurückkehrte, hatten jedoch inzwischen mehrere Fahrzeuge im rechten Winkel zum Südrand des Parkplatzes geparkt. Beim Wegfahren geriet die Klägerin deshalb nun mit der rechten Fahrzeugseite näher an den Querbalken am Südende der Holzbarriere in der Parkplatzmitte, als dies bei der Einfahrt der Fall war. Als sie dann nach rechts einschlug, um zur Ausfahrt zu gelangen, kollidierte das Fahrzeug mit dem westlichen Ende dieses Querbalkens. Dabei wurden auf der rechten Seite die Schiebetür und der Schweller unter der Schiebetür beschädigt. Randnummer 2 Die Beklagte ließ in ihrer eigenen Kfz-Werkstatt den Türschweller richten und eine neue Schiebetür einbauen, wofür Kosten in Höhe von 1.772,66 EUR entstanden. Randnummer 3 Die Klägerin gab an, dass sie die Holzbarriere wegen ihrer geringen Höhe von der Fahrerposition aus nicht sehen konnte. Randnummer 4 Die Beklagte gelangte zu dem Ergebnis, dass die Klägerin den Sachschaden am Dienstfahrzeug grob fahrlässig verursacht habe, und deshalb gemäß § 78 Abs. 1 Bundesbeamtengesetz (BBG) in Regress zu nehmen sei. Hierzu wurde die Klägerin mit Schreiben vom 10.08.2005 angehört und äußerte sich mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 23.09.2005, dass sie die Holzbarriere zwar bei der Einfahrt in den Parkplatz gesehen habe, nicht aber bei der Ausfahrt. Hier liege kein rücksichtsloses und äußerst leichtfertiges Verhalten vor, sondern allenfalls leichte Fahrlässigkeit. Außerdem bestritt sie die Schadenshöhe, da bei der relativ geringfügigen Beschädigung die Notwendigkeit einer kompletten Erneuerung der Schiebetür nicht ersichtlich sei. Zu letzterem nahm die Kfz-Werkstatt der Beklagten wie folgt Stellung: Art und Umfang der notwendigen Reparatur seien durch einen als Kfz-Sachverständiger amtlich anerkannten Beamten festgestellt worden. Bereits in der Unfallmeldung werde darauf hingewiesen, dass sich die Schiebetür infolge des Unfalls nicht mehr vollständig öffnen ließ. Die Tür sei an der Unterkante in einem Bereich eingedrückt gewesen, wo das Blech gefalzt sei, so dass sie dort nicht ausgebeult werden könne. Beim Aufbringen von Spachtelmasse bestehe die Gefahr, dass diese sich durch die Erschütterungen beim Schließen der Tür löse. Das Fahrzeug sei weiß lackiert und sodann mit einer grünen Folie mit der Aufschrift "Polizei" und dem Polizeiemblem beklebt. Diese Folie könne nur für eine ganze Fahrzeugseite erworben werden. Randnummer 5 Mit Leistungsbescheid vom 28.11.2005 forderte die Beklagte von der Klägerin eine Schadensersatzleistung in Höhe von 1.772,66 EUR. Die Klägerin habe den Schaden grob fahrlässig verursacht. Der DB-Parkplatz sei der Klägerin bekannt gewesen. Außerdem sei die Parkplatzbegrenzung bei der Einfahrt auf Grund ihrer erheblichen Länge und der sich dadurch ergebenden Aufteilung des Parkraums deutlich wahrnehmbar gewesen. Sie habe sich daher bei der Ausfahrt vergewissern müssen, dass ihr dieses Hindernis nicht im Wege sei, sondern sie ausreichend Abstand dazu halte. Randnummer 6 Gegen den Leistungsbescheid legte die Klägerin am 22.12.2005 Widerspruch ein, den sie u. a. damit begründete, dass das Übersehen des niedrigen Hindernisses eine flüchtige Nachlässigkeit bzw. momentane Unaufmerksamkeit darstelle, was nicht als grobe Fahrlässigkeit zu werten sei. Randnummer 7 Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2006 zurück, in dessen Begründung u. a. ausgeführt wurde, ein Fahrer, der praktisch blindlings losfahre, so dass er ein vor seinem Fahrzeug deutlich wahrnehmbares Hindernis nicht wahrnehme, verletze die Pflichten eines Dienstkraftfahrzeugführers in besonders hohem Maße. Der Widerspruchsbescheid wurde am 11.05.2006 zugestellt. Randnummer 8 Am 09.06.2006 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Kassel Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie nochmals vor, sie sei nicht leichtfertig auf das Hindernis "drauflosgefahren", sondern habe sich lediglich im Abstand zu dem niedrigen Hindernis verschätzt. Erstmals in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin sodann darauf hingewiesen, dass im Zeitpunkt der Ausfahrt aus dem Parkplatz an der Südseite des Parkplatzes quer zu ihrer Fahrtrichtung Fahrzuge geparkt hatten, die sich beim Einparken dort noch nicht befunden hatten und ihr nunmehr etwas im Wege waren. Jedenfalls habe sie beim Wegfahren ihre Aufmerksamkeit auf diese Fahrzeuge gerichtet, und deshalb nicht bedacht, dass sie mit der rechten Fahrzeugseite nunmehr näher an die Holzbarriere geriet, als dies bei der Einfahrt der Fall war. Randnummer 9 Die Klägerin beantragt, den Leistungsbescheid der Beklagten vom 28.11.2005 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 05.05.2006 aufzuheben. Randnummer 10 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Mit Beschluss vom 08.08.200 hat die Kammer den Rechtsstreit gemäß § 6 Abs. 1 VwGO dem Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen. Randnummer 12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des einschlägigen Verwaltungsvorgangs der Beklagten über den Kfz.-Schadensfall (1 Heftstreifen, 75 Blatt), der zum Verfahren beigezogen wurde und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.
Der Leistungsbescheid der Beklagten vom 28.11.2005 und deren Widerspruchsbescheid vom 05.05.2006 werden aufgehoben. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Dieses Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
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Thüringer Landessozialgericht 3. Senat
Thüringen
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11.11.2015
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über den versicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen zu 1) als Servicefahrer für die Klägerin ab dem 9. April 2009. Randnummer 2 Bei der Klägerin handelt es sich um einen Frühstücksservice. Im Rahmen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nimmt die Klägerin als Franchisenehmer an dem von der Franchisegesellschaft M. betriebenen Brötchenlieferdienst teil, wobei Backwaren auf Bestellung des Kunden morgens an den Kunden ausgeliefert werden. Randnummer 3 Im Antrag auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status gab der Beigeladene zu 1) an, die von ihm ausgeübte Tätigkeit für den Auftraggeber M. GmbH bestehe in Kurier- und Lieferdiensten mit Kleintransporter. Die Belieferung von Privathaushalten mit frischen Backwaren erfolge laut Vertrag. Die Qualitätskontrolle führe er selbst durch und erhalte über Kunden bzw. den Auftraggeber Kenntnis von Besonderheiten und Reklamationen. Insofern seien die gesetzlichen Bestimmungen maßgeblich, es gebe keine weiteren Vorgaben. Die Backwarenauslieferung erfolge im Zeitraum von 4.00 bis 8.00 Uhr. Innerhalb dieser Zeit lege er selbst fest, wann und wo er die Backwaren ausliefere. Die Auslieferungszeit betrage ein bis zwei Stunden. Zeitliche Wünsche würden mit ihm abgestimmt. Die Backwaren würden bei der Bäckerei R. abgeholt und mit eigenem PKW ausgeliefert. Das Liefergebiet sei als Anlage zum Vertrag festgelegt und sei bei Vertragsschluss verhandelt worden. Seitens des Auftraggebers würden keine Einschränkungen des Tätigkeitsverlaufes gemacht. Es gebe keine Eingliederung in die Arbeitsorganisation beim Auftraggeber. Die Tätigkeit werde mit eigenem PKW erbracht. Es habe nur eine Einführungsschulung zu Besonderheiten (z.B. Ablagemöglichkeiten beim Kunden) gegeben. Es gebe weder eine Dienstbesprechung noch Dienstpläne. Die Preise seien vor Vertragsabschluss verhandelt und festgelegt worden. Er habe weitere Auftraggeber wie z.B. einen Pizza-Lieferservice. Neben dem vollen wirtschaftlichen Risiko durch den Einsatz seines Kleintransporters trage er die Kosten für die Büroausstattung einschließlich notwendiger Investitionen. Randnummer 4 Ausweislich des vorgelegten Service-Fahrervertrages vom 2. April 2009 ist festgelegt, dass der Auftragnehmer (Fahrer) eigenverantwortlich für den Auftraggeber die Auslieferung der vom Auftraggeber beschriebenen Erzeugnisse in dem festgelegten Vertragsgebiet übernimmt. Aufgrund der Kundenbestellungen hat der Auftragnehmer sicher zu stellen, dass die von dem Auftraggeber vertriebenen Erzeugnisse bis spätestens 7.00 Uhr bei den Kunden ausgeliefert werden. Sollte von der Vertragsbäckerei die Ware nicht rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, so verschiebt sich der Auslieferungszeitpunkt entsprechend. Der Auftragnehmer ist berechtigt, für die Auslieferung Mitarbeiter einzusetzen. Der Auftraggeber wird durch eine Vereinbarung zwischen dem Auftragnehmer und dessen Mitarbeiter nicht mit verpflichtet. Der Auftragnehmer hat auch nicht das Recht, den Auftraggeber rechtsgeschäftlich zu vertreten und/oder im Namen des Auftraggebers aufzutreten. Der Auftragnehmer hat sicherzustellen, dass seine Mitarbeiter, die er bei der Auslieferung einsetzt, hinreichend qualifiziert und vom ihm geschult sind. Darüber hinaus wird der Auftragnehmer seine Mitarbeiter auf die einschlägigen Vorschriften des Lebensmittelgesetzes hinweisen. Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer die Aufstellung der Kundenbestellungen für das Auftragsgebiet jeweils am Tag der Auslieferung in der Bäckerei oder am Vortag über die Homepage des Auftraggebers zur Verfügung. Der Auftragnehmer erhält vom Auftraggeber bei Vertragsbeginn eine Schulung. Die Schulung des Auftragnehmers beginnt am 16. April 2009 und dauert bis zum 19. April 2009. Der Auftragnehmer ist während der Schulung verpflichtet, zu der vom Auftraggeber benannten Vertragsbäckerei anzureisen, in der die Einführungsschulung stattfindet. Der Auftragnehmer ist verpflichtet einen Mitarbeiter bzw. Ersatzfahrer als Ansprechpartner für den Auftraggeber zu benennen, so dass die regelmäßige und rechtzeitige Belieferung der Kunden gewährleistet bleibt. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber die vollständige Anschrift und die Telefonnummer seines Ersatzfahrers bzw. seines Mitarbeiters mitzuteilen und ihn unverzüglich über Änderungen der Wohnanschriften bzw. Telefonnummern des Ersatzfahrers bzw. des zuständigen Mitarbeiters zu unterrichten. Der Auftragnehmer erhält als Entgelt für Waren, die an Privathaushalte ausgeliefert werden, eine Vergütung von 0,05 Euro pro Stück und Tag. Großkunden (über 30 Gebäckstücke pro Tag) werden pauschal für 1,50 Euro pro Tag vergütet. Für jeden gefahrenen Kilometer erhält der Auftragnehmer 0,165 Euro. Die anrechenbaren Kilometer werden ab der Bäckerei berechnet und enden in der Wohnstraße des Auftragnehmers, jedoch maximal 5 km ab dem letzten Kunden. Die jeweils gültige Mehrwertsteuer wird auf die Vergütung hinzugerechnet. Der Auftragnehmer wird dem Auftraggeber monatlich eine Abrechnung erstellen und dem Auftraggeber eine ordnungsgemäße Rechnung mit Ausweis der Mehrwertsteuer stellen. Die Zahlung der Vergütung ist 10 Werktage nach Rechnungserhalt fällig. Der Vertrag beginnt am 19. April 2009. Der Vertrag wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von jeder Vertragspartei mit einer Frist von 8 Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Eine Kündigung des Vertrages muss schriftlich erfolgen. Bei schuldhaften Verstößen des Auftragnehmers gegen seine vertraglichen Pflichten, insbesondere bei Unterlassung der Leistungserbringung, einer ungerechtfertigten fristlosen Kündigung durch den Auftragnehmer, Verstoß gegen die Benachrichtigungspflichten, ist er verpflichtet, eine vom Auftraggeber nach billigem Ermessen festzusetzende, im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfende, angemessene Vertragsstrafe an den Auftraggeber zu zahlen. Zwischen den Vertragsparteien besteht Einigkeit, dass eine Vertragsstrafe für jeden Tag der schuldhaft unterlassenen Leistungserbringung in Höhe von 30,00 Euro als in der Regel angemessen anzusehen ist. Für den Fall einer ungerechtfertigten fristlosen Kündigung durch den Auftragnehmer gehen die Vertragsparteien davon aus, dass die Vertragsstrafe für maximal 27 Tage als in der Regel angemessen anzusehen ist. Bei der Festsetzung der Vertragsstrafe hat der Auftraggeber die Schwere der Verletzung im Einzelfall zu berücksichtigen. Der Auftragnehmer erkennt an, dass dem Auftraggeber durch schuldhafte Verstöße gegen die vertraglichen Verpflichtungen durch den Auftragnehmer im erheblichen Umfang Nachteile entstehen (Ersatzfahrer, Ersatzannoncen, Umsatzausfall etc.) Durch die vereinbarte Vertragsstrafe soll im Interesse der Leistungserbringung durch den Auftraggeber unter dem Namen „M. Frühstücksdienste“ sichergestellt werden, dass die Leistungserbringung stets gewährleistet und vom Auftragnehmer nicht durch eine unberechtigte Kündigung oder unentschuldigtes Unterlassen des Ausfahrens gefährdet wird. Die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch den Auftraggeber bleibt neben der Vertragsstrafe ausdrücklich vorbehalten. Der Auftragnehmer ist während der Vertragsdauer nicht berechtigt, ohne ausdrückliche schriftliche Einwilligung des Auftraggebers für ein Konkurrenzunternehmen unmittelbar oder mittelbar, selbständig oder unselbständig auf eigene oder fremde Rechnung tätig zu werden oder sich an einem Konkurrenzunternehmen direkt oder indirekt zu beteiligten oder sonst zu unterstützen. Der Auftragnehmer darf Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse - insbesondere Kundenlisten des Auftraggebers -, die ihm während der Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber bekannt werden, ohne Einwilligung vom Auftraggeber weder verwerten, noch Dritten mitteilen. Das gilt auch für die Zeit nach Beendigung des Vertrages. Der Auftragnehmer wird die Geheimhaltungspflicht auch seinen Mitarbeitern, Ersatzfahrern und/oder Erfüllungsgehilfen auferlegen. Verstößt der Auftragnehmer gegen das von ihm übernommene Wettbewerbsverbot und/oder die Geheimhaltungsverpflichtung, so hat er für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung eine vom Auftraggeber nach billigem Ermessen festzusetzende, im Streitfall vom zuständigen Gericht zu überprüfende, Vertragsstrafe zu zahlen. Unabhängig davon stehen dem Auftraggeber weiterhin die Rechte zu, den Vertrag fristlos aus wichtigem Grund zu kündigen, sowie seine Ansprüche auf Auskunftserteilung und Schadensersatz durchzusetzen. Auf einen Schadensersatzanspruch des Auftraggebers wird eine vom Auftragnehmer zu zahlende Vertragsstrafe angerechnet. Aus der Anlage zum Service-Fahrervertrag ergibt sich, dass der Beigeladene zu 1) für das Gebiet (Tour 5) mit den Stadtteilen/Ortschaften G., M., K., T., E., W., A., F., W., R., R., H., G. zuständig ist. An Werktagen kommt zusätzlich die Tour 3 mit den Stadtteilen/Ortschaften K., H., St., Sch., K., T., K., G. und U. hinzu. Randnummer 5 Im Rahmen des Statusfeststellungsverfahrens nach § 7 a ff. des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) forderte die Beklagte die Klägerin auf, weitere Unterlagen vorzulegen und Fragen zu beantworten bzw. konkrete Angaben zu ausdrücklich genannten Sachverhalten zu machen. Ebenfalls unter dem 6. Juni 2011 wandte sich die Beklagte mit einem ähnlichen Fragenkatalog an den Beigeladenen zu 1). Randnummer 6 Mit Schreiben vom 18. Juni 2011 teilte die M. Frühstücksdienst GmbH der Beklagten mit, dass der Vertrag zwischen ihr und den Kunden telefonisch oder online zustande komme. Der Auftragnehmer erhalte die Backwaren von der Bäckerei R., … in ... Diese stünden ab 3.00 bzw. 4.00 Uhr bereit. Den zeitlichen Rahmen lege der Auftragnehmer selbst fest entsprechend der AGB, die Kunden an Wochentagen bis 7.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen bis 8.00 Uhr zu beliefern. Der Fahrer kontrolliere die Qualität und Quantität der Backwaren bei der Übernahme in der Bäckerei. Weiterhin erfolge die Qualitätskontrolle durch Kunden, Reklamationen erfolgten über Telefon oder online über das Kundenportal. Nicht ausgelieferte Produkte würden dem Kunden gut geschrieben und dem Fahrer in Rechnung gestellt. Bei Nichtlieferung erfolge auf der Grundlage des vorher verhandelten Vertrages eine Vertragsstrafe in Höhe von 30,00 Euro. Der Auftragnehmer kommissioniere die Kundenlieferungen und fahre die fertigen Lieferungen zum Kunden. Es gebe außerhalb des Vertrages keine weiteren Vereinbarungen, außer den gültigen Lebensmittelbestimmungen. Der Auftragnehmer setze für die Leistungen seinen eigenen PKW ein. Es würden keine Anwesenheitszeiten vorgegeben. Vor Vertragsabschluss werde das Vertragsgebiet verhandelt. Den Tourenplan lege der Fahrer selbst fest. Es bestehe keine Verpflichtung zur Übernahme weiterer Aufträge außer denen der Kunden im vertraglich vereinbarten Gebiet. Der Fahrer sei berechtigt, Dritte mit der Erbringung der Leistung zu beauftragen. Es würden dem Auftragnehmer keine Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt. Fest angestellten Mitarbeiter für die Auslieferung existierten nicht. Der Beigeladene zu 1) sei verpflichtet und aufgefordert, in eigener Zuständigkeit für Ersatz zu sorgen. Er übernehme auch die Haftung gegenüber dem Kunden. Die Vergütung erfolge, wie im Service-Fahrervertrag vereinbart, nach erbrachter Leistung. Es sei eine Einweisungsschulung erfolgt. In diesem Zusammenhang legte die Klägerin die auf Blatt 40 bis 44 gestellten Rechnungen des Beigeladenen zu 1 vor. Daraus ergeben sich jeweils Stückkosten (z.B. 3.922 x 0,050 Euro), Fahrtkosten (1.108 km x 0,165 Euro), Nettobetrag 378,92 Euro (196,10 Euro Stückkosten, 182,82 Euro Fahrtkosten) zuzüglich Mehrwertsteuer 71,99 Euro, Rechnungsbetrag 450,91 Euro für den Monat Januar 2011. Auf Blatt 40 bis 44 der Verwaltungsakte wird hinsichtlich der einzelnen Rechnungen Bezug genommen. Randnummer 7 Unter dem 30. Juni 2011 hörte die Beklagte den Beigeladenen zu 1) im Rahmen der Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status an. Darin führte sie aus, dass beabsichtigt sei, einen Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung zu erlassen. Weiterhin sei beabsichtigt, Versicherungspflicht in der Kranken-, der Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung festzustellen. Unter selbigem Datum erfolgte eine Anhörung der Klägerin. Im Rahmen der Anhörung trat die Klägerin der Einschätzung der Beklagten, es liege ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, anwaltlich entgegen. Randnummer 8 Mit Bescheiden vom 22. September 2011 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit als Service-Fahrer bei der M.-Frühstücksdienste Erfurt GmbH seit 19. April 2009 durch den Beigeladenen zu 1) im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung durchgeführt werde. In dem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Die Versicherungspflicht beginne am 19. April 2009. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV sei eine Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen würden die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwiegen. Eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers sei gegeben. Weisungen über Zeit, Dauer und Ort der zu beurteilenden Tätigkeit sowie Art und Weise der Durchführung, würden einseitig im Wege des Direktionsrechtes des Auftraggebers erteilt. In dieser Tätigkeit bestehe daher eine persönliche Abhängigkeit zur Klägerin. Randnummer 9 Der dagegen eingelegte Widerspruch der Klägerin war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2012). Entscheidungserheblich sei, dass die Tätigkeit in einem festen Zustellgebiet ausgeübt werde und der Beigeladene zu 1) zeitliche Vorgaben hinsichtlich der Zustellung erhalte. In der Ausführung der Tätigkeit unterliege er den Weisungen der Klägerin. Der Beginn der Tätigkeit richte sich nach dem Zeitpunkt, zu dem die auszufahrenden Backwaren bereitgestellt würden. Es werde somit ein regelmäßiger Arbeitsbeginn vorgegeben. Das rechtzeitige Erscheinen, um die Waren zeitgerecht auszuliefern zu können, werde kontrolliert. Es erfolge insgesamt eine Kontrolle der Leistungserbringung. Die Vergütung erfolge erfolgsunabhängig entsprechend der vertraglichen Regelungen. Ein gewichtiges Indiz für eine selbständige Tätigkeit sei das mit dem Einsatz eigenen Kapitals verbundene erhebliche Unternehmerrisiko. Das Unternehmerrisiko sei zum einen durch den Einsatz finanzieller Mittel geprägt, um einen zum Zeitpunkt des Einsatzes dieser Mittel ungewissen Gewinn zu erzielen, zum anderen auch durch das Risiko des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft, wenn offenbleibe, ob der Arbeitende für seine Tätigkeit überhaupt Entgelt erhalte. Der Beigeladene erhalte für Waren, die an Privathaushalte ausgeliefert würden, eine Vergütung pro Stück und Tag sowie für jeden Großkunden einen Pauschalbetrag pro Tag. Zudem erhalte er Kilometergeld. Ein Unternehmerrisiko sei bei der ausgeübten Tätigkeit somit nicht zu erkennen. Unternehmerisches Risiko kennzeichne sich durch den Einsatz eigenen Kapitals bzw. eigener Betriebsmittel, dessen wirtschaftlicher Erfolg ungewiss sei. Ein Kapitaleinsatz, der auch mit der Möglichkeit eines Verlustes verbunden sei, liege nicht vor. Der Beigeladene zu 1) setze zwar einen PKW ein, allerdings bekomme er dies vergütet. Er unterscheide sich nicht von Arbeitnehmern, die eine entsprechende Regelung für die Nutzung eines PKWs mit dem Arbeitsgeber träfen. Das Risiko, für seine Arbeit (beispielsweise bei Insolvenz des Auftraggebers) kein Entgelt zu erhalten, bzw. bei nicht zufriedenstellender Arbeit nicht weiter beschäftigt bzw. beauftragt zu werden, stelle kein unternehmerisches Risiko im Sinne der Rechtsprechung dar. Es werde verwiesen auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27. Januar 1980 zur Tätigkeit des „Ringtourfahrers“. Diese Entscheidung sei auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) übertragbar. Randnummer 10 Auf die dagegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht die Bescheide der Beklagten vom 22. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2012 aufgehoben. Das Sozialgericht hat ferner festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) als Kurierfahrer bei der Klägerin in der Zeit ab 19. April 2009 kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sei und ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Abs. 1 SGB IV nicht bestehe. Randnummer 11 Mit der dagegen eingelegten Berufung hält die Beklagte an der zuvor vertretenen Rechtsauffassung fest. Die zwischenzeitlich von Landessozialgerichten vertretene Auffassung, dass eine abhängige Beschäftigung bei den Servicefahrern der M. Frühstücksdienste nicht gegeben sei, werde nicht geteilt. Den Entscheidungsgründen des Sozialgerichts Gotha werde entgegengetreten. Für die hier tangierte Berufsgruppe im weiteren Sinne liege bereits höchstinstanzliche sozialgerichtliche Rechtsprechung vor. Zu verweisen sei in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Entscheidung des BSG vom 27. November 1980 zu den „Ringtourenfahrern“ bzw. vom 19. August 2003 zur den „Menübringern“. In der jüngsten dieser Entscheidungen habe das BSG klargestellt, dass eine tatsächlich bestehende Eingliederung in den Betrieb des Dienstherren nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurücktrete, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet sei. Auch Transportfahrer könnten demnach - selbst bei einer für Frachtführer geltenden gesetzgeberischen Wertung als selbständige Gewerbetreibende bei weit reichenden Weisungsrechten sowohl des Spediteurs als auch des Absenders und des Empfängers des Frachtgutes - jeweils dann versicherungsrechtlich als abhängig Beschäftigte einzuordnen seien, wenn sich die Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien nicht auf die jeden Frachtführer treffenden gesetzlichen Bedingungen beschränkten, sondern wenn Vereinbarungen getroffen und praktiziert würden, die die Tätigkeit engeren Bindungen unterwerfen würden. Im vorliegenden Falle habe der Beigeladene zu 1) gemäß den vertraglichen Vereinbarungen täglich ab 4.00 Uhr die auszuliefernden Backwaren bei der vertraglich bestimmten Bäckerei zunächst anhand der täglich aktualisierten, von der Klägerin vorgegebenen Liste zu kommissionieren, das Transportfahrzeug zu beladen und innerhalb des vertraglich vorgegebenen engen Zeitraums spätestens um 7.00 Uhr innerhalb der vorgegebenen Tourengebiete an die jeweils (u.U. täglich wechselnden) Kunden der Klägerin auszuliefern. Bei der vertraglichen Gestaltung sei nicht nachvollziehbar, dass das Sozialgericht die angegriffene Entscheidung u.a. damit begründe, der Beigeladene zu 1) sei hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsleistung frei gewesen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 14. Oktober 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Sie ist der Auffassung, dass der Beigeladene zu 1) nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe und bezieht sich dafür auf diverse SG Entscheidungen. Randnummer 17 Mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 sind die Krankenkasse/Pflegekasse und Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen worden. Randnummer 18 Am 7. Juli 2015 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf Blatt 429 bis 431 wird Bezug insoweit genommen. Randnummer 19 Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 14. Oktober 2013 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 3. Senat
Sachsen-Anhalt
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14.04.2016
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Berechtigung der Beklagten zur rückwirkenden Aufhebung der Bewilligung einer Witwerrente und Rückforderung überzahlter Rentenleistungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012. Randnummer 2 Der am ... 1959 geborene Kläger lebte nach eigener Angabe seit ... 2000 mit der am ... 1955 geborenen und am ... 2008 verstorbenen Frau. P. M. in einer Lebensgemeinschaft. Randnummer 3 Am 12. Februar 2008 beantragte der Kläger bei der Beklagten Witwerrente. In dem Antragsformular gab er in dem Formularfeld "Tag der Eheschließung/Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der/dem Versicherten" den 30. November 2000 an, und er beantwortete die Formularfrage "Bestand diese Ehe/Eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum Tod der/des Versicherten?" mit Ankreuzen des Kästchens "ja". Er legte die erweiterte Melderegisterauskunft vom 11. Februar 2008 vor, aus der sich ergab, dass die Verstorbene seit dem 13. Mai 2006 unter der Anschrift des Klägers in D.-R. in der L. gemeldet war. Der den Antrag entgegennehmende Mitarbeiter der Beklagten F. vermerkte, dass die Sterbeurkunde keine Angaben über den die Rente beantragenden Ehegatten/Lebenspartner enthalten habe, sodass die Heiratsurkunde/Lebenspartnerschaftsurkunde nach dem Tode ausgestellt worden sein müsse, und gab das Vorliegen einer Heiratsurkunde vom 11. Februar 2008 an. Der Kläger bestätigte die Richtigkeit seiner Angaben im Antrag mit seiner Unterschrift. Randnummer 4 Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 16. April 2008 ab dem 30. Januar 2008 eine große Witwerrente. Sie führte zur Begründung u.a. aus, seine - des Klägers - "Ehefrau P. M." sei am 30. Januar 2008 verstorben. Des Weiteren forderte die Beklagte den Kläger in diesem Bescheid auf, den Sozialversicherungsausweis und das Facharbeiterzeugnis seiner "verstorbenen Ehefrau" zu übersenden. Randnummer 5 Im Rahmen der Überprüfung der Einkommensverhältnisse im März 2012 ermittelte die Beklagte zum Familienstand des Klägers. Aus der Auskunft des Standesamtes der Stadt D.-R. vom 23. Mai 2012 ergab sich, dass der Kläger mit der Verstorbenen nicht verheiratet war. Die Verstorbene sei ausweislich der beigefügten Sterbeurkunde vom 1. Februar 2008 von H.-J. M. geschieden gewesen. Randnummer 6 Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 30. Mai 2012 mit, es sei beabsichtigt, den Bescheid vom 16. April 2008, mit dem ihm eine große Witwerrente bewilligt worden sei, für die Zeit ab 30. Januar 2008 zurückzunehmen und die überzahlten Beträge in Höhe von 17.302,24 EUR zurückzufordern, da der Kläger mit der Verstorbenen nicht verheiratet gewesen sei. Die Rentenzahlung werde zum 30. Juni 2012 eingestellt. Randnummer 7 Mit Bescheid vom 2. Juli 2012 nahm die Beklagte den Bescheid vom 16. April 2008 für die Zeit ab dem 30. Januar 2008 zurück und forderte zur Erstattung der vom 30. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2012 überzahlten Beträge in Höhe von 17.302,24 EUR auf. Der Bescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen, da der Kläger mit der verstorbenen Frau M. zum Zeitpunkt des Todes nicht verheiratet gewesen sei. Der Kläger habe als Heiratsdatum den 30. November 2000 angegeben. Durch das Standesamt der Stadt D.-R. sei nunmehr bestätigt worden, dass die Verstorbene zum Zeitpunkt ihres Todes geschieden war. Im Rahmen der Anhörung habe er sich zu der beabsichtigten Rücknahme nicht geäußert. Ein Vertrauen des Klägers auf den Bestand des rechtswidrigen Bescheides sei nicht schutzwürdig. Dem Bescheid wurde eine Aufstellung der Rückzahlungsbeträge vom 30. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2011 und vom 1. Januar 2012 bis zum 30. Juni 2012 beigefügt. Mit Berichtigungsbescheid vom 28. August 2012 korrigierte die Beklagte die Höhe der Überzahlung in Bezug auf die vom 1. Juli 2011 bis zum 31. Dezember 2011 gezahlte Witwerrente und forderte nunmehr einen Betrag in Höhe von 19.437,40 EUR zurück. Randnummer 8 Mit Schreiben vom 14. September 2012 mahnte die Beklagte die Zahlung des Rückforderungsbetrages an. Der Kläger sprach am 27. September 2012 bei der Beklagten vor und machte geltend, die Schreiben vom 2. Juli und 28. August 2012 nicht erhalten zu haben. Die Beklagte übergab dem Kläger Zweitschriften des Bescheides vom 2. Juli 2012 sowie des Berichtigungsbescheides vom 28. August 2012. Der Kläger führte aus, auch aus finanziellen Gründen eine Rückzahlung nicht leisten zu können. Hierzu reichte er Unterlagen zur Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach. Randnummer 9 Am 9. Oktober 2012 beantragte der - nunmehr anwaltlich vertretene - Kläger die Überprüfung des Rücknahmebescheides vom 2. Juli 2012 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. August 2012. Er habe lediglich mitgeteilt, seit 30. November 2000 mit der Verstorbenen zusammengelebt zu haben, nicht dagegen, dass die Verstorbene seine Ehefrau gewesen wäre. Auch habe er keine am 11. Februar 2008 ausgestellte Heiratsurkunde vorgelegt. Wahrheitswidrige Angaben habe er nicht gemacht. Randnummer 10 Mit Bescheid vom 3. Dezember 2012 lehnte die Beklagte die Änderung des überprüften Bescheides vom 2. Juli 2012 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. August 2012 ab. Die Überprüfung habe zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt. Sie habe vielmehr ergeben, dass der Kläger ausweislich seiner Unterschrift die Personenstandsdaten bestätigt habe. Randnummer 11 Der Kläger legte mit Schreiben vom 27. Dezember 2012 Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf seine Ausführungen im Überprüfungsantrag vom 8. Oktober 2012. Mit Teilabhilfebescheid vom 4. April 2013 nahm die Beklagte den Rentenbewilligungsbescheid vom 16. April 2008 erst für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 zurück und forderte zur Erstattung der Überzahlungen in Höhe von 10.726,50 EUR auf. Es sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass die Beklagte von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei, da sie die Verstorbene als Ehefrau des Klägers bezeichnet habe. Sein Vertrauen auf den Bestand des Bescheides sei nicht schutzwürdig. Im Rahmen der Ermessensprüfung habe sie jedoch berücksichtigt, dass auch ein Mitverschulden der Behörde, insbesondere bei der Feststellung des persönlichen Status als Witwer, vorgelegen habe. Randnummer 12 Der Kläger hat am 6. Mai 2013 Klage vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Er habe aufgrund von Hinweisen aus seiner Bekanntschaft den Antrag gestellt, da er in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Verstorbenen zusammengelebt habe. Bei der Antragstellung habe er keine Falschangaben gemacht. Er habe lediglich die Sterbeurkunde, nicht aber eine Heiratsurkunde vom 11. Februar 2008 vorgelegt. Dass der Bescheid rechtswidrig gewesen sei, habe er nicht erkannt. Es könne auch nicht mit dem Maßstab eines Juristen gemessen werden, sondern nur mit dem eines durchschnittlichen Verbrauchers. Er sei davon ausgegangen, dass seine Lebensgemeinschaft mit der Verstorbenen für die Bewilligung einer Witwerrente ausreichend gewesen sei. Er habe auf den Bestand des Bescheides vertraut. Die erbrachten Leistungen habe er für den Lebensunterhalt verbraucht. Außerdem könne ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Eine Rückforderung innerhalb von zehn Jahren nach Bekanntgabe des Bescheides scheide vorliegend aus. Randnummer 13 Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Mai 2013 hat die Beklagte den über die Teilabhilfe hinausgehenden Widerspruch zurückgewiesen. Es sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass die Beklagte von einer Verheiratung mit der Verstorbenen ausgegangen sei, da sie im Bescheid die Versicherte als die "Ehefrau" bezeichnet habe. Aufgrund eines Mitverschuldens der Behörde ergebe sich jedoch eine Verringerung des zu erstattenden Betrages. Randnummer 14 Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 13. März 2014 die Klage abgewiesen. Es sei Allgemeinwissen, dass Witwerrente nur an den überlebenden Ehegatten oder den eingetragenen Lebenspartner geleistet werde. Randnummer 15 Der Kläger hat gegen das ihm am 27. Juni 2014 zugestellte Urteil am 25. Juli 2014 vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Berufung eingelegt. Der Begriff der eingetragenen Lebenspartnerschaft sei nicht Allgemeingut. Der Kläger habe aufgrund von Hinweisen aus der Bekanntschaft angenommen, dass er einen Anspruch auf Witwerrente auch dann habe, wenn er in eheähnlicher Gemeinschaft mit der Verstorbenen gelebt habe. Dies habe der aufnehmende Sachbearbeiter der Beklagten offensichtlich ebenfalls angenommen. Des Weiteren sei die nach Jahren und nicht nach monatlichen Beträgen erfolgte Aufhebung nicht rechtmäßig. Randnummer 16 Der Kläger beantragt, Randnummer 17 das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 13. März 2014 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2012 in der Fassung des Teilabhilfebescheides vom 4. April 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Mai 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 2. Juli 2012 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 28. August 2012 für den Zeitraum vom 1. Januar 2010 bis zum 30. Juni 2012 zurückzunehmen. Randnummer 18 Die Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 20 Sie trägt vor, der Kläger habe in seinem Antrag auf Hinterbliebenenrente falsche Angaben gemacht. Er habe den 30. November 2000 als Tag der Eheschließung/Begründung der Eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der/dem Versicherten benannt und die Frage, ob die Ehe/Eingetragene Lebenspartnerschaft bis zum Tod der/des Versicherten bestanden habe, durch Ankreuzen des Kästchens "ja" beantwortet. Diese Angaben habe er grob fahrlässig unrichtig gemacht. Darüber hinaus habe der Kläger aus dem Rentenbewilligungsbescheid ohne weiteres erkennen können, dass die Beklagte von einer Eheschließung mit der Verstorbenen ausgegangen sei. Auf Seite 2 des Bescheides habe sie festgestellt: "Ihre Ehefrau P. M. ist am 30.1.2008 verstorben". Im weiteren Verlauf auf Seite 4 habe sie nochmals die Verstorbene als "Ihre Ehefrau" bezeichnet. Aus den Hinweisen auf Seite 5 des Bescheides ergebe sich, dass eine anspruchsbegründende Lebenspartnerschaft nur gegeben sei, wenn eine Eintragung vorliege. Ein mögliches Mitverschulden der Beklagten sei im Rahmen des Ermessens berücksichtigt worden. Randnummer 21 Der Senat hat den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung befragt. Es wird auf die Niederschrift über die öffentliche Sitzung vom 14. April 2016 verwiesen. Randnummer 22 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten, die sämtlich Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind, Bezug genommen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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ArbG Stendal 1. Kammer
Sachsen-Anhalt
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17.01.2013
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über den Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages. Randnummer 2 Die im September 1956 geborene Klägerin ist seit dem 01.08.1991 als Lehrerin in Vollzeit für das beklagte Land tätig, zuletzt zu einem Monatsgehalt von 4.253,27 €. Randnummer 3 Da die Klägerin seit 1990 Mitglied der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist, finden auf das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit, der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sowie die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge Anwendung. Zur Altersteilzeit hat die GEW mit dem beklagten Land unter dem Datum 25.01.2012 einen gesonderten Tarifvertrag abgeschlossen (im Folgenden: AltTZTV LSA). Randnummer 4 § 2 AltTZTV LSA lautet: Randnummer 5 „§ 2 Voraussetzungen der Altersteilzeitarbeit Randnummer 6 (1) Der Arbeitgeber kann mit Beschäftigten, die Randnummer 7 a) das 55. Lebensjahr vollendet und Randnummer 8 b) innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeitarbeit mindestens 1080 Kalendertagen in einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch gestanden haben, die Änderung des Arbeitsverhältnisses in ein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf der Grundlage des Altersteilzeitgesetzes (AltTZG) vereinbaren; das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des Dritten Buches Sozialgesetzbuch sein. Randnummer 9 (2) Beschäftigte, die das 60. Lebensjahr vollendet haben und die Voraussetzung nach Abs. 1 Buchst. b) erfüllen, haben Anspruch auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Der Beschäftigte hat den Arbeitgeber drei Monate vor dem geplanten Beginn des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses über die Geltendmachung des Anspruchs zu informieren, von dem Fristerfordernis kann einvernehmlich abgewichen werden. Randnummer 10 (3) Der Arbeitgeber kann die Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses ablehnen, soweit dringende dienstliche bzw. betriebliche Gründe entgegenstehen. Randnummer 11 (4) Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis soll mindestens für die Dauer von zwei Jahren vereinbart werden. Es muss vor dem 1. Januar 2017 beginnen. Das Altersteilzeitarbeitsverhältnis muss sich auf die Zeit erstrecken, bis eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann.“ Randnummer 12 Der Ehemann der Klägerin ist nicht kurabel an Krebs erkrankt und in immer weiterem Umfang auf die Hilfe der Klägerin bei allen täglichen Verrichtungen angewiesen. Mit Schreiben vom 29.05.2012 (Bl. 19 d. A.) stellte die Klägerin unter Hinweis auf die Erkrankung ihres Ehemannes einen Antrag auf Altersteilzeit unter durchgehender Reduzierung der Arbeitszeit auf 50 % (Teilzeitmodel) ab dem Schuljahr 2012/2013 bis zum frühestmöglichen Renteneintritt am 01.10.2019. Randnummer 13 Mit Schreiben vom 31.05.2012 befürwortete die Schulleiterin der Förderschule „Am K. S.“, wo die Klägerin eingesetzt ist, den Altersteilzeitantrag der Klägerin mit dem Hinweis, dass die Unterrichtsversorgung nach derzeitigem Stand gesichert ist (Schreiben der Schulleiterin vom 31.05.2012, Bl. 23 d. A.). Randnummer 14 Mit Schreiben vom 11.06.2012 (Bl. 24 d. A.) lehnte das beklagte Land den Antrag auf Vereinbarung eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses aus dringenden dienstlichen Gründen ab. Es wies die Klägerin in dem Ablehnungsschreiben darauf hin, dass sie drei Monate vor Vollendung des 60. Lebensjahres erneut einen Altersteilzeitantrag stellen könne, und zwar in dem von der Klägerin gewünschten linearen Teilzeitmodell. Das Ablehnungsschreiben schließt mit dem Hinweis, dass das beklagte Land zum jetzigen Zeitpunkt der Klägerin einen „Teilzeitantrag anbieten“ könnte. Randnummer 15 Nach einem Erlass des Kultusministeriums des beklagten Landes vom 02.06.2009 (Bl. 26 d. A.) ist bei der Bewilligung von Altersteilzeitarbeitsverträgen Folgendes zu beachten: Randnummer 16 „1. Vor Vollendung des 60. Lebensjahres Randnummer 17 Anträgen auf Vereinbarung von Altersteilzeit von Lehrkräften, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, stehen aufgrund der künftigen Bedarfslage in jedem Fall dringende dienstliche Gründe entgegen. Der Abwägungsprozess zwischen persönlichen Belangen der Beschäftigten und dem Verfassungsauftrag einer gesicherten Unterrichtsversorgung kann nur zu Gunsten des öffentlichen Interesses ausfallen. Dies ist in jedem Einzelfall bei der Begründung der Ablehnung herauszuarbeiten. Randnummer 18 Ab sofort werden Anträge von Lehrkräften einschließlich der Funktionsstelleninhaberinnen und –inhaber, die das 60. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wegen entgegenstehender dienstlicher Gründe ausnahmslos abgelehnt.“ Randnummer 19 In einem weiteren Erlass des Kultusministeriums des beklagten Landes vom 16.05.2012 (Bl. 30 d. A.) ist Folgendes angeordnet: Randnummer 20 „… 2. Altersteilzeit kann Antragstellerinnen und Antragstellern erst ab dem vollendeten 60. Lebensjahr und nur im linearen Modell angeboten werden. Randnummer 21 Dabei ist zur Sicherstellung der Unterrichtsversorgung und der Betreuung der Schülerinnen und Schüler der Beginn der Altersteilzeitarbeit bei Lehrkräften, pädagogischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Betreuungskräften in jedem Fall auf den Anfang eines Schuljahres (01.08.) zu legen.“ Randnummer 22 Nach einer E-Mail des Landesschulamtes vom 17.10.2012 (Bl. 63 d. A.) besteht im Schuljahr 2012/2013 an den Förderschulen im Landkreis Stendal eine Abdeckung der Unterrichtsversorgung durch die Lehrkräfte von 110 % (plus 231 Stunden), angestrebt ist eine Versorgung von 102,5 %. Bis 2016 gehen nach dieser E-Mail 12 in den Förderschulen im Landkreis Stendal beschäftigte Lehrkräfte in Altersrente (minus 235 Stunden) und 9 Lehrkräfte in die Freistellung Altersteilzeit (minus 216 Stunden). Nach einer Information des Finanzstaatsekretärs des beklagten Landes (Tageszeitung „Havelberger Volksstimme“ vom 20.10.2012, Bl. 74 d. A.) will das beklagte Land wegen sinkender Einwohnerzahlen und der Schuldenbremse bis zum Jahr 2020 rund 3000-Lehrervollzeitstellen abbauen. Randnummer 23 Mit am 07.08.2012 beim Arbeitsgericht Stendal eingegangener Klageschrift verfolgt die Klägerin ihr Ziel auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages weiter. Randnummer 24 Die Klägerin trägt vor, Randnummer 25 die von dem beklagten Land vorgetragenen Zahlen würde allenfalls das Endergebnis von Überlegungen der beklagten Partei darstellen, die man entweder glauben könne oder nicht. Es werde nur, bildlich gesprochen, die Spitze des Eisberges dargestellt, von dem unüberprüfbar behauptet werde, er sei so oder so groß. Nachprüfbar seien die vorgetragenen Zahlen jedenfalls nicht. Dies insbesondere deshalb nicht, da die von der beklagten Partei vorgetragenen Zahlen weitgehend auf Prognosen beruhen würden, die aber nur dann schlüssig dargelegt seien, wenn die tatsächlichen Grundlagen der Prognosen offengelegt würden. Die tatsächlichen Grundlagen einer Prognose würden ebenfalls der gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Nicht dargelegt werde auch, was mit dem Abgang von Lehrkräften aus dem Bereich der Förderschulen verstanden werde und mit wie vielen Stunden diese Abgänge gearbeitet hätten. Unter Abgang könne auch ein Wechsel von Förderschulen zu anderen Schulen verstanden werden, was gerade im Zusammenhang mit der inklusiven Beschulung von Behinderten möglich sei. Gerade auch im Hinblick auf die inklusive Beschulung und den gemeinsamen Unterricht von nichtbehinderten Kindern und von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf bedürfe es eines genauen Vortrages der beklagten Partei, wobei klar sei, dass die Zahl der Förderschüler und damit auch der Bedarf an Unterrichtsversorgung durch Lehrer an Förderschulen immer weiter zurückgehe. Es fehle also an einem gleichbleibenden oder einem Mehrbedarf von Förderschullehrern. Auch die Schule „Am K. S.“, an der die Klägerin unterrichte, sei nur bis 2014 im Schulentwicklungsplan aufgeführt und von Schließung bedroht. Randnummer 26 Die Klägerin beantragt, Randnummer 27 die beklagte Partei wird verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitarbeitsvertrages nach dem Teilzeitmodell mit der Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit und einer Laufzeit bis 30.09.2019 nach Maßgabe des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeitarbeit im Bereich der Landesverwaltung Sachsen-Anhalt vom 25.01.2012 (AltTZTV LSA) anzunehmen . Randnummer 28 Das beklagte Land beantragt, Randnummer 29 die Klage abzuweisen . Randnummer 30 Das beklagte Land trägt vor, Randnummer 31 die Klägerin habe keinen Anspruch auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages. In Abwägung mit den persönlichen Interessen der Klägerin würden der Bewilligung des Antrages auf Altersteilzeit dringende dienstliche Gründe entgegenstehen. Dringende dienstliche Gründe würden sich aus der Betrachtung der Sicherstellung der Unterrichtsversorgung im Land ergeben. Seitens des beklagten Landes sei eine Teilzeitbeschäftigung der Klägerin grundsätzlich möglich, um den privaten Gründen der Klägerin (Pflege des Ehemannes) Rechnung zu tragen. Dieses sei der Klägerin mit Schreiben vom 11.06.2012 durch das beklagte Land auch angeboten worden. Die von der Klägerin begehrte Altersteilzeit unterscheide sich strukturell von einer befristeten Teilzeitbeschäftigung. In den Jahren 2013/2014 und 2014/2015 sei jeweils ein Abgang von 22 Lehrkräften zu erwarten, im Jahre 2015/2016 gar 37 Lehrkräfte und 2016/2017 17 Lehrkräfte. In der Regel könnten pro Jahr nur 15 bis 20 Neueinstellungen für den Bereich der Förderschulen realisiert werden. Damit könnten die Abgänge nicht kompensiert werden. Randnummer 32 Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, welche Gegenstand der Kammerverhandlung waren.
1. Das beklagte Land wird verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages nach dem Teilzeitmodell mit der Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit und einer Laufzeit bis 30.09.2019 nach Maßgabe des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit im Bereich der Landesverwaltung Sachsen-Anhalt vom 25.01.2012 (AltTZTV LSA) anzunehmen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land. 3. Der Streitwert wird auf 12.759,81 € festgesetzt.
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Verwaltungsgericht des Saarlandes 6. Kammer
Saarland
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17.06.2021
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Randnummer 1 Der Kläger, ein serbischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Roma, hat bereits mehrfach in Deutschland erfolglos um Asyl nachgesucht. Randnummer 2 Am 05.11.2020 stellte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Randnummer 3 Zur Begründung seines Folgeantrags führte der Kläger im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Beklagten (nachfolgend Bundesamt) im Wesentlichen an, er sei aus gesundheitlichen Gründen nach Deutschland gekommen. Er beabsichtige, sein Bein hier behandeln zu lassen, weil das Gesundheitssystem in Serbien sehr schlecht sei. Während eines früheren Aufenthalts in Deutschland sei sein Bein amputiert worden. In Serbien seien ihm ärztliche Untersuchungen und Kontrollen verwehrt worden. Für die erforderlichen Behandlungen habe er kein Geld gehabt. Zudem sei die Lebenssituation in Serbien insbesondere für Roma schlecht. Seine Lebensgefährtin habe hier in Deutschland einen Sohn zur Welt gebracht. Für diesen wünsche er sich ein besseres Leben. In Serbien gebe es auch kein Sozialsystem. Als Roma habe er keine staatlichen Hilfen erhalten. Randnummer 4 Ergänzend legte der Kläger eine ärztliche Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin vom 13.11.2020 vor, nach deren Inhalt der Kläger seit Jahren eine künstliche Prothese trage und unter Schmerzen an seinem Stumpf am linken Unterschenkel leide. Zurzeit werde eine Therapie mit hochdosiertem Antibiotikum und Schmerzmittel durchgeführt, weil der Kläger an einer Hautinfektion aufgrund mangelnder hygienischer Zustände leide. Eine weitere orthopädische Abklärung werde noch durchgeführt. Außerdem leide der Kläger unter Schlafstörungen und Kopfschmerzen wegen der starken Belastung. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 04.12.2020 lehnte das Bundesamt die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung sowie auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Zugleich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Serbien zur Ausreise aus der Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung aufgefordert sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung wurde unter Darlegung im Einzelnen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigter offensichtlich nicht vorlägen. Da der Kläger aus Serbien, einem sicheren Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 Satz 1 GG, § 29a Abs. 2 AsylG i.V.m. der Anlage II zum Asylgesetz, stamme, werde vermutet, dass er nicht verfolgt werde, solange er keine Tatsachen vortrage, die die Annahme begründeten, dass er entgegen dieser Vermutung verfolgt werde. Tatsachen, die die Annahme begründeten, dass dem Kläger abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG drohe, habe dieser nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere werde die Regelvermutung des § 29a AsylG nicht allein durch die Zugehörigkeit zur Minderheit der Roma oder die Berufung des Klägers auf die allgemein schlechten Lebensbedingungen oder die fehlenden finanziellen Mittel für eine medizinische Behandlung im Heimatland widerlegt. Bei den behaupteten Benachteiligungen hinsichtlich der medizinischen Behandlung sowie den allgemein schlechten Lebensbedingungen in Serbien handele es sich nicht um Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 3 AsylG. Auch drohe dem Kläger kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG. Die Todesstrafe sei abgeschafft und die Sicherheitslage in Serbien stabil. Der Kläger müsse weder von der serbischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung befürchten. Die nationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten grundsätzlich ausreichenden Schutz vor Schäden, die von nichtstaatlichen Akteuren drohen könnten. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Eine Abschiebung des Klägers sei insbesondere nicht gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unzulässig. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK bewertet werden. Die diesbezüglich geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien aufgrund der derzeitigen humanitären Bedingungen in Serbien nicht erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass die Situation in Serbien derart bedrohend sei, dass alle Angehörigen der Volksgruppe der Roma keine Lebensgrundlage hätten, lägen nicht vor. Die von dem Kläger geltend gemachten Umstände gingen nicht über das Maß dessen hinaus, was alle Bewohner Serbiens hinzunehmen hätten, die in vergleichbarer Situation lebten. Auch drohe dem Kläger keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Insbesondere sei nicht von einer schweren bis lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland auszugehen. Dem von ihm vorgelegten Attest sei nicht zu entnehmen, dass der Kläger einer weiteren ärztlichen Behandlung oder die bereits vor vielen Jahren erfolgte Amputation seines Beines einer stetigen Nachsorge bedürfe. Randnummer 6 Gegen den ihm am 24.12.2020 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 31.12.2020 Klage erhoben, zu deren Begründung er sich auf seine Angaben im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 25.11.2020 beruft. Randnummer 7 Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt, Randnummer 8 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 04.12.2020 zu verpflichten, ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen, Randnummer 9 hilfsweise, ihm subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen, Randnummer 10 weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG vorliegen. Randnummer 11 Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid entgegengetreten und hat schriftsätzlich beantragt, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Mit Beschluss vom 08.01.2021, 6 L 1604/20, hat die erkennende Kammer den Antrag des Klägers auf Aussetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zurückgewiesen. Randnummer 14 Mit Schriftsätzen vom 12.05.2021 und 18.05.2021 haben der Kläger und die Beklagte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt bzw. auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und des Eilrechtsschutzverfahrens 6 L 1604/20 sowie die beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten verwiesen, deren Inhalt ebenso wie die für das Land Serbien bei Gericht geführte Dokumentation Gegenstand der Entscheidung der Kammer war.
Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz 3. Senat
Rheinland-Pfalz
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27.09.2022
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Randnummer 1 Zwischen den Klägern, in den Streitjahren (2010 und 2011) zusammen zur Einkommensteuer veranlagten und spätestens seit dem 2. Juni 2006 miteinander verheirateten Ehegatten, und dem Beklagten steht sowohl die Berechtigung des Klägers in Bezug auf steuerliche Privilegien des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen – NATOTrStat – (BGBl II 1961, 1190), umgesetzt durch das Gesetz zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen vom 18. August 1961 – Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen – (BGBl II 1961, 1183) in Streit als auch die Frage, ob Einkünfte des Klägers nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 4. Juni 2008 (BGBl I 2008, 612, BStBl I 2008, 784) – DBA-USA 1989/2008 – von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen sind. Randnummer 2 Der Kläger, ein US-amerikanischer Staatsangehöriger, und die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, verfügten – spätestens – seit dem Jahr 2009 und – jedenfalls – während des gesamten Streitzeitraums über eine gemeinsame Wohnung in L (Deutschland). Für seine ausschließlich im Inland ausgeübte Tätigkeit als Reservist der US-amerikanischen Streitkräfte erzielte der Kläger in den Streitjahren Einnahmen in Höhe von – wenigstens – 7.774 € für 2010 sowie 14.220 € für 2011. Randnummer 3 Nach Aufforderung zur Abgabe von Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre machte der Kläger – soweit für den Streitgegenstand von Bedeutung – geltend, er habe eine „ID-Karte“ und sei in Deutschland nicht meldepflichtig. Er habe sich auch einen „großen Zeitraum des Jahres“ in den USA aufgehalten. Randnummer 4 In ihren in der Folge übermittelten Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gaben die Kläger einen „nach Doppelbesteuerungsabkommen/zwischenstaatlichen Übereinkommen“ steuerfreien Arbeitslohn des Klägers in Höhe von 24.498 € für 2010 an. Für 2011 findet sich eine Anlage N bei den Akten, die – ohne dass dies aktenkundig gemacht worden wäre – angesichts des Schriftbildes und des verwendeten Papiers offensichtlich von der Sachbearbeiterin des Beklagten ausgefüllt wurde und in der sich bei steuerpflichtigem Arbeitslohn, von dem kein Steuerabzug vorbenommen worden ist, die Angaben „s. VZ 2010“ und „36038“ finden. Randnummer 5 Mit Bescheiden vom 1. Oktober 2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für die Streitjahre gegenüber den Klägern im Wege der Zusammenveranlagung fest, wobei er bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Bruttoarbeitslöhne von 35.898 € (2010) und 36.038 € (2011) in Ansatz brachte. Zur Erläuterung führte der Beklagte aus, der Kläger sei als active duty bei dem civil support command beschäftigt. Das erklärte Gehalt sei daher um jeweils 3.800 € wegen Anpassung an die Gehaltsstufe und um 7.600 € (2010) sowie 7.740 € (2011) für erhaltene Privilegien im Wege der Schätzung erhöht worden. Randnummer 6 Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machten die Kläger geltend, der Kläger sei kein Zivilist, sondern active duty , d.h., er sei im aktiven Militärdienst und damit als beschränkt steuerpflichtig zu behandeln, da er als Soldat in den USA unbeschränkt steuerpflichtig sei. Er, der Kläger, unterliege nicht dem DBA, sondern dem NATOTrStat. Nach dessen Art. X unterlägen die Einkünfte als Soldat nicht der deutschen Besteuerung. Allein die Tatsache, dass er, der Kläger, mit einer Deutschen verheiratet sei, führe nicht zu einer Steuerpflicht der Einkünfte in Deutschland. Er sei in Deutschland als Soldat nicht meldepflichtig. Er müsse, wenn er versetzt werde, dieser Versetzung Folge leisten. Damit sei ein unbegrenzter Aufenthalt in Deutschland aus familiären Gründen nicht gegeben. Randnummer 7 Die Kläger hätten einen Wohnsitz in M (USA) und Kanada. Der Kläger habe ein im Jahr 2006 erworbenes Einfamilienhaus in den USA. Die Eltern des Klägers und seine restliche Familie lebten in den USA. Bei „den 24.498 €“ in der Anlage N handele es sich um einen Irrtum. Es seien versehentlich Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. aus Beteiligungen „lt. US Erklärung Zeile 17“ eingetragen worden. Das „Gehalt W2“ habe nur 10.315 US-$ betragen. Randnummer 8 Zudem legte der Kläger eine an seine Prozessbevollmächtigten gerichtete Stellungnahme des US-amerikanischen Department of the Army – Office of the Staff Judge Advocate vom 23. Dezember 2013 vor (Blatt 24 ff. der Einkommensteuerakte), nach der – u.a. – der Kläger ein nach dem NATOTrStat in Deutschland stationierter Soldat und damit Mitglied der Truppe i.S. des Art. I Abs. 1 Buchst. a NATOTrStat sei. Abs. 2 Buchst. a des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 68 des Zusatzabkommens zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages über die Rechtsstellung ihrer Truppen hinsichtlich der in der Bundesrepublik Deutschland stationierten ausländischen Truppen vom 3. August 1959 – NATOTrStatZAbk – (BGBl II 1961, 1218) liste explizit und selbständig die Einkommensteuer als befreite Steuer unabhängig von einer unbeschränkten Steuerpflicht auf. Dies stelle keine bloße Konkretisierung des Art. X Abs. 1 NATOTrStat dar, weil ansonsten schon dessen Satz 2 überflüssig wäre. Vielmehr liege ein eigenständiger Gehalt beider Vorschriften vor. Zudem finde die vom Bundesfinanzhof (BFH) befürwortete Rückbezüglichkeit von Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat auf Art. X Abs. 1 NATOTrStat keine Stütze in der Systematik der Regelung des Art. X NATOTrStat. Art. X Abs. 2 NATOTrStat verweise für die Steuerfreiheit nämlich ebenfalls nur auf die Art der Bezüge und Einkommen und dies ohne weiteren Bezug auf Art und Grund der Anwesenheit. Die Einschränkung „nur“ existiere nicht. Selbst Einkünfte aus einer Nebentätigkeit im Aufnahmestaat, mithin statusunabhängiges Einkommen, seien unschädlich für die Steuerfreiheit der „Statusbezüge“. Randnummer 9 In seinem Bericht vom 8. November 2018 (Blatt 218 ff. der Einspruchsakte) über eine während des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens durch das Finanzamt N bei dem Kläger durchgeführte Steuerfahndungsprüfung vertrat dieses – soweit für den Streitfall von Bedeutung – die Auffassung, der Kläger unterliege der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht, da er im Inland einen Wohnsitz begründet habe. Die Voraussetzungen des Art. X NATOTrStat träfen nicht zu. Der Wohnsitz sei erst Mitte des Jahres 2016 aufgegeben worden. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betrügen 7.774 € für 2010 sowie 14.220 € für 2011 und seien den US-amerikanischen Steuererklärungen entnommen worden. Randnummer 10 Mit Schreiben vom 7. Oktober 2019 teilte der Beklagte mit, dass beabsichtigt sei, die Einkommensteuer unter Berücksichtigung der Feststellungen in dem Steuerfahndungsbericht vom 8. November 2018, aus denen sich gegenüber den bisher den Festsetzungen zu Grunde gelegten Beträgen höhere Einkünfte des Klägers aus Gewerbetrieb ergaben, zu erhöhen. Randnummer 11 Mit Einspruchsentscheidung vom 11. März 2020 setzte der Beklagte die Einkommensteuer für die Streitjahre auf 10.901 € (2010) und 9.910 € (2011) fest und wies die Einsprüche im Übrigen als unbegründet zurück. Ausweislich der Anlagen zur Einspruchsentscheidung legte der Beklagte hierbei bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Bruttoarbeitslöhne von 7.774 € (2010) und 14.220 € (2011) zu Grunde. Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat – so der Beklagte in seiner Begründung – sei nicht anwendbar. Die Angaben des Klägers zu seinen Wohn- und Aufenthaltsorten seien teilweise unschlüssig und widersprächen den ihm, dem Beklagten, vorliegenden Unterlagen. Einen in den Streitjahren bestehenden Rückkehrwillen habe der Kläger nicht nachgewiesen. Allein aus der Tatsache, dass er im Jahr 2016 mit seiner Familie in die USA verzogen sei, lasse sich kein bereits Jahre zuvor bestehender Rückkehrwille ableiten. Randnummer 12 Auch sei das Besteuerungsrecht abkommensrechtlich Deutschland zugewiesen. Der Kläger sei im Juli 2005 nicht ausschließlich zum Zweck der Leistung von Diensten als Soldat der US-Armee in das Inland eingereist, sondern aufgrund der bereits bestehenden persönlichen Beziehung zu seiner späteren Ehefrau. US-amerikanische Steuern, die allein aufgrund der sog. saving clause des Art. 1 Abs. 4 DBA-USA 1989/2008 erhoben worden seien, würden in Deutschland nicht angerechnet (Art. 23 Abs. 5 Buchst. a DBA-USA 1989/2008). Randnummer 13 Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, das Bestehen eines Rückkehrwillens sei durch die Rückkehr der gesamten Familie in die USA bestätigt worden. Er, der Kläger, habe bereits seit November 2015 eine neue Arbeitsstelle in den USA angetreten. Darüber hinaus habe er im Februar 2011 in den USA eine Firma gegründet, die er bis zum heutigen Zeitpunkt als Geschäftsführer leite. Allein die Tatsache, dass er im Inland eine Familie gegründet habe, reiche nicht aus, um ihm den Schutz von Art. X NATOTrStat zu verwehren. Randnummer 14 Er, der Kläger, sei 2005 nach K (Deutschland) gekommen, um dort für die US-amerikanischen Streitkräfte tätig zu sein. Ab 2009 habe er sich in M (USA) befunden und Ende 2009 wieder in K (Deutschland). Die im Jahr 2005 erfolgte Anmeldung des Hauptwohnsitzes in R (Deutschland) sei nur erfolgt, weil die Klägerin den Kläger bei „Deutschland sucht den Superstar“ angemeldet habe. Randnummer 15 Die Kläger beantragen sinngemäß, die Einkommensteuerbescheide für 2010 und für 2011 – jeweils vom 1. Oktober 2013 – und die Einspruchsentscheidung vom 11. März 2020 aufzuheben. Randnummer 16 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Er trägt vor, die Angaben der Kläger zu den Wohn-, Aufenthalts- und Beschäftigungsorten des Klägers seien widersprüchlich. Der Kläger habe sich nicht ausschließlich in seiner Eigenschaft als Soldat der US-amerikanischen Streitkräfte im Inland aufgehalten, zumal er diese Tätigkeit nicht als Hauptberuf ausgeübt habe. Der Kläger habe seinen Vortrag, dass er 2005 allein wegen einer Versetzung innerhalb der Streitkräfte und nicht aufgrund der Beziehung mit seiner späteren Ehefrau nach Deutschland eingereist sei, nicht nachgewiesen. Zudem habe er den Lebensunterhalt seiner Familie in den Streitjahren mit vielfältigen gewerblichen Tätigkeiten bestritten, die er unabhängig von seiner Reservistentätigkeit im Inland ausgeübt habe.
I. Die Einkommensteuerbescheide für 2010 und für 2011 – jeweils vom 1. Oktober 2013 – in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. März 2020 werden dahin geändert, dass keine Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Ansatz gebracht werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Von den Kosten des Verfahrens haben die Kläger 73 % und der Beklagte 27 % zu tragen. III. Das Urteil ist wegen der von dem Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leisten. IV. Die Revision wird zugelassen.
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AG Pankow-Weißensee
Berlin
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08.08.2018
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Randnummer 1 Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks ... in ... Berlin. Der Kläger zu 1) bewohnt dieses Grundstück gemeinsam mit seiner Ehefrau. Die Beklagten sind Eigentümer und Nutzer des Wohngrundstückes ... in ... Berlin. Auf dem Grundstück der Kläger unmittelbar an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beklagten befindet sich eine 40 Jahre alte Schwarzkiefer. Der Baum ist inzwischen 15 m hoch und in allen Richtungen haben sich Äste gebildet, welche seit mindestens 20 Jahren auch über die Grundstücksgrenze auf das Grundstück der Beklagten hineinragen. Die Kiefer verliert im Frühjahr Zapfen und Nadeln. Die Beklagten sammeln einmal wöchentlich die Nadeln von ihrem Grundstück auf. Die Beklagten baten die Eltern der Kläger um Beseitigung der Kiefer vor vielen Jahren. Die Kläger ließen einige Jahre vor dem Jahre 2017 zahlreiche Bäume auf ihrem Grundstück entfernen. Die Kläger teilten den Beklagten mit, dass es sich bei der Kiefer um eine geschützte Waldkiefer handele. Die Beklagten glaubten dies. Randnummer 2 Mit Schreiben vom 19. März 2017 teilten die Beklagten den Klägern mit, dass die Kiefer sie störe. Am 20. März 2017 teilten die Kläger den Beklagten mit, es handele sich um eine geschützte Waldkiefer. Am 24. März 2017 antworteten die Beklagten auf dieses Schreiben. Am 02. April 2017 antworteten die Kläger. Mit Schreiben vom 05. April 2017 forderten die Beklagten die Beseitigung der Kiefer. Am 17. Juli 2017 forderten die Beklagten die Kläger zum Rückschneiden der Äste auf. Am 22. Juli 2017 antworteten die Kläger. Am 30. Juli 2017 antworteten die Beklagten. Randnummer 3 Am 21. Oktober 2017 schnitt der Beklagte zu 2) Äste von der Kiefer ab. Der Kläger zu 1) forderte den Beklagten zu 2) mündlich auf, dies zu unterlassen. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2017 fordertet der Kläger zu 1) erneut die Unterlassung des Abschneidens von Ästen. Am 22. Oktober 2017 antwortete der Beklagte zu 2). Mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 drohte der Kläger zu 1) den Beklagten gerichtliche Schritte an. Randnummer 4 Am 26. Oktober 2017 erging zum Aktenzeichen 100 C 1007/17 eine einstweilige Verfügung für die Kläger auf Unterlassen des Zurückschneidens der Äste. Mit Urteil vom 13. Februar 2018 wurde diese einstweilige Verfügung wegen Fehlens von Eilbedürftigkeit aufgehoben. Randnummer 5 Am 27. Februar 2018 schnitt der Beklagte zu 2) „Teile von der Kiefer ab“. Randnummer 6 Mit Urteil vom 12. Juni 2018 änderte das Landgericht im Berufungsverfahren die einstweilige Verfügung dahingehend ab, dass den Beklagten untersagt wurde, die überhängenden Zweige auf einer Höhe oberhalb von 5 Metern zu entfernen. Randnummer 7 Die Kläger behaupten, am 21. Oktober 2017 habe der Beklagte zu 2) die Äste mit einem Teleskoparm abgeschnitten. Durch das Abschneiden der Äste würde die Standsicherheit der Kiefer gefährdet. Am 27. Februar 2018 hätte der Beklagte zu 2) sämtliche Äste bis zu einer Höhe von 5 Metern von der Kiefer abgeschnitten. Die Äste der Kiefer ragen maximal mit einer Länge von 5 Metern auf das Grundstück der Beklagten. Randnummer 8 Die Kläger beantragen, Randnummer 9 was erkannt wurde. Randnummer 10 Die Beklagten beantragen, Randnummer 11 die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Sie behaupten, am 28. Oktober 2017 hätte der Beklagte zu 2) mit einer Schere kleinere Äste entfernt. Am 27. Februar 2018 hätte der Beklagte zu 2) nur Zweige von den Ästen entfernt und nicht die Äste selbst. Die Äste der Kiefer würden mit einer Länge von 6 bis 8 Metern auf das Grundstück der Beklagten ragen. Der Nadelabfall von der Kiefer auf dem Grundstück der Beklagten von September bis November 2017 sei in Höhe des auf dem Foto Bl. 51 d. A. zu sehenden Haufens angefallen. Im Januar 2018 sei der Nadelhaufen in Höhe des auf dem Foto Bl. 51 d. A. angefallen. Im Februar 2018 sei ein Nadelhaufen in dem Ausmaße auf dem Foto Bl. 63 d. A. von den Zweigen auf dem Grundstück der Beklagten angefallen. Randnummer 13 Zum weiteren Vorbringen der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
1. Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, von der auf dem Grundstück der Kläger ..., ... Berlin an der Grundstücksgrenze zum Grundstück der Beklagten ..., ... Berlin, 20 m von der ...straße entfernt stehenden Kiefer auf einer Höhe oberhalb von 5 m überhängende Zweige abzuschneiden. 2. Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht. 3. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des aus dem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
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SG Magdeburg 11. Kammer
Sachsen-Anhalt
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20.08.2018
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Erstattungspflicht der Klägerin für an Herrn ... von der Beklagten postmortal fortgezahlte Regelaltersrente. Randnummer 2 Der 1941 geborene Herr ... lebte in den letzten Jahren seines Lebens in O. C. in Spanien und hatte keinen deutschen Wohnsitz mehr, aber ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit. Er bezog von der Beklagten aufgrund Bescheides vom 12. Dezember 2006 in der Fassung der jährlichen Veränderungsmitteilungen Regelaltersrente in Höhe von zuletzt gut 1.000,00 EUR monatlich. Diese wurde jeweils zum Monatsanfang auf ein deutsches Konto bei der P. gezahlt. Am ... verstarb Herr ... in seiner Wohnung in Spanien, wo die Klägerin ihn tot auffand. Die Altersrente wurde von der Beklagten bis 31. August 2009 – also für September 2009 – weitergezahlt. Randnummer 3 Am 25. Juli 2009 erhielt die Beklagte von dem Rentenservice der Deutschen  AG die Mitteilung, dass die Lebensbescheinigung/Rentenanpassungsmitteilung als unzustellbar zurückgekommen sei. In einem Telefonat mit der Deutschen BKK wurde der Beklagten am 25. August 2009 mitgeteilt, dass Herr ... am 25. September 2008 verstorben sei. Am 05. Februar 2010 erhielt sie von dem Honorarkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in ... eine beglaubigte Abschrift der Sterbeurkunde. Randnummer 4 Herr ... hinterließ bei seinem Tod keine bekannten Verwandten. Er war nie verheiratet und hatte keine Kinder und keine Geschwister. Seine Eltern sind vorverstorben. Er hatte bei einem spanischen Notar am 17. Juni 2005 ein offenes Testament errichtet und in amtliche Verwahrung gegeben. Das Testament ist in spanischer Sprache mit amtlicher deutscher Übersetzung abgefasst. Darin wird die Klägerin als "Universalerbin aller seiner in Spanien befindlichen Güter" eingesetzt. Ein älteres Testament vom 30. Juni 1999 wird zugleich widerrufen. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 18. Februar 2010 forderte die Beklagte den Rentenservice der Deutschen Post AG auf, die Rentenbeträge für die Zeit vom 01. Oktober 2008 bis zum 30. November 2009 zurückzufordern. Die P. teilte dem Rentenservice der Deutschen Post AG mit, dass der Rückforderung nicht entsprochen werden könne, weil das Guthaben auf dem Girokonto von Herrn ... nicht ausreiche. Mit weiterem Schreiben vom 08. Juli 2010 teilte die P. mit, dass das Konto am 05. Juli 2010 aufgelöst worden sei und legte Kontoauszüge für den Zeitraum 25. September 2008 bis 05. Juli 2010 vor. Es seien keine Kontobevollmächtigten oder Erben bekannt. Randnummer 6 In einem weiteren Schreiben vom 19. November 2011 teilte die P. mit, dass sie das Rückforderungsverlangen am 15. März 2010 erhalten habe und der Kontostand zu diesem Zeitpunkt mit 6.612,34 EUR (gemeint wohl 612,34 EUR, da so im Kontoauszug vermerkt) im Soll gewesen sei. Empfänger einer monatlichen Dauerauftragszahlung von 255,65 EUR sei ein anderes Konto (Nr ...) von Herrn ... – laut Bankleitzahl ( ...) bei der S. – und Empfänger einer monatlichen Dauerauftragszahlung von 521,29 EUR ein anderes Konto (Nr ...) von Herrn ... bei der D. gewesen. Durch diese Dauerauftragszahlungen wurde das Soll bis zum 15. März 2010 erreicht. Randnummer 7 Die Klägerin, die von dem Honorarkonsulat in ... aufgrund eines Kontakts im Zusammenhang mit der Einäscherung benannt worden war, teilte auf Anfrage der Beklagten am 28. Januar 2011 telefonisch mit, dass sie sich um die Beerdigung gekümmert habe, weil Herr ... keine Verwandten habe. Es hätten sich bei der Beerdigung viele Personen in der Wohnung aufgehalten und es sei möglich, dass jemand die EC-Karte an sich genommen und damit weiter Geld abgehoben habe. Sie solle nur eine Eigentumswohnung von Herrn ... erben. Sie sei ein bis zwei Mal im Jahr in Spanien gewesen. Randnummer 8 Mit Schreiben vom 14. Februar 2011 teilte die D. mit, dass in dem Zeitraum von November 2008 bis 30. November 2009 11 monatliche Zahlungen über 511,29 EUR auf dem Konto von Herrn ..., mithin 5.624,19 EUR, eingegangen seien. Bis April 2010 seien die monatlichen Zahlungen auch danach weitergelaufen. Diese Beträge seien von der anderen Person mit Verfügungsgewalt über das Konto, ..., abgehoben worden. Nach Auskunft der Datenstelle der Rentenversicherung (DSRV) vom 12. Oktober 2011 ist Frau ..., die zuletzt wohnhaft in ... war, verstorben. Randnummer 9 Am 11. März 2011 ließ die Klägerin, vertreten durch einen spanischen Rechtsanwalt, vor der spanischen Notarin Frau ... notariell beglaubigt die Erbschaftsannahme erklären. In der Erklärung ist ausgewiesen, dass die einzigen Güter von Herrn ... das lastenfreie Volleigentum an einem Apartment in ... im Wert von 42.000,00 EUR seien. Der Bevollmächtigte der Klägerin, Herr Rechtsanwalt ... erklärte die Annahme der Erbschaft zugunsten der Klägerin und die Zuerkennung des Volleigentums an dem Grundstück an sie nach Zahlung der Erbschaftssteuer. Der Registerbeamte des Grundbuches wurde nach Zahlung der Erbschaftssteuer zugleich um entsprechende Eintragung gebeten. In der Erklärung ist bereits ausgewiesen, dass die Erbschaftssteuer durch die Klägerin entrichtet worden sei. Randnummer 10 Mit Schreiben vom 05. Januar 2012 hörte die Beklagte die Klägerin wegen einer möglichen Erstattungsforderung bezüglich der vom Oktober 2008 bis September 2009 gezahlten Rente für Herrn ... in Höhe von 12.120,36 EUR an. Die Klägerin sei gesetzliche Erbin des Herrn ... Nach § 50 Abs. 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) seien ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbrachte Leistungen zu erstatten. Der Bescheid vom 12. Dezember 2006 über die Rente in Höhe von 1.030,17 EUR habe sich mit dem Tod von Herrn ... gemäß § 39 Abs. 2 SGB X erledigt. Das Vertrauen der Klägerin sei nicht schutzwürdig, da ihr bekannt gewesen sei oder hätte sein müssen, dass mit dem Tod des Leistungsberechtigten der Versichertenrentenanspruch endete und sie als Erbin keinen Anspruch auf diese Leistungen habe. Randnummer 11 Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigen vom 03. Februar 2012 nahm die Klägerin dahingehend Stellung, dass sie die Sterbeurkunde an die Beklagte am 17. November 2008 gefaxt habe. Der Sendebericht weise als Ergebnis "ok" aus. Sie habe daher davon ausgehen können, dass keine weiteren Rentenzahlungen mehr erfolgten. Zudem sei von der Beklagten alle zwei Jahre eine Lebensbestätigung einzuholen gewesen. Der Tod von Herrn ... hätte ihr daher früher auffallen müssen. Sie habe die Überzahlung daher nicht verursacht. Sie habe auch nicht von ihr partizipiert. Sie sei weder alleinige, noch gesetzliche Erbin. Sie habe mit Herrn ... in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis gestanden. Geerbt habe sie lediglich die Immobilie von Herrn ... Die weiteren Vermögenswerte, wie Barvermögen und Konten, habe sie laut dem ihr vorliegenden Testament nicht geerbt. Sie habe keinerlei Zugriff oder sonstige Verfügungsberechtigung über das Konto von Herrn ... gehabt. Deshalb sei ihr die Rentenfortzahlung weder bekannt gewesen noch hätte sie ihr bekannt gewesen sein können. Randnummer 12 Sie legte eine Faxbestätigung vom 17. November 2008, eine Abschrift der Sterbeurkunde und die ersten sechs Seiten der notariellen Erbschaftsannahmeerklärung in spanischer Sprache vom 11. März 2011, in dem auszugsweise das Testament vom 17. Juni 2005 zitiert wird, vor. Randnummer 13 Nach einem Vermerk der Beklagten gehört die Faxnummer in dem Sendebericht zu der Deutschen Post AG Niederlassung Renten-Service ... Randnummer 14 Mit Bescheid vom 03. April 2012 forderte die Beklagte von der Klägerin die im Zeitraum Oktober 2008 bis September 2009 gezahlte Rente von der Klägerin in Höhe von 12.120,36 EUR, bestehend aus 3 Zahlungen von 1.004,81 EUR, 6 Zahlungen von 1.002,57 EUR und 3 Zahlungen von 1.030,17 EUR, zurück. Sie sei nach dem vorliegenden Testament Alleinerbin des Vermögens von Herrn ... Sie sei in Bezug darauf, dass ihr die Rente nicht zustehe, bösgläubig gewesen, was sich daran zeige, dass sie versucht habe, den Rentenversicherungsträger über den Tod von Herrn ... zu unterrichten. Es komme nicht auf ein Verschulden der Beklagten an, das zudem auch nicht vorliege, weil Lebensbescheinigungen nicht mehr angefordert würden. Die Fax-Sendebestätigungen hätten nicht auf Faxnummern der Beklagten gelautet. Im Übrigen wiederholt der Bescheid die Ausführungen aus dem Anhörungsschreiben. Randnummer 15 Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 24. April 2012 Widerspruch ein und beantragte die Feststellung von dessen aufschiebender Wirkung. Sie sei nicht Erbin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geworden, sondern Herr ... habe ihr nur entsprechend den Bedingungen in Spanien im Wege eines spanischen Testaments die Eigentumswohnung übertragen. Sie habe nach spanischem Recht geerbt. Da sie die Benachrichtigung über den Tod von Herrn ... entsprechend den Unterlagen, in denen auch eine Rentennummer angegeben gewesen sei, gefaxt habe, sei sie davon ausgegangen, dass es sich auch um die Faxnummer der Beklagten handele. Sie sei ihrer Verpflichtung nachgekommen und zu keinem Zeitpunkt bösgläubig gewesen. Sie habe angeblich überzahlte Rentenbeträge auch nicht erhalten. Es liege ein Verschulden der Beklagten vor. Randnummer 16 Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 07. August 2012 zurück. Anwendbar sei deutsches Erbrecht, wobei diese Frage nicht ernsthaft diskutiert zu werden brauche, da die Klägerin auch nach spanischem Erbrecht Universalerbin sei. Von gesetzlichen Erben sei nicht auszugehen, abgesehen davon könne die Klägerin gesamtschuldnerisch in Anspruch genommen werden, wobei sich ein Ausgleich mit anderen Erben im Innenverhältnis zu vollziehen habe. Die Nachricht vom Tode von Herrn ... sei unter der falschen Rentennummer und ohne Angaben von Personaldaten von Herrn ... erfolgt, so dass der Rentenservice der Deutschen Post keine Möglichkeit gehabt habe, die Rentenzahlung des Verstorbenen zu ermitteln. Das Erm nach § 45 SGB X werde dahin ausgeübt, dass ein gedachter Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden könne. Sie habe die Inter der Versichertengemeinschaft zu beachten, der der überzahlte Betrag geschuldet werde. Die Klägerin habe zudem wissen müssen, dass mit dem Nachlass auch Lasten auferlegt würden. Eine besondere Härte entstehe nicht, weil im Vollstreckungsverfahren die Möglichkeiten der Stundung und des Niederschlagens bestünden. Zudem zehre der streitige Betrag auch den Wert der ererbten Immobilie nicht völlig auf. Randnummer 17 Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage vom 10. September 2012, eingegangen bei Gericht am selben Tage. Sie sei nicht Empfängerin der Rentenzahlungen gemäß § 118 Abs. 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI). Das Geld sei auf das Girokonto des Verstorbenen weiter gezahlt worden. Sie sei weder in den Genuss der Geldleistungen gekommen, noch sei sie verfügungsberechtigt über das Konto gewesen. Es sei auch nicht vorgetragen worden, dass versucht worden sei, die Gelder, die auf das Girokonto gelangt sind, durch Rücklastschrift oder Ähnliches zurückzuerlangen. Die Voraussetzungen des § 50 SGB X lägen nicht vor, weil sie keine Kenntnis von der Fortzahlung der Rentenleistungen und zudem bereits Erbschaftssteuer an die spanische Regierung zu leisten gehabt habe, die den Wert der Erbschaft bei nunmehriger Rückforderung der Rentenleistungen aufsaugen würde. Sie hat insoweit die vollständige Erbschaftsannahmeerklärung vom 11. März 2011 in spanischer Sprache vorgelegt. Sie sei davon ausgegangen, dies sei das Testament. Sie sei zudem davon ausgegangen, lediglich den Grundbesitz geerbt zu haben. Hinsichtlich der Konten habe eine andere Regelung getroffen werden sollen. Das habe ihr der Anwalt im Rahmen der Beurkundung des Testaments, bei der sie zugegen gewesen sei, auf ihre Nachfrage gesagt. Ein Erbschein sei ihr nicht erteilt worden, weil ein solcher für die Übertragung des Grundbesitzes nach spanischem Recht nicht erforderlich gewesen sei. Die Immobilie sei zwischenzeitlich zu einem Betrag von 41.396,00 EUR veräußert worden. Hierauf seien 12.000,00 EUR Steuern an das spanische Finanzamt zu entrichten gewesen. Weitere Kosten seien für rechtsanwaltliche Vertretung, Notar und Beerdigung entstanden. Die Faxnummer, die vermeintlich zu der Beklagten gehört habe, habe sie von einem Nachbarn von Herrn ... erhalten. Randnummer 18 Sie hat Kontoauszüge des Kontos von Herrn ... bei der D. in Spanien vom 09. Februar 2011 über den Zeitraum 01. Oktober 2008 bis 31. Dezember 2010 vorgelegt. Darin sind 19 Gutschriften über jeweils 511,29 EUR verbucht. Randnummer 19 Die Klägerin beantragt, Randnummer 20 den Bescheid der Beklagten vom ... 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... 2012 aufzuheben. Randnummer 21 Die Beklagte beantragt, Randnummer 22 die Klage abzuweisen. Randnummer 23 Sie führt aus, die Klägerin sei Universalerbin des Herrn ... geworden. Als solche sei sie auch Rechtsnachfolgerin seiner Konten geworden. Es sei nicht auszuschließen, dass sie durchaus über die Rentenbeträge verfügt habe. Zudem sei deutsches Erbrecht anwendbar. Die Klägerin sei nach dem klaren Wortlaut des Testaments als Erbin anzusehen, jedenfalls sei sie Miterbin. Eine Auslegung dahin, dass sie die Eigentumswohnung lediglich als Vermächtnis habe erhalten sollen, sei nicht möglich. Die Klägerin habe als Lebensgefährtin des Verstorbenen auch Kenntnis über seine Konten gehabt. Nach dem Tod sei sie verfügungsberechtigt gewesen. Jedenfalls sei sie Erbin des spanischen Kontos des Verstorbenen geworden, auf das ein Betrag von (19 x 511,29 EUR =) 9.714,51 EUR geflossen sei. Für diesen Betrag sei sie auch als Empfängerin anzusehen. Jedenfalls diesen Betrag habe die Klägerin zu erstatten. Randnummer 24 Das Gericht hat eine beglaubigte Abschrift des notariellen Testaments vom ... beigezogen und eine beglaubigte Übersetzung der notariellen Erbschaftsannahmeerklärung vom ... anfertigen lassen. Randnummer 25 Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts-Postakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Der Streitwert wird auf 12.120,36 EUR festgesetzt.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 22. Senat
Berlin
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26.01.2017
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Juli 2011. Randnummer 2 Der im Januar 1961 geborenen Klägerin, die ab 1. September 1984 eine Hochschulausbildung absolvierte, die sie mit dem Abschluss Diplomingenieurin erfolgreich beendete (Zeugnis der Hochschule für Verkehrswesen „ L“ vom 28. Februar 1989), war mit Bescheid vom 18. Juli 2002 in der Fassung der Bescheide vom 7. Februar 2003 und vom 28. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. August 2003 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach einem am 4. September 2000 eingetretenen Leistungsfall ab 1. Oktober 2000 bei 33,9027 persönlichen Entgeltpunkten (Ost) bewilligt worden: Der Rentenberechnung hatte sie u. a. die Zeit vom 1. September 1984 bis 31. Oktober 1987 als Anrechnungszeit Hochschulausbildung zugrunde gelegt, die sie insgesamt mit 2,1812 Entgeltpunkte (0,0755 x 76,0000 : 100 = 0,0574 Entgeltpunkte x 38 Monate) bewertete. Die dagegen erhobene Klage mit der u. a. eine höhere Rente beansprucht worden war, war mit Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 11. August 2008 – S 10 RA 1195/03 abgewiesen worden. Mit Urteil vom 15. November 2010 – L 7 R 538/08 hatte das Sächsische Landessozialgericht die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision war erfolglos geblieben (Beschluss des Bundessozialgerichts - BSG – vom 17. April 2012 – B 13 R 432/10 B). Randnummer 3 Gegen die im Bescheid vom 28. Mai 2003 zum 1. Juli 2003 festgesetzte Rentenhöhe hatte sich die Klägerin im Juli 2003 während des anhängigen Widerspruchsverfahrens ebenfalls gewandt, da die Höhe der Rentenanpassung von der Gehaltsentwicklung abgekoppelt sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2009 war der Widerspruch gegen die zum 1. Juli 2003 ergangene Rentenanpassungsmitteilung zurückgewiesen worden. Die dagegen erhobene Klage hatte das Sozialgericht Leipzig mit Gerichtsbescheid vom 1. Oktober 2010 – S 27 R 842/09 zurückgewiesen. Die dagegen eingelegte Berufung war vom Sächsischen Landessozialgericht mit Urteil vom 18. Dezember 2012 – L 4 R 717/10 zurückgewiesen worden. Die dagegen eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision war erfolglos geblieben (Beschlüsse des BSG vom 18. Juni 2013 B 5 R 16/13 B und vom 20. November 2013 – B 5 R 276/13 B). Randnummer 4 Die gegen die Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 2011 erhobene Klage war vom Sozialgericht Berlin mit Urteil vom 15. April 2014 – S 14 R 2425/11 abgewiesen worden. Die dagegen eingelegte Berufung hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 25. September 2014 – L 6 R 361/14 zurückgewiesen. Randnummer 5 Die Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 2009 und zum 1. Juli 2010 waren von der Klägerin nicht mit Rechtsbehelfen angegriffen worden. Randnummer 6 Mit Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2011 erhöhte die Beklagte die monatliche Rente von bisher 818,07 Euro auf 826,21 Euro. Randnummer 7 Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Rentenanpassung bleibe erneut ohne sachlichen Grund hinter der Lohn-/ Gehaltsentwicklung zurück. Dies sei gemäß Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 26. Juli 2007 – 1 BvR 824/03 rechtswidrig, da diese Abkopplung der Renten von den Löhnen nicht „der Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung“ diene, nicht „von einem gewichtigen öffentlichen Interesse getragen“ und schon gar nicht „verhältnismäßig“ sei. Randnummer 8 Mit Widerspruchsbescheid vom 30. September 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Der Widerspruch richte sich gegen eine Regelung, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Die Rentenversicherungsträger seien an die gesetzliche Regelung gebunden. Randnummer 9 Dagegen hat die Klägerin am 17. Oktober 2011 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben. Randnummer 10 Sie ist der Ansicht gewesen, die Anpassung der Rente zum 1. Juli 2011 habe entsprechend der bundesweiten Lohnentwicklung, die in den neuen Bundesländern 2,55 Prozent betragen habe, zu erfolgen. Das BVerfG (1 BvR 824/03) sehe die Verhältnismäßigkeit von Kürzungen bei der Rentenanpassung nur dann gegeben, wenn diese Maßnahmen zeitlich befristete Eingriffe seien, kein strukturelles Gewicht hätten und die Renteneinbußen gering wären. Die andauernden Renten-Nullrunden und Minderanpassungen seien keine zeitlich befristeten Eingriffe mehr. Die Rentenkürzungen hätten längst strukturelles Gewicht erreicht. Der Altersvorsorgebeitrag (Riesterfaktor) verletze Art. 14 Abs. 1 und 3, Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) und verstoße zudem gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 14 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK). Dasselbe gelte für die Abkopplung der Renten von den Löhnen. Läge tatsächlich eine wirtschaftliche Notlage vor, dann wäre diese von allen Mitgliedern der Gesellschaft zu schultern und nicht allein durch die Rentner. Diese Nichtanpassung der Renten sei eine rechtswidrige Sonder- bzw. Ungleichbehandlung, die Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 EMRK verletze. Randnummer 11 Mit Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2012 erhöhte die Beklagte die monatliche Rente von bisher 826,21 Euro auf 844,86 Euro. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 5. Juni 2014 zurück: Der Widerspruch richte sich gegen eine Regelung, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Die Rentenversicherungsträger seien an diese gesetzliche Regelung gebunden. Dagegen erhob die Klägerin am 12. Juni 2014 Klage beim Sozialgericht Berlin, die unter dem Aktenzeichen S 15 bzw. 23 R 3430/14 registriert worden war. Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die Rente sei zum 1. Juli 2012 entsprechend der Lohnentwicklung ohne Kürzung um den Altersvorsorgebeitrag zu erhöhen. Diese Klage nahm die Klägerin am 21. Oktober 2016 zurück. Randnummer 12 Mit Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2013 erhöhte die Beklagte die monatliche Rente von bisher 844,86 Euro auf 872,66 Euro. Die Klägerin hat diese Rentenanpassungsmitteilung nicht mit Rechtsbehelfen angefochten. Randnummer 13 Mit Urteil vom 12. März 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen: Die von der Beklagten vorgenommene Rentenanpassung für die Zeit vom 1. Juli 2011 (bis zum 30. Juni 2012) sei rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anpassung ihrer Rente entsprechend der Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern, da dies nicht den gesetzlichen Regelungen für die Rentenanpassung 2011 entspreche und diese auch nicht verfassungswidrig seien. Die Kammer schließe sich nach eigener Prüfung dem Urteil des BSG vom 21. Januar 2009 – B 12 R 1/07 R zur Verfassungsmäßigkeit des Nachhaltigkeits- und Riesterfaktors an. Randnummer 14 Gegen das ihr am 19. März 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. April 2014 eingelegte Berufung der Klägerin. Randnummer 15 Mit Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2014 erhöhte die Beklagte die monatliche Rente von bisher 872,66 Euro auf 894,69 Euro. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2014 zurück: Der Widerspruch richte sich gegen eine Regelung, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Die Rentenversicherungsträger seien an diese gesetzliche Regelung gebunden. Die dagegen am 17. September 2014 erhobene Klage, mit der vorgetragen worden ist, die Rente sei zum 1. Juli 2014 um den Anstieg der Löhne und damit entsprechend um 3,24 Prozent in den neuen Bundesländern ohne die in der Rentenformel enthaltenen Kürzungsfaktoren wie zum Beispiel Altersvorsorgeanteil, Höhe der Arbeitslosigkeit, zusätzlicher Faktor von 0,25, Rentnerquotient zu erhöhen, hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 3. Juni 2016 - S 176 R 5121/14 abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin am 30. Juni 2016 Berufung beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, die unter dem Aktenzeichen L 6 R 520/16 registriert worden ist. Randnummer 16 Mit Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2015 erhöhte die Beklagte die monatliche Rente von bisher 894,69 Euro auf 917,07 Euro. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. August 2015 zurück: Der Widerspruch richte sich gegen eine Regelung, die sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe. Die Rentenversicherungsträger seien an diese gesetzliche Regelung gebunden. Dagegen hat die Klägerin am 18. September 2015 Klage beim Sozialgericht Berlin erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 5 R 4667/15 registriert worden ist. Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die Rente sei zum 1. Juli 2015 ohne die in der Rentenformel enthaltenen Kürzungsfaktoren wie zum Beispiel Altersvorsorgeanteil, Höhe der Arbeitslosigkeit, zusätzlicher Faktor von 0,25, Rentenquotient zu zahlen; außerdem seien die Hochschulzeiten in ungekürztem Umfang und Höhe, wie diese zum Jahr 1995 gesetzlich festgeschrieben und erworben worden seien, zu berücksichtigen. Mit Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dagegen hat die Klägerin am 16. Januar 2017 Berufung eingelegt. Randnummer 17 Mit Rentenanpassungsmitteilung zum 1. Juli 2016 erhöhte die Beklagte die monatliche Rente von bisher 917,07 Euro auf 971,65 Euro. Randnummer 18 Die Klägerin meint, die Urteilsbegründung des Sozialgerichts Berlin erschöpfe sich im Zitieren eines Urteils des BSG ohne jegliche Auseinandersetzung mit dem Klagevorbringen und ohne jede Überprüfung dieses Urteils. Das BSG-Urteil selbst erschöpfe sich wiederum ohne jegliches Nachprüfen im Zitieren der mehr oder weniger von den Unternehmerverbänden abgeschriebenen Begründung des Gesetzgebers für das Enteignen der Rentner in Höhe des Altersvorsorgeanteils plus der Abkopplung von den Löhnen. Dabei stehe in diesem Urteil des BSG klar geschrieben, dass es das Ziel dieser Maßnahmen sei, das Rentenniveau abzusenken und somit die Rentner von der Teilhabe am Produktivitätsfortschritt auszuschließen. Es habe nicht zu mehr Wachstum und Beschäftigung geführt, sondern die Rentner seien als Kunden vom Markt genommen worden. Es sei nicht erkennbar, dass dieses gewollte Ergebnis ein Gemeinwohlzweck sei. Das BSG zitiere aus der Bundestag-Drucksache, wonach der jüngeren Generation eine Beitragsbelastung von 24 v. H. bis 26. v. H. im Jahre 2030 drohe, ohne die Gewissheit zu haben, trotz hoher Beiträge eine ausreichende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu erhalten. Bis zum Jahr 2030 seien es, so die Klägerin, seit diesen Reformen gerechnet ca. 25 Jahre. 6 Prozent geteilt durch 25 ergebe eine Beitragserhöhung von 0,24 Prozent je Jahr. Und da wolle das BSG behaupten, dies ließe sich nicht über die Tarifverhandlungen wirtschaftlich beherrschen? Schreibe man die Produktionsentwicklung seit 1950 bis zum Jahr 2007 weiter bis in das Jahr 2030 fort, so würde ebenfalls die Produktivität deutlich schneller als der demografische Wandel voranschreiten und ein Beitrag von 24 bis 26 Prozent wäre aufgrund der hohen Produktivität überhaupt kein Problem. Ginge es tatsächlich um eine wirtschaftliche Notlage, hätten alle Teile der Bevölkerung an den Lasten beteiligt werden müssen. Der Altersvorsorgeanteil diene einzig und allein der Bereicherung privater Rentenversicherung. Die Rentenkürzungen seien also entgegen der Behauptung des BSG nicht geeignet gewesen, um die angegebenen Probleme zu lösen und dienten nicht dem Gemeinwohl. Im Übrigen hätten die Rentner im Leistungsfall Anspruch auf die Leistungen, die zurzeit der Beitragszahlung in den jeweiligen Jahren im Gesetz gestanden hätten. Wenn spätere Gesetzesänderungen zu Lasten der Rentner rückwirkend angewandt würden, stelle dies eine gemäß Art. 14 Abs. 3 GG verfassungswidrige Enteignung dar. Nach der Entscheidung des BVerfG vom 3. Juni 2014 sei zu prüfen gewesen, ob die Klägerin an dieser Berufung festhalte. Sie sei zu dem Ergebnis gekommen, die Berufung nicht zurückzunehmen. Sie habe in einer eigenen Verfassungsbeschwerde gegen den so genannten Altersvorsorgeanteil nochmal einen Schriftsatz eingereicht und die Unhaltbarkeit der Argumentation des BVerfG in der Entscheidung vom 3. Juni 2014 an einigen Punkten dargestellt. Ihre Verfassungsbeschwerde sei als unzulässig zurückgewiesen worden. Randnummer 19 Die Klägerin beantragt, Randnummer 20 das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Rentenanpassungsmitteilung vom 1. Juli 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. September 2011 abzuändern und die Rente zum 1. Juli 2011 entsprechend der Lohnentwicklung zu erhöhen, dabei einen Rentenwert anzusetzen, der sich ergibt, wenn man ihn rückwirkend ab 1996 durchgehend entsprechend der Lohnentwicklung angepasst hätte ohne die zahlreichen Kürzungsfaktoren und dabei die Hochschulzeiten in vollem Umfang so zu berücksichtigen, wie dies die Gesetze vor den Rentenänderungen ab 1996 vorsahen, Randnummer 21 des Weiteren, dass die Rentenanpassungsmitteilungen ab 2011 bis 2016 ebenso nach diesen Maßstäben überprüft werden. Randnummer 22 Die Revision wird zugelassen. Randnummer 23 Die Sache wird dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt wegen Verletzung von Artikel 14 Abs. 3 Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht soll alle hier genannten Verletzungen des Artikels 14 Abs. 3 Grundgesetz für grundgesetzwidrig erklären. Randnummer 24 Die Beklagte beantragt, Randnummer 25 die Berufung zurückzuweisen und die Klagen gegen die Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014, zum 1. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2015 und zum 1. Juli 2016 abzuweisen. Randnummer 26 Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Randnummer 27 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der weiteren beigezogenen Gerichtsakten S 23 R 3430/14, S 176 R 5121/14 – L 6 R 520/16 und S 5 R 4667/15 sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten ( ), der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. März 2014 wird zurückgewiesen. Die Klagen gegen die Rentenanpassungsmitteilungen zum 1. Juli 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. September 2014, zum 1. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2015 und zum 1. Juli 2016 werden abgewiesen. Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten auch des Verfahrens beim Landessozialgericht nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin begehrt die Bewilligung weiterer Beihilfe für die Unterbringung in einem Einbettzimmer im Zuge einer stationären psychosomatischen/psychotherapeutischen Behandlung. 2 Die Klägerin beantragte am 13.06.2018 die Anerkennung der Beihilfefähigkeit einer 28-tägigen stationären Behandlung in der Privatklinik .... Mit der Privatklinik hatte die Klägerin einen „Krankenhaus Behandlungsvertrag“ abgeschlossen, der unter anderem als gesondert berechnete Wahlleistung die Unterbringung in einem Einbettzimmer zu je 49,00 Euro/Tag vorsah. Daneben bietet die Klinik die Unterbringung in einem Zweibettzimmer als ebenfalls gesondert berechnete Wahlleistung zu je 34,00 Euro/Tag an. 3 Mit Schreiben vom 25.06.2018 erkannte das Landesamt für Besoldung und Versorgung (im Folgenden: LBV) die Kosten hierfür dem Grunde nach als beihilfefähig an. Dem Anerkennungsschreiben war ein Hinweisblatt beigefügt, in dem unter anderem darauf hingewiesen wird, dass Aufwendungen für gesondert berechnete Wahlleistungen für Unterkunft in einem Zweibettzimmer bis zur Höhe von 1,5 Prozent der oberen Grenze des nach § 10 Abs. 9 KHEntgG zu vereinbarenden einheitlichen Basisfallwertkorridors täglich beihilfefähig seien; 2018 betrage dieser Wert 53,31 EUR (2017: 51,91 EUR). Auch hier müsse der Beihilfebetrag in Höhe von 22 EUR monatlich gezahlt werden. 4 Am 19.06.2018 wandte sich der Ehemann der Klägerin über das elektronische Kundenportal des LBV unter Angabe von dessen Personalnummer an dieses und bat um Auskunft über die Modalitäten der Beihilfebewilligung bei der Inanspruchnahme eines Einbettzimmers als Wahlleistung. 5 Mit elektronischem Antwortschreiben vom 19.06.2018 äußerte das LBV hierauf: „Aufwendungen für die Unterbringung in einem Einbettzimmer sind nicht beihilfefähig. Die Aufwendungen sind nur bis zur Höhe der Kosten für ein Zweibettzimmer beihilfefähig (in Bezug auf Ihr Beispiel 34 EUR). Wenn Sie sich für die Unterbringung in einem Einbettzimmer entscheiden sollten, dann legen Sie mit der Rechnung einen Nachweis über die Kosten eines Zweibettzimmers vor.“ 6 Am 16.07.2018 beantragte die Privatklinik ... beim LBV die Direktabrechnung der stationären Krankenhausbehandlungen (Zwischenrechnung) für den stationären Aufenthalt der Klägerin vom 14.06.2018 bis zum 05.07.2018. Abgerechnet wurden: 7 Datum Leistungsbezeichnung E-Preis Anz. Gesamtrechnungsbetrag Proz. Debeka Vers. Betrag Proz. Beihilfe/Patient Betrag 14.06.2018-05.07.2018 Basispflegesatz Psychiatrie 134,40 EUR 21 2.822,40 EUR 30 % 846,72 EUR 70 % 1.975,68 EUR 14.06.2018-05.07.2018 Abteilungspflegesatz Psychiatrie 185,00 EUR 21 3.885,00 EUR 30 % 1.165,50 EUR 70 % 2.719,50 EUR 14.06.2018-05.07.2018 Diff. 1 Bett zu 2 Bettzimmerzuschl. 15,00 EUR 21 315,00 EUR 0 % 0,00 EUR 100 % 315,00 EUR 14.06.2018-05.07.2018 2 Bettzimmerzuschlag 34,00 EUR 21 714,00 EUR 30 % 214,20 EUR 70 % 499,80 EUR Rechnungsbetrag, gesamt 7.736,40 EUR Vers.: 2.226,42 EUR Beihilfe/Pat.: 5.509,98 EUR 8 Mit Bescheid vom 24.07.2018 erkannte das LBV auf den Antrag vom 16.07.2018 hin Aufwendungen in Höhe von 6.169,80 Euro als beihilfefähig an und überwies – entsprechend dem Beihilfebemessungssatz von 70 % – eine Beihilfe in Höhe von 4.318,86 Euro. Nicht als beihilfefähig anerkannt wurden die Aufwendungen für die Wahlleistung Unterkunft: Biete die „Privatklinik“ nur die Wahlleistung Einbettzimmer an, so seien diese Kosten nicht beihilfefähig, auch nicht in Höhe eines – ggfs. Fiktiven – Zweibettzimmerzuschlags. 9 Am 02.08.2018 nahm der Ehemann der Klägerin telefonischen Kontakt zum LBV auf und bat um Erläuterung der Ausführungen von dessen Antwortschreiben vom 19.06.2018. Ausweislich des diesbezüglichen Aktenvermerks wurde ihm dabei mitgeteilt, dass die erteilte Auskunft falsch sei und keine Auswirkungen auf das Widerspruchsverfahren seiner Frau, d. h. der Klägerin, habe. 10 Am 03.08.2018 übersandte das LBV dem Ehemann der Klägerin ein Korrekturschreiben mit dem Inhalt, dass die mit Schreiben vom 19.06.2018 gemachten Ausführungen versehentlich falsche Informationen enthalten hätten und stellte den Sachverhalt dahingehend richtig, dass Aufwendungen für ein Einbettzimmer in einem Krankenhaus nach § 7 Abs. 2 BVO in keinem Fall beihilfefähig seien. 11 Mit elektronischer Nachricht über das Kundenportal des LBV erhob die Klägerin am 30.07.2018 Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.07.2018. Zur Begründung verwies sie auf das Antwortschreiben des LBV vom 19.06.2018, in dem ihr die anteilige Erstattung der Kosten für ein Zweibettzimmer zugesagt worden sei. 12 Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2018 wies das LBV den klägerischen Widerspruch vom 30.07.2018 zurück. Zur Begründung führte es unter Verweis auf § 7 Abs. 7 Nr. 3 BVO noch aus: Die Klägerin habe sich für die Inanspruchnahme eines Einbettzimmers entschieden. Durch die Formulierung im Verordnungstext könnten Wahlleistungsentgelte für ein berechnetes Einbettzimmer nicht berücksichtigt werden; auch dann nicht, wenn die Klinik Zweibettzimmer als Wahlleistung anbiete. Der Wortlaut schließe auch eine Beihilfegewährung in Höhe der Kosten eines Zweibettzimmers aus. Aus dem Voranerkennungsbescheid vom 25.06.2018 ergebe sich nichts Abweichendes. Andere Zusicherungen i. S. d. § 38 LVwVfG seien nicht erteilt worden. 13 Die Klägerin hat am 03.09.2018 vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung derselben macht sie in Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens noch geltend: Aufgrund des Antwortschreibens des LBV vom 19.06.2018 sei sie davon ausgegangen, dass das LBV die Kosten für den Zweibettzimmerzuschlag erstatten werde und sie selbst nur die Differenz von 15 Euro übernehmen müsse. 14 Sie beantragt (sachdienlich gefasst), 15 ihr eine weitere Beihilfe in Höhe von 499,80 Euro zu bewilligen und den Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 24.07.2018 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 31.07.2018 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen. 16 Das beklagte Land beantragt, 17 die Klage abzuweisen. 18 Zur Begründung verweist das LBV auf die Wortlautdivergenz zwischen § 7 Abs. 7 Nr. 3 und § 6a Abs. 1 Nr. 3 BVO sowie auf die Intention des Verordnungsgebers, die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Unterbringung in einem Einbettzimmer in Privatkliniken auszuschließen. 19 Mit Schriftsätzen vom 28.05.2019 und vom 01.06.2019 haben die Beteiligten ihr Einverständnis hinsichtlich einer Entscheidung durch den Berichterstatter unter Verzicht auf mündliche Verhandlung erklärt. 20 Dem Gericht haben die Behördenakten des LBV (1 Band) vorgelegen. Auf diese sowie auf die im vorliegenden Verfahren und im Verfahren 9 K 9726/18 gewechselten Schriftsätze wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin eine weitere Beihilfe in Höhe von 499,80 Euro zu gewähren. Der Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung vom 24.07.2018 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 31.07.2018 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird zugelassen.
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AG Neumünster
Schleswig-Holstein
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23.05.2013
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Randnummer 1 Die Kläger begehren von der Beklagten die Rückzahlung einer Bearbeitungsgebühr. Randnummer 2 Die Kläger wünschten von der Beklagten den Abschluss eines Darlehensvertrages mit dem zu einen ein vorhandenes Darlehen abgelöst werden und eine weitere Darlehenssumme in Höhe von 8.500,00 € zur Auszahlung gelangen sollten. Randnummer 3 Dazu übergab die Beklagte den Klägern am 30.10.2008 einen von ihr ausgefüllten Darlehensvertrag zur Unterschrift. Die Beklagten unterschrieben dieses Vertragsformular zu Hause und gaben es der Beklagten zurück. Randnummer 4 Nach dem Vertrag belief sich die Darlehenssumme auf insgesamt 30.742,80 €. Darin enthalten war eine "Bearbeitungsgebühr inkl. Auszahlungs- und Bereitstellungsentgelt" in Höhe von 776,60 €. Dieser Betrag entspricht gemäß den "Regelleistungen bei Privatkrediten" in dem "Preis- und Leistungsverzeichnis" der Beklagten 3,5 % des Nettodarlehensbetrages abzüglich des separat aufgeführten so genannten Vorlaufzinsbetrages. Für den Vertrag der Kläger belief sich dieser Betrag auf 22.188,56 Euro. Randnummer 5 Die Rückzahlung der Darlehenssumme sollte in 60 monatlichen Raten zu 512,38 €, beginnend mit dem 01.01.2009 erfolgen. Der effektive Jahreszins betrug 13,98 %. Randnummer 6 Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage K 1 Bezug genommen. Randnummer 7 Die Kläger kamen zu der Auffassung, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, von ihnen die Bearbeitungsgebühr zu verlangen. Deswegen verlangten sie mit Schreiben vom 05.08.2012 von der Beklagten die Rückzahlung dieser Bearbeitungsgebühr binnen drei Wochen nach dem 01.09.2012. Auf die Anlage K 2 wird Bezug genommen. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 29.08.2012 (Anlage K 3) ab. Darauf forderten die Kläger die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 19.09.2012 nochmals auf, die Bearbeitungsgebühr an sie bis zum 05.07.2012 zurück zu zahlen. Das lehnte die Beklagte erneut mit Schreiben vom 21.09.2012 ab. Randnummer 8 Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Randnummer 9 Die Kläger meinen, die Vereinbarung der Bearbeitungsgebühr sei unwirksam. Hierzu meinen sie, bei der vertraglichen Regelung handele es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung, welche gemäß § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sei. Randnummer 10 Die Kläger beantragen, Randnummer 11 die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gesamtgläubiger 776,60 € nebst 13,98 % Zinsen seit dem 01. Januar 2009 bis zur Gutschrift mit Wirkung einer vertragsgemäßen Sondertilgung auf den Darlehensvertrag Nr. ... höchstens bis zum 30. Dezember 2013 zu zahlen. Randnummer 12 die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Beklagte behauptet, die beiden ersten von den Klägern gezahlten Raten seien auf die Bearbeitungsgebühr verrechnet worden. Die Beklagten meinen, die Vereinbarung über die Bearbeitungsgebühr sei individuell mit den Klägern ausgehandelt worden, da für die Gebühr ein konkreter Betrag offen in dem Darlehensvertrag ausgewiesen worden sei. Die Beklagte meint weiter, bei der Bearbeitungsgebühr handele es sich um einen so genannte Hauptpreisabrede. Denn sie sei Bestandteil des effektiven Jahreszinses.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 776,60 € nebst Zinsen in Höhe von 13,98 % seit dem 01.01.2009 bis zur Gutschrift dieses Betrages mit Wirkung einer vertragsgemäßen Sondertilgung auf den Darlehensvertrag Nr. ..., längstens bis zum 30.12.2013 zu zahlen. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht 1. Kammer
Schleswig-Holstein
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05.06.2023
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich nach teilweiser Klagerücknahme im Wesentlichen gegen die Rücknahme zweier Verlängerungen der ihm aus familiären Gründen erteilten Aufenthaltserlaubnis. Randnummer 2 Der Kläger ist serbischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Roma an. Im August 2013 reiste der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und den drei gemeinsamen Kindern in die Bundesrepublik ein. Ende Mai 2014 wurden der Kläger und seine Familie nach Serbien abgeschoben. Randnummer 3 Am 24. August 2014 reisten der Kläger und seine Familie erneut nach Deutschland ein und stellten im September 2014 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 7. November 2014 als offensichtlich unbegründet ablehnte. Am 4. Juni 2015 stellte der Kläger bei dem Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Duldung für sich und seine Familie. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 19. Juli 2015 erhielt der Kläger seitens der in XXX ansässigen Firma XXX GmbH die Möglichkeit, ein vierwöchiges Praktikum als Elektrohelfer zu absolvieren. Im August 2015 erteilte der Beklagte dem Kläger und seiner Familie die begehrte Duldung. Im September 2015 erhielt der Kläger von der Firma XXX GmbH das Angebot, in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Elektrohelfer übernommen zu werden. Zum 8. Dezember 2015 begann der Kläger sodann die entsprechende Tätigkeit. Randnummer 5 Am 20. Oktober 2016 erkannte der Kläger die Vaterschaft zu dem am 18. Juni 2013 geborenen Kind, xxx (im Folgenden: xxx), Tochter der deutschen Staatsbürgerin Frau xxx (verheiratet mit Herrn xxx), durch notarielle Erklärung an. Am 24. November 2016 gab der Kläger zudem eine Erklärung zum gemeinsamen Sorgerecht vor dem Jugendamt der Stadt xxx ab. Randnummer 6 Am 22. Januar 2017 beantragte der Kläger sodann die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen. Zur Begründung führte er an, dass er der Vater des deutschen Kindes xxx sei. Nach Vorlage eines Schreibens von der – damals in xxx wohnenden – Kindesmutter, in dem diese angab, dass der Kläger seine Tochter zweimal in der Woche in xxx besuche und sie einmal im Monat auch bei ihm übernachte , erteilte der Beklagte dem Kläger am 31. Juli 2017 die begehrte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG mit einer Gültigkeit bis zum 30. Juli 2018. Am 1. Juni 2018 beantragte der Kläger die erste Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, die ihm der Beklagte (mit Befristung bis zum 28. September 2020) noch am selben Tag erteilte. Am 12. November 2020 beantragte der Kläger zudem die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG. Im März 2021 reichte der Kläger eine von ihm und der Kindesmutter unterzeichnete Erklärung bei dem Beklagten ein, in der die Kindesmutter bestätigte, dass der Kläger die Personensorge für seine Tochter xxx ausübe. In diesem Vordruck wies der Beklagte auf das Erfordernis einer familiären Lebensgemeinschaft für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis hin. Randnummer 7 Am 12. April 2021 beantragte der Kläger die zweite Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis, woraufhin der Beklagte die Aufenthaltserlaubnis des Klägers am 4. Juni 2021 erneut und mit Gültigkeit bis zum 3. Juni 2023 verlängerte. Randnummer 8 Mit Schreiben vom 11. August 2021 erkundigte sich der Kläger nach dem Sachstand hinsichtlich der im November 2020 beantragten Niederlassungserlaubnis. Der Beklagte bat ihn daraufhin zu einer persönlichen Vorsprache in Begleitung der Kindesmutter und der gemeinsamen Tochter für den 9. September 2021. Randnummer 9 Nach einem Vermerk des Beklagten habe der Kläger am 2. September 2021 diesen Termin telefonisch abgesagt und ausgeführt, dass er kein B1-Niveau nachweisen könne und weder die Kindesmutter noch seine Tochter ihn begleiten könnten, die Kindesmutter habe gerade erst ein neues Kind bekommen und er bekomme nicht frei von der Arbeit. Der Kläger habe telefonisch die Rücknahme des Antrages erklärt, er habe kein Geld, um den Anwalt zu bezahlen. Randnummer 10 Im Nachgang zu diesem Telefonat – ebenfalls am 2. September 2021 – setzte das Einwohnermeldeamt der Stadt xxx den Beklagten darüber in Kenntnis, dass die Tochter des Klägers seit mindestens dem 29. Juli 2019 in Polen leben und dort eine Grundschule besuchen würde. Das Schulamt A-Stadt hatte bereits im Januar 2020 die Stadt xxx über den Fortzug der Tochter des Klägers informiert und eine Bestätigung der polnischen Grundschule über den Schulbesuch – datiert auf den 29. Juli 2019 – beigefügt. Aus diesem Grund wurde die Tochter des Klägers bereits am 1. Januar 2020 aus dem Melderegister der Stadt xxx abgemeldet. Randnummer 11 Mit Schreiben vom 8. November 2021 hörte der Beklagte den Kläger hinsichtlich einer beabsichtigten Rücknahme der ihm erteilten Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG an und gab Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen. Der Beklagte erstattete mit Schreiben vom 10. November 2021 zudem Strafanzeige gegen den Kläger wegen des Verdachts einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG. Randnummer 12 Mit E-Mail vom 20. Dezember 2021 teilte das zuvor durch den Beklagten um Amtshilfe ersuchte deutsche Generalkonsulat Danzig mit, dass für die Tochter des Klägers eine polnische Personenidentifikationsnummer im einschlägigen Personenregister eingetragen sei, aber keine Eintragung hinsichtlich eines ständigen oder vorübergehenden Wohnsitzes der Tochter in Polen existiere. Nach einem Vermerk des Beklagten vom 20. Januar 2022 habe der Kläger angerufen, um sich nach dem Sachstand des aufenthaltsrechtlichen Verfahrens seines Sohnes zu erkundigen. Im Rahmen dieses Telefonats sei der Kläger nach dem Aufenthalt seiner Tochter befragt worden. Der Kläger habe daraufhin erklärt, dass der Verbleib seiner Tochter in Polen auf Grund seiner Volkszugehörigkeit zu den Roma „anders sei“ und sowas durchaus „üblich“. Er habe seit drei Monaten keinen Kontakt zu seiner Tochter gehabt. Aufgrund einer hohen Sprachbarriere sei eine einwandfreie Verständigung nicht möglich, es sei jedoch davon auszugehen, dass der Kläger durchaus die Frage verstanden habe. Randnummer 13 Mit Bescheid vom 14. März 2022 nahm der Beklagte in Ziffer 1a) die erste Verlängerung des Aufenthaltstitels, erteilt am 1. Juni 2018 mit Gültigkeit bis zum 28. September 2020 (mit Fortbestandsfiktion verlängert bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 AufenthG) und in Ziffer 1b) die zweite Verlängerung des Aufenthaltstitels, erteilt am 4. Juni 2021 mit einer Gültigkeit bis zum 3. Juni 2023, mit Wirkung für die Vergangenheit und die Zukunft zurück. Weiter verfügte der Beklagte die Rückgabe des Aufenthaltstitels (Ziffer 2), ordnete hinsichtlich der Ziffern 1 und 2 die sofortige Vollziehung an (Ziffer 3), drohte für den Fall der nicht freiwilligen Ausreise des Klägers innerhalb von 30 Tagen die Abschiebung an (Ziffer 4) und ordnete für den Fall der Abschiebung ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für einen Zeitraum von 12 Monaten ab dem Tag der Abschiebung an. Die Rücknahme begründete der Beklagte im Wesentlichen damit, dass die erstmalig am 31. Juli 2017 erteilte Aufenthaltserlaubnis rechtswidrig sei und nicht hätte erteilt werden dürfen. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass der Kläger vorsätzlich verschwiegen habe, dass sich seine Tochter xxx mindestens seit dem 29. Juli 2019 nicht mehr in Deutschland aufhalte. Der Kläger sei verpflichtet gewesen, jedwede Änderungen dem Beklagten unverzüglich mitzuteilen. Der Kläger habe den Beklagten bewusst getäuscht, sodass die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis nach § 116 Abs. 1 LVwG vorlägen. Der Beklagte führte weiter aus, dass das öffentliche Interesse an der Rücknahme das schutzwürdige Vertrauen des Klägers auf den Bestand des Verwaltungsaktes überwiege. Das öffentliche Interesse ergebe sich daraus, dass dem Kläger verdeutlicht werden müsse, dass vorsätzlich falsche Angaben gegenüber der Ausländerbehörde einen Straftatbestand erfüllten und zugleich auch ein Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 2 Nr. 8a) AufenthG darstellten. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, da der begünstigende Verwaltungsakt durch Angabe falscher Tatsachen erwirkt worden sei. Eine Interessenabwägung sei aber dennoch erforderlich, wobei insbesondere Umstände wie die Dauer des Aufenthalts, die persönlichen, wirtschaftlichen oder sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und Herkunftsstaat, die Folgen der Rücknahme für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich ein Ausländer rechtstreu verhalte, berücksichtigt werden müssten. Ferner müsse der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eingehalten werden. Der Kläger könne sich vorliegend aber nicht auf die familiäre Beziehung zu seiner Tochter xxx berufen, da die Anforderungen für die Ausübung der elterlichen Sorge nicht erfüllt seien. Das bloß formale Bestehen der (rechtlichen) Vaterschaft genüge insoweit nicht. Auf Grund der Gesamtumstände sei davon auszugehen, dass der Kläger die Vaterschaft zu dem deutschen Kind nur zur Begründung eines Aufenthaltsrechts angenommen habe. Zwar sei der Kläger – durch seine Tätigkeit bei der Firma xxx – wirtschaftlich integriert, an seiner sonstigen Integration bestünden hingegen Zweifel. Eine solche setze nämlich ein gesetzestreues Verhalten voraus. Auch der Umstand, dass der Kläger und seine Ehefrau sowie die weiteren Kinder des Klägers in der Bundesrepublik lebten, stelle kein überwiegendes Interesse für den weiteren Bestand eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes dar. Die Rücknahme sei auch nicht auch nicht aus dem Grund ermessensfehlerhaft, dass dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach der Rücknahme sogleich wieder zu erteilen sei. Ein Anspruch des Klägers auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG bestehe nicht. Schließlich sei die Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis auch für die Vergangenheit erforderlich, da die Voraussetzungen für dessen Erteilung auf Grund der Falschangaben „nie“ vorgelegen hätten. Ferner sei die für eine Niederlassungserlaubnis nach § 28 Abs. 2 AufenthG erforderliche Besitzzeit ebenfalls nur durch die Angabe bzw. Verschweigen entscheidungserheblicher Tatsachen entstanden und müsse „berichtigt“ werden. Randnummer 14 Am 5. April 2022 legte der Kläger Widerspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, dass er bislang ein „tadelloses“ Leben in Deutschland geführt habe, arbeite und Steuern zahle. Zudem habe er sich laufend fortgebildet und Deutschkurse besucht. Randnummer 15 Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Mai 2022 zurück. Randnummer 16 Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass der Kläger keine entgegenstehenden Erkenntnisse zum Aufenthalt des deutschen Kindes vorgebracht habe. Zudem sei ein Großteil der Integrationserfolge des Klägers darauf zurückzuführen, dass er bei Erteilung des Aufenthaltstitels über den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes getäuscht habe. Ein Anspruch des Klägers auf eine Aufenthaltserlaubnis bestehe „mindestens seit dem melderechtlichen Fortzug nach Polen“ nicht mehr. Die Rücknahme der im Ausgangsbescheid ausdrücklich benannten Aufenthaltstitel habe daher „ mit Wirkung für die Vergangenheit (bis einschließlich 29. Juli 2019)“ zu erfolgen. Randnummer 17 Der Kläger hat am 19. Mai 2022 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, der Bescheid vom 14. März 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Mai 2022 sei – aus den im Widerspruchsverfahren vorgetragenen Gründen – rechtswidrig. Randnummer 18 Nach einem Vermerk des Beklagten vom 31. Mai 2022 sei der Kläger am selben Tag zur persönlichen Vorstellung erschienen und habe angegeben, regelmäßigen Kontakt zu seiner Tochter zu haben. Er habe die Telefonnummer der Kindesmutter eingereicht und angegeben, diese lebe zeitweise in Polen und zeitweise in xxx. Den Wohnort der Kindesmutter in Polen kenne er nicht, da ihr Ehemann sehr eifersüchtig sei und es nicht zulasse, dass er die Kindesmutter und seine Tochter besuche. Er habe aber regelmäßig Kontakt zu seiner Tochter, wenn sie in xxx sei, was aber nur unregelmäßig der Fall sei. Ansonsten telefoniere er ca. einmal im Monat mit seiner Tochter, der überwiegende Anteil des Kontakts finde aber über WhatsApp statt. Randnummer 19 Am 9. Juni 2022 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG. Mit Schreiben vom 15. Juni 2022 wandte sich der Kläger an die Härtefallkommission des Landes A-Stadt und gab an, dass er die Kindesmutter im Sommer des Jahres 2012 nach dem Besuch eines Festivals in Dänemark in xxx kennengelernt habe und eine kurze Zeit mit ihr zusammen gewesen sei. Die Kindesmutter gehöre – wie er – ebenfalls der Gruppe der Sinti und Roma an. Ferner gab er in dem Schreiben an, seine Tochter regelmäßig zu besuchen. Er habe ihr zudem Dinge, wie etwa Kleidung, gekauft, wenn sie etwas benötigt habe. Das letzte Mal gesehen habe er seine Tochter im Dezember 2021. Wegen des aggressiven Verhaltens des Ehemannes der Kindesmutter habe er sich mit seiner Tochter in einem Fast-Food-Restaurant getroffen und sei danach mit ihr zum Spielplatz gegangen. Die Kindesmutter habe ihm nichts von einem Umzug nach Polen mitgeteilt. Es hätten dennoch in den letzten Jahren regelmäßige Treffen mit der Tochter in xxx stattgefunden und es habe Kontakt über WhatsApp gegeben. Randnummer 20 Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 20. Juni 2022 mit, dass er die Entscheidung über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25b AufenthG bis zur gerichtlichen Entscheidung über das Strafverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG nach § 79 Abs. 2 AufenthG aussetze. Randnummer 21 Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung den mit Klagerhebung gestellten Antrag zu 2), den Beklagten zu verpflichten, ihm eine – unbefristete – Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, zurückgenommen. Randnummer 22 Er beantragt nunmehr noch, Randnummer 23 den Ausgangsbescheid des Beklagten vom 14.03.2022 zur Rücknahme der Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG mit Wirkung für die Vergangenheit und Zukunft in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 13. Mai 2022 zum dortigen Az. 2322-20/028851 aufzuheben. Randnummer 24 Der Beklagte beantragt, Randnummer 25 die Klage abzuweisen. Randnummer 26 Zu Begründung verweist er im Wesentlichen auf seine Ausführungen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und trägt ergänzend vor, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufenthaltstitels vom 1. Juni 2018 keine aktive Ausübung der Personensorge für das deutsche Kind vorgelegen habe. Dies sei für einen Aufenthaltstitel nach § 28 Abs. 1 Satz 1 AufenthG aber ausschlaggebend. Randnummer 27 Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung am 2. Juni 2023 persönlich angehört worden, wegen des Inhalts der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen wird der Bescheid vom 14. März 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Mai 2022 aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreck-bar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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SG Gießen 15. Kammer
Hessen
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02.08.2007
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um die Höhe des Krankengeldes des Klägers für die Zeit vom 08.06.2005 bis zum 15.05.2006. Randnummer 2 Der 1950 geborene Kläger war Verwaltungsangestellter bei der Agentur für Arbeit G. Am 07.12.2004 erkrankte er arbeitsunfähig und bezog vom 07.12. bis zum 07.06.2005 Entgeltfortzahlung von Seiten seines Arbeitgebers. In der Zeit vom 08.06.2005 bis zum 15.05.2006 erhielt er von der Beklagten Krankengeld. Randnummer 3 Nach einer Verdienstbescheinigung seines Arbeitgebers vom 27.05.2005 betrug das Entgelt des Klägers im zuletzt abgerechneten Entgeltabrechnungszeitraum vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 01.12.2004 bis zum 31.12.2004 2823,10 EUR brutto bzw. 1705,54 EUR netto. Ab dem 01.05.2005 war zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber Altersteilzeit vereinbart mit einer Freistellungsphase ab dem 01.08.2007, so dass der Kläger ab dem 01.02.2005 nur ein gekürztes Entgelt erhielt in Höhe von 1439,05 EUR brutto bzw. 1042,17 EUR netto. Ab dem 01.02.2005 erhielt der Kläger auf der Basis dieses gekürzten Entgeltes die Entgeltfortzahlung. Randnummer 4 Die Beklagte berechnete die Höhe des Krankengeldes aus dem wegen der Altersteilzeit gekürzten ab 01.02.2005 gezahlten Entgelt in Höhe von 1439,05 EUR brutto. Randnummer 5 Mit Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 03.11.2005 wurde dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.01.2005 in Höhe von 516,87 EUR im Monat bewilligt. Aufgrund des Bezugs der Erwerbsminderungsrente wurde der Altersteilzeitvertrag zwischen dem Kläger und seinem Arbeitgeber rückwirkend aufgelöst. Der Kläger beantragte daher die Nachzahlung des Krankengeldes auf der Basis des Entgelts für November 2004. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit formlosem Bescheid vom 09.05.2006 ab, da die Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber ab 01.02.2005 in Höhe des vereinbarten Entgelts für die Altersteilzeit geleistet worden sei, das Krankengeld sei nach dem tatsächlich gezahlten Entgelt zu berechnen. Randnummer 6 Hiergegen erhob der Kläger am 15.05.2006 Widerspruch und führte aus, das Krankengeld sei aus dem Regelentgelt vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit zu zahlen, das sei das Entgelt aus Dezember 2004. Randnummer 7 Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie begründet dies damit, dass das Krankengeld aus dem zuletzt bezogenen Nettoentgelt gezahlt worden sei, eine höhere Krankengeldzahlung sei nicht möglich. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 4 SGB V sei Krankengeld auf der Basis des durch die Altersteilzeitregelung ab 01.02.2005 reduzierten Arbeitsentgelts zu berechnen; die rückwirkende Aufhebung der Altersteilzeitvereinbarung sei nicht zu berücksichtigen. Randnummer 8 Hiergegen hat der Kläger am 31.07.2006 Klage zum erkennenden Gericht erhoben. Randnummer 9 Der Kläger begehrt die Berechnung des Krankengelds nach dem vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Arbeitsentgelt. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Krankengeld vom 08.06.2005 bis 15.05.2006 nach dem vor dem 07.12.2004 zuletzt abgerechneten Arbeitsentgelt des November 2004 zu berechnen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Beklagte trägt vor, der Gesetzgeber habe mit § 47 Abs. 2 Satz 4 SGB V sicherstellen wollen, dass bei flexiblen Arbeitszeitmodellen das Krankengeld nur auf der Basis des tatsächlich gezahlten Entgelts berechnet würde. Nach einer Vereinbarung der Spitzenverbände zur einheitlichen Rechtsanwendung sei nach dem Ablauf der Entgeltfortzahlung Krankengeld auf Basis der dann aktuellen Verhältnisse zu zahlen, wenn Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der flexiblen Altersteilzeitregelung eingetreten sei und noch Entgeltfortzahlungsansprüche über den Beginn der flexiblen Arbeitszeitregelung hinaus bestünden. Dies entspreche der Entgeltersatzfunktion des Krankengeldes und führe dazu, dass Versicherte, die vor oder im ersten Monat der flexiblen Arbeitszeitregelung erkranken nicht besser gestellt würden als Versicherte, die erst ab dem zweiten Monat erkrankten. Randnummer 15 Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Beklagtenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 09.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.2006 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, das Krankengeld vom 08.06.2005 bis 15.05.2006 nach dem vor dem 07.12.2004 zuletzt abgerechneten Arbeitsentgelt des November 2004 zu berechnen. 2. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten in gesetzlich zulässigem Umfang zu erstatten.
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AG Hamburg Entscheidungsname: Internet-Rechte
Hamburg
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31.10.2014
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz für das angebliche widerrechtliche öffentliche Zugänglichmachen eines Films in einer Dateitauschbörse über den Internetanschluss des Beklagten. Randnummer 2 Die Klägerin ist Inkassozessionarin einer vermeintlichen Forderung des Filmproduktions- und Filmvertriebsunternehmens K (im Folgenden: Zedentin). Randnummer 3 Der Beklagte ist Inhaber eines privaten Internetzugangs in Lage. Randnummer 4 In dezentralen Computernetzwerken, sog. Peer-to-Peer-Netzwerken bzw. Online-Tauschbörsen, werden Film- und sonstige Dateien von den jeweils Beteiligten zum Download angeboten. Jeder Nutzer des Netzwerks kann die Dateien von der Festplatte des Anbietenden ohne Entgeltzahlung herunterladen und bietet sie schon während des Herunterladens wieder anderen Nutzern zum Download an. Randnummer 5 Zum Zweck der Verfolgung widerrechtlicher Verbreitungen von geschützten Werken beauftragte die Zedentin den Sicherheitsdienstleister G Ltd. mit der Überwachung bestimmter Peer-to-Peer-Netzwerke. Für den 05.10.2009 um 22:14:03 Uhr MESZ teilte die G Ltd. der Zedentin eine vermeintliche Verletzung der Rechte an dem streitgegenständlichen Film durch das Zurverfügungstellen der Filmdatei über den Internetanschluss der von der D AG als Internet Service Provider zugewiesenen IP-Adresse 91xxxx mit. Aufgrund hiernach von der Zedentin beim Landgericht Köln erwirkter Gestattungsanordnung benannte die D AG den Beklagten als Inhaber des Anschlusses, dem im fraglichen Zeitpunkt die benannte IP-Adresse zuzuordnen war. Randnummer 6 Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.12.2009 (Anlage K10) ließ die Zedentin den Beklagten wegen des behaupteten Urheberrechtsverstoßes vom 05.10.2009 abmahnen und zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern und die pauschale Zahlung eines Vergleichsbetrages in Höhe von 900,00 € anbieten. Wegen der Einzelheiten des Schreibens wird auf Anlage K10 verwiesen. Der Beklagte reagierte darauf nicht. Randnummer 7 Mit Abtretungsvertrag vom 06.12.2012 übertrug die Zedentin zum Zwecke der Forderungseinziehung ihre Zahlungsansprüche aus dem streitgegenständlichen Vorfall gegen den Beklagten in vollem Umfang auf die Klägerin, wie sich aus der dazu eingereichten Bestätigung vom 05.03.2013 (Anlage K11) ergibt. Randnummer 8 Die Klägerin hat ihre vermeintlichen Ansprüche zunächst im Mahnverfahren verfolgt und einen Mahnbescheid über 1.698,00 € in der Hauptforderung beantragt, welcher auch erlassen und dem Beklagten am 22.12.2012 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat darin als Hauptforderung einen Anspruch in der eben genannten Höhe geltend gemacht und diesen wie folgt bezeichnet: Randnummer 9 „Schadenersatz aus Unfall/Vorfall gem. Schadenersatz (Fileshari 2765 vom 05.10.09“ Randnummer 10 Wegen des weiteren Inhalts des Mahnbescheids wird auf den Aktenausdruck des Mahngerichts verwiesen. Randnummer 11 Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Erstattung der Anwaltskosten für die Abmahnung des Beklagten in Höhe von 651,80 € nach einem Gegenstandswert von 10.000 € für den mit dem Abmahnschreiben gemäß Anlage K10 geltend gemachten Unterlassungsanspruch sowie sog. lizenzanalogen Schadensersatz in Höhe von mindestens 400,00 € für die behauptete Urheberrechtsverletzung. Randnummer 12 Die Klägerin behauptet, der Beklagte sei Täter der in Streit stehenden Urheberrechtsverletzung. Die Zedentin sei Inhaberin verschiedener ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Film „B Wanted“ in der synchronisierten deutschen Sprachfassung und der Originalfassung zur Verbreitung im deutschsprachigen Raum. Die Zedentin sei durch Lizenzvereinbarung mit der Produzentin der englischsprachigen Originalfassung des Films, der B Inc., vom 05.06.2008 (Anlage K5) Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für den Vertrieb des Filmwerks „B Wanted“ im deutschsprachigen Raum auf DVD, Video on Demand sowie als Download geworden. Die Zedentin habe, wozu sie berechtigt gewesen sei, eine synchronisierte Fassung des Films in deutscher Sprache herstellen lassen. Die Klägerin meint, an der synchronisierten Fassung stünden der Zedentin aufgrund entsprechender Vereinbarung mit der Synchronisationsfirma sämtliche Nutzungs- und Auswertungsrechte in vollem Umfang zu. Randnummer 13 Nach Übergang in das streitige Verfahren hat die Klägerin mit ihrer Anspruchsbegründung, eingegangen bei Gericht am 06.02.2014 vorab per Telefax und zugestellt an den Beklagten am 21.03.2014, beantragt, Randnummer 14 1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz. Dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 400,00 € betragen soll, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; 2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 651,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; Randnummer 15 Der Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Er erhebt die Einrede der Verjährung und stellt die Aktivlegitimation der Klägerin in Abrede.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet. 4. Der Streitwert wird auf 1.698,00 € festgesetzt.
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VG Neustadt (Weinstraße) 1. Kammer
Rheinland-Pfalz
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18.02.2014
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Randnummer 1 Der 1948 geborene Kläger war bis zu seiner Ruhestandsversetzung mit Ablauf des 30. April 2013 Kommunalbeamter der Beklagten. Er wendet sich mit der vorliegenden Klage gegen die vollständige Anrechnung einer Rente auf seine Versorgungsbezüge. Randnummer 2 Der Kläger absolvierte vom 1. April 1963 bis zum 31. März 1966 eine Lehrzeit als Angestelltenlehrling beim Pfälzischen Kassenverband, Steuer- und Gemeindeeinnehmerei X. Dem lag ein Lehrvertrag zugrunde, dem die Richtlinien über die Verhältnisse der Angestelltenlehrlinge und Anlernlinge bei den Steuer- und Gemeindeeinnehmereien der Pfalz vom 6. April 1955 beigefügt waren. Nach Ziffer 8 dieser Richtlinien richteten sich Kranken-, Angestellten- und Unfallversicherung der Lehrlinge nach den jeweils geltenden Vorschriften und die für die Gewährung von Beihilfen und Unterstützungen einschlägigen Bestimmungen fanden Anwendung. Vom 1. April 1966 bis zum 31. Dezember 1972 schloss sich ein Angestelltenverhältnis des Klägers mit dem Pfälzischen Kassenverband an, ab 1. Januar 1973 wurde er bei der Beklagten als Angestellter mit Zusatzversorgung beschäftigt. Zum 1. Januar 1975 erfolgte die Ernennung des Klägers ins Beamtenverhältnis. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 15. Februar 2005 erkannte die Beklagte die Angestelltenzeiten des Klägers als Zeiten einer hauptberuflichen, zur Ernennung führenden Tätigkeit im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn gemäß § 10 Beamtenversorgungsgesetz an. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 14. Februar 2013 setzte sie die Versorgungsbezüge des Klägers fest mit einem Ruhegehaltssatz von 71,75 %. Hiergegen erhob der Kläger keinen Widerspruch. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 13. Mai 2013 regelte die Beklagte gemäß § 55 Beamtenversorgungsgesetz die vollständige Anrechnung der vom Kläger bezogenen Rente in Höhe von 214,43 € auf die Versorgungsbezüge und führte zur Begründung aus, die Vorschriften des 2. Haushaltsstrukturgesetzes seien nicht einschlägig. Randnummer 6 Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch: Die Nichtanwendung des im Haushaltsstrukturgesetz geregelten Freibetrags bei der Rentenanrechnung müsse überprüft werden. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Februar 2013 gehe von anerkannten Dienstzeiten ab dem 14. April 1965 aus. Randnummer 7 Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Art. § 2 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes sei nicht anwendbar, weil vor dem 1. Januar 1966 kein Beamtenverhältnis des Klägers bestanden habe. Das damals bestehende Ausbildungsverhältnis sei kein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis gewesen, sondern habe auf einem privatrechtlichen Vertrag beruht. Es begründe keine Versorgungsansprüche, sondern Rentenansprüche. Randnummer 8 Der Kläger hat am 22. August 2013 Klage erhoben. Randnummer 9 Er trägt vor: Entscheidend für die Anwendung des Art. 2 § 2 des 2. Haushaltsstrukturgesetzes sei der Begriff des öffentlichen Dienstes, der vom Bundesverwaltungsgericht (E 30, 87) als Tätigkeit im Dienst einer juristischen Person des öffentlichen Rechts definiert werde. Davon seien Beamte, Angestellte, Soldaten und Richter erfasst. Er sei stets bei einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft beschäftigt gewesen, auch in seiner Lehrzeit. Gemäß § 5 des Lehrvertrags seien ihm Erziehungsbeihilfen nach den Richtlinien für Lehrlinge im öffentlichen Dienst gewährt worden, die an das Beamtenrecht angenähert gewesen seien. In den Hinweisblättern der Beklagten für Versorgungsempfänger werde ausgeführt, dass eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes jede Tätigkeit sei, die nicht Verwendung im öffentlichen Dienst sei, was ebenfalls seine Auslegung der Norm bestätige. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 den Bescheid vom 13. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2013 abzuändern und die Versorgungsbezüge unter Anerkennung eines Freibetrages von 40 % der anzurechnenden Rente festzusetzen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Sie trägt vor: öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse im Sinne des 2. Haushaltsstrukturgesetzes würden durch einseitige Maßnahmen, wie einen Verwaltungsakt begründet und unterlägen dem Beamtenversorgungs- und Besoldungsrecht. Das sei nicht erfüllt bei einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis wie hier. Des Weiteren liege kein gleichgestelltes Arbeitsverhältnis gemäß §§ 5, 6 des Sozialgesetzbuchs VI vor. Die vom Kläger angeführten Richtlinien für Lehrlinge seien seit 1961 nicht mehr angewandt worden, offenbar sei ihm damals noch ein altes Formular ausgehändigt worden. Das Merkblatt für Versorgungsempfänger betreffe § 53, nicht den hier streitgegenständlichen § 55 Beamtenversorgungsgesetz. Schließlich fehle es am erforderlichen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang der Lehrlingszeit des Klägers mit dem späteren Beamtenverhältnis. Randnummer 15 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
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